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aus: Wildcat-Zirkular Nr. 3, April/Mai 1994

Die soziale und wirtschaftliche Situation in Kurdistan/Irak ist katastrophal, es unterliegt einem doppelten Embargo: dem der UNO gegen den Irak, das auch auf Kurdistan wirkt, andererseits einem Embargo des Irak, das im Spätherbst 1991 verhängt worden ist. Der einzige Input an Waren und Geldern nach Kurdistan kommt von der UNO und ausländischen Hilfs­organisationen, das reicht aber bei weitem nicht aus, um die soziale Lage in Kurdistan abzufedern. Kurdistan war vor dem Golfkrieg und vor dem Zusammen­bruch der Baath-Partei in diesem Gebiet finanziert worden über die Ölrente des irakischen Staates. Es war und ist eine Gesellschaft, die städtisch dominiert ist. Ein Großteil der Bevölkerung lebt entweder in den Großstädten oder in stadtähnlichen riesigen Umsied­lungslagern. Die ländlichen Gebiete sind weitgehend zerstört worden während der Vernichtungs­operationen der irakischen Armee in den achtziger Jahren. Die Rolle, die die internationalen Hilfsorganisationen und die UN dort spielen, ist mehr die eines Sozialamtes, es gibt also keine Anstrengungen, oder wenn, unzureichende Anstrengungen, die kurdische Gesellschaft zu rehabilitieren. Diese inter­nationalen Hilfe wirkt sich u.a. lähmend auf diese Gesellschaft aus. Die Golfkriegsalliierten haben den Aufstand in Kurdistan geschehen lassen. Dann hat die internationale Hilfe eingesetzt, hat knapp zwei Millionen kurdische Flüchtlinge, die Anfang 1991 an die Grenzen zur Türkei und zum Iran geflüchtet waren, zurückgebracht nach Irakisch-Kurdistan, nicht mit dem Ziel, den KurdInnen zu helfen, sondern die Nachbarstaaten zu entlasten von dem Druck der Flüchtlinge. Die Hilfsprogramme geben der Bevölkerung von Kurdistan nicht die Möglichkeit, selbstbestimmt dort weiterzumachen, wo sie vor dem Aufstand angefangen hat.

Zur Lage in Südkurdistan/Nordirak

Auszüge aus einem Referat, gehalten auf einer Veranstaltung En­de Nov. 93 in Berlin:

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In der Zeit des iranisch-irakischen Kriegs war jede Arbeiterbewegung, jede Bewe­gung von Arbeitern, die im Irak zustande­kam, unterdrückt worden, und zwar mit Feuer und Schwert. Gleichzeitig verfolgte der irakische Staat die Politik, die Arbeits­zeiten auf ein nicht vorstellbares Maß zu verlängern. Der irakische Staat baute militärische Produktionszentren, militäri­sche Fabriken auf, die "Institutionen der militärischen Industrieproduktion" hie­ßen. Die Arbeiter, die in diesen Fabriken arbeiteten, waren vor die Wahl gestellt, entweder an die Front zu gehen und zu sterben oder in diesen Fabriken 16 oder 17 Stunden am Tag zu arbeiten. Trotz­dem gab es eine richtiggehen­de Konkur­renz, einen Wettlauf darum, eine Stellung in diesen Fabriken zu bekommen, um eben der Front zu entfliehen.

Innerhalb dieser Fabriken gab es Ein­heiten des Geheimdienstes, die den ge­samten Ablauf der Produktion überwach­ten und überall, wo sich Unzufriedenheit oder Aufstand regte, Widerstand regte, wurden sofort die Leute, die man dafür ver­antwortlich machte, mitgenommen, in eine Folterkammer gebracht und auf ab­scheuliche Art gefoltert. Ein Beispiel: In einer militärischen Produktionsstätte in der Nähe von Mossul gab es eine Einheit, in der etwa 50 oder 60 ägyptische Arbei­ter arbeiteten. In dieser Einheit protestier­ten die Arbeiter gegen die schlechten Arbeits­bedingungen, sie wollten eine Verbesserung und Erleichterung der Arbeitsbedingun­gen. Mehr als 20 von ihnen sind umgebracht worden. Die Herrschaft der Bourgeoisie hat jede oppositionelle Regung und Organisierung unterdrückt. Trotzdem ist es zur Bildung von Gruppen unter den Arbeitern gekom­men. Erstmal, um die eigene Situation zu erkunden, und dann auch um nach Mög­lichkeiten zu suchen, wie man diese Un­terdrückung überwinden kann und bes­sere Verhältnisse herstellen. Es gab auch außerhalb der Fabriken, unter den Intel­lektuellen, solche Gruppen von Revolutio­nären, von Linken, die in Verbindung standen mit ver­schiedenen weltweiten Strömungen, und die sich auch unter diesem Einfluß begannen, mehr und mehr der Arbeiterbewegung anzunähern. Die gesell­schaftlichen Zustände haben also zu einer Situation geführt, in der ein kleiner Tropfen reicht, um das Faß zum Überlaufen zu bringen, und es bei jedem Ereignis möglich war, daß eine große Explosion ausbricht.

