wildcat.zirkular

31.01.2014

aus: Zirkular 1, Februar 1994

Solidarität mit den ArbeiterInnen auf dem Balkan

International Workers Aid for Bosnia: Hilfslieferungen in Tuzla eingetroffen!

International Workers Aid for Bosnia ist im Sommer 1993 aus einer Initiative von GewerkschafterInnen in Groß­britannien entstanden, ethnischen Säuberungen und Vertreibungen in Bosnien nicht länger tatenlos zuzusehen. Während des Bergarbeiterstreiks 1984/85 hatten die Bergarbeiter von Tuzla Taglöhne für ihre britischen Kolleginnen und Kollegen gespendet.

In nur wenigen Wochen organisierten diese jetzt eine Solidaritätskampagne in Großbritannien. Sie kauften Lastwagen, sammelten Nahrungsmittel, medizinische Artikel und Kleidung in zahlreichen Städten. Gleichzeitig wurde aber auch, und das ist für die Betroffenen in Bosnien noch wichtiger, Geld gesammelt.

In Diskussion mit bosnischen Flüchtlingen wurde eine gemeinsame Grundlage ihrer Arbeit formuliert. Ihre zentralen Parolen sind:

*Solidarität mit den Arbeitern und Arbeiterinnen auf dem Balkan

*keine »ethnischen Säuberungen« und ethnischen Vertreibungen

*Solidarität mit dem multi-ethnischen Bosnien

*Asylrecht für alle, die vor dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien fliehen

Auch in Deutschland wurden Unterstützungsgruppen in Oberhausen, Hannover, Hamburg, München und Berlin gegründet.

Der erste Konvoi mit drei LKWs erreichte Tuzla Anfang November 1993.

Die nächsten Vorhaben sind:

  • Organisierung weiterer Konvois zusammen mit Leuten aus dem ehemaligen Jugoslawien, die hier leben
  • Sammlung weiterer Hilfsgüter, vor allem auch Geldspenden
  • Kontakte, Informationen und Verbindungen aufbauen zu dortigen ArbeiterInnengruppen, Gewerkschaften, antimilitaristischen Gruppen und Frauengruppen, die gegen den Krieg und nationalen Chauvinismus kämpfen
  • Europaweite Vernetzung der verschiedenen Unterstützungsgruppen

Jeden letzten Samstag im Monat gibt es europaweit Kundgebungen zusammen mit MigrantInnen aus dem ehemaligen Jugoslawien gegen die Politik der UNO (nicht nur) dort mit der zentralen Parole

Sofortige Öffnung des Tuzlaer Flughafens!

Denn das wäre der schnellste und sicherste Weg, die drohende Hungerkatastrophe in der Tuzlaer Region zu stoppen. Inzwischen hat allerdings die NATO dieselbe Forderung an die bosnischen Serben gerichtet, um in den Krieg ein­greifen zu können und den Flughafen unter ihre eigene Kontrolle zu bekommen. Es ist daher umso wichtiger, klarzu­stellen, daß wir gegen jede Art von Kriegstreibern sind, daß es uns um die freie Zufuhr von Gütern für die Bevölke­rung geht und daß die Verteilung dieser Güter unter der Kontrolle der Bevölkerung stattfinden soll.

Auch in Berlin hat sich im Herbst 1993 eine Initiativgruppe gegründet. Den Anstoß bekamen wir dadurch, daß der erste Konvoi aus Schweden und Britannien auch durch Berlin kam, dort in besetzten Häusern untergebracht wurde (und danach zum Teil nach Bischofferode weiterfuhr), sodaß wir beschlossen, daran weiterzumachen und selbst eine regionale Kampagne zu starten. Einige von uns haben allerdings auch politische Schwierigkeiten mit verschiedenen Formulierungen:

*Z.B. der Punkt mit den "ethnischen Säuberungen" und ethnischen Vertreibungen - was dort passiert, ist sicher um einiges heftiger als das, es sind Massaker und Massenvergewaltigungen, die aber keineswegs einem rein "ethnischen" Muster folgen.

*Oder die Solidarität mit dem multi-ethnischen Bosnien - was soll eine Ethnie sein und seit wann verwendet unsereins solche Begriffe? Außerdem ist es nicht unsere Absicht, einen wie auch immer gearteten bosnischen Staat zu unterstützen. Uns geht es um die Solidarität mit den ArbeiterInnen dort.

*Und das Asylrecht für Kriegsflüchtlinge - wieso denn nur das, gerade nach der Änderung der Asylgesetze in der BRD, wieso überhaupt einen Status fordern, und wenn schon, warum nicht volle Bürgerrechte?

Die europaweite Kampagne ist föderal aufgebaut, das heißt, alle Initiativen können die Punkte entsprechend den jeweiligen Bedingungen vor Ort formulieren, deswegen denken wir, daß wir uns in dem Rahmen trotzdem erst mal beteiligen können. Am wichtigsten ist uns der erste Punkt "Solidarität mit den ArbeiterInnen auf dem Balkan" und daß diese Solidarität hier auch vor allem von ArbeiterInnen im weitesten Sinne organisiert werden soll.

Kontakt: Über die Berliner Wildcat-Adresse, Stichwort: IWA

 
 
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