Wildcat-Zirkular Nr. 27 - Juli/August 1996 - S. 32-47 [z27iwwas.htm]


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»Proletarier aller Länder vereinigt Euch«

Parallelen zwischen Beginn und Ende des 20.Jahrhunderts!?

Der folgende Artikel aus der Labour History befaßt sich mit der Organisierung asiatischer ArbeiterInnen in den USA durch die Industrial Workers of the World (IWW) im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts. Wir haben diesen Artikel übersetzt, weil er einige Punkte anspricht, die auch in der gegenwärtigen Situation über die ArbeitsmigrantInnen auftauchen, die hier auf dem Bau oder in anderen Bereichen - zum Teil für sehr niedrige Löhne - arbeiten.

Damals gab es eine Kampagne für die Verhinderung asiatischer Einwanderung und die Abschiebung von AsiatInnen, die schon in den USA waren. Unterstützt wurde die Kampagne auch von der American Federation of Labour (AFL), die vor allem männliche amerikanische Facharbeiter europäischer Herkunft vertrat. Dabei ging es, wie heute bei der Diskussion um sogenannte »Billiglöhner« und Mindestlöhne auf dem Bau, um die Sicherung der Bedingungen der »einheimischen« ArbeiterInnen gegen die »Konkurrenz« der Einwanderer. Die IWW setzte dagegen, daß eine solche Strategie nicht funktioniere, da das Kapital sich international organisiere und bewege. Sie zogen eine Linie zu den miesen Arbeitsbedingungen im damaligen Japan und der »Standortverlagerung« amerikanischer Unternehmen eben dorthin.

Die IWW wandte sich entschieden gegen die Ausweisungskampagne, versuchte, auch asiatische ArbeiterInnen zu organisieren und betonte das gemeinsame Interesse der ArbeiterInnen »aller Länder«.

(Einige Begriffe in der damaligen Diskussion mögen heute eigenartig klingen. Hier ein paar Anmerkungen zur Übersetzung:
»racial« habe ich mit »rassisch« übersetzt, moderner wäre ethnisch; im Amerikanischen wird von »organizer« gesprochen, was ich mit »Aktivist« übersetzt habe; die IWW spricht von »industrial«, »industrialist«, und meint ihre eigene Art der gewerkschaftlichen Organisierung, branchen- und berufsübergreifend, im Gegensatz zu der ständischen und berufsbezogenen der AFL, hier als »gewerkschaftlich« übersetzt, weil das sonst immer einen Nebensatz erfordern würde; »exclusion« in Bezug auf die Kampagne gegen die AsiatInnen bedeutet mal »Ausweisung« und mal »Abweisung«, z.B. an den Grenzen; die Bezeichnung »Orient« bezieht sich auf unseren Fernen Osten, »Orientals« sind AsiatInnen.)


Die IWW und die Organisierung asiatischer ArbeiterInnen im frühen 20. Jahrhundert

von Daniel Rosenberg (Aus: Labour History, Vol. 36 / Winter 1995, No. 1)

Der folgende Text beschreibt die Vorrantreibung einer Organisierung asiatischer ArbeiterInnen in den USA durch die Industrial Workers of the World (IWW). Auch wenn das innerhalb der Arbeiterbewegung seit den 1870ern eine Minderheitenposition war, finden sich später immer wieder Zeichen der Solidarität zwischen asiatischen und nichtasiatischen ArbeiterInnen. Die unten folgende Erklärung aus dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts belegt dies.

Vorherrschende Politik der American Federation of Labour (AFL) und zuvor der Knights of Labor war die Verhinderung der Einwanderung von AsiatInnen und die Unterwerfung derjenigen, die schon Teil der amerikanischen Arbeiterschaft waren. Infolgedessen unterstützte die AFL unter anderem breite Kampagnen für die Ausweisung chinesischer und japanischer ImmigrantInnen. Sie unterstützte die Verabschiedung von Gesetzen, die politische und wirtschaftliche Grundrechte von AsiatInnen in den USA, sowie den Zugang zu Bildungseinrichtungen, stark einschränkten. Die Verachtung für die AsiatInnen war bedeutender und prägender Teil des amerikanischen Rassismus. [1]

Die geschichtliche Entwicklung zeigt, daß weder die Mehrzahl der frühen Radikalen noch die Sozialistische Partei in den ersten Jahren des Jahrhunderts die gewerkschaftliche Organisierung von AsiatInnen in Amerika unterstützten, obwohl viele ihre Verbundenheit mit den Prinzipien der Solidarität bekundeten. Nur die Ausnahme waren Leute wie J.P. McDonnell, Victoria Woodhull und einige andere aus den sozialistischen und marxistischen Bewegungen nach dem Bürgerkrieg. [2] Die historischen Quellen lassen vermuten, daß die IWW eine der ersten (nicht ausdrücklich asiatischen) Organisationen der Arbeiterklasse war, die aktiv asiatische ArbeiterInnen rekrutierte. Es gab aber einen wichtigen Unterschied zwischen der herkömmlichen, grundsätzlichen Wiederholung des Standpunktes von der gemeinsamen Sache aller Völker, die Teile der Arbeiterschaft sind, und der eindeutigeren Position in dieser Frage, so wie sie durch die Wobblies vertreten wurde. Trotz gegenläufigen und verbreiteten Tendenzen, Strategien und Traditionen ging die IWW direkt auf die farbigen ArbeiterInnen zu, wie das später in weit umfassenderer Weise von den kommunistischen Gewerkschaftern vorangetrieben wurde, die von der Depression geprägt waren und ein ausdrücklich antirassistisches Programm vertraten. [3] Die Position der IWW unterschied sich von der für Eugene Debs charakteristischen Position der multirassischen Solidarität, die er 1905, zwei Jahre vor der Gründungsversammlung der IWW, veröffentlichte: »Wir haben den Negern nichts Besonderes zu bieten, und wir können auch nicht getrennt für alle Rassen werben. Die sozialistische Partei ist die Partei der gesamten Arbeiterklasse, unabhängig von ihrer Hautfarbe - der Arbeiterklasse der ganzen Welt.« [4] Während Debs die letzte Formulierung meist wörtlich nahm und sich gegen rassische Diskriminierung wandte, kann dies für prominente Zeitgenossen aus der sozialistischen Bewegung nicht gesagt werden. Debs selbst »bestand immer auf absoluter Gleichheit. Aber er versäumte es anzuerkennen, daß manchmal besondere Maßnahmen nötig waren, um diese Gleichheit zu erreichen.« [5]

