Wildcat Nr. 73, Frühjahr 2005, S. 17–27 [w73_usa_working_class.htm]



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Der Krieg gegen den Terror und die Arbeiterklasse in den USA

George Caffentzis

Der »Krieg gegen den Terror« der Bush-Administration wird oft als Angriff auf die Bürger- und Menschenrechte von US-BürgerInnen und »feindlichen Kämpfern« kritisiert. Mittlerweile beschäftigt sich eine umfangreiche Literatur damit, wie der Patriot Act von 2001 und das Anti-Terrorismus-Gesetz von 1996, zwei der wichtigsten legislativen Säulen des Kriegs gegen den Terror, in vieler Hinsicht die bisher weithin gültigen Normen von Datenschutz und Rechtsstaatlichkeit in den USA verletzen (Cole 2003). Tatsächlich gilt der von der Bush-Administration nach dem 11. September durchgezogene »Putsch« bei vielen als Hinwendung zu immer mehr »Notstandsmaßnahmen«, die der neoliberale Staat in Krisenzeiten arrogant durchsetzt. Es gibt zuhauf Parallelen zwischen dem Einsturz der Türme des World Trade Center und dem Reichstagsbrand 1933. Der Reichstagsbrand machte den Nazis den Weg frei für die Durchsetzung der Notstandsgesetze, die alle Vorstellungen von Legalität über den Haufen warfen, die sich nach dem Ende der Sozialistengesetze in den 1870er Jahren entwickelt hatten; genauso gab »9/11« der Bush-Administration die Handhabe für die Ausübung von Notstandsbefugnissen. Bisher hat sich die kritische Diskusson über den »Krieg gegen den Terror« in den USA eindeutig auf die juristischen und Bürgerrechtsgesichtspunkte konzentriert, mit allen Beschränkungen, die solch ein Ansatz mit sich bringt.

In diesem Artikel betrachten wir den Krieg gegen den Terror aus einem anderen Blickwinkel, ohne natürlich seine Auswirkungen auf die Bürgerrechte zu bestreiten. Wir analysieren den Krieg gegen den Terror als eine vom Kapital in den USA eingesetzte Klassenstrategie, die an den »antikommunistischen« Feldzug der 1950er Jahre erinnert, der ebenfalls ein juristisches und ein polit-ökonomisches Gesicht hatte und im In- und Ausland angewandt wurde. Hinter diesem Text steht mit anderen Worten die Frage: Wie werden die Ereignisse des 11. September 2001 benutzt, um die Klassenverhältnisse in den USA zu verändern? Diese Frage lässt sich natürlich nur beantworten, wenn man die Klassenzusammensetzung und die Kräfteverhältnisse vor dem 11. September 2001 versteht.

Eine Lohn- und Profitkrise am Ende des 20. Jahrhunderts

Das Klassenverhältnis, das die Administration von George W. Bush geerbt hatte, lässt sich ganz schnell, wenn auch abstrakt verstehen, wenn man das Lohn-/Profitprofil der Jahre vor dem 11. September 2001 beschreibt.

Das hervorstechendste Merkmal des Klassenkampfs in den USA im Vierteljahrhundert von 1973 bis 1997 war der Niedergang der Reallöhne, der die Grundlage für die überraschende Erholung der Profite des US-Kapitals Anfang der 1990er Jahre legte. Der durchschnittliche reale Wochenlohn (in konstanten Dollars von 1982) lag 1973 bei 315 und 1997 bei 268 Dollar. Dieser Niedergang um 15 Prozent vollzog sich mit erschütternder Regelmäßigkeit, und im Gegenzug stiegen die (realen wie nominellen) Gesamtprofite der Konzerne zwischen diesen beiden Daten dramatisch. Um eine grobe Schätzung zu erhalten, wie unterschiedlich sich Durchschnittslöhne und Gesamtprofite entwickelten, muss man nur die unterschiedlichen Zuwachsraten ihres jeweiligen nominellen (nicht realen) Werts in zwei verschiedenen Zeiträumen vergleichen: dem keynesianischen (1959-1973) und dem neoliberalen (1973-1997).


Zeitraum Lohnzuwachs Profitzuwachs
1959-1973 85% 15%
1973-1997 192% 577%
1997-2000 12% -6%
2000-2003 8% 25%

Die Tabelle (berechnet aus den Tabellen B-47 und B-90 von The Economic Report of the President 2004) illustriert ganz einfach eine bekannte Tatsache: In der keynesianischen Ära stiegen Nominallöhne und Profite etwa gleich schnell, während die nominellen Profite im neoliberalen Zeitraum im Vergleich zu den Nominallöhnen gewaltig zulegten (real fielen letztere sogar).

Ab 1997 vollzog sich aber eine überraschende Entwicklung: zum ersten Mal seit den 1960er Jahren gab es drei Jahre lang (1997, 1998, 1999) Steigerungen der Reallöhne von über einem Prozent. Da überrascht es nicht, dass in diesen Jahren die Profite nach über zehn Jahren ununterbrochener nomineller Profitzuwächse zu fallen anfingen: von 868 Mrd. Dollar 1997 über 801 Mrd. Dollar 1998 auf 851 Mrd. Dollar 1999. Dies läutete eine Krisenperiode ein, in der die Nominallöhne stiegen, während die Profite sanken, und das stellte ein grundlegendes Axiom des neoliberalen Zeitalters auf den Kopf.

Um diese Zahlen mit ein bisschen »Fleisch« zu füllen, sollten wir uns daran erinnern, dass während der letzten Clinton-Administration einige wichtige Streiks gewonnen wurden, nachdem das Streikaufkommen über lange Jahre stark zurückgegangen war und die Streiks immer länger und riskanter geworden waren. 1997 gab es z.B. den erfolgreichen Streik bei UPS (United Parcel Service), den die Teamsters unter ihrer »Reform«-Führung organisiert hatten (Prashad 2003). Im Jahr 2000 gab es sogar die höchste Zahl von durch Streiks verlorenen Arbeitstagen seit den Arbeitskämpfen der 70er Jahre (Statistical Abstract of the US: 2003, Tabelle 655).

In diesen Zahlen zeigt sich einer der Gründe, warum die rechten Politiker Clinton in den »Boomjahren« Ende der 1990er so sehr hassten. Obwohl Clinton fest an die Vorzüge des Neoliberalismus glaubte, erlebte die US-Wirtschaft während seiner Präsidentschaft eine dreijährige Periode, in der die Reallöhne stiegen und die Gesamtprofite sanken. Insofern sollte es keine Überraschung sein, dass republikanische Senatoren seinen Kopf forderten! In ihren Augen war Clinton entweder bestenfalls so inkompetent, dass er die Arbeitslosigkeit zu sehr sinken ließ, oder schlechtestenfalls unaufrichtig in seinem Glauben an die göttlichen Eigenschaften »des Marktes«. Viele hielten ihnen für einen als Neoliberalen verkleideten Keynesianer.

