Thekla 14 - Mai 1991 - S. 37-54 [t14enclo.htm]


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Die neuen Enclosures

Einleitung zu: Midnight Notes Nr. 10, 1990

Vorbemerkung

[der Wildcat-Redaktion, zur Übersetzung in Thekla 14 »Ölwechsel«, 1991]

Der folgende Text wurde im Herbst 1990 als Editorial der Midnight Notes Nr. 10 veröffentlicht - heute scheint er fast aus einem anderen Zeitalter zu kommen: »Ende des kalten Krieges, Perestroika ...« wer redet denn noch davon?? Auch die AutorInnen hätten wohl nicht gedacht, wie schnell sich ihre Hauptthesen in der Vertreibung und Massakrierung des Proletariats im arabischen Raum konkretisieren würden.

Enclosures heißt auf Deutsch: Einhegungen, Einzäunungen, Eingrenzungen; je nach Zusammenhang auch: Flurbereinigung. Es ist ein historischer Begriff, der den Vorgang der englischen Version des »Bauernlegens«, Vertreibung der Landbevölkerung und Trennung der Menschen von ihren Lebens- und Arbeitsmitteln beschreibt. Der Text ist voller Wortspiele mit diesem Begriff - wo es sich nicht ins Deutsche übertragen ließ, haben wir ein (*) eingefügt.

Die Hauptthese der Midnight Notes ist die Fortdauer der Enclosures: wir leben in einer Periode neuer Enclosures. Sehr wichtig für die politische Diskussion ist ihre These vom weltweiten Zusammenhang der Enclosures: das Kapital kann nur durchkommen, wenn es überall durchkommt - und wenn es ihm gleichzeitig gelingt, diesen Zusammenhang überall vor den ProletarierInnen zu verstecken.

Der Text ist wie gesagt ein Editorial, das versucht, die einzelnen Artikel über aktuelle Klassenkämpfen in verschiedenen Regionen der Erde in einen Zusammenhang zu stellen. Der rote Faden ist dabei ihre politische These, daß heute überall auf der Welt (von den Anden bis Zürich und von Kurdistan bis in die Bronx) ein Kampf »um Land« geführt wird. Aber was ist »Land«? welche Vorstellungen von Recht, welche produktive Kooperation zwischen Menschen verbinden sich damit? Überall schimmert das Bild vom freien Bauern durch, der von »seinem Land« vertrieben wird. Aber waren nicht bereits die »Bauern« im England des 15. Jahrhunderts von »ihrem Boden« enteignet?

Bereits die »alten« Enclosures waren gegen die proletarische Aufsässigkeit gerichtet; die revolutionäre Gärung im Proletariat war letztlich nur durch ihre Verwertung in den Griff zu kriegen - das gleiche gilt auch heute wieder.

In den Texten des Midnight Notes-Kollektivs hat das Kapital manchmal etwas Zielloses an sich: warum quält es die Menschen eigentlich so? Es ist sicher kein Zufall, daß in ihrem ganzen Text das Wort »Verwertung« kein einziges Mal vorkommt! Sie benennen an der kapitalistischen Entwicklung immer nur die Seite der Enteignung - wie sie es selber sagen: die Enteignung unserer Körper »stellt die Warennatur aller kapitalistischen Beziehungen auf eine Weise heraus, daß es alle sehen und begreifen können«. Aber das »warum«, der Zweck des Kapitals geht dabei flöten. Viel wichtiger für uns ist, daß in der modernen Gruppenarbeit nicht nur Körper, Muskeln und Sehnen »verwertet« werden, sondern auch dein Kopf. Das ist keine methodische Frage, sondern eine praktische: die Menschen können nicht nur (auf der Warenebene) begreifen, was da passiert, sondern sie können auch begreifen, daß und wie sie das beenden können: und diese Macht liegt im Umdrehen der produktiven Kooperation, die das Kapital ihnen aufzwingt.

Die Midnight Notes beschreiben an vielen Stellen, wie die ProletarierInnen auf den Kapitalangriff reagieren - aber oft nur die eine Seite davon, z.B.: »viele Arbeiter (wurden) gezwungen«, eine informelle Ökonomie zu entwickeln. Der alltägliche Klassenkampf ist aber ein Wechselverhältnis zwischen dem Verhalten der Leute, die sich dem kapitalistischen Arbeitszwang so gut wie es geht verweigern und dem kapitalistischen Versuch, auch die Bereiche von Schwarzarbeit auszupressen und letztlich selbst voranzutreiben.

Es ist nicht richtig, wenn sie allgemein von »Auflösung aller Gesellschaftsverträge« sprechen, in der BRD z.B. wurde nicht das Tarifvertragssystem aufgekündigt, sondern Zeitverträge eingeführt, also die Klasse gespalten. In die gleiche Richtung geht ihre Aussage von der »typischen Figur des Weltproletariats« (»der Elende, der Bettler, der Vagabund ...«). Zahlenmäßig, weltweit gesehen haben sie sicher recht, aber in der politischen Zuspitzung geht es daneben und stimmt nirgends - auch im arabischen Raum ist die Klasse »zusammengesetzt« aus Flüchtlingen, WanderarbeiterInnen, »Ungelernten«, Ingenieuren, gut bezahlten Arbeitern, illegalen MigrantInnen usw. Wo sie die proletarischen Kämpfe beschreiben, bleiben sie ungenau und letztlich am Kapital orientiert: der afrikanische Bauer mag »die Bedeutung der Deals [kennen], die in Brooklyn, London oder Venedig abgemacht werden«, aber wichtiger ist doch, daß er aus Briefen seiner dorthin emigrierten Verwandten und Freunde auch weiß, wie die Klasse dort aussieht, wie sie rassistisch gespalten ist oder nicht, wie hoch die Löhne sind usw.


Die neuen Enclosures

Einleitung zu: Midnight Notes Nr. 10, 1990

»Somit erscheint die geschichtliche Bewegung, die die Produzenten in Lohnarbeiter verwandelt, einerseits als ihre Befreiung von Dienstbarkeit und Zunftzwang; und diese Seite allein existiert für unsre bürgerlichen Geschichtschreiber. Andrerseits aber werden diese Neubefreiten erst Verkäufer ihrer selbst, nachdem ihnen alle ihre Produktionsmittel und alle durch die alten feudalen Einrichtungen gebotnen Garantien ihrer Existenz geraubt sind. Und die Geschichte dieser ihrer Expropriation ist in die Annalen der Menschheit eingeschrieben mit Zügen von Blut und Feuer.«
[MEW, Kapital Bd. 1 S. 743]

»So wurde der sanftmütige Sambo tatsächlich über Nacht zum Revolutionär Nat Turner. Unter der Führung derjenigen aus den komplexeren afrikanischen Gesellschaften kämpften die Sklaven und rannten weg, stahlen sie und heuchelten Unschuld, schienen so hart zu arbeiten wie sie konnten und simulierten doch nur. Und sie lebten, um am anderen Tag zu kämpfen.«
George Rawick Von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang

Glasnost,
   Ende des Kalten Krieges,
      Vereinigtes Europa,
         »We are the World«,
            Rettet den Regenwald am Amazonas ...

das sind die typischen Phrasen des Tages. Sie suggerieren ein Zeitalter der historischen Öffnung, des Globalismus und des Falls von politischen und wirtschaftlichen Grenzen. Inmitten dieser Aufgeschlossenheit legen jetzt allerdings die Midnight Notes ihre Ausgabe Die neuen Enclosures vor. Denn ein zerstörerisches Geheimnis ist in den glänzenden Idolen des Globalismus, dem Ende der Blöcke und dem mit Gäa verbundenen ökologischen Bewußtsein verborgen: das letzte Jahrzehnt hat die umfassendsten Enclosures in der Geschichte der Weltgemeinschaft gesehen. Unsere Artikel lüften dieses Geheimnis im Einzelnen, genauso wie den Widerstand dagegen. Diese Einleitung erklärt die Bedeutung und Wichtigkeit der Enclosures, sowohl der alten, als auch der neuen, im weltweiten Klassenkampf.

