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Der französische Mai '68:
Eine verpasste Gelegenheit der Arbeiterautonomie

Beilage in der Wildcat 81 und zwei Veranstaltungen

Viele Feierlichkeiten zum 40. Geburtstag von »'68« haben einen Beerdigungsgeruch. Die Hetze gegen »'68« behandelt die revolutionäre Vergangenheit dagegen als aktuelles Problem. »Der Mai 68 hat uns einen intellektuellen und moralischen Relativismus auferlegt. Die Erben des Mai 68 haben die Vorstellung durchgesetzt, dass alles gleich wert ist, dass es von nun an keinen Unterschied zwischen gut und böse gibt, wahr und falsch, schön und hässlich. (...) Das Opfer zählte weniger als der Täter. (...) Wenn es keine Regeln, keine Normen, keine Moral, keinen Respekt, keine Autorität mehr gibt, dann ist alles erlaubt.« (Wahlkampfrede von Sarkozy, April 2007). Der tiefe Egalitarismus der '68er und ihre (öffentlich praktizierte!) Hoffnung auf ein besseres Leben sitzen nach wie vor als Stachel tief im Fleisch der Herrschenden. Die damaligen revolutionären Prozesse und Erfahrungen sind noch heute virulent, weil sie re-aktivierbar sind!
Um rauszukriegen, was wir aus den weltweiten Erfahrungen 1968 ff. heute noch lernen können, müssen wir uns aber ans Werk machen, denn die Gelegenheiten werden rar, mit damals an vorderster Front beteiligten jungen ArbeiterInnen zu reden!
Mouvement Communiste hat vor anderthalb Jahren eine Broschüre [1] zum »Mai-Juni '68 der Arbeiter« publiziert, die zur Hälfte aus Zeugnissen damals Beteiligter besteht. Wir haben sie übersetzt und der Wildcat 81 beigelegt.

Begonnen in der Provinz, gezündet an der Sorbonne - in der Broschüre wird die Breite und die rasche Ausweitung der Bewegung auf alle gesellschaftlichen Bereiche deutlich: Landarbeiter, Schiffsbesatzungen, SchülerInnen, Post, Bahn, Fabriken... die innerhalb von Tagen und Wochen losbrechende große Lust am Streiken, der gewaltige Ausbruch gegen den repressiven Fabrikalltag und den miefigen Gaullismus wird sowohl in zusammenfassenden Abschnitten wie in direkten Schilderungen deutlich. Eine »Bande« von jungen Arbeitern löst einen Besetzungsstreik in einer großen Fabrik aus, »vergnügt« sich nachts gemeinsam mit den Studenten auf den Barrikaden des Quartier Latin, organisiert sich in Aktionskomitees, verteilt Flugis in der Banlieue, geht auf die Suche nach revolutionären Organisationen. Was wir heute als politische, soziale, kulturelle Überschneidungen analysieren können, war damals ein mehrwöchiger, ununterbrochener, massenhafter Strom von Lernprozessen, eine geradezu explodierende Kreativität auf Massenebene mit innovativen organisatorischen Ideen (Aktionskomitees).
Gleichzeitig wird aber auch der »größte Generalstreik im 20. Jahrhundert« vom Sockel der Mythen geholt. Denn trotz neun Millionen Streikenden war das Ausmaß an »Arbeiterautonomie« sehr gering. Die große Masse »streikte zuhause«. Und die aktiven ArbeiterInnen haben zu wenige Verbindungen untereinander aufgebaut, um aus dem Würgegriff von Gewerkschaften und stalinistischer Partei auszubrechen. Somit konnten diese den Generalstreik benutzen, um die radikaleren Ansätze von Arbeiterautonomie zu ersticken und sich selber eine anerkannte Position im französischen Staat zu erobern.
»'68« war nur der Vorläufer. Die autonomen Streiks und Kämpfe Anfang der 70er Jahre in Frankreich liefen außerhalb und gegen die Gewerkschaften. Sie waren radikaler und viel stärker von unten und selbst organisiert. Anfang Juni organisieren wir zwei Veranstaltungen mit den beiden Genossen, deren Schilderungen den größten Teil der Broschüre ausmachen, und einem weiteren Genossen von Mouvement Communiste.


[1] das französische Original findet ihr hier





Termine und Orte

Hamburg: Freitag, 6. Juni 2008
20 Uhr im Buttclub, St.Pauli, Hafenstraße 126,

Berlin: Sonntag, 8. Juni 2008
um 11 Uhr in der Medien Galerie, Dudenstraße 10, U-Bahnhof Platz der Luftbrücke

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