Wildcat Nr. 69, Frühjahr 2004, S. 22-23 [w69leverkusen.htm]


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Busstreik in Leverkusen


Verkehrte Welt: In Leverkusen streiken die FahrerInnen der Herweg Busbetriebe (HBB) seit Wochen hartnäckig für die Einführung eines Tarifvertrages. In Köln führte die Einführung eben dieses Tarifvertrages zu Austritten von wütenden Busfahrern aus der Gewerkschaft ...


Die FahrerInnen des Subunternehmers HBB haben wesentlich schlechtere Bedingungen als ihre KollegInnen der öffentlichen Muttergesellschaft KWS (Kraftverkehr Wupper-Sieg AG, auch Wupsi genannt), obwohl sie dieselbe Arbeit machen, und beide Betriebe in städtischem Besitz sind. Die HBB ist 2000 von Wupsi aufgekauft worden. Mit dem Kauf sollten niedrigere Löhne durchgesetzt und die Privatisierung von Wupsi vorbereitet werden. Seitdem ist bei Wupsi niemand mehr eingestellt worden. Ausscheidende FahrerInnen wurden durch HBB-FahrerInnen ersetzt. Die 90 HBB-FahrerInnen bekommen 30% weniger Lohn, sie haben ungünstigere Arbeitszeiten, und die bei den Öffentlichen Betrieben üblichen Höhergruppierungen nach Betriebszugehörigkeit gelten für sie nicht. Manche Fahrer mit Familie sind trotz Vollzeitarbeit auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen.

Die HBB-FahrerInnen werden nach dem Tarifvertrag für private Busunternehmen bezahlt. Nachdem ver.di diesen Tarifvertrag gekündigt hatte, zauberte die HBB einen Tarifvertrag mit einer ‹Gewerkschaft Öffentlicher Dienst› (GÖD) auf den Tisch, bei der aber kein Fahrer Mitglied ist. Stattdessen fordert ver.di nun die Anerkennung des Spartentarifvertrages Verkehr NRW.

Nach mehreren Warnstreiks rief ver.di Ende letzten Jahres zur Urabstimmung auf, bei der 95% für den Streik stimmten. Durch den Streik der HBB-FahrerInnen fallen etwa zehn Prozent der Linienfahrten in Leverkusen und dem Bergischen Land aus. An insgesamt sieben Tagen ließen die Wupsi-FahrerInnen ebenfalls die Busse stehen, was Ausfälle von etwa 70 Prozent bewirkte. Diese ungewöhnliche Solidarität wurde sicher dadurch erleichtert, dass HBB und Wupsi faktisch ein Betrieb sind. Die FahrerInnen fahren dieselben Busse (HBB hat keine eigenen), sie fahren dieselben Linien und benutzen dieselben Pausenräume.


Solidarität verboten


Gegen die Solidaritätsstreiks hatte die Wupsi geklagt. Das Leverkusener Arbeitsgericht erklärte die Solidaritätsstreiks für zulässig, aber das Landesgericht Düsseldorf entschied am 12.02.04 anders und untersagte ver.di das Aufrufen zu Solidaritätsstreiks bei Wupsi. Damit ist den ArbeiterInnen ein wichtiges Druckmittel verboten worden. Gleichzeitig ist es der Wupsi gelungen, durch den Einsatz weiterer Subunternehmen den Streikausfall bei Buslinien auf fünf Prozent und weniger zu drücken.

Die HBB-FahrerInnen sind hartnäckig und entschlossen, den Streik weiter zu führen. Sie sehen ihren Kampf als ein Beispiel für viele andere – alleine deswegen dürften sie nicht aufgeben. Aber auch der Gegenseite geht es ums Prinzip, nämlich um die dauerhafte Absenkung der Bedingungen. Außerdem würde die Arbeitsplatzgarantie des Spartentarifvertrages einer Privatisierung im Wege stehen. Den FahrerInnen ist klar, dass diese Auseinandersetzung noch länger dauern kann. Ihre KollegInnen der Firma Rhein-Bus in Düsseldorf haben vor zwei Jahren 50 Tage lang gestreikt, bis sie den Einstieg in den Spartentarif durchgesetzt hatten.

Der Vertreter von ver.di am HBB-Streikzelt meinte, sie seien zu weiteren Streiks bereit und würden notfalls einen Betrieb nach dem anderen auf diese Weise in den Tarifvertrag reinboxen. Aber die Gewerkschaft scheint nicht ernsthaft zu versuchen, die FahrerInnen anderer Betriebe einzubeziehen. Die HBB-FahrerInnen stehen ziemlich isoliert da. Mit der langen Fortdauer des Streiks wird die Argumentation zunehmend defensiv. Während am Anfang der Lohnunterschied im Mittelpunkt stand, wird inzwischen eher populistisch argumentiert. Gegen den Vorwurf, mit Lohnforderungen den armen Stadthaushalt weiter zu belasten, betont ver.di nun, dass es ja gerade nicht um Lohnsteigerungen, sondern nur um den Einstieg in den Tarifvertrag ginge.


Nach dem Verbot der Solidaritätsstreiks soll jetzt mehr Druck auf die Politiker gemacht werden, die über die städtischen Betriebe zu entscheiden haben. Das vor kurzem gegründete Solidaritätskomitee kann bisher aber nur wenige AktivistInnen mobilisieren. Zu einer Kundgebung vor der Stadtratssitzung am 16.2., zu der das Solikomitee und ver.di aufgerufen hatten, kamen gerade mal hundert Leute.


Soliaktion und Blockade (Berichte)

Indymedia
labournet
FAU

Interview in der Jungen Welt

Aktuelle Infos zum Streik (Webseite der »Roten Fahne«)

aus: Wildcat 69, Frühjahr 2004


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