Diese Umkehrung des idealen neoliberalen Verhältnisses von Löhnen und Profiten und die Intensivierung der Streikaktivität hatte aber langfristig keine Chance gegen die fortgesetzte Dominanz der neoliberalen Politik, ob nun Gore oder Bush die Wahl im Jahr 2000 gewann. Daher änderte sich ab 2000 zwischen zusammenbrechenden Aktienmärkten, dem Dotcom-Crash, einer Verlangsamung der Wirtschaft und einer statistisch feststellbaren Rezession das nominelle Verhältnis zwischen Löhnen und Profiten, wie sich an der letzten Zeile der Tabelle (»Bush-Administration«) ablesen lässt. Auch die Reallohnzuwächse sanken jetzt wieder; in den letzten vier Jahren betrugen sie im Schnitt 0,5 Prozent: 4 Prozent im Jahr 2000, -1 Prozent im Jahr 2001, 1,3 Prozent im Jahr 2002 und 0,4 Prozent im Jahr 2003 (Economic Report of the President 2004, Tabelle B-47). Und schließlich fiel die Zahl der durch Streiks verlorenen Arbeitstage 2001 und 2002 auf einen historischen Tiefstand.

Diese Statistiken zeigen, dass es der Bush-Administration nach dem 11. September 2001 gelang, die Krise der neoliberalen Wirtschaftspolitik in den USA umzudrehen, wenigstens kurzfristig. Wir behaupten, dass dieser Richtungswechsel teilweise auf die Ausrufung des Kriegs gegen den Terror zurückzuführen ist.

Die ideologische Krise des Neoliberalismus: internationale Aspekte

Um in Gänze zu verstehen, welche Motivation hinter dem Krieg gegen den Terror steht, müssen wir begreifen, dass die Krise des Neoliberalismus nicht nur im Niedergang der Kapitalrentabilität in den USA begründet lag. Ökonomisch entsprach der Profitkrise in den USA eine Stagnation der Profite in Europa und Japan, die die Nervosität hinsichtlich der Tragfähigkeit des neoliberalen Projekts als angemessene Antwort der Kapitalisten auf die Forderungen und Kämpfe der Arbeiterklasse noch steigen ließ. Gleichzeitig mit dieser Krise der Profite begann das neoliberale Projekt Ende der 1990er Jahre in Asien, Russland und Südamerika ganz allgemein zu schwächeln. Im Jahr 2000 waren alle Vorbedingungen für eine große Krise des Neoliberalismus gegeben.

Diese Krise des Neoliberalismus hatte ideologische und politische Ursachen, die seit langer Zeit geschwelt hatten. Die erste Phase der Globalisierung startete Anfang der 1980er Jahre mit der Schuldenkrise und der Durchsetzung der Strukturanpassungsprogramme (SAPs) in der ganzen ehemaligen kolonisierten Welt. Die Reaktion auf die SAPs waren Riots, Aufstände, Generalstreiks und eine »mikropolitische« Sabotage, die ganz Afrika, Asien und Südamerika durchdrang.

Parallel zur Krise entwickelte sich ideologisch die Antiglobalisierungsbewegung und übernahm die bis dahin von den kommunistischen Staaten gespielte Oppositionsrolle. Schon die bloße Existenz einer solchen lautstarken Opposition war destabilisierend, egal wie »effektiv« ihre Strategien und Taktiken waren. Außerdem begann die anti-neoliberale no-global-Bewegung auch die staatliche Politik zu beeinflussen, wenigstens in Südamerika. Der Zusammenbruch der neoliberalen Wirtschaftspolitik in Argentinien und die anti-neoliberalen politischen Aufstände und Wahlsiege in Bolivien, Venezuela und Brasilien verliehen der Behauptung, dass der Neoliberalismus nicht die Reproduktion der Mehrheit der Menschheit sichern kann, neue Kraft und drückten damit die Gefühle von Milliarden Menschen auf der ganzen Welt aus.

Dass der Ausweitungsversuch der Globalisierungsagenda bei der WTO-Konferenz in Cancun im September 2003 und die FTAA/ALCA-Konferenz in Miami im November 2003 gescheitert sind, ist darauf zurückzuführen, dass sich die Bewegung von den Straßen in die staatlichen Parlamente und Konferenzräume bewegt hat. Was Ende der 1970er Jahre als Mittel zur Überwindung der Krise des Keynesianismus gefeiert worden war, war zu Beginn des 21. Jahrhunderts selbst in eine chronische Krise geraten.

Gegen diese weltweite Herausforderung der Hegemonie des Neoliberalismus richtet sich der tatsächliche oder potenzielle Krieg unter der Überschrift »Krieg gegen den Terror« in Afghanistan, Irak und den 50 oder 60 Ländern, gegen die Bush in seinen ersten Reden nach dem 11. September Drohungen ausgesprochen hat.

Der internationale Aspekt des Kriegs gegen den Terror ist schon ausführlich kommentiert worden. Wir sollten aber nicht vergessen, dass die Bush-Administration etwas genauso Wichtiges in den USA selbst zu erledigen hatte. Nachdem es der Regierung Clinton Ende der 1990er Jahre nicht gelungen war, die Löhne niedrig zu halten, musste die Bush-Administration die Rentabilität des US-Kapitals wieder herstellen und die Löhne spürbar senken und gleichzeitig mit der ideologischen Krise fertigwerden, die die weltweiten Forderungen nach Alternativen zur neoliberalen Agenda heraufbeschworen hatten. Den ersten Schritt hat die Bush-Administration vollbracht, indem sie die wirtschaftliche Situation in den USA zugunsten des Kapitals gedreht hat. Dabei war die Anwendung des Kriegs gegen den Terror im Inland ein wichtiges Mittel in der Durchführung dieses Projekts.

Der Patriot Act und die Lohnsklaverei

»Wir bauen Maschinen, die wie Menschen handeln, und wir wollen Menschen produzieren, die wie Maschinen handeln. Die Gefahr besteht heute nicht darin, dass wir Sklaven werden, sondern dass wir Automaten werden.« Erich Fromm, Freedom in the Work Situation, in: Harrington und Jacobs 1960: 3

In »Ende und Wiederkehr der Sklaverei« (Wildcat-Zirkular 45, Juni 1998) führt Caffentzis seine Thesen zu Zwangsarbeit im Kapitalismus aus.


Der sechs Wochen nach dem 11. September eilig und fast einstimmig vom Kongress verabschiedete und von Präsident Bush unterzeichnete Patriot Act wurde dem Kongress und der Öffentlichkeit als Mittel zur Bekämpfung von Al Qaida und ihren Verbündeten verkauft. Aber das Gesetz richtet sich nicht speziell gegen Al-Qaida-Mitglieder. Anders als z.B. die antikommunistischen Gesetze im Kalten Krieg hat der Patriot Act kein klares Ziel, sondern identifiziert den »Feind« extrem verschwommen. Seine Definition von »terroristischen Aktivitäten« und »terroristischer Organisation« ist dermaßen breit, dass er praktisch jeden kriminalisiert, der sich politisch engagiert und für nicht von der US-Regierung genehmigte politische Zwecke über nationale Grenzen hinweg reist, kommuniziert oder Geld schickt.

Als »terroristische Aktivität« wird jede Straftat definiert, bei der »eine Waffe oder ein gefährliches Gerät (außer zum Zwecke der persönlichen Bereicherung)« benutzt wird, und zu den »terroristischen Aktivitäten« gehört das Sammeln von Spenden, das Werben von Mitgliedern und materielle Unterstützung für eine »terroristische Organisation«, selbst wenn die Organisation legitime politische und humanitäre Ziele hat. Was eine »terroristische Organisation« ausmacht, ist noch problematischer. Bisher entschied das amerikanische Außenministerium darüber, welche Organisationen als Terroristen galten, indem es regelmäßig neue Listen veröffentlichte. Mit der Verabschiedung des Patriot Act wird aber jede Gruppe von »zwei oder mehr Individuen, ob sie organisiert sind oder nicht«, die nach obiger Definition terroristische Aktivitäten betreiben, zur »terroristischen Organisation«.

