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Materialien zur
China-Beilage
in Wildcat #80
Dezember 2007


Chinezoaicele — chinesische Arbeitsmigrantinnen in Rumänien

Es begann am 7. April 2006 mit einem Leitartikel in der renommierten rumänischen Tageszeitung »Adevarul« mit dem Titel: »Chinesinnen kommen zur Arbeit nach Rumänien«. Bacau, eine Stadt im wirtschaftlich spärlich entwickelten Nordosten des Landes, in der vor allem Textilindustrie angesiedelt ist, würde von tausend chinesischen Textilarbeiterinnen »überschwemmt« werden, so die Zeitung. Und das, obwohl in der Region mehr als 5.000 Frauen arbeitslos sind.

Was der Artikel verschweigt: Längst nutzen viele der arbeitslosen rumänischen Frauen die Chance, als Saisonarbeiterinnen auf den Feldern Spaniens Erdbeeren zu ernten oder in Italien zu kellnern oder... Der Lohn, den sie für drei bis vier Monate harte Arbeit erhalten, ist nicht hoch. Aber es ist oft mehr, als sie in einem ganzen Jahr in einer Textilfabrik in Rumänien mit 50-60 Stunden in der Woche verdienen würden. Diese Fabrikjobs sind nicht sehr attraktiv für die einheimischen Frauen. Die Textilbranche klagt über Arbeitskräftemangel.

In Rumänien gibt es derzeit 4.000 verschieden Textilfirmen, in denen jeweils zwischen 20 und 2.000 Leute beschäftigt sind. Viele wurden mit italienischem Kapital gegründet, aber auch deutsche und französische Firmen sind vertreten. Die Hälfte davon findet man im Osten Rumäniens. Arbeitskräftemangel und langsam steigende Löhne machen der Textilbranche zu schaffen. Sie können oft mit der Konkurrenz aus Asien nicht mithalten. Von einigen Firmen ist bekannt, dass sie ihre Industrie bereits ins benachbarte Moldawien oder in die Ukraine verlagern, oder gleich nach China. Einige wollten einen ganz neuen Weg gehen. Rumänien, innerhalb der EU eins der Länder mit hoher Abwanderung von Arbeitskraft (jede/jeder zehnte wandert aus), soll nun zum Einwanderungsland für asiatische Arbeitsmigrantinnen werden. Als erstes hatte die Textilfabrik »Sonoma S.A.« einen Antrag an die Ausländerbehörde gestellt, sie und eine weitere Firma, »Wear Company«, erhielten schließlich die Genehmigung für ein Kontingent von 2.000 chinesischen Arbeitskräften.

Das rumänische Fernsehen und die großen Tageszeitungen berichteten zum Teil mit einem üblen rassistischen Unterton von dem Vorhaben. Die Tageszeitung »Adevarul« sprach von »Überschwemmung«, von »Eindringlingen«. Engagierte LeserInnen ließen es sich nicht nehmen, online ihre Meinung kundzutun: »Es sollen nur richtig viele Chinesinnen kommen, damit wir was zum f.... haben!« oder »Ich freue mich über das neue chinesische Viertel - auf achtzig Hektar haben etwa zwanzig Millionen Einwohner Platz. Jeder wird seinen eigenen Chinesen haben...«

Den Vertretern des Kapitals diente diese Propaganda als Drohgebärde gegenüber der einheimischen unwilligen Bevölkerung, die nicht mehr in den Fabriken zu schlechten Konditionen arbeiten will.

Im September 2006 kamen die ersten hundert Frauen aus China nach Bacau. Ihre Unterbringung erfolgte in einem firmeneigenen Wohnheim (eine umgebaute Halle) nahe der Fabrik. Ein chinesischer Koch wurde für die Zubereitung ihrer Mahlzeiten eingestellt. Auf Druck der Öffentlichkeit veranlasste die Firma Sonoma S.A. eine Pressekonferenz mit fünf chinesischen Arbeiterinnen. Sie versicherten, dass es ihnen hier gut gehe. Sie seien zum arbeiten hier, weshalb sie nicht so oft in die Stadt gingen. Außerdem hätten sie sprachliche Probleme, mit den Einheimischen in Kontakt zu kommen. Entgegen Vorwürfen aus der Öffentlichkeit würden sie sich jedoch nicht eingesperrt fühlen. Einzig die Frage nach ihren Lohn in China und in Rumänien durften die Frauen nicht beantworten. Außerdem wurde erwähnt, dass die meisten der Frauen älter als dreißig Jahre alt und in China verheiratet sind. Auf dem dortigen Arbeitsmarkt haben sie schlechte Chancen.

Was die Arbeitsbedingungen, Lohn, Arbeitszeiten, Unterkunft etc. betrifft wird aufgrund der Informationslücke in den Medien wild spekuliert. Einmal heißt es, die Chinesinnen hätten in ihrem Heimatland 15 Dollar im Monat verdient und erhielten in Rumänien 120 Dollar, während die einheimischen Frauen 200 Euro verdienen würden; ein andermal heißt es, den Chinesinnen würde der gesetzliche Mindestlohn, der sich von 200 Euro an derzeit aufwärts bewegt, gezahlt.

Ein Streik

Einige Monate später, Ende Januar 2007, machen die chinesischen Arbeiterinnen der »Wear Company« in Bacau mit einem wilden Streik auf sich und ihre beschissenen Arbeits- und Lebensbedingungen aufmerksam. Am 27. Januar 2007 schreibt die BBC darüber, dass die inzwischen 400 Frauen in einen Streik getreten sind. Sie fordern eine Lohnerhöhung von aktuell 340 Euro (brutto) auf 525 Euro und bessere Arbeitsbedingungen. Das Essen sei sehr schlecht. Eine der Arbeiterinnen meint, sie würden ständig Hunger haben. Und ein weiteres Detail kommt zutage: Die Frauen sind gegen eine Kommission von 5 000 Euro über Agenturen in China vermittelt worden. Das sind Schulden, die sie von ihrem Lohn zurückzahlen müssen. Ihr derzeitiger Lohn sei zu gering, um diese Schulden abzahlen zu können, erklären die Frauen.

Sorin Nicolescu, der Fabrikbesitzer, wurde während des Streiks von etwa hundert wütenden und verzweifelten Frauen handgreiflich attackiert. »Statt zu arbeiten, sind sie über mich mit Gabeln und Löffeln hergefallen. Ich habe die Polizei und den Wachschutz geholt. Das ist doch nicht normal, in meinem Land angegriffen zu werden, in meiner Fabrik, von Arbeiterinnen, denen ich alle möglichen Zugeständnisse mache!« Weiter droht er, sie alle anzuzeigen und durchzusetzen, dass sie nach China abgeschoben werden. Danach will er die 1.000 Stellen mit chinesischen Arbeiterinnen aus einer anderen Region Chinas besetzen.

Etliche der Frauen wurden tatsächlich angezeigt, einige Verfahren laufen noch. Viele von ihnen sind bereits nach China zurückgekehrt – abgeschoben oder, wie es an anderer Stelle heißt, auf eigenen Wunsch ausgereist...

 

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