![]() |
wildcat.zirkular | |||||||||||||||||||||||||||||
|
aus: Wildcat-Zirkular Nr. 3, April/Mai 1994 »Grundsätzlich wurde der Faschismus mit der ökonomischen und politischen Vereinigung des Kapitals in Verbindung gebracht, eine Tendenz, die seit 1914 überall ihren Ausdruck findet. Der Faschismus war ein besonderer Weg, dieses Ziel in zwei Ländern – und Italien – zu bewerkstelligen, in denen er sich als unfähig erwies, die Ordnung (im Sinne des Bürgertums) zu etablieren, obwohl die Revolution besiegt worden war. Der Faschismus hat die folgenden Merkmale: Der Faschismus war die Lösung des Staates bei dem Übergang des Kapitals zur totalen Dominanz über die Gesellschaft. Bestimmte Organisationen der Arbeiterklasse waren notwendig, um die Revolution zu stoppen; des weiteren wurde der Faschismus benötigt, um die darauf folgende Unruhe, die Unordnung zu beenden. Diese Krise wurde durch den Faschismus nie wirklich überwunden; da er nur scheinbar effektiv war, weil er auf dem systematischen Ausschluß der Arbeiterklasse aus dem sozialen Leben beruhte. Diese Krise wird durch den Staat unserer Tage erfolgreicher bewältigt. Der demokratische Staat benutzt alle Werkzeuge des Faschismus, besser noch, in dem er die Organe der Arbeiterklasse nicht zerstört, sondern integriert. Die soziale Vereinheitlichung übertrifft das, was der Faschismus zu Wege gebracht hat, aber der Faschismus als spezifische Bewegung ist verschwunden. Er korrespondierte mit der erzwungenen Disziplin des Bürgertums unter dem Druck des Staates, in einer wahrlich einzigartigen Situation.« [1] Thesen zur Weimarer Republik/zur Entwicklung hin zum Faschismus:1. Die Gründe für die Durchsetzung des Faschismus in Deutschland liegen in der Niederlage der Arbeiterklassen Europas und der USA begründet, sich in einen imperialistischen Krieg, mehr oder weniger, zwingen zu lassen. Ihre Vereinheitlichung fand nicht in einem revolutionären, weltweiten Kampf statt, sondern auf den Schlachtfeldern des 1. Weltkrieges. Damit waren alle Voraussetzungen, sowohl politisch wie ökonomisch, für das spätere Desaster geschaffen. 2. Die darauffolgende Novemberrevolution war keine Revolution im Sinne einer radikalen Umwälzung der Verhältnisse. Die Novemberrevolution brachte zum einen das Aufbäumen einer »alten« Arbeiterfigur. Der (Handwerker-)Facharbeiter mit all seinen Merkmalen war im Zuge der Veränderungen der Produktion obsolet geworden. Ein weiteres Mal wehrte er sich heftig gegen die Durchsetzung der wissenschaftlichen Betriebsführung (Taylorisierung), die dem deutschen Kapital schon vor dem ersten Weltkrieg nicht vollständig gelungen war (die USA waren da erfolgreicher). Zum anderen war die Novemberrevolution, die Jahre 1917-1920, das Aufbegehren der un/angelernten ArbeiterInnen, der Frauen, der Jugendlichen - das breite Auftauchen des Massenarbeiters und dessen erste Niederlagen. Die Kriegsökonomie hatte im verstärkten Maße diese neue Figur der angelernten ArbeiterInnen hervorgebracht und die Maschinerie weiterentwickelt. Sie waren breit besonders in die Rüstungsindustrie einbezogen worden. Und sie waren bei den breiten Massenbewegungen der Jahre 1917-1920 ganz vorne dabei. 2.1. Aus diesen beiden Polen der Novemberrevolution entwickelte sich keine Vereinheitlichung der Kämpfe. Die SPD hatte ihre soziale Basis bei den Facharbeitern, deren Fabrik- und Soldatenräte sich unter dem Einfluß der breiten Massenbewegungen sich zum Teil regional radikalisierten. Aber letztendlich sahen sie ihre Chance nicht im direkten Angriff auf Arbeit und Kapitalismus, sondern in dem Spannungsfeld von Sozialisierung, d.h. Verstaatlichung einerseits und Reform im Sinne verbesserter Arbeits/Reproduktionsbedingungen, Anteil an der staatlichen Macht, andererseits. Die Niederlage mag letztlich auch daran gelegen haben, daß »... auch in den Enklaven des lokalen Syndikalismus die Einsicht in die Notwendigkeit der klasseninternen Revolution in der Revolution wenig verbreitet war« [2] . Die Novemberrevolution war insofern keine Niederlage der deutschen Arbeiterklasse. In ihren nicht nur regional auseinanderklaffenden Ausbeutungs- und Lebensbedingungen war eine nationale (im Sinne von einheitlich, »national« als ein mehr als nur nationale Grenzen bezeichnender Begriff) Arbeiterklasse nicht vorhanden. Trotz allem war dieser Aufruhr natürlich eine massive Bedrohung für die herrschende Bourgeoisie, die nie kalkulieren konnte, was die Bewegung noch bringen würde und bis zu welchem Punkt ihre (der Bourgeoisie) Macht beschnitten werden würde. 