Forscher haben nachgewiesen, daß die IWW sich durchgängig für das Zusammenwirken von asiatischen und nicht-asiatischen ArbeiterInnen eingesetzt hat (als Teil einer Herangehensweise, bei der die Bedeutung der multirassischen Zusammenarbeit gegen die weiße Vorherrschaft betont wird [6]). Außerdem wurde die Unterstützung der multirassische Gewerkschaftspolitik [7] und der IWW durch die asiatischen AmerikanerInnen herausgearbeitet. So in der kalifornischen Frucht- und Gemüseindustrie, in der 1908 die anarchistisch geführte Fresno Labor League entstand, die Verbindungen zur IWW hatte, [8] die deren Entwicklung unterstützte. Anfangs bestand die Mitgliedschaft aus 4000 japanischen Traubenpflückern. [9] Die Wobblies wehrten sich gegen die Beschwörung einer »gelben Gefahr«, ein in der Arbeiterbewegung an der pazifischen Küste außergewöhnlich weit verbreitetes Konzept. [10] Melvyn Dubrovsky schreibt: »Anders als die AFL (oder was das betrifft auch alle anderen amerikanischen Arbeiterorganisationen), die sich weigerte, AsiatInnen zu organisieren und versuchte, diese über Gesetze aus dem Land rauszuhalten, wandte sich die IWW gegen die Ausweisungsgesetze und suchte aktiv asiatische Mitglieder.« [11] Die erstmal ähnlich scheinende Position der United Mine Workers Union vom ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts sollte nicht mit der Position der Wobblies gleichgesetzt werden, wie einer der Historiker betonte: erstere, so meint er, sei durch Zweckmäßigkeit begründet und blieb im wesentlichen anti-japanisch. In dieser Frage stand die IWW in dieser Zeit im Grunde genommen allein. [12]

Die Position der IWW - chinesische, japanische und andere asiatische ArbeiterInnen sollten in gleichem Maße wie weiße ArbeiterInnen organisiert werden - wurde durch den Congress of Industrial Organizations in den 30ern und 40ern fortgesetzt. Die Feststellung, daß die Organisierung von Leuten unterschiedlicher Hautfarbe außergewöhnliche Anstrengungen und besonderen Widerstand gegen diskriminierende Praktiken verlange, wurde Bestandteil der Strategien linksgeführter CIO-Gewerkschaften mit großer schwarzer Mitgliedschaft, z.B. der National Maritime Union[13] CIO-Gewerkschaften in Häfen, der Lebensmittelindustrie und in Konservenfabriken organisierten tausende von AsiatInnen der ersten und folgender Generationen. [14] Folglich übernahm ein wichtiger Teil der Arbeiterbewegung die außergewöhnliche Position der Wobblies und einiger Vorläufer und trug sie weiter.

Der nun folgende Text stammt von J.W. Walsh, einem der scharfsinnigsten Wobbly-Sprecher für die Organisierung von chinesischen und japanischen ArbeiterInnen. Walsh hat auch anderswo zu diesem Thema Stellung bezogen. [15] Als Sozialist mit der Erfahrung von Einsätzen in Alaska und dem pazifischen Nordwesten wurde er IWW-Aktivist in Portland, Oregon. [16] Walsh baute die »Overalls Brigade« auf, die 1908 vom Nordwesten hinüber zur Wobblies-Versammlung in Chicago reiste und dabei »auf der Route Propaganda-Kundgebungen abhielt, auf denen auch Lieder gesungen wurden«. [17] Nachdem er IWW-Aktivist in Spokane geworden war, baute Walsh innerhalb kürzester Zeit eine schlagkräftige Ortsgruppe mit mehreren tausend Mitgliedern auf. Im Mittelpunkt der Aktivitäten von Walshs Ortsgruppe standen die Praktiken von Unternehmer-»Haien«, also korrupten Arbeitsvermittlern. [18] Als die Behörden den Wobblies das Reden auf Straßenkundgebungen verboten, war Walsh einer der ersten, die festgenommen wurden. Sie bestanden auf dem Recht der freien Rede und begannen damit einen legendären Kampf für diese elementare Freiheit. [19]

Obwohl die IWW andere Erklärungen veröffentlichte, die der unten folgenden von Walsh ähneln, sind nur wenige davon so deutlich ausformuliert und eindringlich. Walsh übernimmt die von Debs vorgebrachte Ablehnung rassischer Unterscheidungen bei der Organisierung von ArbeiterInnen und führt sie weiter. Er verbindet traditionelle Elemente mit neuen Einsichten. Er setzt sich besonders für die AsiatInnen ein, als Menschen, als GewerkschafterInnen und als standhafte Streikende. Er legt besonderen Wert auf ihre Organisierung. Auch wenn das in der Geschichte der Arbeiterbewegung nichts Neues war, so gab Walsh dieser Richtung doch neuen Raum und Nachdruck. Historiker haben in seiner Beschreibung der Sailors' Union an einigen Punkte die Nähe zu rassistischen Vorurteilen gesehen - und dies damit als wenig überzeugend bezeichnet. [20] Walsh findet asiatische GewerkschafterInnen wenigstens ebenso verläßlich, wenn nicht verläßlicher als weiße GewerkschafterInnen. Er sieht den wahren Ursprung der anti-japanischen Feindseligkeit in der Angst der amerikanischen Mittelschicht vor der zukünftigen Konkurrenz eingewanderter Händler. Er besteht darauf, daß weiße Kleinhändler die neu ankommenden asiatischen Konkurrenten in dieselbe Kategorie stecken wie die »jüdischen Kaufleute«, ein Klischee, das er ohne Kommentar übernimmt. Das war nicht das erste Mal, daß anti-asiatischer Rassismus mit Antisemitismus verglichen wurde. [21] Noch war es das einzige Mal, daß ein weißer Verteidiger asiatischer ArbeiterInnen ein herablassendes Image für seine Argumentation benutzt. So reduzieren z.B. einige von ihnen die Iren [22] auf bestimmte Rollen. Wobei die Iren wohl zu denen gehören, auf die sich Walshs ironischer Seitenhieb gegen die voreingenommenen »Ausländer, die erst vor kurzem ihre Einbürgerungspapiere bekommen haben«, bezieht.

