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Wildcat-Zirkular Nr. 2, März 1994 SAMSUNG – AUS DEM WILDEN (FERNEN) OSTENKurz vor Weihnachten '93 drückte mir das Arbeitsamt ein Stellenangebot rein: Bandarbeiter bei Samsung in Oberschöneweide am südöstlichen Rand von Berlin. Natürlich zum Ost-Tarif. Ich habe lange überlegt, diesen Job prinzipiell wegen Ost-Tarif abzulehnen, fand es dann aber doch spannend, in einem Ostberliner Betrieb zu arbeiten. Vor allem in einem Betrieb, der massiv neu einstellte – und immer noch einstellt. In den Zeitungen stehen seit Wochen Stellenanzeigen der Firma Samsung. Ich bin ohne Probleme reingekommen – Vorgeschichte und beruflicher Werdegang haben dort niemanden interessiert. Bei den Bedingungen auch kein Wunder: Dreischichtbetrieb, 1400-1500 Mark netto, Einstellung zunächst auf drei Monate befristet. Der BetriebSamsung ist ein südkoreanischer Mischkonzern, der an achtzehnter Stelle auf der Weltliste der größten Konzerne steht. Er ist praktisch in allen Branchen aktiv – von Blumenzucht über Schiffbau bis zu Elektronik. In den nächsten Jahren soll der Schwerpunkt allerdings auf die Bereiche Elektronik, Maschinenbau, Chemie und Autobau konzentriert werden. Außerdem will sich Samsung in Osteuropa engagieren. Im Sommer 1993 übernahm Samsung zu einem Spottpreis das alte VEB Werk für Fernsehelektronic (WF) von der Treuhand. Im WF waren vor der Wende 9000 ArbeiterInnen mit der Herstellung von Farbbildröhren beschäftigt. Es war eines der modernsten Werke in der DDR. U.a. wurde 1985 von Toshiba eine Produktionslinie aufgebaut und darauf in Lizenz Farbbildröhren produziert. Noch heute schwärmen die Kollegen, daß sie früher bessere Qualität produziert hätten als die Japaner und viel bessere als heute. Nach der Wende ging es gleich los mit Entlassungen. Es wurde nur noch wenig produziert, u.a. für die UdSSR. Es gab phasenweise auch Kurzarbeit Null. Zu dem Zeitpunkt haben sich viele ArbeiterInnen auch selber abgesetzt und woanders Jobs gesucht. Die meisten, die jetzt noch im Werk sind, haben nichts gefunden oder sie fanden zwar woanders die Löhne besser, aber dafür die Arbeitsbedingungen extrem schlecht. Viele wollten auch nicht unterhalb ihrer Qualifikation arbeiten. Einem Einrichter mit 14jähriger Berufserfahrung bei WF wurde bspw. bei Tschibo ein Job als als Bandarbeiter angeboten. Andere haben vorübergehend woanders gearbeitet, bis die neue Firma pleite ging. Die waren froh, wieder im alten Werk anfangen zu können. Nach der Übernahme durch Samsung wurde weiter massiv Personal abgebaut. Insgesamt sind von ehemals 9000 Leuten nur 900 übrig geblieben. Wobei der Kernbereich, in dem heute die Produktion von Farbbildröhren läuft, in relativ geringem Maße von Entlassungen betroffen war. Um diesen Kernbereich herum sind ganze Abteilungen dicht gemacht oder extrem reduziert worden: die Werkstoffprüfung von 20 auf 2, die Schlosserei von 20 auf 4 Beschäftigte usw. Viele Arbeiten wurden ausgelagert und werden inzwischen von Zulieferfirmen gemacht. Andere Bereiche wie Putzen (nicht Maschinenreinigung!) wurden an Fremdfirmen übergeben. Das führte u.a. dazu, daß weit über zwei Drittel der alten Fabrikanlage leer steht, bzw an kleine Klitschen und ABM-Einrichtungen vermietet ist. Der Kernbereich soll ausgebaut und modernisiert werden. Im Sommer '94 sollen neue Maschinen installiert werden und die Produktion von Farbbildröhren soll enorm steigen: von derzeit 1,2 Millionen auf 2,5 Millionen in den nächsten Jahren. Inzwischen will die Firmenleitung einzelne Abteilungen auf Vier-Schicht-Betrieb