3. Die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften hatten im Krieg die Voraussetzungen geschaffen, die sie für das Kapital im Anbetracht der Aufstände zu einer Alternative im gesellschaftlichen Management werden ließen. (Burgfrieden, "jetzt gibt es nur noch Deutsche"). "Wir kommen heute ohne die Verhandlungen mit den Gewerkschaften nicht weiter... Wir wollen froh darüber sein, daß die Gewerkschaften noch mit uns verhandeln, denn nur durch unser Abkommen mit den Gewerkschaften können wir Anarchie, Bolschewismus, Spartakusherrschaft und Chaos verhindern..." Aus einem Protokoll einer Sitzung des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller vom November 1918. Wichtig dabei ist die Tatsache, daß die Einbeziehung der Gewerkschaften und der SPD zum einen durch die massive Bedrohung erzwungen war, zum anderen denjenigen Interessen entsprach, die man vielleicht als "fortschrittliches" Kapital umschreiben könnte. Institutionell war diese Einbeziehung der Gewerkschaften bereits im ersten Weltkrieg vollzogen worden. Die Unterscheidung in deutschnationales und demokratisches Kapital spielt in soweit eine Rolle, da diese beiden Lager die 20er Jahre hindurch eine andere Politik vertraten. (Politik meint hier sowohl betriebspolitische Belange, als auch Außenpolitik, Sozialpolitik usw.) Später taucht dieser Streit in der scheinbaren Divergenz zwischen den Stahlbaronen und Siemens in der Haltung zur NSDAP wieder auf. 4. Das Erbe der Novemberrevolution stellte für alle Beteiligten die ganze Weimarer Republik hindurch und auch im Faschismus eine wesentliche Grundlage ihres Denken und Handelns dar. 4.1. Für die Sozialdemokratie mit ihrem gewerkschaftlichen Flügel, bestand das Problem im wesentlichen aus dem Auseinanderklaffen der beiden Pole staatliche Teilhabe und Verteidigung unmittelbarer Arbeiterinteressen. Am offensichtlichsten wird dieser Widerspruch in der Person des staatlichen Schlichters, eine Funktion die geschaffen wurde, um Klassenkämpfe eingrenzen zu können. Diese Schlichter waren nicht selten Sozialdemokraten und Gewerkschafter, was dazu führte, daß die Gewerkschaften auf Druck der Arbeiterklasse Forderungen aufstellen mußten, die ihr Genosse als Schlichter und staatlicher Repräsentant dann auf ein Minimum zusammenkürzte. Man sollte hierbei nicht vergessen, daß die damaligen Gewerkschaften nicht unbedingt völlig deckungsgleich mit ihrem heutigen Pendant sind. Zwar von ihrem Wesen her, der Verteidigung der Arbeitskraft (und das schließt die Verteidigung des herrschenden Status Quo mit ein), identisch, waren sie in der damaligen Zeit noch etwas mehr gezwungen auf die Forderungen der Basis einzugehen und eine klassenkämpferische Rhethorik gehörte da natürlich dazu. 4.2. Für die Arbeiterklasse war der Ausgang der Novemberrevolution natürlich eine Niederlage, von der sie sich erst wieder ab ca. 1925 erholte. Die doch ziemlich widerstandslose Anpassung an Faschismus und Krieg dürfte auf diese Niederlage zurückzuführen zu sein. Gleichzeitig bedeuteten die Kämpfe von 1918 natürlich eine Vielzahl von Kampferfahrungen und Wissen um die eigene Macht. 4.3. Die Vertreter des Kapitals Der angedeutete Konflikt zwischen den verschiedenen Kaptitalinteressen läßt sich auch hier wiederfinden. Die weltmarktfähigen Teile setzten aufgrund der revolutionären Drohung eher auf Integration und Reformen (in Berlin heißt ein Stadtteil nicht umsonst Siemensstadt), orientierten sich also völlig am US-amerikanischen Modell, während das andere Lager sich zwar die Vorzüge des Taylorismus, was die wissenschaftliche Betriebsführung anbelangt, zu eigen machte, keine Konsequenzen aber für ihre politische Ausrichtung zog. Diese Tendenz war zutiefst haßerfüllt und rachsüchtig in ihrer Erinnnerung an die Demütigung durch den verlorenen Krieg und an den Grund für den verlorenen Krieg: zum einen natürlich die Arbeiterklasse, die keine Lust mehr hatte auf dem Schlachtfeld zu bluten, zum anderen die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften, denen man zwar bestimmte Machtteilnahme sichern mußte, die jedoch noch nicht als Notwendigkeit eines "modernen", kapitalistischen Systems erkannt wurden. Die Integration der "Arbeiterbewegung" auf zweierlei Schienen.1918 bis 1923 begann die Entwaffnung der Arbeiterklasse und die Liquidierung ihres radikalsten Teils. Flankiert wurde das Ganze mit einer Reihe von Reformen. Achtstundentag, Tarifrecht, Streikrecht, Teilhabe der Arbeiterbewegung an der politischen Macht. Die Weimarer Republik war geboren. 5. Die Umgestaltung der Arbeitsorganisation als Folge der 1918/23 erzwungenen "Neuverteilung" der politischen Macht. Die Kapitalisten sichern sich "ihre" Macht erstmal wieder auf betrieblicher Ebene. 