Die alten Enclosures waren ein konterrevolutionärer Prozeß, in dem - nach einem Jahrhundert hoher Löhne und dem Zusammenbruch der feudalistischen Autorität - ab dem Ende des 15. Jahrhunderts das Land und die Gemeindegüter der englischen Bauern durch Staatsvertreter und Landadlige enteignet wurden. Die Bauern wurden zu Armen, Vagabunden und Bettlern, später zu Lohnarbeitern; während die landwirtschaftliche Produktion für den entstehenden internationalen Markt für landwirtschaftliche Waren umgestellt wurde.

Nach der marxistischen Tradition waren die Enclosures der Ausgangspunkt der kapitalistischen Gesellschaft. Sie waren das grundlegende Mittel der »ursprünglichen Akkumulation«, die eine Bevölkerung von Arbeitern schuf, die »frei« von allen Mitteln zur Produktion waren und mit der Zeit gezwungen werden konnten, für Lohn zu arbeiten.

Die Enclosures sind aber kein einmaliger Prozeß, der sich mit der Morgendämmerung des Kapitalismus erschöpft hätte. Auf dem Weg der Akkumulation erscheinen sie regelmäßig von Neuem, sie sind ein struktureller Bestandteil des Klassenkampfs. Jeder Sprung proletarischer Macht verlangt eine dynamische kapitalistische Antwort: sowohl die erweiterte Aneignung neuer Ressourcen und neuer Arbeitskraft, als auch die Entwicklung der kapitalistischen Verhältnisse - ansonsten wäre der Kapitalismus von der Austilgung bedroht. Insofern sind Enclosures ein einziger Prozeß, der die Proletarier in der ganzen Geschichte des Kapitals vereint. Trotz aller Unterschiede haben wir den Kapitalismus durch dieselbe Tür betreten: den Verlust unseres Bodens und der Rechte, die damit verbunden waren, egal ob dieser Verlust in Front Mill, England, in Süditalien, in den Anden, im Nigerdelta oder in der Lower East Side von New York City stattgefunden hat.

Die Apokalypse der Dreieinigkeit der Deals

Heute sind wieder einmal die Enclosures der gemeinsame Nenner proletarischer Erfahrung rund um den Globus. In der größten Diaspora des Jahrhunderts werden auf jedem Kontinent Millionen von ihrem Land, von ihren Jobs, aus ihren Heimen vertrieben und in den Winkeln der Welt vereinzelt - durch Kriege, Hungersnöte, Seuchen und die vom IWF angeordneten Entwertungen (die vier Ritter der modernen Apokalypse).

In Nigeria zum Beispiel wurden kürzlich Leute von Truppen von Gemeindeland geworfen, um Platz zu machen für Plantagen, die der Weltbank gehören und von ihr gemanaget werden. Der Grund? Die Regierung verweist auf die Schuldenkrise und das vom Internationalen Währungsfond zu ihrer Lösung diktierte »Strukturanpassungsprogramm« (SAP). Das SAP für Nigeria ist ähnlich den SAPs, die in ganz Asien, Afrika und Lateinamerika angelaufen sind. Sie beinhalten gleichermaßen die Kommerzialisierung der Landwirtschaft und die Demonetarisierung der Wirtschaft durch massive Entwertungen, die die Geldlöhne zu wertlosem Papier machen. Das Ergebnis ist die Zerstörung der dörflichen Gemeinwesen, die Auswanderung in die Städte und dann, für die Verwegensten, die clever sind oder Glück haben, eine Chance, in New York City oder Neapel einen Job zu finden.

In den USA sind Millionen obdachlos und auf Wanderschaft. Die unmittelbaren Gründe sind wohlbekannt: die Farmkrise, der relativ zu den Löhnen steile Anstieg der Mieten und Hypothekenzinsen, die Entmietung von Wohnungen und die Luxussanierung, der Zusammenbruch des sozialen Netzes, der Rausschmiß von Gewerkschaften aus Betrieben. Hinter all diesen Gründen steht allerdings eine Tatsache: der Niedergang der Reallöhne für die Masse der ArbeiterInnen seit 1973. Der Nachkriegsdeal zwischen den Klassen, der steigende Reallöhne garantierte, ist endgültig vorbei. Die Obdachlosen sind die verstoßenen Stoßtruppen dieser Entwicklung. Aber selbst die, deren Löhne dem Zusammenbruch dieses Deals entgangen sind, klagen über den gleichzeitigen Verlust natürlicher gemeinschaftlicher Güter, der den Großen Katastrophen, vom Ozonloch bis zu den abgebrannten Regenwäldern, geschuldet ist.

In China sind beim Übergang zur »freien Marktwirtschaft« einhundert Millionen von ihrem gemeinschaftlich bearbeiteten Land vertrieben worden. Die in den Städten sehen sich dem Verlust garantierter Arbeitsplätze in den Fabriken und Büros und der Aussicht gegenüber, von einer Stadt zur anderen wandern zu müssen, um einen Lohn zu finden. Die »eherne Schale Reis« soll zerschlagen werden, während sich in der Sowjetunion und in Osteuropa eine ähnliche Situation entwickelt. Die Nachkriegsdeals der OECD (Westeuropa, Nordamerika, Japan), des Sozialismus und der Dritten Welt sind jetzt alle null und nichtig, wie die Beispiele USA, China und Nigeria zeigen. Wir trauern ihnen nicht nach. Denn wer entleerte sie zuerst ihres Wertes, wenn nicht die Brüder und Schwestern Proletarier rund um die Welt, die mehr wünschten und mehr verlangten, viel mehr, als ausgehandelt war? Nicht überraschend hat die alte Python Kapital instinktiv und »originell« mit einem neuen Ausfall und dem Biß der Enclosures reagiert. Diese Ausgabe der Midnight Notes wird die Einheitlichkeit der Reaktion des Kapitals an und unter den verschiedensten Orten und Namen und den vielgestaltigen Kampf, der sie zu überwinden sucht, darstellen.

Die Schuldenkrise, die Obdachlosigkeit und der Zusammenbruch des Sozialismus werden oft als getrennte Erscheinungen behandelt, sowohl durch die Medien als auch in linken Zeitungen. Für uns um Mitternacht sind das irreführend bezeichnete Aspekte eines einheitlichen Prozesses: der neuen Enclosures, die über den ganzen Planet in unterschiedlicher, trennender Aufmachung erscheinen müssen, aber völlig voneinander abhängen.

Es ist die Logik der kapitalistischen Akkumulation dieser Periode, daß für jede Fabrik, die in China in einer freien Produktionszone privatisiert und an eine New Yorker Geschäftsbank verkauft worden ist oder für jeden Hektar, der von einem Weltbankentwicklungsprojekt in Asien oder Afrika eingezäunt(*) worden ist, eine entsprechende Enclosure in den USA oder Westeuropa erscheinen muß. Wenn also Gemeindeland in Nigeria enteignet wird oder wenn die Politik der freien Wohnung in China abgeschafft wird, muß da eine entsprechende Enteignung in den USA stattfinden, sei es das Ende eines »gutbezahlten Jobs« in Youngstown, die Zerstörung einer Arbeiterklasse-Community in Jay, Maine oder die Inkraftsetzung des Rechts des Stärkeren in den Parks von New York City. Mit jeder Verminderung »kommunaler Rechte« in der Dritten Welt oder »sozialistischer Rechte« in der Sowjetunion und China kommt eine Verminderung unserer scheinbar heiligen »sozialen Rechte« in den USA. Tatsächlich zieht sich diese Verminderung durch die ganzen 80er Jahre, sodaß selbst die Definition dessen, was es heißt, ein Mensch zu sein, sowohl vom Kapital als auch vom Proletariat einer Revision unterzogen worden ist.