Eigentlich vermeidet Walsh aber solche spalterischen Kategorien (er beobachtet - ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen - daß in der IWW auch »Japse«, »Chinks«, »Dagoes« und »Nigger« sind). Gleichzeitig sieht er die kommenden Entwicklungen an der pazifischen Küste voraus, die kurz darauf in strengen Beschränkungen für »ausländisches« Eigentum gipfeln sollten. Sein Bezug auf die Ursprünge der anti-asiatischen Stimmungen in der Mittelschicht und seine Annahme, daß »die Mehrzahl« der asiatischen Neuankömmlinge »kleine Händler sind«, bleiben Verallgemeinerungen. Aber der besondere Druck, der von weißen Farmern aus der Mittel- und Oberschicht ausgeübt wurde, und andere, vielleicht noch einflußreichere Interessen sorgten bald dafür, daß in mehreren westlichen Bundesstaaten die Rechte auf Landbesitz für japanische Farmer deutlich eingeschränkt wurden. [23] Diese Entwicklung gehört zur politischen und wirtschaftlichen Vorgeschichte der Deportation japanischer AmerikanerInnen in Konzentrationslager durch die US-Regierung während des Zweiten Weltkriegs. Pläne dazu wurden schon vor dem Angriff auf Pearl Harbor erörtert. [24]

Walsh stellt eine fast unerträgliche Verschlechterung der Bedingungen japanischer ArbeiterInnen durch den japanischen Kapitalismus unter Mithilfe von amerikanischen Konzernen fest. In Japan waren sie zu einer Quelle billiger Arbeitskräfte für japanische und andere Industrielle geworden. Walsh zeigt ein beständiges Interesse an der Lage der japanischen ArbeiterInnen in ihrem Herkunftsland, ein nicht unübliches Thema in der Wobbly-Presse. [25] Sie aus den USA rauszuhalten, hieße nur, sie in ihrer Lage zu belassen. Gleichzeitig profitierten davon diejenigen amerikanischen Firmen, die versuchten, dem gewerkschaftlichen Einfluß zuhause zu entkommen. Walsh betont, daß rassische und nationale Abschottung die ArbeiterInnen anderswo nur noch mehr den Raubzügen des mobilen Kapitals aussetze, weil »der Kapitalismus international ist und keine Grenzen oder Rassenunterschiede anerkennt«. Heutige Tendenzen und Diskussionen vorwegnehmend schlußfolgert Walsh, daß die amerikanische Arbeiterbewegung nur dazugewinnen könne, wenn sie eine internationale Sichtweise übernehme, die sich auf praktische Zusammenarbeit über rassische und nationale Grenzen hinweg stützt.


J.H. Walsh: Die Ausweisung der Japaner und Chinesen, oder:

Gewerkschaftliche Organisierung, aber welche? [26]

Die Frage der Ausweisung der Orientalen hat soviel Aufmerksamkeit auf sich gezogen und soviel Diskussionen ausgelöst, vor allem an der pazifischen Küste, daß es angebracht ist, die Hintergründe davon genauer zu untersuchen. Soweit bekannt, sind die IWW die einzige Organisation, die jemals irgendwelche Anstrengungen unternommen hat, Japaner und Chinesen in diesem Land zu organisieren. Deshalb ist ein kurzer Artikel vom gewerkschaftlichen Standpunkt, ausgehend von praktischen Erfahrungen mit diesen Leuten, für die Leser des Bulletins wohl von Interesse. Außerdem wird er ebenso lehrreich für etliche der sogenannten amerikanischen Sozialisten sein. Die geben vor, Sozialisten zu sein, weil sie ein wissenschaftliches Verständnis von Ökonomie haben, und treten dabei für die Ausweisung dieser Leute aus »unserem« Land ein.

Um das am Anfang mal klar zu sagen, die ganze Aufregung und die Auseinandersetzung um die Ausweisung der Orientalen im »Interesse der »weißen« arbeitenden Männer und Frauen«, werden - gemäß der Agitation der »Oriental Exclusion League« - in der Mehrzahl von Ausländern vorgetragen, die erst vor kurzem ihre Einbürgerungspapiere bekommen haben. Aber ich muß natürlich auch den Punkt erwähnen, der hier einfach erwähnt werden muß, daß nämlich der ganze Kampf um die Ausweisungen im Interesse des »armen Arbeiters« geschieht. Macht hier mal einen fetten Haken und behaltet diesen Punkt für den Rest des Textes im Kopf!

Tatsächlich arbeiten jetzt schon viele Elemente daran, dem »armen Arbeiter« zu helfen. So wäre es kein Wunder, wenn wir eines Morgens aufwachen und merken, daß die Ketten der Lohnsklaverei vom Boß selbst aufgeschlossen wurden und das Weltproletariat nun im Zentrum der solidarischen Gemeinschaft steht, dort eigens hingestellt von den Industriekapitänen - kurz vor bzw. gerade zu dem Zeitpunkt, als Politiker wieder ihre krummen Wahltricks anwenden wollen.