5.1. Die technische Umgestaltung der Betriebsorganisation: Eine Zeit der Rationalisierungen und technischer wie auch politischer Klassenneuzusammensetzung begann. Eine neue Form der Betriebshierarchie verschob die Stellung des Facharbeiters und stellte ihn praktisch auf eine Stufe mit den Angelernten. Das Fließband und die weitere »Vereinfachung« der einzelnen Arbeitsschritte innerhalb der Produktion machten dies möglich. Die Arbeitsbüros sorgten für die Einstellung neuer Mitarbeiter, genauso wie für Entlassungen. Desweiteren und vielleicht als wichtigsten Schritt, überwachten sie die Produktion von »außen«. Da hier jetzt alle Fäden zusammenliefen, konnte durch die »wissenschaftliche« Betriebsführung die Neuzusammensetzung der Arbeiter in einem permanenten Zustand gehalten werden. Nicht mehr die durch größere Konflikte auffallenden Kräfte wurden aussortiert, sondern es begann ein permanenter Austausch. Warum dies in Deutschland einen so großen Faktor annahm, lag auch an der zuvor »erkämpften« Sozialpolitik. Die Unternehmer konnten trotz massiver Versuche einzelne Errungenschaften, wie z.B. den 8-Stundentag nicht kippen. Was ihnen blieb war die Intensivierung der Produktivität. So wurde zwischen 1925 und 26 die durchschnittliche Produktivität um ca. 25 % gesteigert und das bei einer Steigerung der Arbeitslosigkeit im selben Zeitraum, die um das 3fache (!) anstieg. Einen großen Anteil an dieser Steigerung hatte die zunehmende Beschäftigung von Frauen in der industriellen Produktion. Der 8-Stundentag und die Zergliederung der reinen Tätigkeit am Fließband ließen diese Arbeit prädestiniert für Frauen erscheinen. Zusätzlich war natürlich die geringere Entlohnung der Frauen ein wichtiges Merkmal davon. 5.2. Die "soziale" Umgestaltung der Betriebspolitik war ein weiterer Faktor in der kapitalistischen Politik. Die Erfahrungen, die die Unternehmer mit den Ungelernten Jahre vorher gemacht hatten, nämlich die ablehnende Haltung gegenüber der Arbeit, galt es zu brechen. Während der »Stolz des Facharbeiters«, seine »Würde« ebenfalls gebrochen werden mußte. Diesen Zwiespalt galt es zu überwinden und gleichzeitig dafür Sorge zu tragen, daß eine Vereinheitlichung aller unterblieb. Die neuen Arbeitswissenschaften und die «Psychotechniken« entwickelten ein perfektes Instrumentarium zur Spaltung und Entpolitisierung der Arbeiterklasse. Während es für die Facharbeiter, trotz Entlassungen und Dequalifizierung, Reallohnsteigerungen gab, was ihre Rolle in der Fabrik eher materiell ambivalent machte, gab es für die FließbandarbeiterInnen verstärkt ideologische Integrationsversuche. Durch die ideologische Schulung, während der Berufs- und Anlernausbildung durch eigens geschaffene Institute (z.B. Deutsches Institut für technische Arbeitsschulung »DINTA«), wurden zehntausende Jugendliche und junge Arbeiter geschleust. Es war der gigantische Versuch, die verstärkte Ausbeutung mit verstärkter Arbeitsfreude zu stabilisieren, sie als gesellschaftlichen Fortschritt zu begreifen. Im Mansfeld-Konzern machte sich beispielsweise eine Abteilung des DINTA daran, alle jungen Arbeiter und Lehrlinge in die Mangel zu nehmen und eine den realen Arbeitsinhalten genau konträre »Bindung« an den Betrieb zu indoktrinieren. Betriebssport, »nationale Veranstaltungen«, »Elternabende«, Ausbildungspläne mit dem Ziel der »Arbeitsfreude«, usw. waren Teile dieser Kampagne. 6. Die Unternehmer stärken ihre politische Macht, indem die betriebliche Umgestaltung sich auf gesellschaftlicher Ebene fortsetzt. Den Gewerkschaften, und in diesem Zuge auch der SPD, wird ein großer Teil ihres Zulaufs entzogen. Sie lassen sich aber auch durch die Fixiertheit auf den "alten" Kern der ArbeiterInnenschaft leicht dazu bringen. Die Zeit der Weimarer Republik war also eine Zeit des Umbruchs. Gekennzeichnet auf der technisch-stofflichen Ebene durch die Durchsetzung der allgemeinen Verwendung der Elektrizität; der Elektromotor ist für die Zwanziger das, was für die Achtziger der Computer darstellt. Massenproduktion und Fließfertigung und damit in engem Zusammenhang die »wissenschaftliche Betriebsführung« Taylors. Rationalisierungen finden auch in der Verwaltung statt; dafür könnten die Hollerith- Maschinen stehen, die in ihrer Bedeutung für die Veränderung von Angestelltenarbeit sicher nicht weniger bedeutend waren als die modernen EDV-Anlagen aller Größen. Entsprechend der Dimension des Umbruchs der produktiven Kooperation; also der Art und Weise der kapitalistischen Produktion finden während der ganzen Weimarer Republik Rationalisierung und Massenentlassungen statt; dies auch, oder vielleicht sogar in besonders dramatischem Umfang, bei den Angestellten. Daraus leitete sich dann die automatische Schlußfolgerung ab: die Nazis waren eine reine Mittelschichts-(Angestellten)partei.