Als die amerikanischen Truppen anfingen, den irakischen Staat anzugreifen, war den Menschen nicht bewußt, welche Ausmaße dies annehmen wird. Während dieser Angriffe hat das irakische Volk seinen Aufstand gegen das irakische Regime begonnen, und zwar auf nicht organisierte Weise. Während dieser spontanen Intifa­da war auch nicht klar, welche Ziele, was für Dimensionen dieser Aufstand hat, und auch nicht, was für eine zeitliche Dauer er haben wird. Auch die kleinen Arbeitergruppen fanden sich auf einmal in der Situation eines breiten, allgemeinen Volksaufstandes. Und deswegen waren sie auch nicht in der Lage, diesen Aufstand prägend zu beeinflussen in die Richtung eines all­gemeinen sozialen Aufstandes, ihn in die Richtung einer Revolution zu einem Arbeiterstaat zu bringen.

Dieser Aufstand fand im Süden und im Norden des Irak statt. Der Unterschied ist nur, daß im Norden des Irak die Organisierung unter den Arbeitern stärker war und infolgedessen auch eine größere Rolle in dem Aufstand spielen konnte. In den ersten Tagen des Aufstandes Gruppen bildeten sich sogenannte "Gruppen des Aufstands", die zum Teil bewaffnet wa­ren. Während dieser ersten Tage des Aufstands befanden sich die bewaffneten Oppositionsgruppen, sowohl die irakische Opposition als auch die kurdische, noch außerhalb der irakischen Grenzen.

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Was es gab, waren in den Städten diese kleinen Arbeitergruppen und kom­muni­stische Gruppen, die zu klein waren und aufgrund ihrer Organisationsform vom irakischen Regime nicht zerschlagen werden konnten. diese kleinen Gruppen organisierten Vorbereitungsgruppen für den Volksaufstand.

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Was passierte nach dem Aufstand? Nach­dem es den Leuten gelungen war, einen Sieg zu erringen über den Staat, der sie jahrelang unterdrückt und terrorisiert hatte, riefen diese kleinen Vorbereitungs­gruppen die Bevölkerung auf zur Bildung von Arbeiterrä­ten und Stadtteilräten. Am 9. März wurde dieser Aufruf gestartet, und er wurde von der Bevölkerung posi­tiv aufgenommen. Die requirierten Autos der Polizei, die vorher das Symbol waren für Terror und Unterdrückung, fuhren durch die Stadt und gaben über ihre Lautsprecher den Aufruf zur Bildung von Räten bekannt. In vielen Stadtteilen wurden Räte gebildet: in Zergata, in Amisekibek, Sershakam und vielen ande­ren Stadtteilen. Und in der Zigaretten­fabrik von Sulaimaniya gelang es den Arbeitern, sich dort zu organisieren und einen Arbeiterrat zu gründen.

Aber da der Aufstand in dieser unglaub­lich kurzen Zeit zustandegekommen war, hatten die Räte nicht die Zeit, ihre Ziele festzulegen, festzulegen, wie sie ihre eige­ne Existenz verteidigen sollten. Und dieses ganze System der Räte hielt bereits den ersten Angriffen der kurdischen Bourgeoisie nicht stand, brach zusammen, wobei man erwähnen muß, daß es in der kurdischen Bevölkerung ein starkes Natio­nalbe­wußtsein gibt. Allerdings konnte es sich die kurdische Bourgeoisie in den ersten Tagen nicht erlauben, offen gegen diese Räte vorzugehen. Aber nachdem sie Tuchfühlung genommen hatten mit den Verhältnissen und einigermaßen die Kontrolle erlangt hatten, gingen sie mit Gegenpropaganda gegen diese Arbeiterräte und Stadtteilräte vor.