Die Liste von Straftaten, die im Rahmen des Patriot Act verfolgt werden können, ist potenziell endlos. Sie enthält:

»… menschliches Leben gefährdende Handlungen, die die Strafgesetze verletzen, [wenn sie] darauf gerichtet scheinen …, die Politik einer Regierung durch Einschüchterung oder Nötigung zu beeinflussen [und wenn sie] primär im Bereich der territorialen juristischen Zuständigkeit der USA vollzogen werden.«

Mit dieser Definition können leicht auch Streikposten im Rahmen einer öffentlichen Demonstration oder eines Streiks vor einer Fabrik, einem Büro oder einem Armeestützpunkt gemeint sein. Außerdem können ausländische Staatsbürger auch dann abgeschoben werden, wenn sie vor Inkrafttreten dieses Gesetzes für eine nicht näher bezeichnete »terroristische Organisation« materielle Unterstützung geleistet, Spenden gesammelt oder Mitglieder geworben haben.

Wenn man bedenkt, wie »fließend« und zufällig die US-Regierung ihre Gegner klassifiziert, dann ist diese rückwirkende Klausel ein sehr provozierender Schritt. Dahinter steckt ganz klar die Absicht, die Antiglobalisierungs- und Gewerkschaftsbewegung in die Defensive zu drängen. AktivistInnen, die sich in transnationalen Netzwerken und Unterstützungsarbeit engagieren, gehen jetzt neue Risiken ein. Außerdem lassen sich die Formulierungen des Patriot Act (ebenso wie die des Homeland Security Act) von den Ermittlungsbehörden des Bundes »… als Freibrief für Ermittlungen gegen politische AktivistInnen und Organisationen auf der Grundlage ihrer Opposition gegen die Regierungspolitik verstehen. Sie kann von (…) Strafverfolgungsbehörden auch als Freibrief für die Kriminalisierung von legitimem politischem Protest verstanden werden« (Chang 2002).

Aber obwohl man im Rahmen des Patriot Act alle AktivistInnen und ArbeiterInnen kriminalisieren kann, richtet sich der Angriff der neuen Gesetze vor allem gegen die ArbeitsimmigrantInnen, denn sowohl bei ihrer Organisierung als auch bei der Bewältigung ihres Alltags bewegen sie sich zwangsläufig transnational, z.B. durch Unterstützungsarbeit für politische Organisationen in ihren »Heimat«-Ländern. Und bei näherer Betrachtung stellt sich der Patriot Act hinter der »Terrorismus«-Rhetorik als nichts anderes als ein neues Instrument heraus, um den Klassenkampf in den USA in Schach zu halten. Er richtet sich besonders auf die Kontrolle einer zunehmend multinational werdenden Arbeiterklasse.

Der Patriot Act wird schon jetzt für Razzien in Einwanderervierteln, zur Abschiebung oder Inhaftierung einer unbekannten Zahl von ImmigrantInnen, besonders (aber nicht ausschließlich) aus islamischen Ländern, und zur Durchleuchtung von Zehntausenden mehr benutzt. Vor allem führte er – in der Zeit nach dem 11. September – unmittelbar dazu, dass die Organisationsversuche der ArbeitsimmigrantInnen stecken blieben.

Das ist kein Zufall. Um gänzlich zu verstehen, warum diese Art von Gesetz verabschiedet wurde, sollte auf zwei Punkte hingewiesen werden: Erstens ereignete sich der 11. September zu einer Zeit von erneuertem Klassenkampf und Gewerkschaftsmobilisierungen, die Ende 2000 zu einer Trendwende im starken Rückgang des gewerkschaftlichen Organisationsgrades seit den 80er Jahren geführt hatte (dieser war von durchschnittlich 25 Prozent in den 1970er Jahren auf 13,9 Prozent im Jahr 1999 gefallen). Während die ArbeiterInnen in den 1980er Jahren also den gewerkschaftsfeindlichen Angriffen seitens der Konzerne mit Unterstützung der Republikaner wie der Demokraten wehrlos gegenüber standen, gewannen die gewerkschaftliche Organisierung und die Offensive der Arbeiterklasse im Jahr 2000 wieder an Boden. Zum Teil stand hinter dem erneuten Aufschwung des Arbeiteraktivismus der stabile und in einigen Fällen sogar wachsende Organisierungsgrad im öffentlichen Dienst (von Lehrern über Polizisten bis hin zu Sozialamtsbeschäftigten) von 36,7 Prozent im Jahr 1983 auf 37,5 Prozent im Jahr 2000. Aber hauptsächlich wurde die neue Klassenoffensive und die gewerkschaftliche Organisierung in den 1980er und 1990er Jahren von ArbeitsimmigrantInnen getragen, die massiv in den US-Arbeitsmarkt eintraten - zwischen 1981 und 1998 fast 15 Millionen - und seine soziale und politische Zusammensetzung radikal veränderten. Ein Basisaktivist von Justice for Janitors in Los Angeles drückte es so aus: »Wir Latino-ArbeiterInnen sind eine Bombe vor der Explosion.« (Clawson 2003: 101)

Zunächst haben die ArbeitsimmigrantInnen den gewerkschaftlichen Organisierungsgrad erhöht, da sie Gewerkschaften allgemein positiver gegenüber stehen als hier geborene ArbeiterInnen (De Freitas 1993). Gegen die gewerkschaftsfeindliche Proposition 226 (Gewerkschaften sollten verpflichtet werden, jedes Mitglied um Erlaubnis zu fragen, bevor sie seine Beiträge für politische Kampagnen ausgeben) haben in dem kalifornischen Volksbegehren zum Beispiel 75 Prozent der Latinos (zum Großteil EinwandererInnen), aber nur 53,5 Prozent der WählerInnen insgesamt gestimmt.

Gewerkschaften sind gewiss keine revolutionären Organisationen. Unbestritten verdienen aber gewerkschaftlich organisierte ArbeiterInnen in den USA im Durchschnitt 34 Prozent mehr als andere ArbeiterInnen. »Der Beitritt zu einer Gewerkschaft steigert den Lohn [berufstätiger] Frauen um 40 Prozent, den Lohn afroamerikanischer ArbeiterInnen um 44 Prozent und den Lohn von Latino-ArbeiterInnen um 53 Prozent.« (Collins und Yeskel 2000: 83). Wenn man die Entwicklung des gewerkschaftlichen Organisierungsgrads umkehren und wieder auf das Niveau der 1950er Jahre heben könnte (einschließlich des Effekts auf die Löhne), würde dies die Profite der US-Konzerne komplett zunichte machen. Daher sieht das US-Kapital die Anwesenheit von ImmigrantInnen auf dem US-Arbeitsmarkt mit gemischten Gefühlen. Einerseits beruht ein großer Teil der Profite der US-Wirtschaft auf ihnen; andererseits bringen die ArbeitsimmigrantInnen (mit und ohne Papiere) eine Erfahrung intensiven Klassenkampfs mit.