Aber laßt uns zu den blanken Tatsachen kommen, zur Ausweisung der Japaner, um die es in dieser Diskussion gehen soll. Wichtig ist, daß es prominente Vertreter der Arbeiterbewegung gibt, die gelobt haben, der Satzung zu folgen, die besagt: »Keinem Lohnarbeiter soll wegen Rasse, Konfession oder Hautfarbe die Mitgliedschaft versagt werden.« Und nach dem Gelöbnis stehen sie auf und treten für die Ausweisung eines bestimmten Teiles der Arbeiterklasse der Welt aus Amerika ein und beenden ihre Rede dann mit: »Arbeiter aller Länder, vereinigt euch.«

Japaner und Chinesen zahlen ihre Beiträge pünktlich

Die Organisierungserfahrungen mit japanischen Arbeitern unterscheiden sich kaum von der mit anderen Nationalitäten, außer in ihrem Scharfsinn und der Redlichkeit, mit der sie der Organisation verbunden bleiben, sobald sie ihr beigetreten sind. Ihren ersten Vortrag aus der Perspektive eines gewerkschaftlichen Arbeiterstandpunkts bekamen sie vor der Japanese Literary Society in Seattle, die etwa 600 Mitglieder hat. Diese Gesellschaft besteht natürlich nicht nur aus Arbeitern, sondern hauptsächlich aus japanischer Mittelschicht. Auf dieser Ebene spielt sich aber auch der Kampf um die Ausweisungen ab. Einige wenige Mitglieder konnten dort gewonnen werden und nach und nach mehr. Aber wie das so ist, aus Geldmangel konnte kein japanischer Aktivist eingestellt und hier eingesetzt werden, sodaß es nicht möglich war, diese ersten Erfolge fortzusetzen.

Keiner der Japaner oder Chinesen, die Mitglieder werden, kommen ihren Pflichten nicht nach, etwa dem Zahlen der Beiträge. Sie lassen sich nichts zuschulden kommen, was man wahrhaftig nicht von allen »Weißen« behauptet kann. Die Japaner und Chinesen können genauso leicht organisiert werden wie andere Nationalitäten. Wenn sie mal gelobt haben, an deiner Seite zu stehen, brauchst du keine Angst oder Zweifel zu haben, wie sie sich während eines Arbeitskampfes verhalten werden. Aber einige werden sagen, warum sollen wir sie organisieren, wenn wir sie aus dem Land raushalten können? Die Arbeiter können sie nicht raushalten, weil die Arbeiterklasse nicht die bestimmende Kraft in der Gesellschaft ist. Der organisierte Teil der Gesellschaft, der die Gegenwart kontrolliert, ist die Unternehmerklasse. Ihre Bedürfnisse und Entscheidungen bestimmen, wie Ausweisung oder Einwanderung reguliert werden. Bevor ich daraus jetzt Schlüsse ziehe, gehe ich mal davon aus, daß die gegenwärtige Hetze Erfolg hat und alle Orientalen ausgewiesen werden. Aber nur, um den Arbeitern zu zeigen, was sie in dem Fall erwartet.

Die Ausweisungen liegen im Interesse der Mittelschicht

Jetzt laßt uns sehen, welche Hintergründe die Hetze hat. Die meisten der Orientalen, die seit einiger Zeit in dieses Land kommen, sind kleine Händler. Sie sind in der Tat sowas wie die »jüdischen Kaufleute« des Orients. Wenn sie sich in die Geschäfte einmischen, ruinieren sie mit ihrer Gerissenheit, verbunden mit ihrem scharfsinnigen, kriminellen Geschäftssinn alle Konkurrenten. Die kleinen amerikanischen Kakerlaken befürchten dann das Schlimmste. Hier ist nicht der Raum, um die vielen Fälle zu zitieren, in denen die kapitalistischen Zeitungen wiederholt über die Schließung eines »Japsen«-Restaurants berichteten, weil es so verdreckt sei, oder über den »armen Lebensmittel-Inspektor«, der die Milch verwässert findet, etc., etc. Was dahinter steht, ist die veränderte wirtschaftliche Situation des kleinbürgerlichen Amerikaners. Der bestellt diese Repressionsmaßnahmen um seiner eigenen materiellen Interessen willen. Aber die Japaner erkennen das schnell und reagieren angemessen. Sie versuchen sich in jedem Geschäft der Mittelschicht einzumischen. Unser kleiner amerikanischer Kakerlaken-Kaufmann sieht sein Ende schon kommen, wenn er nicht weitere Verwicklungen produzieren und die Arbeiterklasse in diesen Mittelschichtskampf hineinziehen kann. Dieser Winkelzug der Bourgeosie gegen die Arbeiterklasse hat schon oftmals geklappt, aber es bleibt abzuwarten, ob der feige Trick der sterbenden Klasse auch im 20. Jahrhundert noch anzuwenden ist.

Jetzt kannst du verstehen, warum diese Hetze im »Interesse der Arbeiter« eingesetzt wird. Aber bevor wir jetzt einfach hinnehmen, daß die Orientalen ausgewiesen werden können, laßt uns mit der Tatsache umgehen, daß Tausende hier sind, und sehen, was wir mit ihnen machen können.

Nackte Tatsachen, über die sich die Arbeiterklasse Gedanken machen sollte

  1. Sie sind hier.
  2. Tausende von ihnen sind Lohnarbeiter.
  3. Sie haben dieselbe Ware zu verkaufen, wie andere Arbeiter: Arbeitskraft.
  4. Sie sind genauso wie du darauf aus, soviel wie möglich zu kriegen. Das beweist schon die Tatsache, daß sie in dieses Land gekommen sind. Warum? Um ihre Bedingungen zu verbessern.

Wenn wir davon ausgehen, daß dies alles Tatsachen sind - und keiner sollte sie in Frage stellen - wo liegt dann das Problem? In der gewerkschaftlichen Organisation dieser Leute. Zu behaupten, »du kannst diese Leute nicht organisieren« ist falsch. Wir haben bewiesen, daß sie zu organisieren sind. Wären unsere Bemühungen erfolglos gewesen, dann wäre das jetzt ein Ansatzpunkt für die Ausweisungs-Kampagne. Aber das ist nicht der Fall. Sie können so leicht organisiert werden - wenn nicht leichter - wie irgendeine andere Nationalität auf der Welt. Wir von der International Workers of the World haben Japaner und Chinesen organisiert, die United Mine Workers of America Japaner in den Kohlegruben von Wyoming. Das ist der Beweis, daß sie organisiert werden können.

Der einfache Arbeiter läßt sich erstmal von diesen Tatsachen überzeugen, wenn er aber feststellt, daß er in einer Organisation ist, die »Japse«, »Chinks«, »Dagoes« und »Nigger« aufnimmt, ist er empört. Solange bis ihm gezeigt wird, daß er sowieso schon zu ihrer Organisation gehört, weil er einer aus der Arbeiterklasse ist, zu der alle die oben erwähnten Nationalitäten gehören. Und wenn ihm erklärt wird, der einzige Ausstieg aus der Arbeiterklasse der wäre Teil der Millionärsklasse zu werden. Der Arbeiter, der Angst hat, eine »soziale Stufe« runterzufallen, erkennt im allgemeinen schnell seine Interessen, wenn es um den eigenen Job geht. Das zeigte vor einigen Monaten die Geschichte mit der Sailors' Union, einer Mitgliedsgewerkschaft der American Federation of Labor.

