Renault-Vilvorde
Ende Februar '97 kündigte Renault an, die Fabrik im belgischen Vilvorde mit 3 100 ArbeiterInnen im Juli diesen Jahres zu schließen. Die Aktienkurse des Unternehmens, das 1996 erstmals seit langer Zeit Verluste gemacht hat, schnellten daraufhin innerhalb von zwei Tagen um 15 Prozent in die Höhe. Es kam aber auch sofort zu Demonstrationen, und die ArbeiterInnen in Vilvorde traten in den Streik, besetzten die Fabrik und drohten, den Abtransport fertiger Autos oder irgendwelcher Maschinerie zu verhindern. Anfang März gab Renault auch für die französischen Fabriken Pläne zum Personalabbau bekannt. An Demonstrationen in Belgien und in Frankreich beteiligten sich auch ArbeiterInnen aus dem jeweils anderen Land und einigen anderen Renault-Standorten.
Den letzten heftigen Zusammenstoß gab es am Freitag, den 4. April, als etwa tausend Renault-ArbeiterInnen in Brüssel vor dem Gebäude der flämischen Regierung demonstrierten und die Polizei Wasserwerfer gegen die ArbeiterInnen einsetzte. Die Situation hatte sich auch dadurch zugespitzt, daß einerseits Renault angekündigt hatte, Vilvorde werde schon früher geschlossen, falls der Streik nicht beendet würde. Andererseits hatten am Freitag Gerichte in Brüssel und in Nanterre Renault die Schließung untersagt, solange kein Sozialplan ausgehandelt sei.
Das folgende Flugblatt wurde von französischen und belgischen GenossInnen der Gruppe Mouvement Communiste vor einigen Renaultwerken (Flins, Choisy-le-Roi, Douai - in Vilvorde auch innerhalb der Fabrik) und bei den entsprechenden Demonstrationen (gegen die Umstrukturierungspläne des Konzerns) z.B. in Brüssel verteilt.
Nach vielen Diskussionen mit ArbeiterInnen haben sie den Eindruck, daß die Kontrolle der Gewerkschaften über die Aktionen sehr ausgeprägt ist. Ein kleiner Kern von ungefähr 100 recht jungen ArbeiterInnen ist in Vilvorde eigenständig aktiv, aber es gibt dort auch ArbeiterInnen, die angesichts der Schließungsdrohung von sich aus Lohnsenkungen ins Gespräch gebracht haben. Solche hilflosen Versuche hat es in der BRD in den letzten Jahren auch gegeben (z.B. beim Hagener Batteriehersteller Varta mit 1.600 ArbeiterInnen, s. Zirkular 19, S. 8ff), und die Unternehmer haben solche Geschenke immer gerne mitgenommen. Geändert hat das nie etwas.
Wir haben das Flugblatt übersetzt und zum besseren Verständnis mit einigen erläuternden Fußnoten versehen.
Die ArbeiterInnen von Renault-Vilvorde müssen zum kompromißlosen Kampf übergehen, um ihre Löhne zu retten
Die Renault-ArbeiterInnen der französischen, spanischen und slowenischen Fabriken müssen sich mit den ArbeiterInnen von Vilvorde im Kampf zusammenschließen. Andernfalls werden sie ihre Niederlage mit mehr Ausbeutung und Flexibilisierung, mehr Dreistigkeit der Vorgesetzten, weniger Lohn und - früher oder später - mit noch weniger Arbeitsplätzen und weiteren Fabrikschließungen bezahlen.
Soviel ist klar, der Unternehmer geht konsequent vor: die ArbeiterInnen sollen die Krise bezahlen.