unter Einbeziehung des Samstags umstellen. Der Produktionsablauf ist grob folgendermaßen: Anlieferung von fertigen Glaskörpern aus einem ebenfalls von Samsung aufgekauften Werk in Brandenburg. Im Werk werden die Glaskörper beschichtet und mit Masken versehen, zusammengelötet, das Vakuum erzeugt und dann die Röhre endmontiert. Danach gehen die fertigen Bildröhren zur Fernsehermontage in die Türkei, nach Portugal und Ungarn. Das InnenlebenAls ich ins Werk reinkam, hab' ich gedacht, ich bin in einem schlechten Film. Alle ArbeiterInnen – auch die Angestellten – tragen Einheitskleidung: hellblaue Jäckchen, die ungefähr so aussehen wie die Uniformjacken der alten DDR-Grenzer. Die Jacken zu tragen ist Pflicht. Es dient zur Identifikation mit der Firma und außerdem soll damit verhindert werden, daß Firmenfremde im Werk rumlaufen. So steht's in der Betriebsvereinbarung zur "Samsung-Kleidung". In jedem Gang gibt es unzählige Aushänge und Wandzeitungen. Es geht um Qualität, Produktionsziele, Ordnung, Sauberkeit usw. "Halte Deinen Arbeitsplatz sauber, er ist 8 Stunden am Tag Dein Zuhause", "Qualität produzieren – nicht nur Qualität prüfen!", "Der Mensch ist zur Bewegung und nicht zum Sitzen geschaffen" und ähnlicher Unsinn. Aber auch fast schon esoterisches Zeug: "Bright & Balanced" (glänzend und ausgeglichen), u.a. soll es eine Balance zwischen "Modernisierter Fertigung" und einer "zufriedenen Belegschaft" geben. Und an jeder Tür und vor jeder Abteilung hängen die "Produktionsvorgaben" für den jeweiligen Monat u.a. mit den Zielen: Erhöhung der Ausbeute, Verbesserung der Qualität, Senkung der Fehlzeiten (im März auf unter 3 Prozent!) usw. Es gibt große Tafeln, auf denen genau aufgelistet ist, was einzelne Teile kosten. Die Kosten werden dann mit den Kosten für Kaffee, Zigaretten o.ä. verglichen. Also sorgfältig mit unseren Produkten umgehen! An jedem Lichtschalter ist ein Aufkleber: Strom sparen. Und an jedem Wasserhahn ein Kleber: Wasser sparen. Lohn und ArbeitszeitGearbeitet wird bei Samsung (wie schon vor der Wende im WF) in drei Schichten an Produktionslinien und zwar ohne Akkordzuschlag. Seit Anfang des Jahres wird Prämienlohn gezahlt. Das heißt aber im Osten und bei Samsung nicht dasselbe wie im Westen. Unterm Strich werden die meisten weniger Lohn bekommen als vorher. Ich war im Werk, als es noch nicht klar war, was der neue Prämienlohn bringt. Es gab aber einen Haufen neuer Arbeitsverträge, in denen die Leute eine Lohngruppe runtergestuft wurden. Für die Prämienzuteilung werden die Arbeiter in Teams eingeteilt von etwa 7-8 Leuten. Dann gibt es einen Schlüssel, nach dem festgelegt ist, wieviele Arbeiter gar keine Prämie bekommen und wieviele Arbeiter soundsoviel Prozent bekommen. Wie gesagt, als das aktuell war, war ich nicht mehr im Werk, aber die meisten waren sehr skeptisch. In den Abteilungen gibt es permanent zu wenig ArbeiterInnen (Streßproduktion). Meistens fehlen Springer und Einrichter. Die Neueingestellten haben alle niedrigere Lohngruppen und Drei-Monats-Verträge. Die allermeisten von ihnen sind noch innerhalb der ersten drei Monate wieder draußen. Entweder sie werden wegen Krankheit o.