Die Sailors' Union fordert die I.W.W. auf, die Japaner am Streikbrechen zu hindern

Natürlich weigert sich die Sailors' Union, Japaner oder Chinesen zu organisieren, womit sie den Anweisungen der AFL nachkommt. Aber an dem Tag, als Mitglieder der Sailors' Union einen Streik begannen, kam einer ihrer Vertreter dreimal zum I.W.W.-Gewerkschaftshaus und fragte nach einem Aktivisten. Was wollte er? Er sagte: »Wir haben gehört, daß ihr Japse organisiert habt?« »Ja, einige von ihnen«, erwiderten wir, »aber nicht alle. Sie sind wie die Amerikaner - sie brauchen lange, bis sie ihr Arbeiterinteresse erkennen.« »Also, was ich will, ist dies,« meinte der Vertreter aus dem Hafen. »Wir machen einen Streik mit den Seeleuten, und wir haben gehört, daß ihr Japaner organisiert habt und daß die Schiffseigner Japse anheuern wollen, die unsere Plätze einnehmen sollen. Wir wollen, daß ihr die Japse daran hindert, unsere Jobs zu übernehmen.«

Unser Aktivist folgte dem Vertreter runter zum Hafen, wo das Dampfschiff Umatilla festgemacht hatte. Auf dem Weg vom I.W.W.-Haus zu den Docks sagte ich: »Eure Gewerkschaft weigert sich doch, Japaner und Chinesen zu organisieren.« Natürlich brachte ihn das in eine peinliche (sic) Situation, und er rechtfertigte sich so gut er konnte. Wir erreichten die Docks und sahen, daß Rauch aus dem großen Schornstein kam. Ich sagte: »Warum? Ich dachte, du hättest gesagt, die Umatilla sei noch festgemacht.« Er antwortete sofort: »Ja, ist sie.« Ich erwiderte: »Wie kommt es dann, daß Rauch aus dem Schornstein kommt? Sie haben also schon einen streikbrechenden Heizer, oder?« Seine Antwort kam wieder sofort: »Oh, nein! Sieh mal, der Techniker hat wohl eine Konzession von Uncle Sam und infolgedessen kann er die Arbeit nicht niederlegen.« »Aha, ich verstehe,« sagte ich, »er gehört zu keiner Gewerkschaft.« »Doch, er gehört zur Gewerkschaft,« meinte der Vertreter, »aber er muß weiterarbeiten oder er verliert die Konzession von der Regierung.«

Japaner sind zuverlässig, während ein AFL-Techniker den Streik bricht

Dann erklärte er mir, daß sie die Japaner am Streikbrechen hindern wollten und damit den Streik gewinnen könnten. Wir versicherten, daß wir alle Japaner und Chinesen, die der I.W.W. angehörten, raushalten würden, aber natürlich gäbe es noch Hunderte, die nicht dazugehörten. Wir könnten denen nichts vorschreiben, würden aber alles tun, um sie am Streikbrechen zu hindern. Dann sagte ich: »Mein Freund, wenn ihr Seeleute diesen Streik gewinnen wollt, müßt ihr eurerseits genausoviel tun, wie ihr das von den Japanern und Chinesen - über die Industrial Workers of the World - verlangt.« Er erwiderte: »Ja, wir wollen gewinnen und wir tun unseren Teil.«

Wie wenig hatte er von dem kapiert, was ich gesagt hatte. Wie wenig von dem verstand er, was noch kommen sollte. Wie wenig ahnte er von der Macht der Unternehmerverbände. Das konnte man an seinem Gesicht ablesen, als ich sagte: »Diesen Streik zu gewinnen ist keine leichte Aufgabe. Wir müssen alle Japaner raushalten. Das wird die I.W.W. tun. Okay, und ihr zieht den streikbrechenden Techniker ab und der Streik ist gewonnen. Andernfalls ist er verloren.« Seine Organisation konnte den Techniker nicht abziehen, aber die I.W.W. verhinderte, daß auch nur ein Japaner den Streik brach. Das ging so weit, daß sogar japanische Arbeitsvermittlungen Aushänge machten, auf denen die Japaner gewarnt wurden, die angebotenen Jobs anzunehmen. Hunderte Arbeiter im Hafen erkannten zu ersten Mal den Kern der Lehren der I.W.W. - das gemeinsame Interesse der Arbeiter der Welt.

Vergleich der Löhne von japanischen und »weißen« Arbeitern

Die Japaner haben die Qualität der »Standhaftigkeit«, die bei Arbeitern notwendig ist, um einen guten Gewerkschafter abzugeben. In Port Blakely, wo »weiße« Arbeiter wie mexikanische Leibeigene behandelt werden, arbeiten auch viele Japaner. Die Japaner forderten eine Lohnerhöhung von 20 Cent am Tag. Eines Morgens rollten sie ihre Decken zusammen und machten sich bereit, daß Lager zu verlassen, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt würden. Die 20 Cent wurden dann zugesagt. Das bedeutete für die Japaner einen durchschnittlichen Lohn, der sieben Cents über dem der »weißen« Arbeiter lag.

In der Tidewater-Fabrik, Tacoma, arbeiteten japanische und »weiße« Arbeiter für 1,75 Dollar am Tag. Die Japaner traten für zwei Dollar am Tag in den Streik und gewannen. Die »Weißen« ließen ihre Köpfe hängen und arbeiteten weiter für 1,75 Dollar. Einige Wochen, nachdem die Japaner gewonnen hatten, sagten sie: »Wenn wir die amerikanischen Arbeiter für uns gewinnen, können wir 2,25 Dollar durchsetzen.« Aber die »weißen« Arbeiter waren mit 1,75 Dollar zufrieden, während die Japaner zwei Dollar bekamen. In welchem Ausmaß sie sich auf dem Arbeitsmarkt zurechtfinden und wissen, wie ein Streik zu gewinnen ist, zeigt der Bericht des Arbeitsministers des Staates Kalifornien.