Diese wechselseitige Beschränkung des »Rechts auf Auskommen« in der Dritten Welt, den sozialistischen Ländern und in den USA ist kein Zufall. Das Kapital kann nirgends gewinnen, wenn es nicht überall handelt. Nur wenn die Filipinos, die von ihrem Land geworfen werden, in »freien Produktionszonen« in Manila oder als »Shit«-Arbeiter in Italien benutzt werden können, kann das Kapital die Reallöhne in den USA kürzen oder die chronisch hohe Arbeitslosigkeit in Europa aufrechterhalten. Enclosures in der Dritten Welt und im Sozialismus, von Boston und New York aus gesehen scheinbar entfernt und exotisch, werden unvermeidlich zu Enclosures in der Ersten Welt, die wiederum von Lagos oder Peking aus entfernt und exotisch aussehen.

Die neuen Enclosures sind so radikal in ihrem Angriff auf das, was proletarische Kämpfe im Verlauf der Geschichte als Menschenrechte durchgesetzt haben, weil das Kapital einer Krise auf Leben und Tod gegenüberstand, die jeden sozial-demokratischen Deal unmöglich machte. Am Ende des Zweiten Weltkriegs bot das Kapital (in seiner westlichen und in seiner östlichen Form) dem Weltproletariat eine Vielfalt von Losungen an: von »Tarifverhandlungen« und »rassischer Integration« in den USA über den »Soziallohn« für die Familie in der UdSSR, bis zur »kolonialen Emanzipation« in Asien und Afrika. Große Kämpfe entstanden, um den Inhalt dieser Slogans auszuloten; zwischen 1965 und 1975 allerdings fingen die Initiativen des Proletariats an, über die historischen Möglichkeiten des Kapitals hinauszugehen. Vom Riot in Watts zum Prager Frühling, vom Heißen Herbst in Italien zum letzten amerikanischen Hubschrauber, der aus dem fallenden Saigon entkam: Die internationalen Profitaussichten verdüsterten sich, das Kapital sah seinem Tod ins Auge. Folglich wurden alle Verträge wertlos, und das Kapital ging überall zum Angriff über.

Am Ende der 80er sieht es so aus, als ob das Kapital den besseren Schnitt bei der Auflösung all dieser Gesellschaftsverträge gemacht hätte. Die US-Linke zum Beispiel hält Tarifverträge und »rassische Integration« zur Zeit für utopisch, und die sowjetischen Arbeiter sehen mit Sorge, daß ihre »Soziallöhne« rasant entwertet werden. Und falls jemand so viel schlechten Geschmack hat, noch immer die Formel von der »kolonialen Emanzipation« zu benutzen, so ruft er damit nur noch Spott hervor. Wieso wurden diese »unveräußerlichen Rechte« so schnell veräußert? Durch das Wirken der neuen Enclosures, die versuchen, alle »traditionellen«, »organischen« oder institutionalisierten Beziehungen unter den Proletariern selbst und zu den Kräften der Natur oder ihrer früheren Macht aufzulösen.

Die neuen Enclosures bezeichnen deshalb die großangelegte Reorganisation des Akkumulationsprozesses seit Mitte der 70er. Das wesentliche Ziel dieses Prozesses war, die Arbeiter aus dem Terrain zu entwurzeln, auf dem ihre organisatorische Macht gebaut war, um sie, wie die afrikanischen Sklaven, die nach Amerika verschleppt wurden, zu zwingen, in einer fremden Umgebung zu arbeiten und zu kämpfen, in der die Formen des Widerstands, die zuhause möglich waren, nicht mehr zur Verfügung standen.

Deshalb ist wieder einmal, wie in der Morgendämmerung des Kapitalismus, die typische Gestalt des Weltproletariats die des Elenden, des Vagabunden, des Kriminellen, des Bettlers und Hausierers, des Flüchtlings, der in Klitschen arbeitet, des Söldners, des Rioters.

Das Pentagon der Enclosures

Wie wurden die neuen Enclosures durchgeführt? Zuerst und vor allem wirken die neuen Enclosures genauso wie die alten Enclosures: sie beenden die kommunale Kontrolle über die Subsistenzmittel. Es gibt nur noch sehr wenige Gruppen, die sich mit ihrem Land und ihrer Arbeit selber versorgen können. Von Indonesien bis zum Amazonas werden selbst die letzten »Aboriginals« in Regierungsreservate eingesperrt(*). Allgemeiner: der sogenannte »Bauer« der Dritten Welt überlebt heutzutage dank der Unterstützung, die ein Bruder oder eine Schwester aus New York schickt; oder indem er, unter gefährlichsten Arbeitsbedingungen, Mohn oder Kokablätter für den Export anbaut; oder indem er/sie sich gegen harte Währung (das große und vielleicht einzige Aphrodisiakum des Jahrhunderts) prostituiert; oder indem er in die nächste Stadt zieht, um die wachsenden Reihen der Tagelöhner, Straßenhändler und Arbeiter der »freien Produktionszonen«, wo die Arbeitsbedingungen oft noch gefährlicher sind als auf den Mohnfeldern zuhause, zu vergrößern.

Auch die zweite Hauptmethode der neuen Enclosures ähnelt den alten: sich über Schulden des Lands bemächtigen. So wie der Hof der Tudors große Klosterbesitze und Kommunalländereien an seine Gläubiger verkaufte, so erklären sich auch moderne Regierungen in Asien und Afrika damit einverstanden, die Landwirtschaft zu kapitalisieren und zu »rationalisieren«, um die Ratgeber des IWF zufriedenzustellen, die nur unter diesen Bedingungen fremde Kredite »erlassen« werden. So wie die Häuptlinge der schottischen Hochlandclans des 18. Jahrhunderts mit den lokalen Handelskapitalisten und Bankiers, bei denen sie verschuldet waren, ein Komplott schlossen, um das Land der Mitglieder ihres eigenen Clans »zu ordnen«, so tauschen örtliche Chefs in Asien und Afrika kommunales Land gegen ungetilgte Schulden. Die Folgen sind heute wie gestern Enclosure: die innere und äußere Zerstörung der traditionellen Rechte auf Subsistenz [Überleben]. Das ist das Geheimnis, das sich im Geschrei von der Schuldenkrise versteckt.

Zum Dritten machen die neuen Enclosures die mobile und wandernde Arbeitskraft zur vorherrschenden. Wir sind jetzt die im geographischen Sinn mobilste Arbeitskraft seit Beginn des Kapitalismus. Das Kapital hält uns beständig in Bewegung, trennt uns von unseren Ländern, Höfen, Gärten, Heimen, Arbeitsplätzen, weil dies billige Löhne, Zerstörung der Arbeiter-Community und größte Verwundbarkeit gegenüber Gerichten und Polizei garantiert.

Viertens verlangen die neuen Enclosures den Kollaps des Sozialismus von der UdSSR über Polen bis China. Die Ziele der Enclosures können nicht erreicht werden, wenn nicht eine dramatische Zunahme der internationalen Konkurrenz unter den Arbeitern und entsprechend eine enorme Vergrößerung des Weltarbeitsmarkts durchgesetzt werden. Nicht länger kann ein Drittel des Weltproletariats aus dem Wettbewerb mit dem Rest herausgehalten werden, während das sozialistische Kapital die Wünsche der sozialistischen Arbeiterklasse nicht mehr unterdrücken kann, die am universellen Wohlstand teilhaben will - auch wenn dieser in Warenform gekleidet ist.