Zum Beispiel riefen am 17.3.1991 die Arbeiter- und Stadtteilräte auf zu einer großen Demonstration anläßlich des Jah­res­tages der Bombardierung der Stadt Halabja mit chemischen Waffen. Diese De­mon­stration war beherrscht von radi­kalen Parolen, die aufriefen zur Bildung von Arbeiterräten und einer Arbeiter­macht. Das hat der Kurdistanfront natür­lich nicht gefallen, und noch in derselben Nacht begannen sie über ihre Radiostatio­nen mit der Propaganda gegen die Arbei­ter- und Stadtteilräte und erklärten deren Auflösung. Die Räte widerstanden aber dieser Propaganda und bekräftigten ihre Existenz.

Zum Beispiel machten die etwa 400 Arbeiter der Zigarettenfabrik Sulaimaniya eine Demonstration vor dem Sitz der Kurdistanfront. Dieser Arbeiterrat der Zigaretten­fabrik Sulaimaniya war der bestorganisierte Kern der ganzen Bewe­gung. Vor dem Sitz der Kurdistanfront wurden Parolen gerufen wie "Kurdistan­front, gib deine Waffen ab, deine Schul­tern sind zu schwach, sie zu tragen!" Und eine andere Parole war: "Nur die Arbeiter sind in der Lage, eine neue Welt zu schaffen". Die Kurdistanfront begann im Gegenzug, Demonstrationen gegen die Arbeiter- und Stadtteilräte zu organisie­ren, wo dann Parolen gerufen wurden wie: "Was sind denn überhaupt diese Räte? Das Volk ist nicht einverstanden mit diesen Räten". Die Kurdistanfront begann zu begreifen, daß das Rätesystem sich weiter entwickelt, wenn sie diese Entwicklung weiter duldet, daß das Rätesystem als Form der Selbst­herr­schaft und der Selbstverwirklichung oder Wahrnehmung des Selbst­bestim­mungs­rechts der Massen, daß ihnen da­mit die Macht entgleiten würde. Es war al­ler­dings auch so, daß die Bevölkerung, die Arbeiter, die Werktätigen nicht genug Be­scheid wußten über Zielsetzung und die konkreten Formen dieser Form von Ar­beiterregierung und Räteregierung. Des­wegen scheiterte erstens die Volks­be­waffnung und zweitens die Verteidi­gung der Existenz dieser Räte, die bereits gebil­det worden waren. Aber der Wert dieser Er­fahrung liegt darin, daß solange die Räte existierten,die in den Räten Ver­sam­melten in der Lage waren, Ziele und Auf­gaben der Räte zu bestimmen und klare Vorstellungen darüber zu ent­wi­ckeln.

Ein anderer Schwachpunkt dieser Räte war, daß in ihnen verschiedene politische Kräfte repräsentiert waren, darunter auch nationalistische Kräfte, die versuchten, die Räte auf den nationalistischen Kurs der Kurdistanfront einzuschwenken. Dann gab es zum Beispiel eine andere Strö­mung, die unter der Parole "Alle Macht dem Volke" antrat, also selbst die Räte­form ablehnte. Und es gab eine dritte Strömung, die versuchte, die Rätebewe­gung zu stärken durch eine Entwicklung der Arbeiterräte. Aber trotz dieser wert­vollen Erfahrungen gelang es den Räten nicht, die eigene Macht zu entwickeln und der kurdischen Bourgeoisie die Macht aus den Händen zu nehmen.

Als dann die irakischen Truppen die befreiten Gebiete wieder angriffen, waren weder die Kurdistanfront noch andere Kräfte in der Lage, Widerstand zu leisten. Schon beim ersten Angriff wurden die Kräfte der Kurdistanfront geschlagen und überließen die Massen, die Bevölkerung, der irakischen Armee, wie sie es vorher schon getan haben. Das führte zum Tod von Tausenden von Menschen und zur Vertreibung von Millionen. Ich möchte noch erwähnen, daß die Kurdistanfront sich nicht damit begnügte, über ihre Rundfunkstationen zur Auflösung der Räte aufzurufen, sondern daß sie auch versucht haben, ihre Truppen zu den Orten zu schicken, an denen sich die Räte versammelten, und versuchten, diese aufzulösen.