Was der kalifornische Arbeitsminister zu sagen hat

Er sagt, daß die Japaner nicht streiken, daß sie im Gegenteil weiterarbeiten, wie auch immer die Bedingungen sein mögen und bis die Müßiggänger nicht mehr da sind. Und dann, gerade wenn die Früchte reif sind, wenn die Arbeit getan werden muß, legen sie die Arbeit nieder, fordern höhere Löhne und kürzere Arbeitszeit, ohne jede Rücksicht auf den Unternehmer. Mit anderen Worten, sie verhindern das Streikbrechen schon vor dem Streik.

Der kalifornische Arbeitsminister hat recht. Es ist gerade diese besondere Gabe, die die Japaner zu mit den besten Gewerkschaftern macht, die es je gab. Während es viele Japaner gibt, die für weniger als die Amerikaner arbeiten, so gibt es auch viele Amerikaner, die für weniger als die Japaner arbeiten.

Ich könnte jetzt außer den oben erwähnten noch viele Beispiele dafür anführen, aber das ist wohl nicht notwendig. Die wenigen genügen als Beweis. Die gemachten Aussagen zu den Japanern gelten auch für die chinesischen Arbeiter. In vielen Orten an der Küste gibt es Chinesen, die höhere Löhne als die »Weißen« bekommen. In den Fischkonservenfabriken gibt es viele chinesische Vorarbeiter und »weiße« Frauen und Mädchen, die unter ihnen arbeiten. Dieses ganze Durcheinander kann nur über eine gewerkschaftliche Organisierung und Einflußnahme geordnet werden.

Mal vorausgesetzt, die Ausweisungen würden durchgeführt

Angenommen, durch die Bemühungen der Bourgeosie und die Mithilfe der American Federation of Labor könne die Arbeiterklasse in einen Kampf der Mittelschicht hereingezogen werden, die Orientalen würden erfolgreich an der Einreise gehindert und diejenigen zurückgeschickt, die schon hier sind. Das vorausgesetzt, müssen wir vorbereitet sein auf die neuen Bedingungen, die uns dann erwarten.

Hier seien die Leser auf die Tatsache hingewiesen, daß der Kapitalismus international ist und keine Grenzen oder Rassenunterschiede anerkennt. Dem Kapitalisten geht es nur um eines - Profite. Er nimmt es auch nicht hin, daß internationale Grenzziehungen oder Rassenvorurteile sich bei den Profiten irgendwie nachteilig auswirken - sofern es in seiner Macht steht, das zu verhindern. Er kauft »Arbeitskraft« - die einzige Ware, die der Lohnarbeiter zu verkaufen hat - da, wo sie am billigsten ist. Er kauft diese Ware genauso wie jede andere Ware und zu einem Zweck - um sie in seinen Fabriken einzusetzen und höhere Profite zu machen.

Das Kapital - amerikanisches wie auch japanisches - ist sich dieser ökonomischen Zusammenhänge bewußt und versucht in Fabriken im Orient zu investieren.

Interessante Statistiken des Arbeitsministers

Ein jüngster Bericht des Sonderbeauftragten W.A. Graham Clark vom Ministerium für Handel und Arbeit befaßt sich mehr oder weniger detailliert mit einer Branche. Er untersucht die industrielle Entwicklung der Baumwollverarbeitung. Wir haben zwar keine genauen Berichte über andere Industrien, aber Tatsache ist, daß deren Entwicklung mit derjenigen in den Baumwollfabriken Schritt hält. Hier sind ein paar Zahlen aus dem Bericht von Mr. Clark vom Ministerium für Handel und Arbeit.

Die Baumwollverarbeitung, sagt er, ist der wichtigste Industriebereich im modernen Japan. Einige der klügsten und wagemutigsten Männer des Reiches - und amerikanisches Kapital - kontrollieren die Fabriken. Die größten Banken haben außerordentliches Interesse an dem Geschäft und dahinter steht noch die fürsorgliche Regierung mit ihrer ganzen Macht und treibt den Ausbau der jungen Industrien voran.

49 Firmen sind in Japan in der Baumwollspinnerei engagiert, und sie betreiben 85 Fabriken. Alle stellen Garne her, 14 produzieren außerdem Stoffe. Nach Berichten der Japanischen Spinnerei Vereinigung hatten die Fabriken am 30. Juni 1907 1.450.949 Spindeln, 1.373.709 Ringspinnmaschinen und 77.240 Mulen. Es gab 133.052 Zwirnspindeln und 9136 Webstühle. Das Stammkapital dieser 49 Firmen betrug 21.966.675 Dollar, das investierte (sic) Kapital 18.675.479 Dollar, der Reservefond 6.271.323 Dollar, das fixe Kapital (langfristige Investitionen) 17.746.271 Dollar und die Feuerversicherungssumme für Gebäude und Maschinen 15.992.900 Dollar. Die Verbindlichkeiten der 49 Firmen lagen bei insgesamt 6.598.836 Dollar.

Beschäftigt waren dort 14.369 Männer mit einem Durchschnittslohn von 36,17 Sen, oder 18,08 Cents am Tag und 61.462 Frauen mit einem Durchschnittslohn von 22,42 Sen, oder 11,21 Cents am Tag. Zusammengenommen ergaben die Löhne für sechs Monate 948.832 Dollar, oder für ein Jahr etwa zwei Millionen Dollar.

Die Fabriken vermeldeten Produktionsausgaben von 5.370.931 Dollar für 485.577 Ballen Garne und etwa 71.168.497 Yard Stoffe. Für die Produktion wurden 221.994.790 Pfund Baumwolle verbraucht.

Der Netto-Profit lag bei insgesamt 3.980.984 Dollar für die ersten sechs Monate des Jahres. 1.200.014 Dollar betrugen die Abschreibungen für Gebäude und Maschinen und nach Auszahlung der durchschnittlichen halbjährlichen Dividende von zehn Prozent blieben 940.276 Dollar übrig.