Schon lange hat der Sozialismus keine Anziehungskraft mehr für das Proletariat. Die antikolonialen Revolutionen der 60er und der Investitionsgüterboom der 70er gaben ihm eine Atempause, aber in den 80ern war das Spiel zu Ende. Die Gründe für den Kollaps des Sozialismus sind - im Nachhinein - ziemlich offensichtlich. Sozialismus ist ein anderer Name für einen Klassen»deal«, der normalerweise einen festen Job mit niedriger Ausbeutung gegen niedrige Löhne tauscht. »Niedriger« ist natürlich ein relativer Begriff und setzt einen Vergleich mit dem kapitalistischen Standard voraus. Der Deal hielt so lange, wie die Garantien, die Ausbeutung und die Löhne synchronisiert waren.

In den 80ern, besonders mit dem Zusammenbruch der Energiepreise, wurden im internationalen Vergleich die sozialistischen Löhne zu niedrig, um noch von der sozialistischen Arbeiterklasse toleriert zu werden. Gleichzeitig war die Ausbeutungsrate, die der Staat verlangte, zu hoch und die Garantien für die ProletarierInnen immer weniger verheißungsvoll. Denn der Wert sozialistischer Arbeit auf dem Weltmarkt brach aufgrund des technologischen Sprungs auf der Grundlage der Computer, der Verlagerung von Produktion in Billiglohnländer und dem Ende der Energiekrise in den OECD-Ländern zusammen. Er war nicht nur zurückgegangen, er war fast Null. Der »Deal« platzte, und die Versuche, ihn zu flicken, machten den Riß nur noch größer. Beispielsweise erforderten die Kredite, die in den 70ern von osteuropäischen Ländern (ähnlich wie von den Dritte Welt-Ländern) aufgenommen worden waren, um am technologischen Sprung teilhaben zu können, eine gewaltige Zunahme der Ausbeutung und Lohnabbau. Das Resultat: Rebellion, Unzufriedenheit und Auswanderung.

Sollen wir diesem erledigten Deal eine Träne nachweinen? Kaum. Denn der Zusammenbruch des Sozialismus liefert die endgültige Antwort auf das Rätsel der Großen Sphinx des 20. Jahrhunderts: die sozialistische Arbeiterklasse. Wie viele Bände sind geschrieben worden, um zu bestimmen, ob dieses wilde Biest wirklich eine Arbeiterklasse ist. Wir können sie nun alle ins Archiv stellen, denn die sozialistische Arbeiterklasse ist aus dem Schrank gekommen. Das zauberhafte Märchen von den »oppositionellen Blöcken« ist zu Ende und wir können jetzt den Klassenkampf von Berlin bis Ho Chi Minh-Stadt direkt betrachten. Wir haben jetzt dieselben Chefs und können auf den gleichen Arbeitsplätzen die relativen Verdienste der verschiedenen Systeme vergleichen. Wenn irgendetwas, dann werden »die sozialistischen Tugenden« dieser Arbeiterklasse im nächsten Jahrzehnt einer Probe unterzogen. Wenn die neuen Klassenkämpfe der 90er in Osteuropa, der Sowjetunion und in China ausbrechen, werden wir sehen, ob die Werte »Solidarität«, »Zusammenarbeit« und »Internationalismus« sich wirklich eingeprägt haben.

Der fünfte Aspekt der Wirkung der neuen Enclosures liegt in ihrem Angriff auf unsere Reproduktion: so wie sie uns zu Migranten machen, machen sie uns zu Mutanten. Das oft annoncierte Verschwinden des Regenwalds, das oft kommentierte Loch in der Ozonschicht, die überall beklagte Luft-, Meer- und Strandverschmutzung zusammen mit der offensichtlichen Einschränkung unseres Lebensbereichs; alles ist ein Teil der Zerstörung der irdischen Gemeingüter. Sogar die Hochsee ist in den 80ern durch die dramatische Ausdehnung der traditionellen Hoheitsgebiete eingeschlossen(*) worden. Man braucht kein Science Fiction-Freak zu sein, um zu fühlen, daß wir die Meerschweinchen in einem kapitalistischen Experiment zur nicht-evolutionären Veränderung der Arten sind. Die menschlichen Proletarier sind bei diesem Immer-schneller und Immer-kleiner nicht allein. Tiere, von den Protozoen zu den Kühen, werden entwickelt und patentiert, um ausgelaufenes Öl zu fressen, mehr Eier zu legen oder mehr Hormone abzusondern. Der Wert von Grund und Boden wird bald nicht mehr so sehr danach bestimmt, wie fruchtbar er ist, oder welche Gebäude er tragen kann, sondern wieviel radioaktiven Abfall man »sicher« dort lagern kann. So trifft das vernutzte Allgemeingut an dieser Erde (immerhin das Geschenk von Millionen Jahren Entwicklung ohne Arbeit) auf erschöpfte menschliche Körper.

Schon lange hat das Kapital davon geträumt, uns zur Arbeit in den Weltraum zu schicken, wo uns nichts gelassen wird außer der Arbeits-Maschine und dünne repressive Arbeits-Beziehungen (siehe MIDNIGHT NOTES 5, Computer State Notes, Mormons in Space). Aber Tatsache ist, daß die Erde zu einer Raumstation wird und jetzt schon Millionen unter Bedingungen einer Raumkolonie leben: keine Luft zum Atmen, eingeschränkte soziale/körperliche Kontakte, ein entsexualisiertes Leben, Schwierigkeiten bei der Kommunikation, Verlust von Sonne und Grün ... selbst die Stimmen der Zugvögel fehlen.

Der sentimentale Horror bei diesem Aspekt der neuen Enclosures hat manchem Publizisten und mancher Filmgesellschaft zu Profit verholfen. Wir möchten aber auf seinen reinigenden Charakter hinweisen. Denn das körperlich und persönlich Normale, das den Großteil des Proletariats nichts gekostet hat, wird für alle sichtbar immer mehr enteignet(*). Erscheinung und Benehmen werden immer mehr zu Aspekten des Arbeitsprozesses in den sogenannten »Dienstleistungsindustrien« vom Restaurant bis zum Krankenhaus. In der Vergangenheit hatte es keine materielle Bedeutung in der Lohnbeziehung, was jemand am Fließband, auf der Farm oder im Bergwerk fühlte oder wie er/sie aussah. Das hat sich entscheidend geändert. Diejenigen, die »mit Leuten arbeiten«, werden jetzt kontinuierlich untersucht, vom Urin über die Schweißdrüsen bis zum Rückenmark. Das Kapital behandelt uns jetzt so, wie es die alten Inquisitoren taten, sucht nach dem Teufelsmal des Klassenkampfs auf unseren Körpern und verlangt, daß wir ihn zur Veräußerung freigeben. Der »extremste« Ausdruck dieser Enclosures sind die persönlich-politischen Debatten über die wachsende Nachfrage nach Schönheitsoperationen in der Arbeiterklasse. Die silikonierten Brüste der letzten Miss America sind das konkret-universelle Beispiel dafür. Müssen wir das bejammern oder verdammen? Nein, denn diese Leute zeigen einfach, daß, nachdem die Bourgeoisie schon lange ihren Körper verloren hat, nun die Arbeiterklasse gezwungen wird zu folgen. Nicht nur die Schönheitsköniginnen und männlichen Idole müssen Stück für Stück ihren Körper zurückkaufen, für viele Jobs der Dienstleistungswirtschaft gehört die Schönheitsoperation dazu, und das stellt die Warennatur aller kapitalistischen Beziehungen auf eine Weise heraus, daß es alle sehen und begreifen können.