Auffallend bei der obigen Tabelle ist, daß die Angestellten einen erklecklichen Anteil an der Mitgliedschaft (und an den Wählerstimmen) der NSDAP hatten. Die Angestellten des Privatsektors waren schwer getroffen durch die ökonomischen Entwicklungen. Die Gehälter waren niedrig, die Arbeitslosigkeit hoch, vor allem während der Inflation und der Stabilisierungsphase bis 24. Im Mai 24 gab es für einen Job im Verkauf 15 BewerberInnen; diese Rate wurde nur noch im kaufmännischen Bereich übertroffen. Während der Goldenen Zwanziger ging die Arbeitslosigkeit insgesamt zurück; bei den Angestellten blieb sie auf hohem Niveau. Auch die Depression erwischte die Angestellten besonders hart: Von 1928 bis 32 fielen die Gehälter im Bankbereich und im Einzelhandel um etwa 26%, die Anzahl arbeitsloser Angestellter stieg von 80.000 auf 261.000 im September und auf 522.000 im Dezember 1932. Den Staatsangestellten ging es nicht besser. »Traumatisch« waren die Austeritätsmaßnahmen der Reichsregierung 1923, als zwischen Nov.23 und April 24 164.000 Beschäftigte entlassen wurden; zusammen mit Landes- und Kommunalbehörden verloren nahezu 750.000 ihren Job. Besonders deutlich wird das Lohnniveau, wenn von Lehrern berichtet wird, die zusätzlich als Tagelöhner arbeiteten oder als Bauchladenvertreter. Dennoch läßt sich nicht sagen, daß »die Angestellten« Nazis gewählt haben. In diesem Zusammenhang wird oft von der Proletarisierung der Angestellten gesprochen. Betrachten wir die Veränderungen der Arbeits− und Lebensbedingungen vieler Angestellten, so ist bestimmt richtig, daß sie Anlässe genug gehabt hätten, sich »proletarisiert« zu fühlen. Die Veränderungen der Arbeitsprozesse, die schlechten Löhne besonders bei den VerkäuferInnen und Stenotypistinnen, gaben nicht mehr viel Gründe her, auf einen »Standesunterschied« beharren zu können. Aber dieser Proletarisierung geht der Widerstand gegen diese Proletarisierung voraus. Viel deutet darauf hin, daß gerade in emotioneller Abwehr der sozialen Lage ein Bestehen auf »Standesunterschiede« weit verbreitet war und von den Nazis unterstützt wurde; besonders gegenüber den Beamten (die «Parteibuchbeamten« waren ein beliebtes Bild in der Nazipropaganda). Andererseits legte die Propagandaleitlinie der »Volksgemeinschaft« auch sowas wie eine »klassenlose«, (wenn auch nicht menschliche, sondern deutsche) Gesellschaftsvorstellung nahe. Ebenso war die Nazi«klassifizierung« der arbeitenden Bevölkerung als »Arbeiter der Hand und der Stirn« vielleicht weitergehender als die Nichtbeachtung der Angestellten durch die KPD. Auffallend bei mathematisch-statistischen Analysen ist ein enger Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Wählerstimmen für die NSDAP unter den Angestellten. 7. Geldpolitik und Reparationszahlungen In Deutschland kommen zu diesen allgemeinen Entwicklungen noch Besonderheiten hinzu. Dabei handelt es sich um Friktionen auf der Ebene des Geldes und des Kapitals als Geld. Um die Modernisierungen finanzieren zu können, mußte das deutsche Kapital enorme Kredite im Ausland aufnehmen. Als Folge der Reparationszahlungen fehlte es an allen Ecken und Enden an Kapital. Die Rationalisierungen schlugen zwar bei der Produktivität pro Kopf voll ein, die Kosten blieben aber die gleichen wie vor den Rationalisierungen. Die Reparationen, die der deutsche Staat zu leisten hatte, bezahlte er via Umverteilung, d.h. rasante Staatsverschuldung - Inflation. Z.B. bezahlt die BASF die Staatskredite für das Leunawerk im Nominalwert auf dem Höhepunkt der Inflation 1923 und andererseits floß ausländisches Kapital nach Deutschland (z.B. GM kaufte 1929 Opel). Die Weimarer Republik repräsentierte weitgehend eine sehr krisenhafte Nationalökonomie: allenfalls die Jahre 24 - 29 (die Goldenen Zwanziger) erlebten eine relativ geordnete, ruhige ökonomische Entwicklung. Erst 1928 werden die Nettoreallöhne von 1913/14 wieder erreicht; um danach wieder zu fallen. Von 25-28 hält sich die Arbeitslosigkeit auf dem heutigen Niveau; danach steigt sie von 14,6% im Jahre 29 bis auf 44,4% im Jahr 1932. 8. Die Klassenauseinandersetzung kann aber nicht eliminiert werden. Und diesmal nutzt den Unternehmern auch die integrative Kraft der Arbeiterorganisationen nix. Außerhalb dieser und genau an der Entwicklung der neuen Arbeitsorganisation entzünden sich neue Kämpfe, wird die kapitalistische Verwertung angegriffen. 8.1. Bereits 1926/27 müssen die Unternehmer für ihre restriktive Politik bezahlen. Der Anspruch der Arbeiterklasse manifestierte sich in einer Vielzahl von Lohnstreiks und Forderungen die Arbeitszeit betreffend. Sie hatte zwar die Revolution verloren, aber das hieß nicht, daß das Leben unbedingt völlig den kapitalistischen Maßstäben zu gehorchen hatte. Stichworte sind hierfür Goldene Zwanziger, Koks und Opium, Jazz, Frauenbewegung, Schwulenemanzipation, Dadaismus, Reich, Hirschfeld, in der Tat eine der besten Zeiten in der Geschichte der Arbeiterklasse. Diese Kämpfe entstehen genau da, wo der Gebrauch der Maschinerie gegen die ArbeiterInnen am weitesten fortgeschritten ist: im Fahrzeugbau, in der Büromaschinenindustrie, in den mechanisierten Zweigen der elektrotechnischen Großkonzerne, dort am Fließband. Die »passive Verweigerung«, die Werkstücke auf den Montagebändern werden einfach nicht weiterbearbeitet, die insgeheim betriebene Zerstörung der