Genua 2001: Drei Tage Hölle und Leidenschaft [italivan.htm]


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Drei Tage Hölle und Leidenschaft

Bericht eines italienischen Genossen

Ich habe drei Tage Hölle und Leidenschaft erlebt. Die kollektive Freude ruiniert. Verdorben. Gangster in Uniform haben geprügelt, grausam geknüppelt, massakriert und getötet. In wissenschaftlicher und überlegter Manier.

Ich habe viele alte Freunde getroffen und neue kennengelernt.

Ich bin mit einem Bus mit GenossInnen aus Ventimiglia und Imperia von »LA SciNTiLLA« und den Giovani Comunisti [Jugendorganisation von Rifondazione] gefahren.

Wir sind Mittwoch angekommen, eigentlich wollten wir das Konzert sehen, aber unser Bus wurde angehalten und etwa anderthalb Stunden lang durchsucht, so dass wir nur noch das Ende vom Manu-Chao-Konzert mitbekommen haben.

Geschlafen haben wir in Nervi [Stadtteil von Genua], wo das Network per i Diritti Globali [Network für globale Rechte] sein Büro hat.

Am Donnerstag war ausgelassene Stimmung, Demo für die MigrantInnen. Bunt und fröhlich.

Am Freitag wussten wir, dass es ein harter Tag werden würde, überall waren Bullen. Sie sahen ziemlich nervös aus, und mehr als einmal haben sie Stunden vor Demobeginn GenossInnen mit Beleidigungen und Faschistengrüßen provoziert.

Wir kommen zur Piazza Di Novi, wo die Demo unter dem Motto »Arbeit« läuft. Auf der Piazza sind ArbeiterInnen von den COBAS, Centri Sociali und Kollektive, einige Dutzend GenossInnen von den Giovani Comunisti und von Rifondazione, die ihren »Ungehorsam« gegenüber den Anweisungen zum Zivilen Ungehorsam zeigen und lieber mit den Blaumännern als mit den weißen Tüten laufen. Nach einer Reihe von Redebeiträgen sollte die Demo eigentlich losgehen. Wir sind etwa 8000 bis 10 000, aber die anderen GenossInnen schaffen es nicht bis zu uns, weil die Polizei sie eingekesselt hat, um unseren Teil der Demo schon präventiv zu spalten. Das hört sich ziemlich besorgniserregend an, es stinkt verbrannt. Außerdem laufen etwa 400 Leute auf, die alle schwarz angezogen sind. Fast alles EngländerInnen, Deutsche und AmerikanerInnen. Fast alle total jung zwischen 18 und 28. Das ist der berüchtigte Schwarze Block. Sie setzen sich die Hasskappen und die Helme auf, sammeln Pflastersteine und holen Stangen und Knüppel raus. So wie sich im übrigen die meisten GenossInnen vom Network ganz autonom für die Selbstverteidigung der Demo gegen die Bütteln ausgerüstet hatten.

Noch bevor die Demo losgehen und der Ordnungsdienst sich formieren kann, sind die Ordnungskräfte schon da und knüppeln grundlos in die Demo. Die meisten Leute saßen auf dem Boden und aßen, tranken, diskutierten. Dieser ungerechtfertigte und unerwartete Angriff zwingt alle zu einer überstürzten Flucht. Eine erste Reihe aus schwarzen Overalls und GenossInnen vom Network versucht den Angriff zurückzuschlagen, um den von Panik ergriffenen Rest der Demo zu schützen und zusammenzuhalten. Die schwarzen Overalls smashen ein paar Banken und bauen aus einigen Müllcontainern und ein paar auf die Straße geschobenen Autos Barrikaden.