Diese fünf Aspekte der Antwort des Kapitals auf den Klassenkampf waren letztlich deshalb teilweise erfolgreich, weil sie fähig sind, proletarische Sehnsüchte aufzunehmen. Schließlich waren schon während der Zeit der alten Enclosures Viele von den Möglichkeiten der universellen Konsumtion, die das Stadtleben bot, angezogen und warteten nicht auf die staatlichen Halsabschneider, um ihr Dorf zu verlassen. Ähnliches kann für den heutigen Sozialismus gesagt werden. Die Wünsche des sozialistischen Arbeiters, am universellen Austausch der Arbeit teilzuhaben, waren ein wesentlicher Faktor beim Überrennen der sozialistischen Mauern. Der Zauber des Weltmarkts liegt ja tatsächlich nicht in seinen offensichtlich ausbeuterischen Konsequenzen, sondern viel eher in den Energien, die er freisetzt für Reisen, Kommunikation und die Aneignung von Wohlstand. Der Nachkriegssozialismus war weder als Kominternbürokratie noch in den Idealen eines Che Guevara in der Lage, ein alternatives Modell internationalen Austauschs und internationaler Reproduktion zu entwickeln; entsprechend verdampfte der sozialistische Internationalismus auf der ökonomischen Ebene in der gegenwärtigen Krise.

Die Spirale der Kämpfe

Auch wenn die neuen Enclosures in der Lage waren, zu verführen und zu spalten, so sind sie doch grimmig bekämpft worden und haben, unabsichtlich, die Kenntnisse und die Autonomie des Proletariats verstärkt. Am meisten fiel ins Auge, daß der Planet von Anti-IWF-Demonstrationen, -Riots und -Aufständen widerhallte. Allein 1989 gab es auf den Straßen und an den Unis von Venezuela, Burma, Zaire, Nigeria und Argentinien Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Truppen und Studenten und Arbeitern, die »Tod dem IWF« riefen und die ausländischen Warenmärkte plünderten, Gefangene befreiten, Banken abbrannten. Obwohl die Menschen Zugang zum universellen Reichtum wollen, stehen die institutionellen Formen des Weltmarkts, die die Schuldenkrise nutzen, um die neuen Enclosures durchzusetzen, physisch unter einer selbstbewußten Attacke überall in Afrika, Asien und Lateinamerika.

Nicht nur gegen die Geldform der neuen Enclosures wird Widerstand geleistet. In den 80ern fand ein weltweiter Krieg um Land statt. Hoch in den Anden und in Mexiko gab es verzweifelte und andauernde bewaffnete Kämpfe um die Kontrolle über das Land (in den USA oft als ein Aspekt des »Drogenproblems« dargestellt). In Westafrika gibt es einen bewaffneten Kleinkrieg gegen Landbeschlagnahmungen durch Staat und Entwicklungsbanken (oft diskutiert als unzeitgemäße »Stammeskriege«). Im südlichen Afrika wird die Schlacht um das Land und die Kontrolle darüber, in Stadt und Land, als ein Aspekt des »Kampfs gegen die Apartheid« gesehen, in Ostafrika als »Nationalitätenproblem«. Natürlich geht es bei »der Sache der Palästinenser« um den Krieg um Land, während von Afghanistan über Indien und Sri Lanka bis zu den Philippinen und Indonesien die ProletarierInnen die Waffen gegen die neuen Enclosures in einer Vielzahl von Formen ergriffen haben. Aber in den 80ern ist dieser Krieg um Land nicht nur ein ländlicher, »Dritte Welt«-Kampf. In West Berlin, Zürich, Amsterdam, London, New York haben Hausbesetzer und Obdachlose gegen die Polizei, diese Brandstifter im Sold der Immobilienspekulanten, und andere Agenten der »räumlichen Dekonzentration« gekämpft, nicht einfach nur für »Wohnungen«, sondern für Land und alles, was es bedeutet.

Diese direkten, gewalttätigen und oftmals bewaffneten Auseinandersetzungen haben sicherlich Geschwindigkeit und Ausmaß der neuen Enclosures beschränkt. Sie haben aber, meist unbeabsichtigt, noch andere Folgen in bezug auf die neuen Enclosures hervorgebracht, die vielleicht für die universelle Angleichung noch bedeutender sind. Erstens haben die neuen Enclosures zu einer gewaltigen Zunahme und Verdichtung der proletarischen Kenntnisse über die internationale Klassenzusammensetzung geführt. Zum Beispiel kennt der normale Bauer der 80er Jahre in West Afrika die Bedeutung der Deals, die in Brooklyn, London oder Venedig abgemacht werden. Zweitens haben die neuen Enclosures einen Internationalismus der proletarischen Aktionen erzwungen, weil das Proletariat wie nie zuvor unter Druck steht, seinen Regionalismus und Nationalismus zu überwinden, weil die Leute nicht nur ihr Stückchen Boden verlieren, sondern auch ihren Platz in ihrem Land. Drittens hat das extreme Ausmaß der Schuldenkrise und die Notwendigkeit, sich das Überleben außerhalb von Geldverhältnissen zu organisieren, viele Arbeiter gezwungen, ihre Autonomie zu entwickeln, indem sie ein ganzes System von Produktion und Reproduktion außerhalb der gewöhnlichen Abläufe in der kapitalistischen Gesellschaft einrichten mußten.

Das Gespenst des Marxismus um Mitternacht

Diese unbeabsichtigten Folgen der neuen Enclosures und die darin enthaltenen Möglichkeiten sind thematisch so eng mit der Arbeit von Marx und Engels verbunden, daß wir nun darüber sprechen wollen. Eine der zentralen Ironien ist, daß genau zu der Zeit, in der der Sozialismus zusammenbricht, die Annahmen von Marx bezüglich der Entwicklung des Kapitalismus sich bestätigen. Auch wenn die »Post-X«-Intellektuellen auf dem Grab von Marx tanzen; während die »Marxisten« verzweifelt versuchen, ihren Lebenslauf zu revidieren: niemals war Marx' Theorie so wahr. Was sehen wir anderes als die berühmte »Verelendung der Arbeiterklasse«, die »Expansion des Weltmarkts«, die »universelle Konkurrenz unter den Arbeitern« und die »steigende organische Zusammensetzung des Kapitals«? Wie können wir irgendetwas auf dieser Welt verstehen, ohne die Grundkategorien von Marx' Theorie über Arbeit, Geld und Profit zu benutzen? Die Kapitalisten können das sicherlich nicht!

Auf der theoretischen Ebene hat also der Geist von Marx Recht um Mitternacht. Im Sinne der Strategie allerdings liegen Marx und Engels zur Zeit der neuen Enclosures falsch. Es ist der Mühe wert, das zu erklären. Der Marx des Kapital hätte, die Vielschichtigkeit der Situation berücksichtigend, die neuen Enclosures wahrscheinlich so begriffen, wie er es mit den alten Enclosures tat: grundlegend waren sie eine Stufe in der »progressiven Natur« der kapitalistischen Entwicklung, indem diese die materiellen Voraussetzungen für eine kommunistische Gesellschaft vorbereitet. Die zwei entscheidenden Tendenzen in dieser Entwicklung sind: (1) die lokalen Schranken und die Trennung von Stadt und Land werden überwunden und dadurch ein wirklich universelles menschliches Wesen produziert, das in der Lage ist, die weltweite Produktion von Kultur und materiellem Wohlstand zu nutzen, und (2) die internationale Arbeiterklasse vereinigt sich, indem sie ihre gemeinsamen Interessen immer mehr erkennt und entsprechend handelt. Folglich sind alle die Leiden und Morde, das »Blut und Feuer« der alten Enclosures unvermeidlich und letztlich historisch gut, weil sie »die Auflösung des Privateigentums, das auf der Arbeit seines Besitzers beruht« vollenden.