Registriergeräte und andere kleine Aktionen entwikeln sich mit einer enormen Beschleunigung. Nirgends artikuliert und nirgends auf organisatorischer Seite vorbereitet verlaufen diese Aktionen (K.H.Roth, in »die andere Arbeiterbewegung«). Bei AEG gab es 1926 einen Streik gegen Arbeitsintensivierung und Gruppenakkord, der ab 1927 auf die gesamte elektronische Industrie übergreift und danach auch die Automobilbranche erfasst. Im Walzwerk Riesa setzen die Arbeiter 1928 das Schichtende selbst fest, mit der Parole: »Acht Stunden - genug geschunden«. So auch in der Textilindustrie und auf den Werften und in vielen anderen Wirtschaftszweigen. Die neuen Spezialarbeiterschichten sind zu einem Motor einer neuen Phase von proletarischer Aufsässigkeit geworden. Die Kapitalisten waren also wenige Jahre nach dem scheinbaren Totalerfolg ihrer Rationalisierungsoffensive mit einem völlig neuen Kampfverhalten konfrontiert, getragen gerade von jenen ArbeiterInnen, die einer schier perfektionierten Organisation der Arbeit und der Arbeitsteilung unterworfen waren. Explosiv wirkte diese Situation auch auf gesellschaftlicher Ebene: ein erheblicher Teil der Angelerntenschicht bestand aus Arbeiterinnen. Der Kampfzyklus dieser späten 20er Jahren wurde in seinen Brennpunkten also ganz wesentlich von Frauen bestimmt. 8.2. Diese Kämpfe läuten die Endphase der Weimarer Republik ein. Losgelöst von ihren traditionellen Organisationsformen, stellt die Klasse eine erneute Bedrohung des kapitalistischen Systems dar. Die bisherige staatliche Aufgabe der Integration, bzw. Schlichtung der Klassenauseinandersetzung stößt an ihre Grenzen. Die Unternehmer hatten in den 20er Jahren alle möglichen Waffen gegen die drohende Räterevolution eingesetzt (Fließbänder, Innovation überhaupt, Rationalisierungen), sie waren aber nicht bereit gewesen, den politischen Preis, die (keynesianistische) Anerkennung der Arbeiterklasse zu bezahlen. Die mögliche Lösung sieht das Kapital nun wieder eher in einem autoritären Staat. Das mag auch erklären, warum die Unternehmer schon relativ früh, 1926/27 mit massiven Manövern, Aussperrung und physische Zerschlagung der Aufsässigkeit durch Schlägertruppen und Werkschutzdiensten reagierten. Aber selbst damit hatten sie keinen großen Erfolg. Dazu gehört auch die Ausweitung der Repression, hinein in die Gesellschaft durch die Notverordnungspolitik der Regierungen. Ihre Kalkulation war sehr einfach: wenn sie selbst mit den ArbeiterInnen nicht fertig wurden, sollte der Staatsapparat die Arbeitslosenmassen auf der Straße disziplinieren. In einer Situation zunehmender Arbeitslosigkeit, praktizierten immmer größere Teile der Klasse ihr »Recht auf Leben auf der Straße«. Gegen Ende der Weimarer Republik kam es fast täglich zu Auseinandersetzungen auf den Stempelstellen, den Ämtern. [3] Die »organisierte Arbeiterbewegung« hatte die Erwerbslosen erst spät überhaupt zur Kenntnis genommen. Nur die KPD nahm gegen Ende der Weimarer Republik davon breiter Notiz. Aber besonders unter den jugendlichen Erwerbslosen fand die KPD wenig Zuspruch, dort kam es immer häufiger zu eigenständigen Aktionen, auch wenn der Übergang zur organisierten Erwerbslosenbewegung oft fließend war. [4] Mit »Kampf den Sozialfaschisten«, oder »Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft« konnte die verkümmerte Arbeiterbewegung ihre Distanz zu den Lebens-, Reproduktionsbedingungen breiter Teile der Klasse nicht mehr schließen. 9. In diesem komplizierten Wechselverhältnis − Notwendigkeit der Modernisierung, Rationalisierung des deutschen Kapitals, Finanzierungsprobleme und eine zu diszipliniernde Arbeiterklasse, hatte sich der Zwischenkriegs-Kapitalismus abgespielt. Der autoritäre Staat, der Faschismus sollte diese explosive Mischung durch eine Neuorganisierung der Klassenverhältnisse endgültig auflösen. 9.1. Hitler und die NSDAP traten an, um die »klassenlose Volksgemeinschaft« zu errichten. Das neue Regime aber hatte nicht die freiwillige Anerkennunng der Arbeiterklasse gewonnen. Die »Erbschaft der Novemberrevolution« war zwar mit den Waffen des Terrors und der Massenarbeitslosigkeit vergessen gemacht, aber weiterhin in den Köpfen der neuen Machthaber. Und wohl auch in den Köpfen der ArbeiterInnen, die für den »Fehler« büßen sollten, die Anfang der 20er Jahre mögliche Revolution nicht beendet zu haben, die Macht in die Hände der »Arbeiterorganisationen« gelegt zu haben. Diese »Arbeiterparteien« hatten sich sich als Agenten der Lohnarbeit in die Verwaltung von Staat und Kapital »hineingekämpft«, jetzt standen auch sie im Weg. In den 20er Jahren hatten sie zunächst bei der Zerschlagung der revolutionären Bewegung mitgewirkt, Mitte der 20er Jahre waren sie Partner der Unternehmer bei der »Taylorisierung« gewesen. Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise hatte ihr jegliche Vermittlungsräume verbaut. Aufgabe der Nazis war es, wieder eine verstärkte, politisch gesicherte Ausbeutung herzustellen. Auch nach der Machtübergabe an die Faschisten träumte der ADGB noch immer von der Integration in die »Hitlersche Volksgemeinschaft«: »(...) Wir begrüßen es, daß die Reichsregierung diesen unseren Tag zum gesetzlichen Feiertag der nationalen Arbeit, zum deutschen Volksfeiertag erklärt hat. An diesem Tags soll nach der amtlichen Ankündigung der deutsche Arbeiter im Mittelpunkt der Feier stehen. Der deutsche Arbeiter soll am 1.Mai standesbewußt demonstrieren, soll ein vollberechtiges Mitglied der deutschen Volksgemeinschaft werden. Das deutsche Volk soll an diesem Tag seine unbedingte Solidarität mit der Arbeiterschaft bekunden.(...)«. [5] 10. Der Krieg nach Innen Die Beseitigung der »Arbeiterparteien« war ein erster, für die Nazis notwendiger Schritt. Dabei ging es aber nicht einfach nur um die Beseitigung der ideologische Hauptfeinde. Die »Arbeiterparteien« hatten in der Weimarer Republik ihre ganze Strategie auf eine Verteidigung, Vermittlung der »Interessen« von LohnarbeiterInnen abgestellt. Auch zu Beginn der 30er Jahre hatten die »Arbeiterorganisationen« trotz ihrer Distanz zu den proletarisierten Schichten und den Arbeitslosen nicht wesentlich an Substanz verloren. Auch war es der NSDAP nicht gelungen eine »Arbeiterpartei« zu werden. Noch beim Streik der Berliner Verkehrsbetriebe im November 1932 mußte sie sich mit ihrem »sozialrevolutionären« Flügel herumschlagen. NSBO und kommunistische Kader standen vor den Verkehrsbetrieben. Teile des »Strasserflügels« wechselten zur KPD, aber auch in die andere Richtung hat es das gegeben. Der Sturm auf die Gewerkschaftszentralen war sicher auch der Radikalität der Basis der Nazis geschuldet, er war aber vor allem Resultat der Erfahrungen der Weimarer Zeit. Den Nazis war es durchaus bewußt, daß sich ihre »klassenlose Volksgemeinschaft« nach fünfzehn Jahren breiter und unterschiedlichster Klassenkampferfahrung auch angesichts der Verelendung, der Massenarbeitlosigkeit, nicht nur durch Propaganda durchsetzen ließ. Den ArbeiterInnen sollte jede auch nur im Ansatz mögliche Organisierung jenseits der »Volksgemeinschaft« unmöglich gemacht werden. 10.1. Der nächste notwendige Schritt war die Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Die Leute mußten »weg von der Straße«, die Nazis inszenierten ihre »Arbeitsschlacht«. Eine Mischung aus Zwangsarbeit, Arbeitsbeschaffungsprojekten in der Landwirtschaft und der Bauindustrie und nicht zuletzt auch Spielereien mit den Statistiken. Außerdem begann natürlich die Ausrichtung auf die Rüstungsindustrie. Es kam zu einer breiten Ausdifferenzierungen bei den Arbeitsbedingungen, den Löhnen. Nur die Beschäftigten in den für die Rüstung direkt entscheidenden Bereichen kamen in den Genuß von Reallohnsteigerungen. 11. Ab 1935 lernten breite Teile der ArbeiterInnen, sich diese Ausdifferenzierungen, den beginnenden Arbeitskräftemangel [6] , zu nutze zu machen. Hin zu den besser bezahlten Jobs, »getarnte Streiks«, Krankmachen... dies alles fand in einem Ausmaß statt, das es sich nicht mit dem Argument wegwischen läßt, dies gäbe es natürlich immer: »Hier ging es aber nicht um eine unpersönliche, automatische Auswirkung von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt − das gibt es nur in Lehrbüchern der Volkswirtschaft. Die neuen Handlungsmöglichkeiten mußten von der Arbeiterschaft erkannt und ausgenutzt werden. Einerseits geschah dies, indem sich der einzelne Arbeiter marktkonform verhielt und den eigenen Vorteil suchte, wo er ihn nur finden konnte: eine Haltung, die oft, wenn nicht immer, den Interessen der Industrie und des Regimes zuwiderlief und oft auch mit Verstößen gegen die Vorschriften und mit Vertragsbrüchen verbunden war. Interessanter in unserem Zusammenhang sind aber Aktionen, die auf Gruppensolidarität unter den Arbeitern beruhten. Ab 1936 wurde von allen Seiten berichtet, daß Arbeiter gemeinsam vorgingen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen...« (Quelle siehe Anm.6). 11.1. All dies spiegelte sich breit in den Berichten der Naziorganisationen, in ihrer »Arbeits- und Sozialpolitik« wieder. Die Entwicklung der NSBO und ihres Nachfolgers DAF zeigt das ganze Dilemma der damaligen Führung auf. Die NSBO war als Nazigewerkschaft recht spät gegründet worden und eigentlich nie über den Rang eines Sektiererhaufens hinausgekommen. Gleichwohl schien den Ideologen allein die Existenz einer Organisation, die behauptete für die Interessen einer besonderen Klasse zu kämpfen, zu gefährlich, vertrug sich sowas überhaupt nicht mit dem Leugnen von Klassengegensätzen, der Idee der Volksgemeinschaft. Die NSBO wurde in die deutsche Arbeitsfront (DAF) überführt. Die DAF bestand zu einem Teil aus Unternehmern, aus staatlichen Vermittlern und aus Vertretern der Belegschaft. Am Rande bemerkt: diese staatlichen Vertreter nannten sich "Treuhänder". Ziel der Organisation sollte die Erziehung der Arbeiterklasse zu treuen Anhängern der Partei und der Idee der Betriebsgemeinschaft sein. Doch die Ideologie konnte mit den realen Entwicklungen und Erfordernissen nicht Schritt halten. Zwar wurde die DAF zur Massenorganisation, doch nur über die Zwangseintreibung der Mitgliedsbeiträge; reale Bedeutung erreichte sie aber erst über konkrete Verbesserungen der Arbeits -und Lebensbedingungen. Bekanntestes Beispiel ist die KDF (Kraft durch Freude), die nichts anderes war als die Grundsteinlegung des Massentourismus. 