Wildcat-Zirkular Nr. 16 - Juni 1995 - S. 56 [z16sachs.htm]


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Gesamte Belegschaft entlassen -

Jetzt wird erst recht gestreikt!

Massive Angriffe auf Busfahrer in Bernburg (Sachsen-Anhalt)

Am 3.5. um 21.45 Uhr beschloß die 117köpfige Belegschaft der Kreisverkehrsgesellschaft Bernburg (KVG) die uneingeschränkte Fortsetzung ihres Kampfes. Unmittelbar vorausgegangen waren die fristlose Entlassung der gesamten Belegschaft durch den kommunalen Aufsichtsrat und ein Anschlag des CDU-Aufsichtsratsmitglieds Michels auf die Streikenden. Mit seinem Fahrzeug fuhr der Fuhrunternehmer in eine Gruppe Streikender, verletzte dabei zwei so schwer, daß sie in ein Krankenhaus eingeliefert werden mußten. Zahlreiche Verkehrsgesellschaften bekundeten ihre Solidarität, und zehn Dessauer Busfahrer haben bereits ihren Besuch auf einer Kundgebung in Bernburg angekündigt.

Das anfängliche Streikziel, 14 ausgesprochene Entlassungen zurückzunehmen, um dann wieder »friedlich« über einen »sozialverträglichen Personalabbau« zu verhandeln, mutete auf den ersten Blick doch sehr fragwürdig an. Denn es bedeutete ein Einschwenken auf den Kurs der KVG und des SPD-Landrates Gerstner, 400 000 Streckenkilometer - gleich 35 Beschäftigte - einzusparen. Das war das Ergebnis eines angeblichen Gutachtens von zwei Wirtschaftsunternehmen. Die Gewerkschaft ÖTV bot eine Arbeitszeitverkürzung von 40 auf 32 Stunden ohne Lohnausgleich an. Doch darauf gingen KVG und Landrat nicht ein und sprachen schon mal Kündigungen aus und drängten weitere 15 Kollegen zu Aufhebungsverträgen mit lächerlichen Abfindungszahlungen.

Daraufhin hatten sich am 28. April 96,7 Prozent der ÖTV-Mitglieder für einen Streik ausgesprochen. Noch am selben Tag verbot das Arbeitsgericht Dessau Streikmaßnahmen mit der Androhung eines Ordnungsgeldes von 500 000 DM bzw. 6 Monaten Haft, »da sie unter anderem mit dem Ziel geplant sind, die Antragsstellerin zur Wiedereinstellung von mehreren Arbeitnehmern zu bewegen«. Doch die Kolleginnen und Kollegen ließen sich dadurch nicht einschüchtern und begannen am 1. Mai mit ihrem Streik. Der Maßnahmenkatalog der KVG in Absprache mit dem SPD-Landrat entspricht den »Richtlinien über die wilden Streiks« vom Gesamtverband der Metallindustriellen Arbeitgeberverbände e.V. vom Juli 1970: Sofort wurde der Einsatz von Streikbrechern aus dem Personalbestand der Landkreisverwaltung als auch über das Arbeitsamt bzw. durch den Rückgriff auf alte Bewerbungsunterlagen geplant und geprobt. Das scheiterte aber durch die Besetzung der Tore kläglich. Zirka 80 Prozent der Belegschaft erhielt in der Nacht vom 2. auf den 3. Mai ein »persönlich zugestelltes« Schreiben mit der Androhung der fristlosen Kündigung und dem Urteilstext. Dabei wurden die Kollegen und Nachbarn aus dem Bett geklingelt, die Briefe in Hochhäusern an der Haupteingangstür wie Steckbriefe angeklebt. Die Toiletten und Wasserversorgung auf dem Betriebsgelände wurden für die Streikenden gesperrt. Die Streikenden wurden mehrfach des Platzes verwiesen - was sie sich aber nicht gefallen ließen. (...)

gekürzt aus: ROTE FAHNE 95/18


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