Indem sie die Produktionsweise zerstören, in der »der Arbeiter freier Privateigentümer seiner von ihm selbst gehandhabten Arbeitsbedingungen ist, der Bauer des Ackers, den er bestellt, der Handwerker des Instruments, worauf er als Virtuose spielt« [MEW Kapital Bd. 1 S. 789], setzen die Enclosures die Voraussetzungen für die Schaffung »des tatsächlich bereits auf gesellschaftlichem Produktionsbetrieb beruhenden kapitalistischen Eigentums« [a.a.O. S. 791]. Die Enclosures sind deshalb die »langwierige, gewaltsame und schwierige« Transformation, die die leichtere »Expropriation weniger Usurpatoren durch die Volksmasse« [ebenda] in der kommunistischen Revolution möglich machen.

Das Problem mit dieser Analyse ist einfach: die neuen Enclosures (und möglicherweise viele der alten) sind nicht gegen den Kleinproduzenten und sein Eigentum gerichtet. Sie sollen kommunales Land und kommunalen Raum zerstören, die eine Energiequelle proletarischer Macht darstellen. Ein indianisches Dorf in den Bergen Guatemalas, ein Stück kommunal bewirtschaftetes Land im Nigerdelta, eine städtische Nachbarschaft wie Tepito in Mexico City, eine von streikenden Papierarbeitern kontrollierte Kleinstadt um eine Papierfabrik wie Jay/Maine passen nicht in das klassische marxistische Modell der Enclosures. In jedem von diesen Beispielen haben wir es nicht mit einer Anzahl isolierter Kleinproduzenten zu tun, sondern mit einem entwickelten Ort proletarischen Angriffs oder einem Bereich logistischer Stärke. Es ist purer Blödsinn, die Vernichtung solcher Dörfer, Grundstücke, Nachbarschaften und Kleinstädte als notwendig und letztlich progressiv zu akzeptieren, geopfert der Zerstörung des Kapitalismus und der Schaffung von wirklich »universellen« Proletariern. Universell oder nicht, richtige, lebende Proletarier müssen irgendwo ihren Fuß hinsetzen, brauchen einen Platz, von dem aus sie streiken, müssen sich irgendwo ausruhen, müssen sich irgendwohin zurückziehen. Denn der Klassenkrieg findet nicht auf einem abstrakten Feld statt, auf dem dann Gewinne und Verluste notiert werden. Es ist ein Krieg, der ein Terrain braucht.

Marx' berechtigter Horror vor den »Kleinproduzenten« und ihrem abstoßenden Verhalten darf uns nicht unter dem Vorwand honoriger Formeln zum strategischen Realitätsverlust verleiten. 1867 sah er nicht die, wenngleich widersprüchlichen, Möglichkeiten proletarischer Macht im intakten kommunalen Leben von Millionen in Afrika, Asien, Ozeanien und Amerika. Im Kapital ist sicher kein Aufruf an die europäischen Proletarier zu finden, gegen die Enclosures dieser Leute zu kämpfen.

Ähnlich war Engels nicht in der Lage zu sehen, daß sich in den neuen europäischen Industriestädten eine neue kommunale Macht in den proletarischen Vierteln entwickelte, für die gekämpft werden müßte. Um dieses strategische Versagen zu verstehen, müssen wir einen Blick in ein wirklich bemerkenswertes Werk von Engels werfen, nämlich Die Wohnungsfrage (1872), geschrieben ein Jahr nach der Pariser Commune. Es ist deutlich, scharf und viel einsichtiger als alles, was in letzter Zeit von der Wohnungs- und Obdachlosenbewegung kam. Es scheint, als würde Engels mit seinen Beobachtungen vom London, Manchester, Paris und Berlin des 19. Jahrhunderts visionär das New York von 1980 beschreiben. Er analysiert eine 19. Jahrhundert-Version der »räumlichen Dekonzentration« bonapartistischen Städteplaners namens Haussmann. Dieser plante offenbar, »lange, gerade und breite Straßen mitten durch die enggebauten Arbeiterviertel zu brechen und sie mit großen Luxusgebäuden an beiden Seiten einzufassen, wobei neben dem Zweck der Erschwerung des Barrikadenkampfs noch die Heranbildung eines von der Regierung abhängigen, spezifisch-bonapartistischen Bauproletariats und die Verwandlung der Stadt in eine reine Luxusstadt beabsichtigt war.« [MEW 18, S. 260 f.].

Aber mitten in diesen scharfen Beobachtungen ist Engels' aktuelle Diskussion der »Wohnungsfrage« irreführend. Warum? Weil er seinen strategischen Standpunkt verläßt, vor allem wie die räumlich definierte Klassenzusammensetzung einer Stadt die Macht der Arbeiterklasse bestimmt, um sich mit zwei anderen klassischen marxistischen Punkten zu beschäftigen: a) die durchschnittliche Wohnungsmiete, die von den Arbeitern bezahlt wird, ist nur eine Umverteilung des Mehrwerts zwischen Kapitalisten und Rentiers, b) die »Lösung« der Wohnungsfrage kann nicht in der Befürwortung von Wohnungseigentum bestehen, weil dies die Arbeiter »verbürgerlichen« und das Herannahen der eigentlichen Lösung, der Revolution, verzögern würde. Der erste Punkt ist abstrakt und mehr oder weniger richtig, während der zweite das für Marx und Engels typische Horror-vor-dem-Kleinbesitzer-Vakuum wiedergibt. Deshalb nimmt er nirgends den Gedanken an eine Verteidigung der Arbeiterviertel als einen wesentlichen Aspekt der »Wohnungsfrage« und eine wichtige strategische Überlegung im Klassendenken auf.

Anscheinend hält Engels es für möglich, durch den Wohnungsmarkt die räumliche Zusammensetzung der städtischen Arbeiterklasse vollständig zu verändern - und trotzdem ist er unwichtig für die »Wohnungsfrage«. Abgesehen davon, daß dies ziemlich absurd ist, ist es sicherlich nicht die Einschätzung der kapitalistischen Haussmanns damals und heute. Engels hat sicher nicht gedacht, daß Revolutionen in einem Himmel der Ideen gemacht werden, sondern daß sie üblicherweise, besonders in ihrem letzten Stadium, in Städten gemacht werden, wo die Frage der räumlichen Verteilung der Kräfte entscheidend ist. Vielleicht war Engels' strategische Vernachlässigung der räumlichen Verteilung der Arbeiterklasse eine Folge des Scheiterns des inzwischen klassischen Szenarios der Pariser Commune, das gerade ein Jahr vor Die Wohnungsfrage stattgefunden hatte. Wahrscheinlicher war es aber das Resultat eines tiefer liegenden kategorialen Versagens des marxistischen Verständnisses der Enclosures, das bis heute für den Marxismus zentral geblieben ist. Das gilt vor allem für seine »Dritte Welt«-Varianten, die öfters von denen übernommen werden, die in vorderster Linie im Kampf gegen die neuen Enclosures stehen, sei es als Organisatoren von Anti-IWF-Demos oder als bewaffnete Guerillas, die um Land kämpfen.