12. Traditionell wird in der Diskussion unterschieden zwischen zwei Fraktionen des deutschen Kapitals: - die eine, nicht mehr konkurrenzfähige Industrie um die Kohlenbarone (Thyssen..), die die Machtübernahme Hitlers begünstigte - die "fortschrittlich" innovativen Sektoren, wie z.B. die Elektroindustrie, die dem eher skeptisch gegenüberstanden. Fakt ist, daß genau diese Sparte der Industrie der eigentliche Gewinner des Faschismus und des Krieges war. Alle Entwicklungen auf denen in der Nachkriegszeit der Boom dieser "modernen" Industrien basierte, waren direkte Erben der Kriegsökonomie (Elektronik, Volksempfänger, Radar, Volkswagen). Genauso dürfte die Organisation der Dienstleistung Medizin und Pflege den größten Sprung nach vorne gemacht haben, was Effektivität und Rationalisierung anbelangt (dazu gehört natürlich auch die Forschung, Mengele und Gentechnologie..). Ein weiteres Beispiel im Dienstleistungsbereich ist die oben erwähnte Entwicklung eines Tourismussektors durch die KDF. Die Ausflüge des KDF waren in dieser Zeit äußerst beliebt und nicht zuletzt durch die Undiszipliniertheit ihrer TeilnehmerInnen ein Dorn im Auge der Nazioberen. Der Fortschritt des Kapitalismus wurde wie bisher nach dem alten Modell gemacht. Die Ansprüche der Arbeiterklasse werden kapitalisiert, nur im Unterschied zu Weimar (und jetzt?) mit einer stärkeren staatlichen Lenkung. War der Nationalsozialismus also die Durchsetzung eines Modells, daß in den USA ohne diesen Terror eingeführt wurde und scheinbar auch besser funktionierte als in der Weimarer Republik? Aber die DAF und ihre weit verzweigten Institutionen war sicher mehr als nur das Abbild des Eiertanzes der Nazis mit einem nicht aus der Welt zu schaffenden Klassenkampf. Die Entwicklung von Akkordlöhnen, die weitere Zurichtung (Rationalisierung) der proletarische Kernfamilie, das Forttreiben der rassistischen Ausdifferenzierungen, der »gerechte Lohn für gerechte Arbeit«, die Perversionen der Leistungsgesellschaft haben sie entscheidend gestaltet. Zwar wurden allen Modernisierungen und Veränderungen in der Arbeitsorganisation und der Reproduktion nazipassende Mäntelchen verpaßt, unbestritten waren die Verantwortlichen aber inspiriert von den neuesten Erkenntnissen der amerikanischen Forschungen auf diesem Gebiet − und auch umgekehrt. Beispiele hierfür sind Arbeitsschutz, Verbesserungen der Umkleide und Hygiene, saubere Entlüftung u.Ä., die Heraufsetzung der Urlaubstage. 13. Der Klassenantagonismus war im nationalsozialistischen Deutschland nicht nur objektiv weiter vorhanden − er blieb auch wirksam. Der Beginn, die Forcierung der aggressiven »Lösung« nach außen, resultierte auch daraus. Daß es auch im Nationalsozialismus Klassenkämpfe gab, ist eine recht banale Erkenntnis, auch wenn sie für einige Leute neu sein mag. Der Faschismus konnte die Dynamik verlorener, nicht erfolgreicher Klassenkämpfe ausnutzen. Die Faschisten der 90er Jahre aber, besetzen im Moment ein Vakuum, sie nehmen ihre Kraft nicht aus einer Polarisierung von Klassenkämpfen in ihrem Sinn. Das Kapital rätselt immer noch über die Krise (des Keynesianismus), agiert mit Maßnahmen, die für große Teile der Klasse eine Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen bedeuten, aber keinem Plan, einer gefundenen Lösung entspringen (außer natürlich dem Wunsch des Kapitals nach Unsterblichkeit). Aber auch auf seiten der Klasse und der revolutionären Linken herrschen Verunsicherung, Angst − und wenig Utopien, Ideen und Kämpfe. Gewalt, Aggressionen, Rassismus sind die Angelpunkte, an denen dies immer wieder reproduziert wird. Aber nach wie vor ist es richtig und notwendig, in den sozialen Konflikten nach einer Perspektive zu suchen, auch wenn ein blinder Optimismus nicht angesagt ist. Die ständigen Wiederholungen der »Faschisierung des Staates« oder der »Faschisierung der Subjekte«, ist da wenig hilfreich, sondern verdeckt eher die realen Gefahren. Für einen Teil der Linken wird die Debatte um die »faschistische Gefahr« wieder nur zu einer Kampagnenpolitik im Superwahljahr herhalten. Nur einen weiteren Grund dafür hergeben, zwar darüber zu jammern, daß die Faschisten auf die »soziale Frage« setzen, aber dem selber