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aus: Wildcat-Zirkular Nr. 5, Juli 1994 Einleitung für die DiskussionenTreffen in Biedenkopf, 2.-5. Juni 1994 Das mache ich an vier verschiedenen Strängen. 1) Unsere AbsichtenEs gab im letzten November ein Treffen von ungefähr 25 Leuten aus dem Umkreis der Wildcat. Dabei haben wir beschlossen, daß es so nicht weitergehen kann. Wir dachten, daß es an der Zeit ist, einen Prozeß einzuleiten, an dessen Ende mindestens ne präzisere Auseinandersetzung/Abstimmung/"Vernetzung" der Initiativen in 20, 30 Städten steht. Als Schnittpunkt so eines Prozesses sollte ein großes Treffen dienen, auf dem wir gemeinsam unsere Erfahrungen in diversen ArbeiterInnen-, Erwerbslosen-, Flüchtlings- usw.-Initiativen auswerten und praktische politische Vorschläge entwickeln, wie wir in Zukunft gemeinsam, zielgerichteter und besser organisiert an die Sachen drangehen (D.h. weder ein reines "Erfahrungsaustauschtreffen" von Initiativen in einem Teilbereich, noch wollten wir versuchen, in einer Abflauphase auf tönernen Füßen eine nationale Organisation zu errichten). KriseWir haben im November auch über die aktuelle Krise diskutiert und festgestellt, daß wir einen erheblichen Aufarbeitungsbedarf haben. Eine neue theoretische Anstrengung notwendig ist. Dabei war unser Problem, daß es schwierig war, überhaupt Diskussionspartner zu finden. Es wird zwar in der Linken z.Zt. viel über Krise diskutiert, aber nie erstmal das, was sie ist, in den Vordergrund gestellt: eine tiefe Krise des Kapitalismus, die tiefste mindestens in diesem Jahrhundert, vielleicht sogar seine letzte ... - die Notwendigkeit des Kommunismus. ... Im Gegenteil ist die Diskussion zum einen sehr akademisch, zum anderen reformistisch. Nach dem Ende des realen Sozialismus suchen viele nicht mehr nach einer Alternative, sondern vertreten, daß ein "gebändigter Kapitalismus" die beste aller Möglichkeiten sei, die erreichbar sind. Andere malen ein Globalbild der Krise an die Wand, weisen in allen Einzelheiten nach, daß ein reformistischer Ausweg sehr unwahrscheinlich ist, suchen dann aber doch nach den kleinsten Lücken für einen solchen. Andere uns in vielen Punkten (bisher) nahestehende Gruppierungen vertreten Positionen, die wir politisch kritisieren und bekämpfen müssen. (Materialien - Arbeiterkampf in Deutschland - riecht nach Gas) Quer durch die Linke haben sich Positionen breitgemacht, die um die Frage von Identität, ethnischer Zugehörigkeit, die Unfähigkeit der Menschen, sich selbst zu regieren, die Notwendigkeit eines starken Staates, die Entwicklung der zivilen Gesellschaft usw. kreisen. Als Linke, die am Prinzip des Klassenkampfs festhält, sind wir in der klaren Minderheitenposition. Es wird an dieser Ecke zu weiteren Verschärfungen in den nexten Jahren kommen, und wir denken, daß hier wirklich Klärungsbedarf besteht. Der Text von Bellofiore, den wir für das 1. Zirkular übersetzt haben, war einer der einzigen neuen Texte, der sich mit Krise, Marktwirtschaft und Planwirtschaft auseinandersetzt und an der Idee des Kommunismus festhält. Dann gab es noch ein paar Texte zur Krise aus unserem Kreis dazu. Sehr viel weiter sind wir mit der Diskussion leider nicht gekommen. (Dazu gibt gleich nachher noch Beiträge.) Ursprünglich wollten wir genau das: deutlich machen, daß in der heutigen Situation die Spielräume für reformistische Politik sehr eng sind. Daß es vielleicht einfacher ist, die Revolution zu machen. (Siehe unten Revolution: wenn es und heute völlig utopisch vorkommt, von Revolution zu reden, dann sollten wir uns kurz vor Augen halten, was in den letzten fünf Jahren alles passiert ist... Tien-an-men, Umbruch in Osteuropa,... 2) Die aktuelle LageAber da, wo wir was erwartet hatten, ist nix passiert: Um die heutige Situation zu verstehen, müssen wir uns nochmal klarmachen, was in den letzten fünf Jahren passiert ist. Vor genau fünf Jahren wurde in Peking die Bewegung auf dem Tien-an-men-Platz von der Armee zusammengeschossen - eine Bewegung, die keineswegs nur eine kleinbürgerliche Studentenbewegung war. Als im Herbst die Demos in der DDR begannen, trauten sich die Herrschenden keine solche Lösung mehr zu. 1990 hatten wir doch alle das Gefühl, daß es nur besser werden kann. Von heute aus gesehen, kann man den Einschnitt etwa am Golfkrieg festmachen. Da wurde zum ersten Mal klar, daß das Ende der Blockkonfrontation nicht zu weltweitem Frieden führt, sondern die innerkapitalistische Konkurrenz zunimmt. Der Golfkrieg bedeutete eine sozialpolitische Wende, eine Verhärtung der Fronten - in Ländern wie Großbritannien und Frankreich ganz unmittelbar - bei uns mit zweijähriger