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Nach dem Aufstand und der Massenver­treibung konnte der irakische Staat seine Herrschaft über die Städte zurückgewin­nen. Und wie es auch bereits vorher der Fall gewesen ist, begannen die kurdischen Oppositionskräfte wieder, mit der Regie­rung zu verhandeln. Sie tauschten Küsse aus mit Saddam Hussain, den sie vorher als ihren Feind bezeichnet hatten. Und nachdem die kurdischen Kräfte über das Taktieren im Zuge der Verhandlungen mehr und mehr ihre Kontrolle über das kurdische Gebiet zurückgewonnen hatten, konnten sie auch anfangen, die Macht oder die Stärke der Werktätigen zu bre­chen.

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Ergebnis der Verhandlungen war, daß irakische Regierung und Kurdistanfront sich darüber geeinigt haben, wie die Bevölkerung zu kontrollieren und zu beherrschen ist. In Sulaimaniya und Arbil, den beiden Großstädten, und in den Kleinstädten drumherum, und später dann auch im Gebiet von Duhok, was zuerst unter der Kontrolle der Vereinten Nationen war und dann später von der Kurdistanfront kontrolliert wurde. Die Menschen waren nämlich durchaus noch in der feurigen Stimmung des Volksauf­standes. Denn sie hatten gelernt, was es heißt, einen Aufstand zu machen und zu widerstehen. Nach der Massenvertreibung und der Rückkehr in die Städte gingen die Menschen für jede Sache, sobald irgendetwas passierte, auf die Straße und demonstrierten. Zum Beispiel fuhr ein Auto der irakischen Regierung, des iraki­schen Militärs, ein Kind an, und sofort entstand eine Demonstration.

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Im Juli demonstrierten mehr als zweit­ausend Menschen vor dem Sitz des Pro­vinzgou­verneurs in Arbil für die Freilas­sung der politischen Gefangenen. Darauf­hin hat die Kurdistanfront ihre bewaff­neten Einheiten unter die Leute geschickt. Sie fingen an, die Leute zu beschimpfen und mit Knüppeln zu verprügeln und ihnen vorzuhalten, sie seien dabei, die Verhandlungen zwischen Kurdistanfront und irakischer Regierung zu sabotieren. Dasselbe hatten sie schon bei ihren Ver­handlungen 1984 gemacht. Die Lage spitzte sich zu, die Leute waren nicht mehr bereit, die Anwesenheit irakischer Truppen in den Städten zu akzeptieren. Am 17. Juni gab es eine große Demon­stration in der Stadt Arbil, und dort wurden Forderungen erhoben nach Frei­heit für die politischen Gefangenen und Freiheit der politischen Meinungsäuße­rung. Die irakische Regierung begann diese Demonstration aufzulösen und eröffnete das Feuer auf die Demonst­ran­ten. Auch die Kurdistanfront beschuldigte die Demonstranten, Anarchisten zu sein und die öffentliche Ordnung zu stören. Das haben sie auch über ihre Radiostatio­nen verbreitet. Bei dieser Demonstration wurden vier unserer Genossen getötet. Einige der Demonstranten waren mit Pistolen bewaffnet und schossen zurück. Es waren leider nur sehr wenige. Darauf­hin ist die Regierung mit mehr Gewalt auf die Demonstration losgegangen, es ist zu einem Aufstand gekommen, und sie haben den Gouverneurspa­last gestürmt und völlig zerstört. Und sie haben es geschafft, die Umgebung des Palastes unter ihre Kontrolle zu bringen. Es ge­schah das genaue Gegenteil dessen, was sich die Führung der Kurdistanfront vorstellte oder wünschte, die Peshmergas, also die Soldaten der Kurdistanfront, verweigerten den Befehl, auf die De­monstranten zu schießen. Die irakische Regierung begannn, die Innenstadt und die naheliegende Festung von Arbil mit schwerer Artillerie zu beschießen. Dabei wurden mehr als 40 Menschen getötet. Es war wie ein Alptraum für die ganze Stadt, was danach geschah. Es gab also das totale Chaos und die totale Verwirrung, die Leute rannten durchein­ander, gejagt von den Schüssen der Artillerie und von den Salven der Maschinengeweh­re, und sie waren nicht mehr in der Lage, sich zu sammeln. Die Leichname der Erschosse­nen blieben auf den Straßen liegen. Erst in der Nacht kamen die Soldaten der Kurdistanfront und brachten das Gebiet unter ihre Kontrolle.