dort nichts − oder nur an wenig ausgesuchten Punkten − etwas entgegen zu setzen. Oder noch schlimmer, die Thematisierung dieser »sozialen Frage« als Quasi-Komplizentum mit den Faschisten zu denunzieren. »Zumindest brachte der Sieg über die Achsenmächte den Frieden...aber nur den Europäern, nicht den Millionen, die seit dem in unaufhörlichen Kriegen und an chronischem Hunger gestorben sind. Kurz, der Krieg, der alle Kriege und den Totalitarismus beenden sollte, war ein Fehlschlag. Die Antwort der Antifaschisten kommt automatisch: es ist der Fehler des amerikanischen oder des sowjetischen Imperialismus, oder auch beider; auf jeden Fall, sagen die Radikalsten, ist es das Fortbestehen des Kapitalismus und seiner Untaten. Zugestimmt. Aber wie könnte ein Krieg kapitalistischer Staaten einen anderen Effekt haben, als eine Stärkung des Kapitals? Die Antifaschisten (besonders die »Revolutionäre«) kommen zu genau dem anderen Ergebnis, wenn sie einen neuen Antifaschismus fordern, der kontinuierlich radikalisiert werden muß, so daß die Fortschritte so weit als möglich gehen. Sie werden nicht müde, faschistische »Revivals« oder »Methoden« zu beschwören, aber sie ziehen nicht den Schluß, daß es notwendig ist, die Wurzel zu zerstören: das Kapital. Eher ziehen sie den entgegengesetzten Schluß, daß es notwendig ist, zu einem »wahrem« Antifaschismus zurückzukehren, ihn zu proletarisieren, die Arbeit des Sisyphus wieder aufzunehmen, den Kapitalismus zu demokratisieren. Niemand kann den Faschismus hassen und den Humanismus lieben, aber nichts ändert den entscheidenden Punkt: 1. der kapitalistische Staat (und das meint alle Staaten) ist mehr und mehr dazu gezwungen, sich repressiv und totalitär zu zeigen. 2. alle Versuche, ihn unter Druck zu setzen, in eine Richtung, die für die Arbeiter oder den »Frieden« angenehmer erscheint, werden im besten Falle mit gar nichts enden, oder im schlechtesten Falle (wie meist), bei der Verbreitung der Illusion landen, daß der Staat der Schiedsrichter der Gesellschaft ist, eine mehr oder weniger neutrale Kraft, die über den Klassen steht. Die Linke wird nicht müde, die klassische Marxsche Analyse des Staates als ein Instrument der Klassenherrschaft zu wiederholen, und schlagen im nächsten Moment vor, diesen Staat »zu benutzen«. Das gleiche, wenn Linke die Schriften von Marx über die Abschaffung der Lohnarbeit und den Tauschwert studieren, dann aber kehrt machen und die Revolution als eine Ultrademokratisierung der Lohnarbeit begreifen [7] .« FR [1] Zitat aus einem Text von J.Barrot, »Faschismus/Antifaschismus«, erschienen bei »Black Cat Press«, 1982. Das Zitat ist aus der Einleitung zu einem Buch zum spanischen Bürgerkrieg. Der Text nimmt recht pointiert Stellung zu den Fragen, die die Auseinandersetzungen um den Faschismus und vor allem auch den Antifaschismus mit sich bringen. Auch wenn wir einen Haufen Kritik an dem Text hatten, wollten wir ihn eigentlich abdrucken, sind aber davon abgekommen. Zum einen, da er recht lang ist, zum anderen, weil er viele Thesen enthält, die sich nur im Gesamtzusammenhang des Buches beurteilen oder verstehen lassen. Wer ihn haben will soll sich melden, wir haben ihn (bisher erst grob) übersetzt. Wir werden ihn wohl zu einem anderen Zeitpunkt veröffentlichen. [2] K.H.Roth 1978, »Arbeiterklasse und Arbeiterorganisation 1890-1920«. [3] 1932 war in Berlin ein neues Arbeitsamt eröffnet worden. »Hungerpalast« und »Zuchthaus« wurde es genannt. Zwei Wochen nachden es eröffnet worden war, wurde es gestürmt. Tagelang blieb es von innen barrikadiert (Bullen), von außen von den Erwerbslosen belagert. In der Folgezeit gab es eine Reihe breiter Aktionen der Erwerbslosen. [4] Die »Wilden Cliquen« waren eine diese eigenständigen Formen. 1932 hat es in Berlin über 600 davon gegeben, deren Mitglieder un- oder angelernte Arbeiterjugendliche waren. Deren Kontakte zur organisierten Erwerbslosenbewegung kam nur bei Aktionen zustande. Die Straße, der Stadtteil waren Ort ihrer Unternehmungen. Wohnraum wurde gegen Kündigungen und Zwangsräumungen verteidigt, kostenloses Einkaufen... . [5] Stellungnahme des ADGB zum 1.Mai 1933, aus der Gewerkschaftszeitung, Nr.16, 22.April 1933. [6] 1938 gab es in der gesamten deutschen Wirtschaft eine Million unbesetzter Stellen. Die Fluktuation nahm so stark zu, daß in dieser Zeit alle regelmäßig Beschäftigten den Arbeitsplatz im Durchschnitt einmal im Jahr wechselten. Nur noch ein kleiner Teil dieser Mobilität diente jetzt der Rekrutierung von Arbeitskräften für die Rüstungsindustrie aus anderen Wirtschaftssektoren. Die Fluktuation stellte nun vor allem eine Quelle schwerer Betriebstörungen dar. (Quelle: T.Mason, in »Arbeiteropposition im nationalsozialistischen Deutschland«, 1981). [7] Quelle siehe erste Anmerkung. |
|||||||||||||||||||||||||||||
| [Startseite] [Archiv] [Bestellen] [Kontakt] |