Nur ganz selten sind politisch aktive EinwandererInnen aus Lateinamerika, Asien oder Afrika vor ihrer Migration in ihren Heimatländern nicht an Antiglobalisierungskämpfen beteiligt gewesen. Nur sehr wenige Erwachsene haben nicht an einem Streik, einem Riot oder einem Aufstand gegen die Privatisierungs- und Liberalisierungsprogramme der Weltbank oder vom IWF inspirierte Abwertungen teilgenommen. Viele wurden eben wegen ihrer Beteiligung an Kämpfen gegen die Globalisierung und von der durch Strukturanpassungsprogramme verursachten allgemeinen Verarmung aus ihren Ländern gejagt. Wieder andere, z.B. viele salvadorenische ArbeiterInnen, sind in die USA als Flüchtlinge vor einem Krieg gegen die Militärjunta und Rechtsregierung gekommen und sind nach wie vor tief mit der Politik der Befreiungsbewegung in El Salvador verbunden. Die ArbeitsimmigrantInnen, die in die USA kommen, sind mit anderen Worten keine besiegten, apathischen Menschen. Im Gegenteil lassen sie eine enorme Kampferfahrung aus der »Peripherie« des Kapitalismus in sein »Zentrum« zirkulieren; auf dieser Grundlage konnten in der 1990er Jahren die gewerkschaftliche Militanz und der Klassenkampf in den USA wieder erstarken.

Die ArbeitsimmigrantInnen haben dem Kampf in den USA einen derart starken Anstoß gegeben, dass die AFL-CIO im Jahr 2000 endlich ihre jahrhundertlange Feindschaft gegen EinwandererInnen begraben und den noch nie dagewesenen Schritt unternehmen musste, die Forderung nach einer »Amnestie für Illegale« zu unterstützen, als sie einsah, dass diese bei ihren Organisierungsversuchen die Führung übernahmen (Prashad 2003: 44).

Deshalb ist es nicht überraschend, dass sich der Patriot Act der Bush-Administration gegen ArbeitsimmigrantInnen richtet und sie als »Terroristen« stigmatisiert. Es geht genau darum, den Informationsfluss, die Organisationsstrategien und die Netzwerke zu unterbrechen, mit deren Hilfe die AktivistInnen – in vielen Fällen durch die Antiglobalisierungs- und die gewerkschaftlichen Organisierungsbewegungen – die hegemoniale Macht der multinationalen Konzerne herausfordern. Durch international koordinierte Kampagnen wie die Anti-Sweatshop-Kampagne, die ihren Schwung auch einem neuen Bündnis zwischen StudentInnen, GewerkschaftsaktivistInnen und Einwandererorganisationen in den USA verdankt, konnten sie in vielen Fällen die Konzerne zwingen, ihren ArbeiterInnen Rechenschaft abzulegen. StudentInnen hatten in den ganzen USA, Campus für Campus, eine Bewegung organisiert und dagegen protestiert, dass Waren, die ihnen die Universtität verkaufte, wie z.B. T-Shirts, in Sweatshops produziert wurden.

In diesem Zusammenhang stellt der Patriot Act einen wichtigen Schritt in der Bestimmung einer neuen Phase der Lohnsklaverei in den USA dar, die unrechtmäßig entlassenen ArbeiterInnen ohne Papiere das Recht auf Lohnnachzahlung abspricht. Dies zeigte sich 2002 an der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA im Verfahren Hoffman Plastic Compounds gegen das National Labor Review Board (NLRB). Hinter dieser Entscheidung steht eine zunehmende politische Gleichsetzung von EinwandererInnen und »Terroristen« – in der gegenwärtigen US-Rechtsprechung die rechtlosen dämonischen Wesen par excellence. Dieser Status wurde am krassesten von den »amerikanischen Gulags« – den US-Einwanderungsknästen – nach dem 11. September vorgeführt (Dow 2004). In diesen Knästen sind 1200 ImmigrantInnen, die unmittelbar nach dem 11. September aufgegriffen und eingesperrt worden waren, und 2700 weitere Gefangene, die aufgrund kurz nach dem 11. September erlassener Sondergesetze eingesperrt worden waren, jahrelang inkognito gefangen gehalten worden. Diese Menschen sind ganz einfach ohne Rechtsbeistand im Gulag verschwunden. Tatsächlich sind ihre Namen rechtlich anulliert worden, da die Regierungsjuristen seit Jahren jeden Versuch blockieren, sie zu identifizieren. Wiederum bedeutet der Krieg gegen den Terror unter diesen Umständen nicht nur eine Menschenrechtsverletzung, sondern sie unterbinden die grundlegendsten Rechte, die es im Kapitalismus gibt, nämlich, einen Namen zu haben und ihn in einen Vertrag einzusetzen.

Wir benutzen den altertümlich klingenden Ausdruck »Lohnsklaverei« aus demselben Grund, aus dem andere, an die Vergangenheit des Kapitalismus erinnernde Begriffe wie »Schwitzbude«, »Einhegungen« und »Multitude« benutzt werden, um einige der wichtigsten Veränderungen in der Gesellschaft der Gegenwart zu beschreiben. Dieser semantische Schritt »zurück in die Zukunft« bezeichnet einen Bruch zwischen der Veränderung des Kapitalismus und dem gesellschaftlichen Fortschritt, der begrifflich die vergangenen Schrecken des Kapitalismus und zugleich die vergangenen verpassten Gelegenheiten zu einem Bruch mit dem Kapitalismus enthält.

»Lohnsklaverei« wird oft als rhetorische Phrase missverstanden, die auf eine längst vergangene Zeit anspielt, als die ArbeiterInnen mitleiderregend niedrige Löhne bekamen, der Arbeitstag endlos lang war und eine drakonische Arbeitsdisziplin herrschte. Aber dies sind nur Symptome der Lohnsklaverei, nicht ihre Substanz. Diese besteht aus einer Situation, in der die ArbeiterInnen keine legalen Rechte haben, kollektiv über die Kosten und Bedingungen ihrer Arbeit zu verhandeln. Anders als der Sklave gehört der Lohnsklave also nicht dem Arbeitgeber. Er bekommt einen Lohn, aber er kann über seinen Lohn nicht kollektiv verhandeln, indem er z.B. in einem Streik zusammen mit anderen ArbeiterInnen seine Arbeit verweigert. In solchen Situationen wird der Lohn effektiv entweder vom Staat oder von den Arbeitgebern bestimmt und nähert sich tendenziell dem bekannten Bild vom viktorianischen Geizkragen an, der seine hilflosen ArbeiterInnen in seinem Geiz zu Tode hungern lässt. Im 19. Jahrhundert war Lohnsklaverei in Europa und in den USA weit verbreitet, wie die politische Literatur der Zeit bezeugt. Sie wurde erst Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts besiegt, als die ArbeiterInnen das Wahlrecht und das Recht erhielten, Gewerkschaften zu gründen und kollektiv Löhne, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Aber wie die Geschichte der USA und Europas zeigt, tendiert jedes Ausbeutungssystem unter den entsprechenden Umständen letztlich zur Sklaverei, und der Kampf gegen sie ist noch lange nicht gewonnen.