In den letzten zehn Jahren wurden ständig Gewinne gemacht und in diesem Zeitraum vierzig Milliarden französische Francs [1] akkumuliert. Jede Menge »sozialer« Vereinbarungen wurden von den Gewerkschaften bereitwillig unterschrieben oder kampflos gebilligt - Werkstatt für Werkstatt, Fabrik für Fabrik, Land für Land. Sie alle hatten das Ziel, die Pausen zu kürzen, die Taktzeiten zu erhöhen, den 8-Stunden-Tag kaputtzumachen, die Einzel- und Gruppen-Produktivität zu steigern, die Löhne einzufrieren, die Jugendlichen zu Niedriglöhnen und mit Zeitverträgen anzuheuern, die Flexibilisierung der Schichtarbeit voranzutreiben usw. - um dann beim ersten Einbruch der Verkaufszahlen den ArbeiterInnen eins überzubraten. Die von Entlassung bedrohten ArbeiterInnen können sich das nicht gefallen lassen. Das ist klar ...
Die Geschäftsleitung von Renault hat jetzt Angst davor, daß die ArbeiterInnen auf angemessene Weise reagieren könnten. Sie heult und beteuert, es sei das beste, die ganze Wahrheit ungeschminkt auf den Tisch zu legen, ohne irgendetwas zu verheimlichen.
Sie informiert uns darüber, daß die Renault-Gruppe 1996 starke Verluste gemacht hat (in der Größenordnung von vier bis fünf Milliarden französischen Francs). Allerdings erklärt sie uns lieber nicht, daß über die Hälfte dieser Verluste - übrigens die ersten seit 1985 - erst durch den »Restrukturierungsplan« für Vilvorde entstanden sind. Sie vergißt auch zu erwähnen, daß ihr die Idee zur Schließung der Fabrik in Vilvorde seit mindestens zwei Jahren im Kopf herumschwirrt (und daß die französischen und belgischen Gewerkschaften bei Renault darüber informiert waren ...). Und ebenso wird sie sich davor hüten bekanntzugeben, daß die französische und belgische Regierung über die ganze Geschichte spätestens seit Anfang des Jahres auf dem Laufenden waren. Sie verheimlicht uns auch den wahren Grund dafür, warum Herr Carlos Ghosn im Juli 1996 in der Fabrik auftauchte: die aktuelle Nummer Zwei bei Renault ist Spezialist für Umstrukturierungen (lies: Fabrikschließungen und »Sozial«-Pläne aller Art) und hatte diesen beneidenswerten Schlächterposten früher bei Michelin inne.
Jetzt kommen die Schakale: alle Welt lobt die ArbeiterInnen von Vilvorde - und versteht die Geschäftsleitung von Renault ...
Die Presse der Unternehmer, der Gewerkschaften und der Regierung auf beiden Seiten der französisch-belgischen Grenze vergießt Krokodilstränen. Jeder gibt seinen Senf zu diesen tüchtigen ArbeiterInnen, deren frühere Qualitäten heute eine unerträgliche Last für das Unternehmen geworden seien, das sich in Schwierigkeiten befindet. Tatsächlich lagen die ArbeiterInnen von Vilvorde in jeder Hinsicht vorne: bei der Qualität, der Flexibilität, der Zahl von produzierten Autos pro ArbeiterIn und der Zurückhaltung bei den Löhnen. Darüberhinaus befinden sie sich auch noch am richtigen Ende der Alterspyramide.
- Die Fabrik in Vilvorde hat systematisch das höchste Qualitätsniveau innerhalb der Unternehmensgruppe erreicht. Dieses Beispiel wurde von den Qualitätsingenieuren in allen anderen Renault-Fabriken über den grünen Klee gelobt.
- Die sehr verantwortungsvollen Gewerkschaften (80 Prozent im Werk sind organisiert) [2] hatten ein Abkommen unterschrieben, das ab Anfang 1995 die 8-Stunden-Schichten an 4 bis 5 Tagen pro Woche und 212 Tagen pro Jahr durch 9-Stunden-Schichten an 188 Tagen ersetzt, wobei je nach Auftragslage an drei, vier oder fünf Tagen pro Woche gearbeitet werden muß. [3]
- Was die Zahl der pro Beschäftigten jährlich produzierten Fahrzeuge betrifft, liegt die Fabrik an der Spitze aller Montagewerke der Unternehmensgruppe (46,24 in Vilvorde gegenüber 45,17 in Douai, 41,43 in Flins, 44,23 in Palencia/Spanien und 40,26 in Fabrik in Setúbal/Portugal, die 1996 geschlossenen wurde).