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Am 18. Juli kam es zu einem Aufstand in der Stadt Sulaimaniya. Dort war zu dem Zeitpunkt eine so große Anzahl von staatlichen Sicherheitskräften und Armee stationiert, daß sie in der Lage waren, jeden einzelnen zu terrorisieren. Und trotzdem war die Bevölkerung in der Lage, innerhalb eines einzigen Tages die ganze Stadt unter ihre Kontrolle zu brin­gen. Die Kurdistanfront war gegen diese Demonstration. Während des Aufstandes gelang es der Bevölkerung, 32 Panzer zu erbeuten, davon sind 16 verbrannt wor­den. Die Kurdistanfront hat dann danach von der Bevölkerung die Herausgabe der restlichen 16 Panzer verlangt, und auf­grund des starken National­gefühls hat die Bevölkerung die Panzer abgeliefert. Die Kurdistanfront hat diese 16 Panzer dem irakischen Staat zurückgegeben. Dies geschah alles zur Zeit der Verhand­lungen. Nach dieser Zeit, 1992, zog sich der irakische Staat, die irakische Regierung, in das Gebiet südlich des 36. Breitengrades zurück. Als die Kurdistanfront ihre Herr­schaft über das Gebiet stabilisieren konn­te, wurde sie sowohl von der irakischen Regierung als auch von den Vereinten Nationen unterstützt. Die internationalen Hilfsleistungen, die für das hungernde Volk bestimmt waren, gingen direkt an die Kurdistanfront. Und auf der anderen Seite bekamen sie finanzielle Unterstüt­zung und Möglichkeiten eingeräumt von der irakischen Regierung. Als Ergebnis kann man feststellen, daß die Kurdistan­front stark geworden ist durch die Unter­stützung der imperialistischen Staaten, durch die Unterstützung der irakischen Regierung und durch die Unterstützung bestimmter Nachbarstaaten.

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Im Mai 1992 wurde von diesen Kräften eine Wahl veranstaltet und es wurde ein Parlament gewählt, in dem diese Parteien, diese Kräfte repräsentiert sind, und in der Mehrheit sind in diesem Parlament die PUK und die KDP vertreten. Was war die Absicht dabei, dieses Parlament wäh­len zu lassen? Die Kurdistanfront hatte zwei Alternativen: Die eine Möglichkeit war die offene Auseinandersetzung zwi­schen den konkurrierenden Kräften dieser bourgeoisen kurdischen Führung. Die andere war, sich mit der Unterdrückung der Proteste, der Aufstände und der Or­ganisierung der Werktätigen in Kurdistan zu befassen. Sie entschlossen sich zu der Parlamentswahl, um erst einmal ihre internen Konflikte zu regeln und sich dann gemeinsam der Unterdrückung der Werktätigen zu widmen.

Seit der Wahl der kurdischen Regierung haben ungefähr hundert Demonstrationen und Streiks gegen diese Regierung statt­gefunden. Das bedeutet, daß die Anzahl der Proteste gegen diese Regierung im Steigen begriffen ist und der Nationalis­mus an Einfluß verliert. Als Ergebnis dessen kann man sagen, daß die Arbeiter­räte ihren Einfluß nicht verloren haben.

Es gibt heute eine Reihe von Massen­organisationen, die auf der Grundlage dieser Räte entstanden sind. Dazu gehö­ren der Rat der Flüchtlinge aus Kirkuk, die Union der Arbeitslosen, die Organisa­tion der Beschäftigten des Krankenhauses von Sulaimaniya und die Unabhängige Vereinigung zur Verteidigung der Rechte der Frau. Diese Entwicklung wird auch weitergehen und die Arbeiter und Werk­tätigen werden sich weiter organisieren.