Die Polizei greift an drei Punkten an, es kommen haufenweise Wannen heran. Die Demo wird in zwei Teile zerrissen. Im einen Teil sind die meisten vom Network, im anderen die weißen Overalls und 300 bis 400 GenossInnen und auch wir. Die Tränengasgranaten fliegen pausenlos in Kopfhöhe und die Polizisten knüppeln weiter. Eine erste Reihe führt den Kampf weiter und versucht sie mit Pflastersteinen zu stoppen. Der Rauch ist total dicht und bildet eine dichte Nebeldecke. Die Leute ohne Gasmasken sind gezwungen, sich zurückzuziehen. Jetzt besteht unsere erste Reihe aus etwa 60 GenossInnen, die Bullen prügeln zu über 300. Genau in diesem Moment denke ich, das wird böse enden. Eine Granate trifft mich voll am Kopf. Natürlich hatte ich einen Helm auf, sonst wäre ich jetzt wahrscheinlich nicht hier und könnte das nicht erzählen. Der Schlag verletzt mich nicht, aber macht mich benommen, und der Rückschlag haut mich um. Ich bleibe etwa eine halbe Minute am Boden mitten im Tränengasnebel, das verdammte Gas dringt durch die Gasmaske und die Schutzbrille, die ich aufhabe. Ich kann nicht mehr atmen und sehe nichts, ich bin total verwirrt, Panik bemächtigt sich meiner und ich kann mich nicht bewegen. Ich höre, wie die Schritte der Bereitschaftsbullen immer näher kommen, immer näher an mich heran. Ich denke: Das war's! Jetzt bringen sie mich um! Ich spüre vier liebe rettende Arme, die mich hochheben und wegtragen. Sie träufeln mir weißliche Flüssigkeit in die Augen, und schon brennen sie weniger und ich kann wieder sehen und atme auch wieder gut. Es waren zwei Jungs vom Schwarzen Block. Beides Deutsche, der ohne Hasskappe total blond mit hellen Augen. Etwa 18 Jahre alt, würde ich sagen. Bei mir dachte ich: Ich werden ihnen ewig dankbar sein!!!

Aber währenddessen geht die Schlacht weiter, der nächste brutale Angriff der Bereitschaftspolizei wird von Mollis aufgehalten, eine Feuerwand schiebt sich zwischen uns und sie.

Gleichzeitig zünden die schwarzen Overalls Müllcontainer an und ziehen Autos auf die Straße und greifen Banken und Büros an. Was mir an ihnen vielleicht nicht so gefällt, ist ein gewisser Fetischismus in ihren Gesten. Sie haben eine Wahnsinns-Trommler-Combo, die der superorganisierten Miliz den Takt schlägt. Sie haben auch ein Dutzend Fahnenschwenker, die sich neben die Trommler stellen und während der Angriffe und direkten Aktionen aufmarschieren. Bei ihnen ist alles symbolisch. Eine Bank zu treffen, bedeutet für sie nicht, das Herz des Kapitalismus zu treffen, sondern ein Input, ein Signal zu geben. Das ist für sie in dem Moment ihre rote Zone. Dann gibt es einen Angriff auf einen Supermarkt! Sehr lustig und folkloristisch übrigens. Mit einer schwarzen Sprühdose schreiben sie sowas wie »all the food to the people«. Hunderte von DemonstrantInnen eignen sich die Waren wieder an, und zwar völlig umsonst. Proletarische Enteignung sagen die Leute immer wieder, während sie rein- und mit Einkaufswagen und Tüten voller Getränke wieder rausgehen, die ringsum verteilt werden. Dazu wäre noch zu sagen, dass auch einige GenueserInnen absolut nicht eingeschüchtert ankamen, um sich im »Volks-Supermarkt« einzudecken ;-).

Mit einer Gruppe von GenossInnen setzen wir uns von den schwarzen Overalls ab und gehen in Richtung Demo der Tütchen und der G.C. Wir wollten sie warnen, dass unten die Verrückten vom Schwarzen Block waren und Auseinandersetzungen mit der Polizei liefen. Aber Casarini und einige Tütchen aus Rom empfangen uns mit Rempeleien und Beleidigungen, weil wir Knüppel in der Hand haben und maskiert sind. Sie sagen: Mit euch vom Network dei diritti globali wird es böse enden, wir machen euch platt!

Um Probleme zu vermeiden, gehen wir weiter ans Ende der Demo. Aber auch dort empfängt der Ordnungsdienst der Tütchen einige GenossInnen aus Neapel und der Toskana vom Network mit den gestreiften Hemden, die auf der Flucht vor einem Knüppelangriff sind, mit Rempeleien. Ein Tütchen nimmt einem Genossen aus Neapel den Knüppel aus der Hand, und als dieser sich umdreht, haut er ihn ihm feige in den Rücken. Tumulte brechen aus. Dann begeben wir uns alle zusammen auf den Rückzug in Richtung Network-Hauptquartier.