- In Vilvorde wurden seit wenigstens 20 Jahren keine allgemeinen Lohnerhöhungen mehr gefordert. Es gab sogar ArbeiterInnen, die angesichts der Gehirnwäsche durch die Geschäftsleitung, sie seien 30 Prozent teurer als ihre französischen und 45 Prozent teurer als ihre spanischen Kollegen, zu Lohneinbußen bereit waren. Zwar liegen die Reallöhne der ArbeiterInnen in Vilvorde bei gleicher Qualifikation auf demselben Niveau wie die der Renault-ArbeiterInnen in Frankreich. Aber die Geschäftsleitung argumentiert, in Belgien seien die Sozialabgaben des Unternehmers höher ...
- In Vilvorde liegt das Durchschnittsalter der ArbeiterInnen bei 37 Jahren, im Vergleich zu 46 Jahren in Flins oder 45 Jahren in Sandouville. Die Besessenheit der Geschäftsleitung für die Alterspyramide rührt daher, daß nach einer Studie des CREAPT (Centre de recherche et d'étude sur l'âge et les populations au travail) nur fünf Prozent der über 45jährigen ArbeiterInnen fünf oder mehr verschiedene Arbeiten gleich gut beherrschen könnten, und über die Hälfte von ihnen nur noch eine Arbeit effektiv ausführen könnten.
Ist die Schließung von Vilvorde also eine anti-belgische Attacke des französischen Staates? Oder eine unglückliche Notwendigkeit angesichts der Krise? Oder sogar eine der zahlreichen unseligen Effekte des ewigen Sündenbocks »Globalisierung«?
- Die belgischen Vertreter von Gewerkschaften, Unternehmen und Regierung sagen den ArbeiterInnen in Vilvorde, Schuld sei die imperialistische Brutalität Frankreichs. Sie beklagen die Irrationalität der Renault-Geschäftsführung, da doch die Produktionsmittel in Vilvorde zwischen 1994 und 1995 grundlegend erneuert worden seien. Mit einem Aufwand von 8,5 Mrd. belgischen Francs (1,3 Mrd. französischen Francs) waren zwei Bänder durch eins ersetzt worden. Ebenso war die Karosserie-Montage erneuert worden und die Automatisierung von Lackstraße, Preßwerk (80-85 Prozent der Schweißpunkte werden von Robotern gesetzt, beim Clio waren es bisher nur 55 Prozent gewesen) und Lagerhaltung vorangekommen. Diese Investitionen waren mit 700 Frühverrentungen verbunden.
- Die französischen Gewerkschaften kritisieren halbherzig ihre konservative Regierung, sie wolle Belgien erniedrigen - und sei der »Globalisierung« der Märkte, der verschärften Konkurrenz und der Diktatur von Börse und Finanzkapital ausgeliefert.
- Der Geschäftsführer von Renault und frühere Chef im Kabinett des sozialistischen Ministerpräsidenten Laurent Fabius, Louis Schweitzer [4], behauptet - und insgeheim stimmen ihm seine neuen gaullistischen Herren da zu -, die Fabrik müsse allein aus zwei Gründen geschlossen werden: die hohen Lohnkosten in Belgien und der Zusammenbruch des französischen Automarkts (minus 25 Prozent im Jahr 1996 und minus 10 Prozent für 1997 geschätzt), zu dem es trotz wiederholter Staatshilfen beim Neuwagenkauf (Balladurettes, Juppettes) [5] kam. Die Renault-Gruppe habe eine Überkapazität von jährlich über 140.000 Einheiten auf dem europäischen Markt, der im Verhältnis zu den Produktionskapazitäten selber zu klein sei.
