Flugblattverteilen auf Baustellen ... kein Unding!
Ich war mit meinem Mitbewohner, nachdem wir ihm die richtige Bauarbeiterkluft verpasst hatten, auf Paderborner Baustellen die Razziaflugblätter verteilen. Wir sind erst zu einem zusammenhängenden Baugebiet gefahren, wo ca. 30 Baustellen sind, alles Ein- oder Mehrfamilienhäuser. Wir hatten eigentlich einen Standartspruch: Moin, habt ihr dat schon jekriegt, ist zu den Razzien in letzter Zeit. Die Gewerkschaften haben dazu nur Müll verzapft, also haben wir was selber dazu geschrieben.« Manchmal haben wir direkt gesagt, das wir gegen die Razzien sind, aber das wurde ja auch durch die Überschrift ersichtlich. Wir sind meistens auf 3 Mann Kolonnen in den fast fertigen Häusern gestoßen, meist Klinkerarbeiter, Innenausbauer usw. Die Baulöcher waren schwerer zugänglich, waren aber auch nur ca. 4-5 wo noch Mauerarbeiten gemacht wurden. Hauptsächlich waren Facharbeiter so um die 30 anzutreffen, ausländische Trupps waren nur im Innenbereich, Italienische Plattenleger, 2 Russische Putzer, ein polnisches Bauarbeiterauto. Die Reaktionen waren ne Mischung aus Verwunderung und Interesse, ein paar haben noch für Kollegen welche mitgenommen. Nur ein Vorarbeiter hat uns gefragt, ob wir auch arbeiten gehen oder nur Blätter verteilen. Ein/zweimal waren Bemerkungen, wie »Razzien sind doch notwendig«. Wir wissen nicht, ob es Glück oder Unglück ist, da? Bauarbeiter im allgemeinen nicht so schnell lesen. Einerseits haben wir so die Reaktionen nicht richtig mitbekommen, andererseits haben wir auch nichts abbekommen. Nach den ersten 5 Häusern haben wir unsere Hemmungen abgelegt und mit guter Laune weitergemacht. Wir sind nach weiteren 15 Baustellen zu einer nahegelegenen Hochtief-Baustelle weitergelatscht, die bauen da ne Schule und ne Brücke. Da haben wir einerseits ältere Facharbeiter von Hochtief getroffen, einer von ihnen meinte direkt, daß er aus der Gewerkschaft austreten will, weil ihm die 42 Mark dafür zu schade sind. Auf der Baustelle arbeiteten auch drei Osteuropäische Bauarbeiter, die miteinander verwandt waren, da rochs schon nach Schwarzarbeit. Mit Polieren hatten wir keinen Stress, die Kollegen haben die Dinger oft untereinander weitergegeben. Wir hatten bis dahin ungefähr 60 Flugis verteilt, auch ein paar Bauarbeiterzeitungen. Wir sind dann zu einer Baustelle von Fröhlich, die Bauen ein großes Gebäude für Stute. Die meisten haben da auf dem Gerüst gearbeitet, da wollten wir nicht hoch, also ein paar so verteilt, eine Italienische Pflastererkolonne war da, die Verständigung war schwierig, aber wir konnten klarmachen, das wir gegen Kontrollen und Rassismus sind. Plötzlich kam der Polier an und wir machten uns schon auf eine Auseinandersetzung gefasst, aber er wollte direkt 10 für seine Kollegen in der Baubude zum Lesen. Mit nem guten Gefühl ging es noch zu zwei anderen größeren Baustellen, ein Wohnpark und ein Mehrfamilienhaus, wo wir auch einen russischen Kollegen getroffen haben, der schon ein bisschen nervös guckte. Es fehlen also echt ein paar Sprachen im Sortiment. Zum Schluss waren wir im TBZ, in der Maurerhalle, wo uns die Azubis die Flugis aus der Hand rissen und untereinander weitergaben und der Lehrer böse rumglotzte. Danach noch kurz ne Baustelle von Mc Donalds und dann reichte es auch. War ne gute Erfahrung, oft haben wir uns nur nicht getraut, länger dazubleiben und ne Diskussion anzufangen. Wir sind eine Woche später noch mal losgegangen, um die Baustellen in der Innenstadt und die Großbaustellen im Nahbereich zu erreichen. Diskussionen kamen eigentlich nur auf, wenn wer sagte, daß Razzien schließlich auch zu unseren Gunsten wären. Allerdings ist das nicht oft vorgekommen. Ausländische Kolonnen haben wir auch nicht getroffen, ab und zu mal zwei Arbeiter, sonst fast nur ältere Stammarbeiter. Wir konnten beobachten, wie ca. 15-20 Russen einem Deutschen vor einer Baustelle standen, der Deutsche erzählte was über den Bau, über die Sicherheitsmaßnahmen usw. Leider haben wir nicht nachgefragt, ob sie bald hier arbeiten. Abschließend bleibt zu sagen, daß wir, wenn wir die Interviews machen, auf jeden Fall die Flugblätter mitnehmen, weil wir uns nicht vorstellen können, wie wir sonst mit dem Fragebogen an die Leute herantreten sollen.
M.