Als wir ankommen, erfahren wir von dem toten Genossen. Außerdem hören wir, dass ein Mädchen lebensgefährlich verletzt ist. Die Spannung in der Luft lässt sich förmlich mit den Händen greifen, die Sache überrascht niemanden nach der Bösartigkeit und Grausamkeit der Polizeiknüppeleien. Sie haben einen 23jährigen Jungen ermordet, Scheiße! Das hätte ich sein können! Ich stellte mir schon vor, wie die Geier über seinem Körper kreisten. Die Zeitungen am nächsten Tag zeigten, dass ich recht hatte: »Er war ein Asselpunk«, »ein Gewalttäter«, »ein Schnorrer«, letztlich hat er es selbst so gewollt, der Carabiniere hat nur »aus Notwehr« geschossen, und deshalb haben sie ihn auch noch zweimal mit dem Jeep überfahren, aus Notwehr! Die erste Version, die die Carabinieri an die Presse geben, spricht davon, dass ein von den Demonstranten geworfener Stein den Jungen getroffen habe. Verdammte Schweine! Kaum, dass sich herumspricht, dass es Bilder gibt, dementieren sie alles und sprechen von »Notwehr«.

(Der Mord an Carlo Giuliani wurde von einigen GenossInnen aus ***** beobachtet und spielte sich so ab: Ein Konvoi aus einigen Fahrzeugen (kleine und große Jeeps) der Carambas raste blind auf den Teil der Demo in der Via Tolemaide los; die GenossInnen sprangen gerade noch rechtzeitig zur Seite, um nicht überfahren zu werden. Der Idiot am Steuer des blind losgerasten Jeeps hatte plötzlich einen Baum vor sich, wich aus und raste in einen Container; die GenossInnen, die er überfahren wollte, holten ihn ein und wollten sich rächen. Der Carabiniere, der drin saß, schoss; anscheinend hat noch irgendein anderer geschossen. Dann hat der Jeep den im Sterben liegenden Körper von Carlo Giuliani zweimal überfahren, vor und zurück, um einen Unfall zu simulieren.)

Wir wissen, dass die Polizei alle und jeden angegriffen hat, von den PazifistInnen bis zu den ausländischen Gruppen.

Nach etwa einer Stunde sehen wir einen Genossen von Rifonda und von La Scintilla aus Ventimiglia ankommen. Er ist völlig blutüberströmt, von Kopf bis Fuß. Seine Sachen sind rot getränkt und sein Kopf mit den klaffenden Platzwunden von den Knüppelschlägen ist notdürftig mit einem Hemd verbunden, trotzdem tropft das Blut nur so heraus. Barcolla. Er kann nicht atmen. Er spricht keuchend und mühsam. Die Sanitäter kommen. Sie nähen ihn mit 25 Stichen am Kopf und diagnostizieren mehrere Knochenbrüche. Bruno ist 53 Jahre alt. Er war auch in Nizza neben mir. Er ist ein Familienvater. Er wurde von den Terroristen in Uniform massakriert, die auch noch nach dem Knüppelangriff weiter auf seinen erschöpften und zerschlagenen Körper eingeschlagen haben.

Wir erfahren, dass einer vom Schwarzen Block einem Cobas-Chef einen Knüppel über den Kopf gezogen hat. Später stellt sich heraus, dass es sich nur um einen Einzelgänger aus Mailand gehandelt hat.

Die Position des Network per i Diritti Globali ist es, den Teil der Bewegung, der andere Strategien als die anderen hat, weder zu kriminalisieren noch mit dem Finger auf ihn zu zeigen. Das sehe ich auch so.