Daher müssen wir auch heute den Raum zwischen Lohn und Sklaverei untersuchen, um die Arbeitsbedingungen und das Klassenverhältnis im neoliberalen Kapitalismus zu verstehen. Bezeichnenderweise rückt das begriffliche Territorium zwischen der Sklaverei und dem Schutz der Verhandlungsrechte der ArbeiterInnen seit dem Ende des Keynesianismus in den 1970er Jahren in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit von AktivistInnen und GesellschaftstheoretikerInnen. Die Aufmerksamkeit richtet sich dabei vor allem auf die »Sklaverei«-Seite des Territoriums [siehe Bales (2000) zu »überflüssigen Menschen«], während Strafverfahren wegen der (direkten und indirekten) Verletzung der Konventionen gegen Sklaverei auf der ganzen Welt in den letzten Jahren üblich geworden sind. Aber auch die »Lohn«-Seite der Lohnsklaverei wird unter dem Stichwort Verletzung von »ArbeiterInnenrechten« und dem Revival der Sweatshops diskutiert. Denn die ideale Verwirklichung eines Regimes freier Lohnarbeit (wie es die ILO-Konventionen und der radikalere Teil der New-Deal-Gesetzgebung vorsehen) befindet sich in den USA wie weltweit auf dem Rückzug.

Die Angst davor, dass sich die ArbeiterInnen in Automaten verwandeln könnten, wie sie Erich Fromm im oben angeführten Einleitungszitat in den 1960er Jahren äußerte, hat sich in jüngster Zeit verwandelt in eine Angst vor der Rückkehr der Lohnsklaverei in den USA und auf der ganzen Welt. Die Situation der ArbeitsimmigrantInnen, die keine kollektiven Verhandlungsrechte haben, gleicht zunehmend der vieler anderer ähnlich in ihren Rechten eingeschränkter »Bürger« wie Gefangene, Gefangene auf Bewährung und »Workfare«-ArbeiterInnen, bei denen die Sozialhilfe an Zwangsarbeit geknüpft wird. Das hat dazu geführt, dass die in den 1950er und 1960er Jahren so ausgeprägte Angst davor, für »Garantien« mit einem entfremdeten und mechanisierten Leben zu bezahlen, am Anfang des 21. Jahrhunderts einer älteren Angst Platz macht: der Angst, keine Rechte zu haben, inmitten eines Maschinendschungel die Grundbedingungen der eigenen Existenz auszuhandeln. Und »die Maschine« hat für viele ihre Anziehungskraft verloren, die sie einmal als etwas Geplantes, Ordentliches, »Rationales« ausübte, und erscheint vielmehr als ein grausamer, unberechenbarer Gott, der immer mehr Menschenopfer fordert.

Daher hat sich die Kritik des Kapitalismus verschoben – weg von einer Betonung der Entfremdung und hin zu einer erneuten Beschäftigung mit den Rahmenbedingungen von Löhnen, Profiten, Klassen und Arbeit.

Der Homeland Security Act: Ein subtiles Gemisch aus Neoliberalismus und Keynesianismus

Während der Patriot Act die Rechte und die gewerkschaftliche Organisierung der ArbeiterInnen implizit verletzt, richtet sich der Homeland Security Act (HSA) ganz explizit gegen gewerkschaftliche Organisierung. Das am 25. November 2002 mit dem Ziel der »Verhinderung von terroristischen Angriffen in den USA« und der »Verringerung der Verwundbarkeit der USA gegenüber dem Terrorismus« verabschiedete Gesetz stand wegen der in ihm enthaltenen gewerkschaftsfeindlichen Bestimmungen schon vor seinem Inkrafttreten im Zentrum einer heftigen Kontroverse. Das Gesetz richtet sich direkt gegen die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, indem es das gewerkschaftliche Organisationsrecht der 170.000 Beschäftigten des durch die Zusammenlegung von 22 Bundesbehörden neu geschaffenen Department of Homeland Security (DHS) bedroht. (In diesem Zusammenhang sollten wir nicht vergessen, dass Beschäftigte des Bundes kein Streikrecht haben und daher rechtlich in ihren Möglichkeiten, ihre Löhne kollektiv auszuhandeln, eingeschränkt sind.)

Eine der vielen gewerkschaftsfeindlichen Bestimmungen des HSA – versteckt in Title VIII, Subtitle E, section 842 – führt aus:

»wenn der Präsident bestimmt, dass die Anwendung von Unterabschnitten [des Gesetzes, in dem es um kollektive Verhandlungsrechte ging] sich substanziell ungünstig auf die Fähigkeit des Ministeriums, den Heimatschutz zu sichern, auswirken würde, kann der Präsident die Anwendung solcher Unterabschnitte zehn Tage, nachdem der Präsident dem Kongress eine schriftliche Erläuterung der Gründe eines solchen Beschlusses unterbreitet hat, untersagen.«

Die kollektiven Verhandlungsrechte von 43.000 gewerkschaftlich organisierten DHS-Beschäftigten hängen also an einer einseitigen Entscheidung von Präsident Bush! In den Debatten vor der Verabschiedung des HSA verlangten die Demokraten im Senat, dass der Präsident gezwungen werden müsste, vor der Abgabe einer solchen Untersagungsverfügung entweder die Genehmigung der Federal Labor Relations Authority einzuholen oder einen nationalen Notstand auszurufen. Aber Präsident Bush drohte damit, Veto gegen das Gesetz einzulegen, wenn sein Recht, den DHS-Beschäftigten einseitig ihre kollektiven Verhandlungsrechte zu untersagen, in irgendeiner Weise eingeschränkt würde, und damit kam er durch.

Auch in diesem Fall muss die Verabschiedung des Gesetzes mit der oben erwähnten zunehmenden Militanz der Beschäftigen im öffentlichen Dienst in Verbindung gebracht werden. Aber hier geht es klar um ein breiter angelegtes Projekt, das darauf abzielt, die Uhr zurückzudrehen in die Zeit vor dem Wagner Act und dem New Deal, d.h. in die Zeit der Lohnsklaverei und der unbeschränkten Macht der Arbeitgeber, als Arbeitskämpfe »Big Trouble« waren und mit den Gewehren von Pinktertons und zuweilen auch dem Joch gelöst wurden (Lukas 1997).

Sicher ist jedenfalls, dass die Einrichtung des DHS die größte Reorganisation der Bundesbürokratie seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst hat (das DHS ist der Beschäftigung nach die drittgrößte Bundesbehörde) und die Schleusen für eine beispiellose Reihe von Verwaltungsentscheidungen geöffnet hat, die die Gewerkschaften in den Bundesbehörden schwächen und gleichzeitig die öffentlichen Dienste privatisieren, so dass in Zukunft in vielen Bereichen gewerkschaftsfreie Konzerne Empfänger von Bundesgeldern werden können, was die Bestimmungen für den öffentlichen Dienst [civil service rules] bisher verhindert hatten.

Eine der ersten juristischen Herausforderungen bei dieser Reorganisation stellte sich am 27. Januar 2005, als vier Gewerkschaften gegen die Regeln, die die Bush-Administration dem DHS auferlegen will, eine einstweilige Verfügung beantragten. Zur Begründung führte Gregory J. O‘Duden, der Chefsyndikus der National Treasury Employees Union, an, dass die Regeln »die Rechte der Bundesangestellten radikal einschränken und ihnen das Mitspracherecht über wichtige Fragen wie Arbeitszeit, Arbeitsort, Überstunden und den Einsatz von privaten Subunternehmern auf ihren Arbeitsplätzen nehmen« würden. Viele andere Juristen von Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes kritisierten ebenfalls die neuen Regeln, die die Bush-Administration als paradigmatisch für die Regierungsbürokratie nach dem 11. September sieht. In einem Klima des permanenten Notstands im Krieg gegen den Terror sind die entscheidenden Wörter dabei »Flexibilität«, »Ordnung« und »Disziplin«.