Die Formen des Marxismus sind in tiefer Krise. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob die Krise des »Dritte Welt«-Marxismus ihre Ursache im Scheitern seiner sozialistischen Modelle Sowjetunion und China hätte und nichts mit seinem mangelhaften Verständnis der alten und neuen Enclosures zu tun hätte. Deshalb erscheint diese Krise als Ende der militärischen und ökonomischen Hilfe, die der sozialistische Block als »proletarischen Internationalismus« geleistet hatte. Solch ein Blick ist oberflächlich.

»Dritte Welt«-Marxisten akzeptieren die Vorstellung, daß die Ursprüngliche Akkumulation fortschrittlich ist. Folglich stellen sie sich vor, daß ihre Partei und ihr Staat die Enclosures ihres eigenen Volkes rationeller und fortschrittlicher durchführen würde, als die Kapitalisten dies könnten, selbst wenn sie offiziell die neuen Enclosures bekämpfen. Sie erklären das Gemeineigentum an Land und den Warentausch auf lokalen Märkten zu kleinbürgerlichen Charakteristika, die ausgemerzt werden müssen. Ihr revolutionäres Handeln zielt darauf ab, Grund und Boden zu verstaatlichen und lokale Märkte zu beseitigen, genauso wie den IWF und die herrschende »Kompradoren«-Elite rauszuwerfen.

Doch das erstere ist ein Bannfluch für viele derjenigen, die zunächst vom Kampf gegen die Neuen Enclosures angezogen wurden! Beim Sieg nimmt die Verwirrung zu, denn die Tendenz besteht, die zwei »fortgeschrittenen« Formen des Grundbesitzes - Staatsplantagen (Mocambique) oder kapitalistische Farmen (Zimbabwe) - auf Kosten der Communitystrukturen zu schaffen oder fortzuführen. Unvermeidbar reifen die Bedingungen für die Konterrevolution heran, während die Unmöglichkeit deutlich wird, autarke ökonomische Maßnahmen durchzuführen, da genau die Strukturen, die Autarkie ermöglichen und den »Contras« Land verweigern, von den revolutionären Kräften selbst zerstört worden sind.

In der Konsequenz fasern der konterrevolutionäre Krieg geringer Intensität und hohe Zinsen die Revolution auf. Denn es ist gegen Ende des 20. Jahrhunderts relativ leicht, die Wissenschaft der Revolution zu praktizieren und zu gewinnen. Gerade diese Einfachheit zwingt aber das Kapital dazu, sicherzustellen, daß die Folgen des Sieges in Katastrophe und Verzweiflung bestehen. Darin besteht die Krise der Dritte Welt-Linken: ihre Wurzeln liegen nicht nur in den hinterhältig-dämonischen Plänen des CIA, sondern auch im Scheitern der Marxschen Analyse der alten Enclosures selbst.

Im Kontrast dazu besteht das fortgeschrittenste öffentliche Selbstverständnis des Kapitals bezüglich der neuen Enclosures, mit dem sichtbaren Zusammenbruch der sozialistischen Modelle und einer Krise des revolutionären »Dritte Welt«-Marxismus, in der Parole vom »Ende der Geschichte«. Diese Phrase interpretiert das Ende der sozialistischen Staaten und Parteien als die Auslöschung der treibenden Widersprüche der Weltgeschichte, den Triumph des Weltmarkts als einen Markstein in der gleichmachenden Verwandlung des Planeten in Ware, genannt »Verwestlichung« und »Demokratie«. Ohne solche »Widersprüche« gibt es natürlich keine Geschichte für große Erzählungen mehr.

Wie ernst wir diesen Postmodernismus des State Department nehmen sollten, ist strittig, aber das Szenario, das es vorschlägt, ist einfach. Es setzt den Klassenkampf auf die Situation vor dem Ersten Weltkrieg zurück und gibt den Arbeitern in der OECD zwei Möglichkeiten: »Liberalismus« oder »Imperialismus«. Die liberale Seite akzeptiert den »Marktmechanismus«, wo wir uns dann als unterschiedliche Funktionen des Arbeitsprozesses in einer Umgebung von Aussonderung [triage] wiederfinden, so daß das Verbessern unserer »Überlebensfähigkeiten« zum einzigen Ziel unseres »Lebens« wird. Das imperialistische Moment forciert die Internationalisierung von Unterwerfung und Ausplünderung, d.h. man lehnt die Konkurrenz untereinander ab, indem man sich zum Komplizen seines unmittelbaren Chefs in der direkten Ausbeutung anderer Proletarier macht, so daß ein Sieg nur einen Deal wie in Südafrika bedeutet: bessere Löhne und für jeden eine Wohnung ... geschützt durch Kriegsrecht, Folterzellen und die Knarre in der Handtasche. Wahrscheinlicher wäre eine ekelhafte Mischung von beidem verdaulicher.

Das Grünen des Deals

Im drohenden Schatten dieser düsteren kapitalistischen Absichten und dem Kollaps des Sozialismus sind die »Grünen« mit einer globalen Perspektive herausgekommen, die sich auf menschliche Sehnsüchte stützt, die über den Markt hinausreichen. Vom »Denk wie ein Berg« von Earth First! [militante, ökologisch-radikale, basisorientierte Organisation] zu den »atomfreien Meeren« von Greenpeace scheint die ökologische Bewegung eine wesentliche Kraft im Widerstand gegen die neuen Enclosures in den 80ern gewesen zu sein. »Grüne« Aktivisten haben die Abholzung sabotiert, Strommasten gesprengt, Atomtests verhindert und generell die »Ludditen« der neuen Enclosures gespielt, während »Grüne« Parteien in Europa von vielen unterstützt wurden, die früher zu den Sozialisten oder Kommunisten gegangen wären, indem sie dem politischen und ideologischen Widerstand gegen die gröbsten Konsequenzen der kapitalistischen Entwicklung Stimme verliehen haben. Die »Grünen« (und ihre verbündeten Tierbefreier) haben einiges an außergesetzlichem Mut und engelhafter Begeisterung zu den Kämpfen des letzten Jahrzehnts beigetragen. Aber ihre Klassenzusammensetzung hat ihre Anstrengungen bis heute beschränkt.

Wie wir in Strange Victories (1979; siehe S. 109 in diesem Buch) dargestellt haben, hatte die US-amerikanische Anti-Atom-Bewegung - aus der die derzeitige Ökologiebewegung hervorgegangen ist - eine beschränkte Klassenzusammensetzung. Sie stützte sich auf die ländliche Bevölkerung, die um die Atomanlagen herum lebte und auf »einen zusätzlichen Faktor»: eine intellektuelle Arbeitskraft, die sich in den 60ern in der Umgebung dieser Anlagen angesiedelt hatte. Wir haben behauptet, daß, obwohl die Anti-Atom-Bewegung über diese dünne Klassenzusammensetzung hinausging und städtisches und industrielles Proletariat in die Bewegung mithineinzog, die Atomindustrie nicht besiegt worden wäre. Die Energiepreise waren der Schlüssel, um die Klassenzusammensetzung der Bewegung auszuweiten, und so kam es auch. Die Explosion von Kämpfen gegen die Energiepreiserhöhungen auf den Straßen und Autobahnen in den USA (und die Revolutionen und Aufstände in den Ölförderländern) zwangen das Kapital so um 79-80, die Energiepreise zu stabilisieren. Das besiegelte zumindest in diesem Jahrhundert das Schicksal der US-Atomindustrie.