ä. gekündigt, oder sie bleiben einfach weg. Es gab auch Leute, die sind nach wenigen Stunden oder nach einem Tag wieder gegangen. In meiner Abteilung haben in der A-Schicht innerhalb von neun Monaten zehn Leute angefangen. Von denen ist nur einer geblieben. Und das bei zehn Festangestellten. Die ArbeitsorganisationÜber die Arbeitsorganisation bin ich mir nie richtig klar geworden. In den Aushängen geistern dauernd Begriffe wie Gruppenarbeit, Teamwork, Lean production, Kaizen usw. rum. Auch der Abteilungsleiter heißt offiziell Gruppenleiter. Aber der Betriebsrat hat auf Nachfrage definitiv erklärt, daß es keine Gruppenarbeit gibt. Die Kollegen haben da auch nicht durchgeblickt. Ich denke, daß das alles im Umbruch ist. Im Sommer, wenn die neuen Maschinen und Linien installiert sind, wird es sicherlich klarer. Dann sollen auch die Taktzahlen runtergesetzt werden. Und dann wird es sicher auch einige Veränderungen im Arbeitsalltag geben. Ich habe in einem Reinluftraum gearbeitet – mit Luftschleuse, Schutzanzügen und Haarnetz. In meiner Abteilung werden die Bildschirme beschichtet. Es gibt zwei Produktionslinien. An jeder Linie arbeiten offiziell ein Anlagenführer, ein Einrichter, ein Farbeinrichter, vier Kontrollarbeiter und ein Springer. Außerdem wursteln noch drei Chemiker und eine Technologin rum. Die Chemiker haben zwar zu DDR-Zeiten mal studiert, sind aber eher mit Chemiefacharbeitern vergleichbar. Sie haben sich auch eher wie ganz normale Arbeiter verhalten. Die Kontrollarbeit ist am geringsten eingestuft. Wenn es in der Produktion Streß gibt, wird er regelmäßig von Einrichtern und Anlagenfahrern an die Kontrollarbeiter weitergegeben. Seit der Übernahme durch Samsung hat sich das Verhältnis zwischen Anlagenfahren und einfachen Arbeitern ständig verschlechtert. Es sind dieselben Leute wie vor der Übernahme, aber Samsung hat den Druck auf die Anlagenfahre und Einrichter enorm erhöht. Diesen Druck geben sie nach unten weiter. Damit wird eine Spaltung erzeugt, wie es sie in einem DDR-Betrieb nicht gab. Obwohl die Kontrollarbeit sehr stupide ist, sind die Kontrollarbeiter alles ausgebildete Facharbeiter. Sie müssen die Fehler in der Beschichtung erkennen und einordnen. Es gibt je nach Arbeitsplatz bis zu 30 verschiedene Fehler, die auch genau benannt werden müssen. Fehler werden mit Nummer in ein Terminal eingegeben. So kann der Produktionsprozeß zentral überwacht werden. Wenn der gleiche Fehler öfter vorkommt, sind ziemlich schnell Einrichter oder Technologen da. Ich war überrascht, wie genau die Überwachung funktioniert. Als ich mal ein paar Fehler durchgelassen habe, gab's kurze Zeit später Ärger mit dem Gruppenleiter. An jeder Station gibt es mindestens eine Fehlerkennung, die auf übersehene Fehler am vorherigen Arbeitsplatz hinweist. Da es so gut wie keinen finanziellen Anreiz gibt, seine Arbeit gut auszuführen, funktioniert das Ganze nur durch Terror. Die Arbeiter sind in der Regel alle vor der Wende schon im WF gewesen. Nach der Wende stand das Werk angeblich lange auf der Kippe. Sie sind also mit folgender Situation konfrontiert: gerade noch die Pleite abgewendet, 8200 Entlassungen innerhalb der letzten vier Jahre. In den Nachbarbetrieben haben mal 60.000 Leute gearbeitet – jetzt sind's noch 6000. Und draußen warten ja nicht gerade berauschende Alternativen. Jedenfalls kann jeder Geschichten von vergeblicher Jobsuche erzählen. Das ist also das allgemeine Gefühl, mit dem Rücken zur Wand zu stehen, bzw. eingekreist zu sein. Zusätzlich gibt es die technische Kontrolle, und dann schleichen häufig undurchsichtige Leute durch die Hallen, von denen keiner so recht weiß, wer das ist und was die machen. Vor den Koreanern wurde ich gleich am Anfang gewarnt. Bei denen wisse man nie, welche Position sie hätten. Durch die Einheitskleidung ist es eh schon schwer zu erkennen. Trotz dieser Aura von unnahbarer Arroganz, was die koreanischen Vorgesetzten umgibt und was noch dadurch verstärkt wird, das sie überwiegend nicht