Aus diesen Zahlen ergibt sich, daß der Nettoprofit im Verhältnis zu den Produktionskosten um einiges höher lag als der in Amerika. Der einfache Arbeiter mag nun sagen, was scheren wir uns um die Profite, die die Kapitalisten in Japan machen. Aber dieser Gesichtspunkt ist im Zusammenhang mit der Frage der Ausweisungen wichtig. Es ist der größere Profit, der den amerikanischen Kapitalisten dazu bringt, im Orient zu investieren.

Bei Gesamtkosten von 5.370.931 Dollar realisierten sie einen Gewinn von 3.980.984 Dollar. Der wurde von Männern geschaffen, die durchschnittlich 18,08 Cents am Tag verdienten, und Frauen - viermal so vielen wie Männern - die für durchschnittlich 11,21 Cents am Tag arbeiteten. Wenn wir die Lohnaufstellung genauer analysieren, stellen wir fest, daß Weber etwa 7 Cents pro 40 Yard bekamen und am Tag in 12 Stunden ungefähr 50 Yard schafften.

In Japan werden geringe Löhne gezahlt, aber auch die Lebenshaltungskosten sind niedrig

Der Leser sollte berücksichtigen, daß die Löhne in Japan zwar sehr gering scheinen, aber auch die Lebenshaltungskosten sehr niedrig sind. Entscheidend ist, daß die Löhne im 20. Jahrhundert auf der ganzen Welt, egal ob in Amerika, Europa oder Japan, gerade mal noch die Existenz der Lohnsklaven sichern.

In japanischen Fabriken wird täglich lange gearbeitet. Viele sind rund um die Uhr in Betrieb. Die 49 Textilfabriken bringen es durchschnittlich auf 28,2 Tage im Monat und 22 Stunden am Tag. Das ergibt im Schnitt für jede Fabrik insgesamt 620 Stunden im Monat. Auf den Sonntag wird dabei keine Rücksicht genommen. Die Spinnereien arbeiten auch an diesem Tag. In den meisten Fabriken gibt es zwei freie Tage, den 1. und den 15. des Monats. In vielen Fabriken starten die Maschinen am 2. des Monats um sechs Uhr und laufen dann ununterbrochen bis sechs Uhr morgens am 15. Dann starten sie wieder um sechs Uhr am 16. und laufen bis um sechs Uhr am 1.

Das geht an das maximale Leistungspotential der Maschinen heran. Es gibt keine Essenspause. Während die Hilfsarbeiter abwechselnd 30 Minuten Essenspause machen, übernimmt eine »Springer-Schicht« die Plätze derjenigen, die gerade essen. Jeder Arbeiter arbeitet von sechs bis sechs mit 30 Minuten Essenspause. Die Nachtschicht beginnt um sechs Uhr abends.

Es gibt kein Gesetz gegen Kinderarbeit. Einige sehr junge Kinder arbeiten dort. Die Spinnereien wollen niemand unter 12 Jahren, weil die nicht genug schaffen, aber um genügend Arbeiter zu finden, müssen die Fabriken oft ganze Familien einstellen.

Die Spinnereien mobilisieren alles, um das Exportgeschäft auszuweiten. Sie haben die »Baumwollstoff Export Vereinigung« gegründet, deren Ziel es ist, den Außenhandel mit Baumwollgütern unter ihre Kontrolle zu bekommen. Die Spinnereien sind übereingekommen, 1000 Ballen pro Monat auszuführen, um mit Amerika konkurrieren zu können - auch wenn sie dann mit Verlust verkaufen müssen.

Also auch vorausgesetzt, die Orientalen werden aus Amerika ausgewiesen, produzieren sie weiter auf der anderen Seite des Ozeans Güter. Und diese Güter konkurrieren mit anderen auf dem Weltmarkt.

Ein anderer Vorgang wird helfen, die Situation in der oben genannten Industriebranche begreiflich zu machen. Die Union Iron Works in San Francisco feuerten im Sommer 1907, zu Zeiten gutgehender Geschäfte, mehrere hundert Männer und legten damit den Schiffsbau in dieser Stadt mehr oder weniger still. Schwab Interests, die Firma, die diese Industrie kontrolliert, ließ verlautbaren, daß sie in diesem Land keine Schiffe mehr mit Profit bauen könnten. Gleich nach dieser Stillegung hörten wir, daß in Tokio eine große Schiffswerft eingeweiht wurde. Wir wissen zwar, daß die japanische Regierung ausländischen Investoren die Kontrolle über eine Industrie verbietet, aber wir wissen aus Erfahrung auch, daß die kriminellen Geschäftsmänner die Gesetze in Japan genauso umgehen können wie in den Vereinigten Staaten. Also investiert das amerikanisches Kapital in diverse Industrien im Orient.

Was passiert, wenn die Ausweisungen nicht stattfinden

Welche Fragen sind für die Arbeiter wichtig?

  1. Die Arbeiterklasse, desorganisiert wie sie ist, kann die Abweisung irgendwelcher Ausländer von unseren Küsten gegen die materiellen Interessen der Unternehmer- oder Kapitalistenklasse nicht durchsetzen.
  2. Wenn die Japaner aus diesem Land ausgewiesen werden, dann wegen des Drucks der Geschäftsleute aus der Mittelschicht. Die Ignoranz der Arbeiterklasse dient nur als Schleppnetz, um die Lohnsklaven wieder einmal in die Spinnweben der Interessen der Mittelschicht hereinzuziehen.
  3. Vorausgesetzt, die Japaner werden ausgewiesen, steht der amerikanische Arbeiter immer noch auf dem Weltmarkt. Dort muß er seine Arbeitskraft für einen Preis verkaufen, der es seinem Unternehmer ermöglicht, Güter zu produzieren, profitabel zu verkaufen und auf dem Weltmarkt konkurrieren zu können.