Verspätung. Für viele in der BRD wird seither erst richtig erfahrbar, was Kapitalismus ist. Gleichzeitig ist er scheinbar alternativlos. Es gibt zwar weltweit jede Menge sozialer Aufstände, aber häufig werden dabei Auswege gesucht in Nationalismus und Separatismus. Ansonsten scheint es keinerlei Utopien mehr zu geben - weder auf kapitalistischer Seite, aber auch nicht auf der Seite der Klasse. Der einzige Lichtblick war am 1. Januar der Aufstand in Chiapas - ausgerechnet in einem Land, das über die Mitgliedschaft in der NAFTA Ziel massiver Investitionen sein sollte. Die Zapatistas sind ein Beispiel dafür, wie schnell eine Situation umschlagen kann - in Mexiko haben sich seither einige Kämpfe auf den Aufstand in Chiapas bezogen, ist eine breite soziale Diskussion und Bewegung in Gang gekommen, deren Ende völlig offen ist, wo die Aufständischen aber anscheinend bei weitem die besseren Karten haben. ist der Subcommandante zur populärsten Figur geworden... Ein anderes Beispiel, das näher an uns dran ist, ist die Bewegung der SchülerInnen und StudentInnen in Frankreich gegen das Niedriglohn-Gesetz. Innerhalb von Wochen hat sich dort eine massenhafte Bewegung entwickelt, die wirklich revolutionäre Demos gemacht hat - in dem Sinn, daß sie von den Straßen Besitz ergriffen haben und in ihren Parolen die Utopie von einer anderen Gesellschaft sichtbar wurde. Für die Kapitalseite können wir sagen: das Kapital hat gerade einen Durchmarsch gemacht, Aber die neu durchgesetzten Bedingungen sind auch nur ein kurzfristiger Ausweg aus der langdauernden Krise, keine Lösungsstrategie. Zum dritten Mal seitdem die Arbeiterkämpfe 68-73 das Kapital in diese Krise getrieben haben, geht es in einen Boom - ohne daß es in der hinter uns liegenden Rezession die wesentlichen Krisenursachen beseitigen konnte... 3) Erfahrungen, die hier versammelt sind - was können wir miteinander diskutieren — ErwartungenVor fast dreizehn Jahren haben wir damals noch als Karlsruher Stadtzeitung eine große Nummer zum Thema Operation 82 gemacht. Darin haben wir das Krisenszenario aufgezeichnet: Das alles ist in den letzten Jahren umgesetzt worden. Da können einem schon manchmal so dumme Gedanken kommen: was hat uns all dieses Wissen genutzt, wir haben die Entwicklung nicht aufhalten können. Es gab zwar seit damals immer wieder Initiativen, die gegen Zwangsarbeit mobilisierten, Jobber organisierten,... aber aus keiner einzigen konnte eine organisierte massenhafte Kraft entstehen. Viele Grüppchen sind schnell wieder eingegangen, andere haben sich institutionalisiert, sind zu anerkannten Diskussionspartnern, Vertretern geworden, haben sich professionalisiert. Andere haben überlebt als Basisinitiative, haben aber ihre Ziele immer weiter runterschrauben müssen. (Bsp.: Wer von denen, die mal über revolutionäre Flüchtlingspolitik diskutierte, konnte sich mal vorstellen, für die Forderungen: Sozialhilfe statt Freßpakete auf die Straße zu gehen?) Zu der blockierten Situation im Klassenkampf gehört auch, daß diese Gruppen ihre praktische Arbeit vollkommen von der Frage der Revolution trennen. Einige von ihnen richten Forderungen an den Staat: vom Existenzgeld bis dahin, daß der Staat gegen die Nazis härter vorgehen soll. Die revolutionäre Alternative wäre im Gegenteil, Forderungen an das Proletariat zu richten, konkrete Hilfeleistung zu organisieren, um gegen Rassismus und Faschisten vorzugehen... 4) RevolutionIn Zeiten der Abwesenheit von Utopien ist die Gefahr groß, in der Tagespolitik aufzugehen. Zum Beispiel in der Fabrik nur noch um Für und Wider der Gruppenarbeit zu diskutieren - und überhaupt nicht mehr grundsätzlich den Kapitalismus zu kritisieren. (im Unterschied dazu hat man in den 70er Jahren im Betrieb durchaus darüber diskutiert, welchen Sozialismus, welchen Kommunismus wollen wir ... Wir denken, daß es heute wieder wichtig ist, über die Notwendigkeit und Möglichkeit der Revolution zu diskutieren und dafür Propaganda zu machen. Der Frontverlauf der nexten Jahre ist klar: Boom auf der Basis von weiter prekarisierten und entgarantierten Teilen der Arbeiterklasse; Verschärfung der Ausgrenzung von Leistungsunfähigen oder -unwilligen; weiterer Ausbau von dritten und vierten Arbeitsmärkten, weitere Multinationalisierung des Kapitals im Sinne des Gegeneinanderausspielens von Standorten... Der Frontverlauf ist klar, das Ergebnis des Kampfes nicht! Wenn wir uns einmischen wollen, brauchen wir eine breitere Diskussion als bisher darüber. Diese Diskussionen müssen wir immer wieder zusammenbringen mit der sozialen Wirklichkeit, mit den wirklichen Bewegungen in der Klasse. |
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