deutsch sprechen können, reagieren die Arbeiter, die ich kennengelernt habe, keinesfalls mit rassistischen Vereinfachungen. Die repressive Überwachung der Arbeiter nahm in der kurzen Zeit, in der ich im Werk war, stetig zu. Ich denke, das wird im Sommer noch schlimmer werden. Wobei die Firmenleitung den Bogen auch nicht zu weit spannen kann. Wie gesagt, es gibt nicht viel materielle Anreize, in dieser Firma zu arbeiten. In meiner Abteilung arbeiten fast nur Männer – pro Schicht ca. 15 – zwischen 20-35 Jahren. Es gibt nur zwei Frauen – Technologinnen. Nur die Chemiker sind älter. Erhöhte Repression und alte GewohnheitenIch habe noch nie in einer Fabrik gearbeitet, in der die Kollegen so tief verbittert waren und damit auch nicht hinterm Berg gehalten haben. Die Arbeiter haben mir von Anfang an ganz unverblümt ihre Unzufriedenheit erzählt. Sonst findet man ja in jeder Abteilung Leute, die es im Grunde alles gar nicht so schlecht finden. Bei Samsung habe ich keinen einzigen gefunden – auch von den höher qualifizierten Einrichtern und Chemikern nicht. Zum Teil ist das auf die allgemeinpolitische Situation zurückzuführen – das Gefühl, als Ossi ständig betrogen zu werden. (siehe Tarifvertragsbruch im Mai '93) Aber es ging auch speziell um Samsung. Einhellig haben fast alle gesagt, daß es seit der Übernahme durch Samsung alles schlechter geworden sei. "Das ist Frühkapitalismus hier", hat mir ein Kollege mal gesagt. Das Verhalten der Arbeiter ist widersprüchlich. Zum einen sind sie bemüht, gut zu arbeiten – aus Angst um ihren Arbeitsplatz und sicher auch aus diffusem Produzentenstolz. Die Angst um den Arbeitsplatz hat eine doppelte Bedeutung. Sie haben die Erfahrung von zahllosen Entlassungen gemacht und zusätzlich sind eben auch ein Haufen Betrieb komplett dicht gemacht worden. Wenn sie also sich bemühen, gut zu arbeiten, dann sicher auch, um die Firma zu erhalten. Andererseits haben sie sich im Arbeitsalltag durch rigides Anwenden alter Gewohnheitsrechte Dinge bewahrt, die man wohl so nirgends (mehr) antrifft. Ein Teil der Malocher duscht während der Arbeitszeit kurz vor Feierabend. Die Pausenzeiten teilen sich die Arbeiter selber ein, obwohl die Firmenleitung permanent versucht, geregelte Pausenzeiten durchzusetzen. Durch die selbst geregelte Pauseneinteilung kommt man, je nach dem, wie viele Springer da sind, auf bis zu 1 Stunde 40 Minuten Pause je Schicht. Dadurch wird allerdings die Laufzeit der Linien nicht beeinträchtigt. In anderen Abteilungen organisieren sie die Pausen so, daß man pro Stunde Arbeit 15 Minuten Pause hat usw. Die Kollegen erzählen viel von früher. Da gab's in den Abteilungen so viele Leute, daß man bis zu vier Stunden Pause am Tag hatte. In Spät- und Nachtschicht wurde oft nur so lange gearbeitet, wie der Meister da war. Ansonsten hat man eben "die Angel in die Spree gehängt" oder acht Stunden Karten gespielt. Obwohl die Arbeiter offensichtlich bemüht sind, Qualität zu produzieren, identifizieren sie sich weder mit der Firma noch mit der Arbeit. Als ich mal im Pausenraum die "Produktionsvorgabe für März" angesprochen habe, haben alle nur gelacht. "Interessiert mich nicht", "Produktionsziel? Acht Stunden täglich – alles andere ist mir egal". Der Umgang mit Krankfeiern ist recht locker. Teilweise finden sogar Absprachen statt. Für die Arbeiter ist es besser, wenn gleich drei oder vier krank machen. Dann wird unter Umständen eine Linie abgeschaltet. Bei ein bis zwei Krankmeldungen ist der Streß für alle größer. Trotzdem habe ich noch kein böses Wort wegen Krankfeiern gehört, was in