Am Samstag morgen werden wir wieder wach. Das Klima ist bleiern. Eine stumme Wut, ein Gefühl wütender Ohnmacht bemächtigt sich vieler GenossInnen. An diesem Morgen werden keine Parolen gerufen. Es herrscht Spannung, und wir atmen den stechenden und wütenden Schmerz mit vollen Lungen. Sie haben einen, vielleicht zwei GenossInnen ermordet. Hunderte von Verletzten durch brutale Prügeleien. Hunderte von zerschlagenen Köpfen. Während des ganzen ersten Teils der Demo ist kein einziger Bulle zu sehen. Wir sind im Ordnungdienst der Cobas des Network. Wir haben Schilder, Helme und Reifenschläuche. Mit Staunen bemerken wir, dass nur ganz wenige in der riesigen Demo wie wir Mittel zur Selbstverteidigung tragen. Wird die Demo vielleicht ohne Probleme ablaufen, werden die Bullen angesichts ihres »chilenischen« Auftretens von gestern ruhiger sein und nicht provozieren? Während viele sich diese Frage stellen, erfahren wir, dass es Probleme an der Spitze der Demo gibt. Ich und drei andere GenossInnen vom Ordnungsdienst gehen nachsehen, was los ist. Es ist unglaublich: Die Ordnungskräfte knüppeln auf die Spitze der Demo ein, wo einige Ränder mit Steinen antworten, und sie knüppeln auch auf das andere Ende der Demo ein, das aus Familien, Kindern, alten Leuten von Rifondazione, Vereinen usw. besteht, das gerade Richtung Via Torino geschwenkt war. Plötzlich wird mir klar, dass das Chaos ausgebrochen ist. Die Polzei will uns einkesseln und eine Mattanza [traditionelles Thunfisch-Schlachtfest in Süditalien] wie in Neapel [1] veranstalten!!! Ich komme gerade noch rechtzeitig bei meinem Teil der Demo an, um die auf dem Dach postierten Scharfschützen zu sehen, die Tränengasgranaten auf die Köpfe der Leute in der Mitte der Demo schießen. Ein Regen von Granaten wird auch von den Hubschraubern abgeschossen und ein paar von den Polizeibooten auf dem Meer. Das ist das Chaos! Das ist der pure Wahnsinn! Die Leute fliehen panisch. Ich sehe eine dicke Dame, etwa 60 Jahre alt, die auf dem Boden zusammengebrochen ist und sich vom Tränengas übergibt. Ich helfe ihr aufzustehen, aber ich muss abhauen, ich spüre, wie die Granaten wenige Meter, wenige Zentimeter von mir entfernt einschlagen. Ich habe fast völlig den Überblick verloren, ich kann nicht richtig atmen, ich sehe nichts und dieses verdammte Tränengas brennt auf der Haut wie die Hölle. Ich sehe einen Krankenwagen! Ich werfe mich hinein! Aber drinnen stapeln sich schon Dutzende von Leuten übereinander, alle schreien, weinen, ich sehe da drin ein ohnmächtiges Kind. Der Sanitäter gießt mir Flüssigkeit ein, ich tue sie mir ins Gesicht und kann sehen, aber ... es ist wirklich wahnsinnig! Sie schießen auf den Krankenwagen! Ich spüre die trockenen Schläge der Granaten auf dem Dach, Tum, Tum, Tum, Tum, taube Schläge treffen die Seiten und das Dach des Wagens. Ich merke, wie ich die Selbstbeherrschung verliere und dass sich die Panik meiner bemächtigt! Ich beschließe, alles auf eine Karte zu setzen ... Ich steige aus, mitten im Gas, und laufe wie verrückt und bedecke mir dabei den Kopf mit den Händen, ich höre immer noch diese Einschläge wenige Meter neben mir! Ein Wahnsinnslauf mit geschlossenen Augen. Nach 200, 300 Metern renne ich gegen die GenossInnen von Liliput, glaube ich, sie hatten alle die Hände hoch erhoben und versuchten aus dem Gedränge herauszukommen.