Alle Arbeiter sind in der Lage, die Probleme zu erkennen, mit denen sie konfrontiert sind. Vom proletarischen Standpunkt aus dient die Kampagne für die Ausweisungen nur dazu, die Tatsachen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, zu verschleiern. Ein anderer Punkt, den der amerikanische Arbeiter noch erkennen muß, ist die neue Konkurrenz durch die japanischen Arbeiter. Bisher hat der amerikanische Arbeiter die Konkurrenz der europäischen Arbeiter wenig fürchten müssen, wenn es um das »Arbeitstempo an der Maschine« ging. Der europäische Unternehmer hat es nicht geschafft, den Lohnsklaven zu zwingen, so schnell wie die Maschine zu arbeiten. Sein amerikanischer Unternehmerkollege dagegen hat das geschafft. Das bedeutet, der amerikanische Unternehmer war trotz höherer Löhne fähig, am Weltmarkt zu konkurrieren, weil die Produktivität höher lag. Jetzt kommt der japanische Arbeiter - Männer und Frauen - die genauso »angetrieben« werden können wie die Amerikaner. Das Rennen ist noch nicht entschieden, es steht Kopf an Kopf. Das zeigen die genannten Zahlen des Sonderbeauftragten Clark. Der chinesische Arbeiter kann, so wie die Europäer, nicht »angetrieben« werden.

Um zum Schluß zu kommen, die Industrial Workers of the World werden diesem kurzen Bericht über das Thema der Orientalen ein Pamphlet folgen lassen, sobald genügend Statistiken und Informationen vorhanden sind, um zusammenfassend nachzuweisen, daß es nur eine richtige Position in dieser Frage gibt: die gewerkschaftliche Organisierung der Lohnsklaven der Welt, ohne Rücksicht auf Rasse, Glauben oder Hautfarbe. Jener Redner kann dann, sobald er dies alles verstanden hat, vor das Publikum treten und wahrhaftig und deutlich - und ohne sich auf die Zunge zu beißen - seine Rede mit den Worten beenden: »Arbeiter aller Länder, vereinigt euch«.


Fußnoten:

[1] Alexander Saxton, The Indispensable Enemy: Labor and the Anti-Chinese Movement in California, Berkeley, 1991.

[2] Philip S. Foner and Daniel Rosenberg, Racism, Dissent, and Asian Americans, Westport, 1993.

[3] Bruce Nelson, Workers on the Waterfront: Seamen, Longshoremen, and Unionism in the 1930s, Urbana, 1988, 84-86.

[4] Ray Ginger, The Bending Cross, New Brunswick, 1949, 260.

[5] Ginger, 261. Debs Widerstand der anti-asiatischen Neigung anderer sozialistischer Führer. Aber seine Opposition war nicht so deutlich wie die des schwarzen sozialistischen Geistlichen George Washington Woodbey. Siehe seine Rede in National Convention of the Socialist Party held in Chicago, illinois, May 10 to 17, 1980, Stenographic Report, Chicago, 1908, 106-107.

[6] Die IWW-Organisierung von weißen und schwarzen Holzfällern war wegweisend: James R. Green, Grass-Roots Socialism, Baton Rouge, 1978, 204-221.

[7] Tomas Almuguer, »Racial Domination and Class Conflict in Capitalist Agriculture, Labor History, 25 (1984), 325-349.

[8] Yuji Ichioka, Issei: The World of the First Generation Japanese Immigrants, 1885-1924, New York, 1988, 104-112. Zur gleichen Zeit wie die IWW gab es in Japan eine starke radikale sozialistische Bewegung: der Artikel »The Passing Show«, in The Agitator, March 1, 1911, deutet auf die gegenseitige Unterstützung hin. Siehe auch Karl Yoneda, The Heritage of Sen Katayama, New York, 1975, 5-11.

[9] Karl Yoneda, Ganbatte: Sixty-Year Struggle of a Kibei Worker, Loas Ans Angeles, 1983, 24.

[10] Philip S. Foner, History of the Labor Movement in the United States: The Industrial Workers of the World, 1905-1917, 1965, 123-124.

[11] Melvyn Dubrovsky, We shall Be All: A History of the Industrial Workers of the World, Chicago, 1969, 127.

[12] Ichioka, passim.

[13] Richard Boyer, The Dark Ship, Boston, 1947, 268-275.

[14] Foner and Rosenberg, 199-204.

[15] Das Editorial »Silly Race Prejudice«, Industrial Worker, April 22, 1909, wurde sicherlich von Walsh geschrieben. Indem es die anti-japanische Haltung der AFL-Bezirksgruppe der Lastträger in Spokane verurteilt, unterstreicht es viele derselben Punkte und Beispiele, mit ähnlichen Formulierungen, die Walsh 1908 benutzte. Das Editorial schließt ab mit: »Laßt den Lastträger seinen miserablen Lohn am Samstag abend zählen: schaut auf die elenden Arbeitsbedingungen, die er erträgt, und dann denkt an seinen wohlhabenden, gutgenährten Arbeitgeber. Bezug auf den japanischen Kollegen nehmend frage ihn dann, ob es nicht schlauer wäre, sich mit dem Japaner zusammenzutun, um mehr Lohn und weniger Arbeitsstunden von dem zu erzwingen, der sie beide bestiehlt - dem Arbeitgeber!"

[16] Joyce Kornbluh, ebd., Rebel Voices: An I.W.W. Anthology, Ann Arbor, 1968, 40.

[17] Foner, 108.

[18] Fred W. Thompson and Patrick Murin, The I.W.W.: Its First Seventy Years, 1905-1975, Chicago, 1976, 47-48.

[19] Dubrovsky, 178.

[20] Nelson, 48-49.

[21] Foner and Rosenberg, 109-110.

[22] Joaquin Miller, »The Chinese and the Exclusion Act«, North American Review, Dec. 1901, 782-789.

[23] K.K. Kawakami, The Real Japanese Question, New York, 1921.

[24] Roger Daniels, »The Decision to Relocate the North American Japanese: Another Look«, Pacific Historical Quarterly, 52 (1982), 71-77.

[25] "Kautsky on the Japanese«, editorial, Industrial Union Bulletin, Mar. 7, 1908; »Appeal«, Industrial Worker, No. 24, 1910; »Resolutions of the Conference of the Pacific Coast Locals of the Industrial Workers of the World«, Industrial Worker, Feb. 16, 1911; »Japan Union«, editorial, Industrial Worker, Feb. 16, 1911; »Slaves in Japan: Little Brown Girls Lashed Like Slaves in Jap Factories«, Industrial Worker, June 12, 1911.

[26] Industrial Union Bulletin, April 11, 1908.


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