- 1996 wurden in Europa 12,7 Millionen Autos produziert bei einer Kapazität von 18 Millionen, was einer potentielle Überproduktion von einem Drittel entspricht. Die durch die Schließung von Vilvorde und die Neuorganisation von Renault in Europa möglichen Einsparungen werden von der Geschäftsleitung auf fast eine Milliarde französische Francs geschätzt. Die gesamte Jahresproduktion der belgischen Fabrik (3100 Beschäftigte) könne gegebenenfalls von nur 1900 ArbeiterInnen in verschiedenen französischen Montagewerken gewährleistet werden.
Diese Herren lügen Euch an!
Der wahre Grund für die Schließung von Vilvorde ist so simpel, daß keiner der Herren daran interessiert ist, ihn den ArbeiterInnen gegenüber auszusprechen. Vilvorde muß geschlossen werden, weil der Kapitalismus die ArbeiterInnen immer für seine Überproduktion (gemessen an der zahlungsfähigen Nachfrage) bezahlen läßt.
Alle Zugeständnisse der ArbeiterInnen an die Logik des Unternehmens, an seine Regeln und Erfordernisse bringen nicht viel, denn das Kapital schafft es nicht mehr, sich in einem gleichmäßigen Rhythmus auszudehnen. Die Zugeständnisse bringen den ArbeiterInnen noch weniger, wenn das Kapital nicht mehr wächst oder schlimmer noch, sich verringert. Die ArbeiterInnen von Vilvorde hatten in den Augen des Unternehmers viele Qualitäten, als es darum ging, immer mehr in immer kürzerer Zeit zu produzieren. Aber da der Markt jetzt nicht mehr mithalten kann, zählen nur noch die relativ höheren Lohnkosten und rechtfertigen den Rausschmiß der ArbeiterInnen.
Heute ist Vilvorde dran, aber es gibt schon Gerüchte, daß morgen dasselbe Schicksal die Fabriken in Choisy-le-Roi (Vorort von Paris), Dieppe, Batilly oder vielleicht auch Sandouville treffen könnte ... Und im gesamten westeuropäischen Automobilsektor stehen außerdem schon Volkswagen-Forest in Brüssel, Ford-Halewood und Peugeot-Ryton in England oder sogar Peugeot-Villaverde in Spanien auf der Abschußliste.
In der Zwischenzeit werden weitere kleine oder große »Sozial«-Pläne abgeschlossen, wie der für die französischen Renaultfabriken, dem 2700 bis 3800 Arbeitsplätze zum Opfer fallen werden; oder der Personalabbau in den spanischen Niederlassungen.
Wenn es sich in Wirklichkeit so verhält, dann drängen sich einige Überlegungen auf:
- Es wäre ein fataler Irrtum, die erneute Verstaatlichung von Renault zu fordern, so wie es CGT und PCF tun, die die Parole »In Frankreich produzieren und kaufen« unterstützen. [6] Daraus wird heute schnell eine Konkurrenz zwischen europäischen und asiatischen ArbeiterInnen konstruiert (obwohl die koreanischen AutomobilarbeiterInnen seit 1987 ununterbrochen erfolgreiche Kämpfe geführt haben und heute besser als ihre englischen, spanischen oder französischen KollegInnen bezahlt werden). Außerdem hat der französische Staat ohnehin die Fäden bei Renault in der Hand (er kontrolliert 46 Prozent des Kapitals), und trotzdem hat die Firma die Beschäftigtenzahl seit 1982 weltweit auf fast die Hälfte reduziert.
- Eine ebenso gigantische Illusion wäre es, den soundsovielten »Sozial«-Plan zu fordern, der auf die einvernehmliche Billigung größerer Flexibilität und geringerer Löhne abzielt, wie es die CFDT in Frankreich tut. Das Schicksal von Vilvorde zeigt doch, daß sich mit weiteren Zugeständnisse dem Kapital gegenüber die Arbeitsplätze überhaupt nicht retten lassen.
- Auch die Forderung nach Verstaatlichung von Renault-Vilvorde durch den belgischen Staat lenkt den Arbeiterkampf in die Sackgasse. An dem aktuellen Beispiel von Forges in Clabecq [7] wird den Proletariern klar, daß sie vom Unternehmer »Staat« genausowenig zu erwarten haben, wie von irgendeinem »Privat«-Unternehmer.
