Editorial
Regen und Gewitter brachten noch die Abkühlung, um einigermaßen verträgliche Arbeitsbedingungen für die Herstellung des Zirkular 18 zu gewährleisten.
Auf dem nächsten Treffen wollen wir versuchen, die in den verschiedenen Städten sicher unterschiedlich angelaufene Kampagne zu den bzw. gegen die Razzien weiter zu entwickeln. Leider sind nur wenig Berichte über die unterschiedlichen Erfahrungen aus den Städten eingetroffen. Noch können wir die Lücke nicht recht füllen, die sich zwischen den Diskussionen um Funktion, Zweck und Ziel der Razzien und einer daraus resultierenden praktischen Organisierung auftut.
Bei den bisherigen Debatten mit VertreterInnen »aus der Linken« ist es ein wichtiger Punkt gewesen, staatlichen Plan und staatliche Regulierung zurückzuweisen. »Die Ohnmacht im Klassenkampf ist (k)eine Legitimation für die Razzien«, Zitat aus dem Artikel zu den Razzien S. 5. Nicht nur zu sagen, daß die Razzien gegen die ArbeiterInnen gerichtet sind (obwohl auch das nicht selbstverständlich ist!), sondern auch den allgemeinen Widerspruch zwischen (staatlicher) Planung und Aktivität der ArbeiterInnen herauszuarbeiten. Nicht die Organisierung der Ausbeutung oder der Arbeit ist Inhalt revolutionärer proletarischer Organisierung, sondern deren Überwindung und Abschaffung.
Der Artikel von »Aufheben« auf S. 15 und die Besprechung von Postones' Buch auf S. 34 widmen sich diesem Thema erstmal theoretisch. Aufheben kritisiert jeglichen positiven linken Bezug auf einen (staatlichen) Plan, denunziert ihn als kapitalistischen Plan und fordert den Bezug auf die Organisierungs- und Kampfformen der ArbeiterInnen. An dem Artikel wird deutlich, daß wir unsere in den ersten Zirkularen begonnen Debatte um eine revolutionäre Krisentheorie zwar verschieben können, wir bei unseren Aktivitäten aber immer wieder auf die dort angerissenen Probleme stoßen.
Der Artikel von Aufheben stellt zwar einige richtige Fragen, skizziert den Rahmen einer notwendigen Untersuchung, aber sie bleiben bei einer historischen Kritik hängen. Der Artikel dringt noch nicht zu konkreten aktuellen Fragestellungen unserer heutigen Situation vor. Das wird in dem Artikel zu den Razzien angegangen. Hinzu kommt ein Interview auf Seite 10 mit einem Bauarbeiter, indem die nicht seltene Form von Sabotage beschrieben wird, mit der die Arbeiter auf die Abzockereien der Firmen reagieren. Auch gegen diese Aktonen richten sich die Razzien.
Eine entscheidende Veränderung in der Klassenstruktur, die rapide Ausbreitung von »Selbständigen« in allen möglichen Bereichen, behandelt der Beitrag auf Seite 48.
Auch der Artikel zu den Diskussionen um das sog. Existenzgeld auf Seite 42 und die Darstellung der abstrusen Träumereien des VW Managements Seite 55. drehen sich um aktuelle Versuche des Kapitals, die Ausbeutung zu reorganisieren. Diese aktuellen Versuche werden auch in linken Kreisen oft positiv gesehen (z.B. das VW-Modell). Die Einleitung zu der Besprechung des Buches von Postone erklärt das damit, daß in linken Kreisen zwar gerne über »den Wert« oder »die Abschaffung der Arbeit« philosophiert wird, aber den »konkreten ArbeiterInnen« immer die »Liebe zur Arbeit« unterstellt wird. Die Besprechung Postones' Buch von Chris Arthur ist schon starker Tobak, aber die Einleitung zeigt, was diese Problematik mit unseren Auseinandersetzungen zu tun hat. Den Kampf gegen die Arbeit sollten wir nicht abstrakten Theoretikern »überlassen«, die dann doch immer wieder Mist verbraten, wenn es um eine konkrete Organisierung gegen die Arbeit geht.
Zu so einer Organsierung gegen die Arbeit gehört aber auch eine Auseinandersetzung über die Schwächen unserer Kampagne. Was bis jetzt aus den einzelnen Städten rübergekommt, ist, daß wegen fehlender Kontakten in den von Razzien betroffenen Bereichen, erstmal eine Auseinandersetzung mit der antirassistischen- und Gewerkschaftslinken angefangen hat. Erstere sind vielleicht durch die Organisierung der diversen Kampagnen gegen die Abschaffung des Asylrechts, gegen die Zwangsverpflegung erstmal ausgepowert. Sie »honorieren« den antirassistischen Zug der Kampagne, »Illegalisierte« und »Prekäre« sind noch am ehesten Subjekte eines antirassistischen Klassenbezuges, aber sie werden erst »mitziehen«, wenn wir Vorschläge machen. Dazu müssen wir konkreter über die unterschiedlichen Schwierigkeiten in unseren Städten reden. Wir sind uns darüber einig, daß die Stoßrichtung der Kampagne richtig ist, aber oft ist unklar was getan werden muß: Flugblätter an den Baustellen, »für die Linke«, Organisierung eines »Zentrums gegen Razzien«, oder am besten alles gleichzeitig. Das alles bedeutet einen Haufen Arbeit.
Unsere Diskussionen z.b. über die Einschätzung der Entsenderichtlinie (siehe Artikel zu den Razzien) ist auch wegen den mangelnden Kontakten schwierig. So hat hier ein momentan nicht auf dem Bau arbeitender Genosse zu der Entsenderichtlinie gemeint, die ja nur für das Bauhauptgewerbe gilt, diese Regelung könne schon deswegen nichts mit einer »Durchsetzung von Mindeststandards« zu tun haben, da es bei der aufgesplitterten Arbeit auf dem Bau gang und gäbe wäre, daß ein (Sub)Unternehmer es schon irgendwie trickst, den Auftrag unter Baunebengewerbe laufen zu lassen.
Dann gibt es noch 2 Geschichten aus der Horrorwelt der Ausbeutung Seite 65 und Seite 69 und ein Interview mit einer Lehrerin über Initiativen in der Geisterbahn der Pädagogik auf Seite 73.
So, wir denken es gibt zwar noch keinen Guß, aber einiges Material, um gut gerüstet in die kommenden Auseinandersetzungen zu gehen.
die Freiburger Zirkularredaktion