Endlich draußen! Es ist unglaublich! Die Polizei hat sie echt nicht mehr alle! Verbrecher! Terroristen! Mörder! Das ist das einzige, was ich denken kann! Ich treffe einen anderen Genossen aus Imperia, wir laufen kilometerweit und kommen in der Umgebung des Network an! Wir kommen im Stadtteil Nervi an und sehen Leute, die sich die Haare raufen, andere sitzen mit dem Kopf in den Händen, alle sind entweder am Weinen oder am Schimpfen. ES IST UNGLAUBLICH!!! Die uniformierten Gangster sind während der Demo gekommen und haben einige Dutzend GenossInnen festgenommen (überwiegend Mädchen, Frauen und Verletzte) und haben ALLES VERWÜSTET! Zerbrochene Mobiltelefone, verwüstete Taschen und Koffer, abgerissene Zelte, die Klamotten der GenossInnen in die Chemieklos geworfen!!! Ein Delirium! Ganz ehrlich, ist hatte nicht gedacht, dass sie so weit gehen! Wir sammeln ein, was wir finden, dann sind drei Autos bereit, um uns nach Hause zu bringen. Es ist noch nicht vorbei, wir machen halt an einer Autobahnraststätte. Dort stehen drei Wannen der Polizei, und der dickste Polizist bemerkt einen Genossen von uns mit gestreiftem Hemd. Er ergreift ihn am Arm und zerrt ihn aus der Raststätte nach draußen und schmeißt ihn brutal gegen die Wanne, in der Hand eine eiserne Taschenlampe. Auch wir rennen raus, ungläubig und bestürzt. Die Polizisten scheinen auf Drogen zu sein, sie beleidigen und beschimpfen uns. Es ist eine böse Situation, alle sind aufgeregt. Ich und der Vater eines Genossen, versuchen ein Mindestmaß an Rationalität, an Ruhe reinzubringen. Einige dieser Polizisten aber greifen uns an uns beleidigen uns heftig, sie lassen sich die Ausweise geben und versuchen den Vater dieses Genossen von uns zu demütigen. Zum Glück lassen sie uns nach einer halben Stunde Drohungen gehen.

In meinem ganzen Leben habe ich noch nichts erlebt, was sich auch nur annähernd mit dem vergleichen ließe, was ich in diesen drei Tagen erlebt habe. Selbst jetzt noch in der milden Wärme meines Zimmers bin ich erschüttert, der Magen tut mir weh, die Ohren sind taub, der Kopf ist schwer, der Lärm der Hubschrauber, die Schreie der Polizisten fräsen sich in meine Hirnhaut wie eine Maschinengewehrsalve.

IvAn SeTTaNTaSeTTe


Fußnoten:

[1] Bei der Demonstration am 17. März 2001 in Neapel hatte die Polizei extrem brutal eingegriffen - damals übrigens noch nicht unter einer Berlusconi-Regierung! Die taz schrieb damals (19.3.) unter der Überschrift »Generalprobe für Genua in Neapel«: »Mit in ihrer Brutalität seit Jahren nicht gekannten Polizeieinsätzen, mit wenigstens 200 Verletzten und zahlreichen Festnahmen, ist am Samstag in Neapel eine Großdemonstration von Globalisierungsgegnern zu Ende gegangen. Anlass der Mobilisierung des "Popolo di Seattle", des "Volks von Seattle", war das von der italienischen Regierung ausgerichtete Globale Forum zu Informationstechnologien, auf dem Vertreter von 120 Staaten, internationalen Organisationen und von IT-Großfirmen versammelt waren. (...) Abgesehen von einigen kleineren Scharmützeln der Polizei mit den etwa 300 gewaltbereiten Anarchos und Autonomen verlief die Demo zunächst friedlich. Als aber eine Gruppe von 300 Personen den Polizeikordon durchbrechen wollte, um den Protest direkt vor dem Tagungsgebäude vorzutragen, eskalierte die Situation. Polizei und Carabinieri, die mittlerweile die Demonstranten auf der Piazza del Municipio eingekesselt hatten, gingen mit massiven Knüppeleinsätzen, Tränengas und Gewehrkolbenschlägen gegen die fast durch die Bank friedlichen und gewaltlosen Teilnehmer der Kundgebung vor, denen jede Fluchtmöglichkeit versperrt war. Filmdokumente und Fotos zeigen wahre Jagdszenen, deren Opfer oft halbe Kinder wurden; 15-jährige Gymnasiasten wurden genauso niedergeknüppelt wie eine schwangere Frau, unbeteiligte Passanten, Reporter und selbst zwei Polizisten in Zivil, denen die Carabinieri nicht glauben wollten, dass sie zu den "Ordnungskräften" gehören.«


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