Diese Veränderung der Regeln zeichnete sich schon ab, als die Bush-Administration im Januar 2002 etwa 1000 Juristen des Justizministeriums das Recht entzog, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Das wurde damit begründet, dass ein kleiner Teil dieser Juristen mit »Terroristen«-Verfahren zu tun hatte und sie daher alle irgendwann einmal an »Terroristen«-Prozessen beteiligt sein könnten, in denen ihnen vertrauliche Informationen aus der »nationalen Sicherheit« zugänglich gemacht werden könnten. Damit unterlagen sie allen Ausnahmebestimmungen zur »nationalen Sicherheit«, die gewerkschaftliche Organisierung untersagten. Dieses Argument wurde dadurch möglich, dass »Terrorismus« nach dem 11. September 2001 nicht mehr als Frage von »Kriminalität«, sondern als Frage von »Krieg« und »nationaler Sicherheit« definiert wurde. Das bedeutet, dass mit Terrorismusfällen befasste Bundesanwälte jetzt als Kombattanten im Krieg und nicht mehr als Justizbeamte behandelt werden, die herausfinden müssen, wer eine Straftat begangen hat. Nach dem HSA unterliegen auch noch die harmlosesten Tätigkeiten von BibliothekarInnen, die Bücher verleihen, bis zu Hausmeistern, die in Regierungsgebäuden die Heizung reparieren, der »nationalen Sicherheit«.

Ein noch klareres Beispiel dafür, wie der Homeland Security Act die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes untergräbt, ist das, was mit den Gepäckkontrolleuren auf den Flughäfen geschehen ist. Im Jahr 2000 war es den bei privaten Dienstleistern beschäftigten Gepäckkontrolleuren gelungen, sich zu organisieren und Betriebsgruppen der Service Employees International Union (SEIU) zu gründen. Aber einen Monat nach dem 11. September 2001 entschied der Kongress, dass die Kontrolleure Bundesbeschäftigte und US-BürgerInnen sein müssten, wodurch viele ArbeitsimmigrantInnen auf den Flughäfen ihren Job verloren und viele SEIU-Betriebsgruppen sich auflösten, da die neuen Bundesbeschäftigen ihre bisherige Gewerkschaftszugehörigkeit nicht mitnehmen durften. Dann versuchten die Kontrolleure, eine Gewerkschaft der Bundesbeschäftigten zu organisieren, wurden daran aber durch einen Präsidentenerlass gehindert, der ihnen die gewerkschaftliche Organisierung untersagte, wiederum im Namen der »nationalen Sicherheit«.

Ein ähnliches Beispiel dafür, wie der »Terrorismus« benutzt wird, um die ArbeiterInnenrechte auszuhöhlen, ist der von Verteidigungsminister Rumsfeld vorgeschlagene Plan, den 640.000 Beschäftigten des Verteidigungsministeriums (von denen 44 Prozent schon in Gewerkschaften organisiert sind) ihre kollektiven Verhandlungsrechte zu verweigern. Der Plan wird zur Zeit im Kongress debattiert. Wie auch immer die Debatte ausgeht, ist er ein wichtiger Schritt in der Kampagne der Bush-Administration, den öffentlichen Dienst zu privatisieren und dort nicht gewerkschaftlich organisierte ArbeiterInnen einzusetzen, die im November 2002 mit derEntscheidung begann, 15 Prozent der Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst des Bundes, die als »kommerziell« eingestuft wurden, zum Wettbewerb zwischen Bundesbehörden und Privatkonzernen auszuschreiben.

Vom Erfolg dieser Operation hängt viel ab. Die Privatisierung des öffentlichen Dienstes würde dafür sorgen, dass die Aufstockung des Bundeshaushalts um mehrere hundert Milliarden Dollar seit dem 11. September 2001 nicht zu einer Zunahme der überwiegend gewerkschaftlich organisierten Beschäftigung im öffentlichen Dienst führen, sondern die Einstellungspraxis privaten Dienstleistern (von Reinigungsfirmen bis zu »Rent a soldier«-Unternehmen) überlassen würde, die ganz überwiegend nicht gewerkschaftlich organisierte ArbeiterInnen einstellen würden. Diese gewerkschaftsfeindliche Privatisierung wäre die Lösung des Rätsels der Sphinx, das die Rückkehr der Bush-Administration zum Militärkeynesianismus aufgeworfen hat und das Kalecki in den 1940er Jahren so formuliert hatte: Wie kann der Staat in die gesellschaftliche Reproduktion investieren, ohne dass er damit die Arbeiterklasse stärkt? Ganz allgemein natürlich, indem er in »disziplinarische« Bereiche wie Polizei und Militär statt in Wohnungsbau, Gesundheitswesen oder Bildung investiert. Aber auch Militärausgaben schaffen eine garantierte Beschäftigungssphäre für Millionen von Schlossern, Sekretärinnen, Hausmeistern und Putzfrauen. Der massenhafte Einsatz von gewerkschaftsfreien Privatfirmen, die ArbeiterInnen mit US-Staatsbürgerschaft garantierte Jobs in der »nationalen Sicherheit« anbieten, könnte das Problem für Bush lösen. Letztlich propagiert die Bush-Administration eine subtile Mischung aus Neoliberalismus (Privatisierung) und keynesianischem Deficit Spending, um das US-Kapital in der nahen Zukunft aus der Krise zu steuern und zu halten. Diese Strategie verspricht ArbeiterInnen mit US-Staatsbürgerschaft gewerkschaftsfreie Jobs in einem stark ausgeweiteten und privatisierten »nationalen Sicherheits-« Sektor, während sie die ArbeitsimmigrantInnen noch tiefer in die Illegalität und Lohnsklaverei treibt.

Die Reaktion der Arbeiterklasse auf den Krieg gegen den Terror

Zusammengenommen haben der Patriot Act, der Homeland Security Act und die anderen Aspekte des »Kriegs gegen den Terror« schon jetzt (Januar 2005) die beabsichtigte Wirkung. Seit dem 11. September 2001 sind Lohnerhöhungen gedämpft, Profite gestiegen und Streiks in den USA fast auf null zurückgegangen. Außerdem scheinen sich die Zeichen einer Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse, die in Seattle im November 1999 zu erkennen waren, wieder abzuschwächen. In der Kampagne zur Organisierung der Anti-WTO-Demonstration in Seattle entstand ein neues Bündnis zwischen gewerkschaftlich organisierten ArbeiterInnen, StudentInnen, Feministinnen und verschiedensten NGOs. Das war eine historische Veränderung gegenüber der traditionellen Gewerkschaftspolitik, die über lange Zeit mit der CIA und den imperialen Bestrebungen der US-Regierung verbündet gewesen war. Ein besonders wichtiges Feld der Neuzusammensetzung war die »Bewegung gegen Sweatshops«, an der sich sowohl Gewerkschaftsmitglieder als auch StudentInnen in großer Zahl beteiligten. Letztere hatten an vielen Universitäten kritisiert, dass die von ihren Institutionen verkauften Produkte in Sweatshops hergestellt wurden. Sie reisten häufig in die Länder, in denen diese Artikel produziert wurden, um die ArbeiterInnen zu unterstützen. PraktikantInnen bei UNITE (der TextilarbeiterInnengewerkschaft) entwarfen tatsächlich das erste Organisierungshandbuch für die Bewegung gegen Sweatshops (Clawson 2003: 175-179).