Die kurdische Regierung ist sich der Ge­fahren dieser Sache durchaus bewußt. Sie ist in einer Lage, wo sie nicht das Aus­maß an Unterdrückung entfalten kann, wie es vorher der irakische Staat konnte. Denn sie besitzt nicht diese Macht. Des­we­gen versucht sie, auf dem Wege des ver­­steckten, des indirekten Terrors die Leute in Angst und Schrecken zu ver­set­zen. Wenn sie schon auf der einen Seite einen Staat gegründet haben,warum las­sen sie dann die Leute einfach so ver­schwin­den und stellen sie nicht, so sie Fehler begangen haben, einfach vor Ge­richt?

Bisher sind mehr als hundert Menschen umgebracht worden, und die Kurdistan­front hat eine Art Todesschwadron aufge­baut. Zu diesen Mordfällen wird gesagt, daß es sich bei den Ermordeten entweder um alte Baathisten handelte oder um Kollaborateu­re mit dem Baathregime oder um gesellschaftlich unerwünschte Perso­nen wie zum Beispiel Prostituierte. In Wirklichkeit richtet sich dieser Terror aber gegen kämpferi­sche Menschen, gegen Arbeiter und Kommunisten. Mehr als sechs Personen sind auf unterschiedliche Weise ums Leben gekommen, sechs Per­sonen, deren Namen z.B. in der deut­schen Presse, aber auch in anderen Presse­organen erwähnt wurden. Sie sind nicht in der Lage, die von ihnen unerwünsch­ten Personen auf normale Weise festzu­nehmen, ins Gefängnis zu bringen, sie hätten mit Protesten, mit Widerstand zu rechnen, und bedienen sich deswegen dieser Methoden.

Ein anderes Thema ist der Terror gegen Frauen. Es wurden viele Frauen ohne irgendwelche Rechtfertigungen oder auf­grund falscher Vorhaltungen ermordet. Frauen wurden ermordet, weil sie Männer liebten und das nicht zugelassen wurde. Zum Beispiel wurden 53 Frauen des Barzani-Stammes umgebracht, weil sie Männer geheiratet hatten, die nicht dem Barzani-Stamm angehörten. Und es wur­den viele Frauen umgebracht, weil man ihnen Prostitution vorwarf. Der kurdische Staat spricht mit keinem Wort über diese Vorfälle und unternimmt nichts, um sie zu verhindern. Diejenigen, die diese Taten ausführen oder sie zu verantworten haben, sind Mitglieder dieser Organisatio­nen, die nach wie vor frei sind und denen nichts geschehen ist.

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Die Macht der Kurdistanfront stabilisiert sich, und gleichzeitig gewinnen die Isla­misten mit Unterstützung der Islamischen Republik [Iran] an Einfluß in Kurdistan und sind bei der jetzigen Armut in der Lage, mit finanziellen Mitteln die Leute regelrecht zu kaufen. Und ihr müßt euch vorstellen, wie die reaktionären Organisa­tio­nen in der Lage sind oder versuchen, ihre reaktionäre Vorherrschaft auf die Region auszuweiten.

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Einige Gesetze, die die Kurdistanfront in letzter Zeit erlassen hat: §15a des Ge­setzes für Verbände und Organisationen: "Organisatio­nen, die sich außerhalb der Kurdistan­front befinden, mit Ausnahme der islamischen Bewegung, dürfen keine Büros unterhalten ohne Erlaubnis der kurdischen Regierung.

Der §15b "Über jeden Streik, jeden Protest, jede Demonstration, egal, mit welcher Zielsetzung, muß die Polizeidi­rektion und die Sicherheitsdirektion informiert werden, und es muß eine Genehmigung dafür eingeholt werden." Der §9, der das Recht auf eine Veröf­fentlichung gestaltet: "Artikel, die einen Aufruf zu terroristischen Handlungen enthalten oder für solche stellungen wer­ben oder in denen Persönlichkeiten ange­griffen oder diffamiert werden, oder die die Religion verletzen oder religiöse Kon­fessionen oder die Traditionen und die allgemeine Ordnung verunglimpfen, sind verboten."

Das ist die Republik Kurdistan.

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