manchen Firmen nicht so selbstverständlich ist. Als Faustpfand gegen eine weitere Verschlechterung der Einkommens- und Arbeitsbedingungen sehen die meisten individuelle Kündigung, Krankmachen, keine Überstunden mehr. Die Möglichkeit zum kollektiven Kampf sehen sie nur sehr begrenzt. Am Anfang habe ich mal ein paar Aufkleber im Betrieb verklebt. Daß diese bei Schichtende weg waren, fand ich nicht weiter ungewöhnlich. Aber gestaunt hab ich dann, als zwei dieser Aufkleber am nächsten Tag an anderen Stellen wieder auftauchten. StreikerfahrungenEs gab seit der Wende verschiedene Streiks. Aber die wurden von den Arbeitern wahrscheinlich unterschiedlich wahrgenommen. Und keiner hat mir zusammenhängend eine konkrete Streikgeschichte des Betriebes darlegen können. Nach den diversen Erzählungen gab es am Tag der Maueröffnung praktisch eine Arbeitsniederlegung ohne Streikerklärung. Die Malocher sind einfach gegangen oder nicht zur Schicht erschienen oder um Stunden zu spät. Die einen erzählen das ganz lapidar, andere schwärmen mit Leuchten in den Augen von großen Arbeitermassen, die aus allen umliegenden Werken durch Oberschöneweide gen Westen gezogen sind. Danach gab es mindestens einen Streik gegen die Entlassungen. Aber außer daß er erfolglos war, wollte mir keiner was dazu erzählen. Am widersprüchlichsten war die Darlegung des Streiks im Mai '93 gegen den Tarifvertragsbruch. Die Chemiker erzählten mir in Einzelheiten, wie toll es gewesen sei. Die Linien wurden angehalten, dann sind alle raus, auch die, die von der Geschäftsleitung unter Druck gesetzt worden waren. 95 Prozent haben sich beteiligt. und draußen haben schon die Kollegen aus dem Westen gewartet, und gemeinsam habe man dann mit Fahnen usw. demonstriert. Als ich mit anderen Qualitätsarbeitern darüber geredet habe, hat sich das ganz anders angehört. "Streik? – das war doch kein Streik! Zwei Stunden vor Schichtschluß sind die Maschinen abgestellt worden. Dann sind alle mit Bussen zum Kundgebungsplatz gefahren. Nicht mal ne Demo gab's. Die meisten sind eh nach Hause gegangen. Und das, wo andere wochenlang gestreikt haben." Während die Chemiker auch spontan von einem erfolgreichen Streik sprachen und erst auf Nachfrage kleinlaut die Zweifelhaftigkeit des Erfolgs eingestanden, sprachen die Qualitätsarbeiter gleich von Verarschung. Die aktuellen Tarifauseinandersetzungen im IG-Metall-Bereich haben niemanden sonderlich interessiert. Einige haben gesagt, die Angleichung auf 100 Prozent funktioniert so, daß die Löhne im Westen so lange sinken, bis sie auf dem Stand des Ostens sind. Von Gewerkschaften und Betriebsräten sind sie völlig abgegessen. Einer der freigestellten Betriebsräte war schon vor der Wende Betriebsrat. Die erzählen immer die Geschichte, wie der in den Pausenraum reinkam, während im Radio RIAS lief. Da hat der versucht, das Radio auszuschalten. Als das nicht klappte, hat er den Stecker rausgezogen und wolle das Radio mitnehmen. Das gab fast ne Schlägerei mit den Arbeitern. Und so einer ist immer noch Betriebsrat! ResümeeOffensichtlich befindet sich das Werk noch in einer Übergangssituation. Der Umbau der Fabrik zu Gruppenarbeit und Lean production ist in Vorbereitung. Sicherlich wird dieser Umbau nicht reibungslos über die Bühne gehen. Ob aber die ArbeiterInnen bei Samsung aus ihrem massenhaften und zähen Festhalten an alten Gewohnheiten einen offensiven Kampf, der über diese Verteidigung alter "Rechte" hinausgeht, entwickeln wird die nächste Zukunft zeigen. Entschieden ist noch nichts. |
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