Der Krieg gegen den Terror nach dem 11. September (von den Heimatschutzgesetzen bis zu den Kriegen in Irak und Afghanistan) trieb einen Spalt in die »Bewegung von Seattle«. Das Ende der 1990er Jahre entstandene und mit dem Slogan »Teamsters and Turtles together« beschriebene Bündnis zwischen gewerkschaftlich organisierten ArbeiterInnen und der Ökobewegung zerfiel. Schon im Herbst 2001 war die »Bewegung von Seattle« auf dem Rückzug und die Bemühungen gegen Sweatshops verloren an Boden. Zum Beispiel wurde die geplante Demo, die die Konferenz von Weltbank und IWF in Washington Ende September 2001 verhindern wollte, abgesagt und seitdem waren die Teilnehmerzahlen bei ähnlichen Events eher niedrig.

In den USA lassen sich also im Hinblick auf Bushs oben erwähnten »Krieg-gegen-den-Terror-Deal« zwei einander widersprechende Tendenzen beobachten: Einerseits gibt es eine wachsende gesellschaftliche Bewegung, die sich weigert, mit dem Patriot Act und dem Polizeistaatsapparat des Kriegs gegen den Terror zusammenzusarbeiten, auf der anderen Seite unterstützt ein Teil der Arbeiterklasse die Ziele des Kriegs gegen den Terror enthusiastisch. Es gibt viele Beschreibungen und breite Diskussionen über die Kluft innerhalb der US-Arbeiterklasse. Oft wird sie geografisch als Spaltung zwischen einem Amerika der »blauen« Staaten an den Küsten und der »roten« Staaten auf dem Land oder psychologisch als »nach außen gerichtetes weltliches« gegenüber einem »nach innen gerichteten geistlichen Amerika« oder journalistisch als »christlich-rechte, konservative, republikanische Arbeiter aus Kansas, die mit ihren Klassenfeinden, den Konzernmanagern verbündet« und von irrationalem Hass gegen die »gewerkschafts-, bürgerrechts-, feminismus-, schwulen- und einwandererfreundlichen elitären Demokraten« erfüllt sind, oder ideologisch als ArbeiterInnen, denen es um »Familienwerte« geht, gegenüber ArbeiterInnen, denen es um »ökonomische Interessen« geht, beschrieben.

Dabei sollten wir bedenken, dass schon oft in der Geschichte die US-ProletarierInnen politisch ganz anders geredet und die Kommentatoren ganz anders geschrieben als gedacht haben. Folglich wird man gar nichts begreifen, wenn man angebliche Selbstbeschreibungen wörtlich nimmt. Es gibt Millionen von rechten, ländlichen, Bush-freundlichen ProletarierInnen, aber sie sind weder irrational noch besonders selbstmörderisch. Sie bewerten das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen einfach extrem kühl, berechnend und – aus antikapitalistischer Sicht – pessimistisch. So erscheint ihnen die Vorstellung, sie könnten sich mit schwarzen, eingewanderten und großstädtischen ArbeiterInnen im Kampf gegen die mächtigste herrschende Klasse der Welt vereinigen, irrational und selbstmörderisch. Diese Sicht lässt sich nachvollziehen, auch wenn man sie nicht teilt. Betrachten wir kurz die beiden Gesichter der US-Arbeiterklasse.

Die offizielle AFL-CIO steht der Antiterror-Gesetzgebung zwar nominell kritisch gegenüber, aber bisher unternimmt sie keine konsequente Kampagne dagegen. Selbst der bittere Kampf um die gewerkschaftliche Organisierung im Heimatschutz- und im Verteidigungsministerium wird im wesentlichen »hinter den Kulissen« ausgefochten. Aus offenen Arbeiterkämpfen gegen den neuen staatlichen Polizeiapparat sind örtliche Bürgerkämpfe geworden. Seit dem 11. September 2001 haben die EinwohnerInnen von 300 Gemeinden und der Senat des Staates Oregon Resolutionen zur Verteidigung der Bürgerrechte ihrer Einwohner gegen die Gefahr verabschiedet, die vom Patriot Act, dem Homeland Security Act und der Gesetzgebung gegen den »Krieg gegen den Terror« ausgeht. In vielen Fällen sind diese Resolutionen rein symbolisch, da Bundesrecht normalerweise Staatsrecht und lokales Recht bricht. Trotzdem sind diese Gesetze Stachel, da sie das materielle Interesse der ArbeiterInnen und selbst der örtlichen Kapitalisten ausdrücken, die Wirtschaft und den sozialen Zusammenhalt vor Ort zu verteidigen gegen das »Sklavenfänger«-Ethos des »Kriegs gegen den Terror«.

Den politischen Kontext dieser Gesetze gegen den Patriot Act sollten wir uns genauer ansehen. Ein gutes Beispiel ist die Verabschiedung eines solchen Gesetzes in Portland, Maine im März 2004. Ausgelöst wurde sie vom überraschenden Einfall der Border Patrol [Grenzschutz] in die (etwa hundertsechzig Kilometer von der kanadischen Grenze entfernte) Stadt im Winter 2004. Die Beamten der Border Patrol gingen zu den Märkten, wo die EinwandererInnen aus Afrika und Südamerika einkaufen, und verlangten von den PassantInnen ihre Aufenthaltspapiere. Innerhalb weniger Stunden war die Einwanderergemeinschaft wie gelähmt: Niemand ging zur Arbeit oder zum Einkaufen, Kinder gingen nicht in die Schule, die Kranken gingen nicht ins Krankenhaus. Diese Lähmung hielt mehrere Tage an, bis die lokale Polizei, die Sozialbehörden und Kirchengruppen schließlich verlangten, die Beamten der Border Patrol sollten die Stadt verlassen.

Das Gemeindegesetz gegen den Patriot Act wurde unmittelbar nach diesem Vorfall von einem Bündnis lokaler Einwandererrechtsgruppen und ihren UnterstützerInnen entworfen. Unterstützt wurde es sogar von der örtlichen Polizeiführung. Das Gesetz sanktionierte den Widerstand der lokalen Beamten gegen die »Fischzüge« der Bundesregierung in der Einwanderergemeinschaft von Portland. Das Gesetz wurde mit klarer Mehrheit im Stadtrat verabschiedet, weil klar wurde, dass die wortwörtliche Anwendung der Vorschriften des Patriot Act den ArbeitsimmigrantInnen von Portland das Leben unmöglich machen und die Wirtschaft der Stadt in Gefahr bringen würde, die schlecht bezahlte Jobs (besonders in der Tourismusbranche) vorwiegend mit EinwandererInnen besetzt. Das Gesetz ist Ausdruck von ArbeiterInnensolidarität, aber es konnte zweifellos nur verabschiedet werden, weil die vielen Hotel- und Restaurantbesitzer in Portland dagegen keinen Widerstand leisteten. Für sie ist der größte Terror nicht Osama bin Laden, sondern die Ankunft der Border Patrol in der Stadt mitten in der Touristensaison!

Außerdem weigern sich die ArbeitsimmigrantInnen, unsichtbar zu werden. Trotz enormer Einschüchterung unternahmen Hunderte von ArbeitsimmigrantInnen im Herbst 2003 einen Freedom Ride durch das ganze Land von Los Angeles nach Washington, auf dem sie in zig kleinen und großen Städten Halt machten und ihren Protest gegen die Vorschriften des Patriot Act und ähnlicher einwandererfeindlicher Gesetze öffentlich machten.