Allerdings hat die gegenwärtige Ökologiebewegung das Geheimnis der strange victories ihrer Vorgängerin nicht verstanden. Die spezifische Dialektik zwischen aufrührerischen Erdöl-Junkies und Anti-Atomengeln entwickelte sich nie zu einer proletarischen Bewegung, die über das bloße Managen der Umweltkonsequenzen der kapitalistischen Akkumulation hätte hinausgehen können. Ökologen der Reagan-Ära kehrten zur selbstgerechten Ideologie von »Naturbewußtsein«, der Moral »des guten Willens«, der Praxis des »Recycling« und der »Patenschaft« der 70er zurück. Diese Bewegung hat all die Kennzeichen des von Marx und Engels so ausführlich beschriebenen Denkens und Handelns von Kleinproduzenten. Selbst in der Herkunft ihres Namens klingt noch das »aikos« (Heim und Herd) der antiken griechischen Aristokraten. Aber grade so wie das Wort »Ökonomie« die ländlich-patriarchalischen Beziehungen von Vater-Frau-Kind-Sklave in die kapitalistische Fabrik einschmuggelt, so geht »Ökologie« davon aus, daß die Erde ein »aikos« ist, der gut verwaltet sein will, und nicht das Terrain des weltweiten Klassenkampfs. Denn die ProletarierInnen mögen ja Eingeborene dieser Welt sein, aber wir haben keinen Platz hier.

In der Konsequenz ihres politischen Konservativismus hat die Ökologiebewegung eine riesige historische Gelegenheit verpaßt, noch einmal ihre beschränkte Klassenzusammensetzung zu überwinden. Denn mit dem Zusammenbruch des Nachkriegsdeals in den USA ist schließlich eine Chance gekommen, das Seil zu zerschlagen, das die Lohnerhöhungen der Arbeiterklasse in der Vergangenheit an die Zerstörung der gemeinsamen Lebensgrundlagen gebunden hat. Diese Lohnerhöhungen sind endgültig abgelehnt, der Deal geplatzt, aber das Kapital tut immer noch so, als ob es unseren Lebensraum [deutsch im Original] für seine Scheiße nutzen könnte.

Aber die Arbeiter verweigern dem Kapital immer mehr sein »Recht zu scheißen«. Zum Beispiel lag ein wichtiger Aspekt des Streiks gegen International Paper in Jay/Maine, darin, daß die Streikenden eine Umweltschutzverordnung unterstützten, in der IP wörtlich erklärt wurde: Wenn ihr die totale Kontrolle über den Produktionsprozeß innerhalb der Fabrik wollt, wollen wir die totale Kontrolle über den Reproduktionsprozeß außerhalb der Fabrik. Diese Art von Aktion liegt im Innersten einer neuen Möglichkeit für die Ökologiebewegung, ihren Engelsstatus aufzugeben und zurück zur proletarischen Erde zu kommen. Wenn man die Taktik der Arbeiter von Jay verallgemeinert zu einem Kampf, der dem Kapital die Möglichkeit der kostenlosen Einhegung(*) und stückweisen Zerstörung der gemeinschaftlichen Güter untersagt, würde eine wirklich revolutionäre Krise entstehen.

Solch eine Richtungsänderung der Ökologiebewegung würde ein Teil eines größeren Prozesses sein, der die neuen Enclosures in eine entscheidende Chance proletarischer Vereinigung und kapitalistischer Katastrophe verwandelt. In der Praxis bedeutet das die Schaffung von Individuen und Organisationen, die sowohl lokal als auch international denken und handeln können, was genau das ist, was die Kämpfe um die neuen Enclosures tun. Diese Schlußfolgerung wird aktualisiert in den Kämpfen gegen die neuen Enclosures, die gleichzeitig dem Kapital Plätze enteignen und sie halten und der proletarischen Bewegung Räume öffnen. Darum erscheinen auch der defensive Lokalismus, Provinzialismus, Nationalismus und Rassismus vielen aus der Arbeiterklasse so attraktiv, denn sie scheinen etwas Schutz gegen das offensichtlichste Zeichen der neuen Enclosures in Nordamerika und Europa zu geben: die Ankunft des »anderen« Arbeiters. Solch eine Reaktion ist allerdings verrückt, denn je mehr Plätze mit »Nur für Weiße« versiegelt sind, um so enger werden die Räume proletarischer Aktion. Es gibt Leute, besonders in der Dritten Welt und in den sozialistischen Ländern, die auf der anderen Seite nun feiern, daß sich proletarischer Raum für Bewegungen öffnet, die den unmittelbarsten Folgen der neuen Enclosures dort, nämlich ohne Lohn zu sein, zu entkommen suchen. Aber wenn sie nicht am Ende ihrer Bahn Plätze gegen das Kapital zu schaffen vermögen, dann werden sie wie die karibischen Piraten gejagt, fertig gemacht und ausgerottet.

Die konkrete Aufgabe der Schaffung einer neuen proletarischen Geometrie geht an Orten wie New York, Boston, Zürich, Jay/Maine, Peking und Lagos voran. ...

Das letzte Freudenfest

Aber können wir hier mit dieser dürren Hoffnung auf eine abstrakte, meist widersprüchliche proletarische Geometrie abschließen? Sind wir gar zu sehr von der post-modernen anti-revolutionären Krankheit befallen? Diese Krankheit ist tatsächlich befremdlich, weil sich mit dem definitiven Ende der Ära der drei grundlegenden Deals ein Moment klassischer revolutionärer Krise ergibt. Ja, obwohl in dieser Hinsicht das Kapital höchst unstabil ist, scheint sein fetischistischer Charme ungebrochen. Während sich um uns herum beispiellose revolutionäre Ereignisse entfalten, feiern die Postisten das Ende der Revolution, das Ende des Klassenkampfs, das Ende der Großen Proletarischen Erzählung oder, implizit und gegensätzlich, den totalen Triumph des Kapitals.

Jetzt ist Zeit für andere Töne im Kampf der Klassen. In dieser Einführung haben wir alte Begriffe wieder neu eingebracht: Enclosure und gemeinschaftliche Güter. Am Schluß laßt uns noch einen anderen einbringen: »Freudenfest«. Zuerst mag man uns für reichlich daneben halten. Schließlich werden unsere Genossen in aller Welt gejagt, erschossen, eingekerkert und gefoltert, und so scheint die bloße Erwähnung des »Freudenfestes« unangemessen oder gar obszön. Ist das die Zeit zu feiern? Aber jeder Kampf gegen Enclosures und für die gemeinschaftlichen Güter wird zu einem Freudenfest.

Der Begriff selber stammt aus dem Alten Testament, wurde aber an zwei zentralen Stelle in der Periode des Kapitalismus wiederbelebt. »Freudenfest« im allgemeinen meint die Abschaffung der Sklaverei, die Aufhebung aller Schuld und die Rückgabe allen Landes an die Gemeinschaft.

Das kam bei den mesopotamischen Völkern, auch bei den Hebräern, immer wieder vor. Im späten 18. Jahrhundert wurde dieser Ausdruck auf dem Land benutzt, um das Ende der Enclosures zu fordern, während ihn auf der anderen Seite des Atlantik die afrikanischen Sklaven gebrauchten, um die Befreiung aus der Sklaverei zu verlangen. So vereinte dieses Wort den trans-atlantischen Kampf gegen das Kapital in der Zeit vor Marx. Kann es das noch einmal? Vielleicht nicht, aber die im Verlangen nach dem Freudenfest verborgenen Energien sind noch lange nicht verbraucht. Im Gegenteil: indem heute das Dach von allen diesen Absprachen zwischen den Klassen weggeflogen ist, wird die Forderung nach einem Wiederbeginn der Geschichte der Menschheit in Gemeinschaft zu einer Kraft, von der selbst das Kapital abhängt, will es einen wirklichen Weltmarkt schaffen. Diese Kraft des Freudenfestes hat uns zu diesem Heft geführt.

Nieder mit den neuen Enclosures,
Zeit für das letzte Freudenfest ...!


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