Gewalt hat viele Gesichter

Kapitalismus tötet - durch Arbeit, Armut und Staatsgewalt

Morgen, am 3. August beginnt in Verden der Prozess gegen Werner Braeuner. Von der Vorgeschichte dieses Prozesses habt ihr vielleicht gehört, denn sie ist im Februar groß durch die Medien gegeistert:

»Arbeitsloser ersticht Arbeitsamtdirektor«

Juristisch ist diese Geschichte eine eindeutige Angelegenheit: Totschlag oder Mord. Also eine allägliche BILD-Zeitungsstory? Der Unterschied zu Schlagzeilen wie »Mann tötet Frau und die Kinder« besteht in der Vorgeschichte und darin, daß Werner Braeuner die Gewalt nicht gegen sich, oder sein persönliches Umfeld gerichtet hat, sondern gegen denjenigen, der für ihn die Verkörperung des Schikanierens war. Uns erstaunt weniger, daß Werner Braeuner »durchgedreht« ist, sondern, daß solche Vorfälle ziemlich selten sind. Hätte Werner Selbstmord begangen, wir würden heute nicht hier stehen, weil wir nichts davon erfahren hätten.

Hier liegt der Skandal dieser Gesellschaft, in der Normalität der alltäglichen Gewalt, in der Normalität der »alltäglichen Schlagzeilen«.

(K)eine alltägliche Geschichte

Werner Braeuner ist gelernter Maschinenbauingenieur und seit 8 Jahren arbeitslos. Jede/r, der oder die lange arbeitslos war, weiß, was das bedeutet: immer weniger Geld, entwürdigende Gespräche auf den Ämtern, soziale Isolation und der Druck zu immer mieseren Jobs.

Seit 1998 engagiert sich Werner in der europäischen Erwerbslosenbewegung. Dort findet er eine Stütze und Austausch.

Im Juli 2000 beginnt Werner eine Weiterbildungsmaßnahme. Nach fünf Monaten bricht er sie wieder ab, weil er das ganze als Zeitverschwendung empfindet. Er informiert den Verdener Arbeitsamtdirektor über seinen Entschluß. Der Direktor streicht ihm daraufhin die Arbeitslosenhilfe. Diese Entscheidung gibt Werner den Rest, nach jahrelanger finanzieller Knappheit und Ämterstress, denkt er an Selbstmord.

Nachdem Werner Braeuner Anfang Februar den amtlichen Bescheid über die Sperre erhält, beschließt er am 6. Februar letztendlich Klaus Herzberg vor seinem Haus aufzusuchen und zur Rede zu stellen. Klaus Herzberg bleibt bei seiner Entscheidung, Werner Braeuner dreht durch und schlägt zu. Seitdem sitzt er im Verdener Gefängnis.

Der ganz alltägliche Wahnsinn

Arbeitslose, die sich wehren, statt sich in Demut zu üben, sind keine »guten« Arbeitslose. Arbeitslose sollen auch noch dankbar sein, wenn die Ämter sie unter Stress setzen, sie hierhin und dorthin schicken. Ähnlich ist es heute mit den »guten« ArbeiterInnen, die alles tun sollen, um ihren Arbeitplatz zu sichern: immer mehr Überstunden kloppen, auf Lohn, Urlaub und Rechte verzichten, lieber krank zur Arbeit gehen, als die Chefs zu verärgern...

Wer die Nachrichten verfolgt, langt sich an den Kopf: Auf der einen Seite Druck auf Arbeitslose, SoziempfängerInnen und ArbeiterInnen. Gleichzeitig wird verkündet: nächstes Jahr wird die Arbeitslosigkeit zunehmen, zahlreiche große Konzerne werden Stellen abbauen. Vom angekündigten »Aufschwung« keine Spur:

»Vollbeschäftigung« wird es nicht nur deswegen nicht mehr geben, weil wir inzwischen viele þ und andere! - Dinge mit weniger Arbeitzeit herstellen können, sondern auch, weil in Zeiten der Vollbeschäftigung die Ansprüche steigen, am Ende überhaupt niemand mehr arbeiten will.

Zur Logik des Kapitalismus gehört Arbeitslosigkeit, genauso wie die wachsenden Überstunden, der immer geringere Lohn, und erst recht der Zwang zur Arbeit

Beim Treffen der G8 (die acht größten Industrienationen der Welt) in Genua war die Krise der Weltwirtschaft ein zentrales Thema. Der Protest der »Globalisierungsgegner« richtet sich gegen die Gewalt, gegen die Armut und das Elend, das unser Wirtschaftssystem hervorbringt. 200 000 Demonstranten waren im Genua und ihr Protest war mächtig. Mächtig war auch die Antwort mit Polizei und Militär: Ein Toter, zahlreiche Schwerverletzte, mehrere Hunderte Verletzte und Gefangene.

Davon ist momentan eine Debatte über das Unrecht der Gewalt (auf Seiten der Globalisierungsgegner) und um das Recht des Staates Gewalt anzuwenden, übriggeblieben. Diese Debatte lenkt von der Tatsache ab: Die Mächtigen dieser Welt, ob sie G8 heißen oder anders, sie alle haben keine Antwort auf die Probleme dieser Welt, keine Antwort auf die Krise des globalen Kapitalismus und seinen Folgen.

»Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen«, sagt der deutsche Volksmund, moderner heißt das: »Es gibt kein Recht auf Faulheit« (Gerhard Schröder). Aber: Was ist denn überhaupt Faulheit, was zählt zur Arbeit und für wen arbeiten wir? Warum sollen wir arbeiten für die Profite der Unternehmen, die uns ausbeuten, warum sollen wir tausende Dinge produzieren, die unsinnig sind- um anschließend müde ins Bett zu fallen? Warum sollen wir den Gürtel immer enger schnallen?

Schluß mit dem Terror gegen die Arbeitslosen

Postanschrift von Werner Braeuner
JVA Verden, Stifthofstr. 10, 27283 Verden

Spendenkonto für Anwaltskosten etc.:
Rechtsanwalt Brennecke, Vermerk: »Werner Braeuner«
Kreissparkasse Achim, BLZ 29152670, KontoNr. 100680

ViSdP: Hans Peter Nacht          Kontakt: verleihnix@gmx.de