Auf der anderen Seite ist der Krieg gegen den Terror bei vielen ArbeiterInnen in den USA auf große Zustimmung gestoßen. Am verständlichsten ist das natürlich bei den Zehntausenden von VertragsarbeiterInnen aus den USA, die zur Zeit im Irak und in Afghanistan sind und als BuchhalterInnen, KöchInnen und auf dem Bau, vor allem aber in Sicherheitsjobs arbeiten. Etliche Amerikaner mit Erfahrungen bei den Special Forces sind für Aufgaben von der Flughafensicherheit bis zum Schutz von Paul Bremer, dem Chef der Coalition Provisional Authority eingestellt worden. Ihre Gehälter liegen bei bis zu 1000 Dollar am Tag, wie die Nachrichtenagentur AFP kürzlich berichtete. Zum Beispiel erzählte Erwin, ein 28jähriger ehemaliger Sergeant der US Army, der im Irak arbeitet, AFP: »Dieses Land ist eine Goldgrube. Man braucht bloß fünf Jahre beim Militär, und dann kommt man her und macht Kasse.« Aber auch ein LKW-Fahrer oder ein Feuerwehrmann kann mehr als das Dreifache von dem verdienen, was er in den USA verdient. Für diese ArbeiterInnen stellt der Krieg gegen den Terror die Möglichkeit dar, bei großem persönlichen Risiko der Schuldenspirale zu entkommen, in der sie und ihre Familien gefangen sind.

Der Krieg gegen den Terror schafft auch viele weniger gefährliche (wenn auch viel schlechter als der Dienst im Irak bezahlte) Arbeitsplätze für ArbeiterInnen mit US-Staatsbürgerschaft. Die meisten neuen Arbeitsplätze wurden und werden auch in Zukunft für Knastwärter (ihre Zahl stieg von 146.000 im Jahr 1983 auf 328.000 im Jahr 2002), Polizisten und Wachleute geschaffen. Aber auch ein Großteil der Dienstleistungen im Bereich »Computer und Datenverarbeitung« – dem Sektor mit dem schnellsten Arbeitsplatzwachstum in den USA (vgl. Statistical Abstract of the US 2003: Table No. 620) – wird auf das Konto der Datenverarbeitung für den Überwachungsstaat gehen.

Die Zunahme der Überwachungsarbeit, die der Patriot Act und der davon abgeleitete Bank Security Act fordern, hat schon eine Krise im Bankensystem ausgelöst. Laut Patriot Act müssen Banken, Versicherungsgesellschaften, Hedge Fonds und Pensionsfonds der Regierung »Berichte über verdächtige Aktivitäten« (SARs) liefern, wenn sie Geldwäsche oder Finanzierung von Terrorismus feststellen (Kelleher 2004). So wurde gegen die Riggs Bank, eine der ältesten Banken in den USA, in einem zivilrechtlichen Verfahren im Mai 2004 eine Geldstrafe von 25 Millionen Dollar verhängt, weil sie verdächtige Aktivitäten auf Konten, die von Teodoro Obiang, dem Präsidenten von Äquatorialguinea, und Prince Bandar bin Sultan, dem saudi-arabischen Botschafter in den USA, kontrolliert wurden, nicht berichtet hatte. Zusätzlich war ein Strafverfahren wegen Geldwäsche nach dem Bank Security Act anhängig, das am 27. Januar 2005 gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von weiteren 16 Millionen Dollar eingestellt wurde, nachdem sich die Riggs Bank schuldig bekannt hatte. Nach Aussage eines Experten für die Aufdeckung von Geldwäsche ist die Riggs Bank »ein Schulbeispiel für die meisten Geldwäschefragen, die seit dem Patriot Act aufgetaucht sind«. Auch andere Banken sind von Sanktionen betroffen: so bezahlte die AmSouth Bank of Alabama im Oktober 2004 eine ähnliche Geldbuße in Höhe von 10 Millionen Dollar und noch einmal 40 Millionen Dollar in einer Einstellungsvereinbarung wegen mangelnder Geldwäschekontrollen.

Das Problem ist aber, was als verdächtig gilt, oder wie John Byrne, ein leitender Jurist bei der American Bankers Association, fragte: »Wie weit geht die Sorgfaltspflicht?« Der Wirtschaft, die die Triebkraft hinter dem exponentiellen Wachstum der globalisierten finanziellen Transaktionen ist, wird die Verantwortung dafür aufgebürdet, diesen riesigen weltweiten Geldfluss zu überwachen, um eine winzige Menge an »Terrorismusfinanzierung« zu blockieren (angeblich hat die gesamte Operation des 11. September gerade mal 500.000 Dollar gekostet). Diese Überwachung braucht eine Armee von Analysten, Computerprogrammierern, Buchhaltern und Juristen – umso mehr, als es um eine an sich schon ambivalente Aufgabe geht. Auch hier werden sicher (neben einigen permanenten Widersprüchen innerhalb der herrschenden Klasse!) Arbeitsplätze ohne Ende für eine sich selbst reproduzierende Klientel entstehen, die den Krieg gegen den Terror unterstützt.

Natürlich hat der Krieg gegen den Terror zu einem gigantischen Anwachsen des US-Verteidigungshaushalts geführt: Im Haushaltsjahr 2004/05 betrug er etwa 500 Milliarden Dollar (wenn man die Kosten der Besatzung im Irak ausdrücklich ausnimmt) gegenüber etwa 300 Milliarden Dollar im Jahr 2000/01.

Diese beiden Gesichter der Arbeiterklasse in den USA (das der EinwandererInnen oder UnterstützerInnen ihrer Kämpfe und das andere, das seine Zukunft als Bewacher der Rolle der USA als hegemonialer Kontrolleur und Bestimmer des Weltmarkts und Unterdrücker antikapitalistischer Bestrebungen an allen Fronten in den USA und auf der ganzen Welt sieht) bekämpfen sich im Augenblick. Dieser Kampf wurde im Präsidentschaftswahlkampf nicht offen ausgetragen, da sowohl Bush als auch Kerry den Krieg im Irak und den Krieg gegen den Terror in In- und Ausland unterstützen (auch wenn über die Hälfte der US-Bevölkerung laut Umfragen angeblich sagt, dass der Krieg im Irak ein Fehler war!). Die wichtigste Trennlinie innerhalb der herrschenden Klasse der USA drückte sich in der Debatte darüber aus, mit welcher militärischen und politischen Strategie sich das reibungslose Funktionieren des Weltmarkts garantieren ließe. Kerry schlug wieder den von Clinton betriebenen Multilateralismus vor, während Bushs Partei meint, das Kommando müsse allein bei den USA liegen. Das ist ihre Debatte, auch wenn es in der politischen Arena so dargestellt wird, als gehe es alle an. Viel wichtiger für die Zukunft der Klassenbeziehungen innerhalb und außerhalb der USA wird der Ausgang der Debatte innerhalb der Arbeiterklasse sein. Diese Debatte wird sicherlich viel heftiger sein als die Kabbelei zwischen zwei ehemaligen Mitgliedern der Studentenverbindung »Skull and Bones«, und wir können sicher sein, dass sie nicht im Fernsehen übertragen wird.



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aus: Wildcat 73, Januar 2005



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