Dieselben Unternehmer - dieselben Kämpfe, auf beiden Seiten der Grenze
Ein paar Ideen, wie der Kampf geführt werden müßte:
- Vor allem sollten die Gewerkschaften, die so gerne ihre Phrasen über die »Einheit« verbreiten, damit aufhören, die kämpferischen ArbeiterInnen von Flins oder Cléon heimtückisch daran zu erinnern, daß die ArbeiterInnen in Vilvorde sie während der vergangenen Streiks immer im Stich gelassen haben. Wer heute so tut, als sei das, was den ArbeiterInnen in Vilvorde passiert, nur gerecht, weil diese nur sehr selten und nie zusammen mit den ArbeiterInnen der französischen Renault-Werke gestreikt haben, trägt zur Spaltung der schon jetzt zersplitterten Arbeiterfront bei.
- Renault muß vor allem dort getroffen werden, wo es wirklich weh tut, d.h. in Fabriken wie Douai oder Cléon, wo der Schornstein raucht. Die ArbeiterInnen von Cléon befinden sich gerade in einem schwierigen und isolierten Kampf gegen die Verkürzung der Pausen, wodurch sie pro Tag 21 Minuten mehr arbeiten müßten. Der Kampf muß jetzt auch nach Flins getragen werden, wo 1997 tausend Arbeitsplätze abgebaut werden sollen, und möglichst auch in die spanischen Fabriken, die von der Umstrukturierung bedroht sind. Mit ihrer Fahrt nach Douai haben die ArbeiterInnen von Vilvorde den richtigen Weg gezeigt. Aber beim nächsten Mal muß ohne Samthandschuhe vorgegangen und versucht werden, die Fließbänder anzuhalten. Die symbolischen Gewerkschaftsstreiks, auch die europaweiten, ändern nichts und erzeugen nur die Illusion von einer Einheit und Solidarität, die überhaupt nicht vorhanden ist (in Douai haben sich nur 120 ArbeiterInnen der Demonstration aus Vilvorde angeschlossen). Direkte Kontakte und Koordinierung unter den ArbeiterInnen der verschiedenen Werke müssen ausgeweitet werden, statt auf die wertlose Gewerkschaftseinheit zu vertrauen.
- Ein Boykott von Renault in Belgien kratzt die Firma nicht besonders: Sie verkauft dort nur 45.000 Autos pro Jahr. [8] Andererseits sind die komplizierten Anlagen in der Fabrik sehr wertvoll, und die Firma wird sie gewiß nicht dort stehenlassen. Daß Renault in den letzten zwei Jahren massiv in Vilvorde investiert hat, widerspricht keineswegs der jetzigen Schließung, wie immer gesagt wird. Solche Anlagen können ohne Probleme demontiert und woanders genauso leicht wieder aufgebaut werden, ... sofern die ArbeiterInnen dies zulassen!
- Den Staat oder die EU um Hilfe zu bitten, ist so, als flehe man den Komplizen eines Diebes an, die Beute zurückzugeben. Das sind schmierige Typen, denen die Arbeitsplätze scheißegal sind. Andererseits können alle ArbeiterInnen, die von ihren jeweiligen Chefs rausgeschmissen worden sind, viel gemeinsam machen: viele kleine Aktionen in den Fabriken, die auf vollen Touren laufen, Überstunden verhindern, den Staat mit allen nötigen Mitteln unter Druck setzen, damit er die Zeche des Kapitals, das er repräsentiert, bezahlt, indem er die Arbeitslosen angemessen und zeitlich unbegrenzt bezahlt. Genauso müssen die ArbeiterInnen, die die Verringerung der Arbeitsplätze mit schnelleren Taktzeiten, Flexibilisierung, geringeren Löhnen, Pausenverkürzungen usw. bezahlen, mit den Entlassenen zusammengehen: Indem sie ihre Forderungen zusammen mit den auf der Strecke gebliebenen ArbeiterInnen erheben, jenseits der Werkstätten, der Fabriken, der Grenzen und Unternehmen - alle gemeinsam [9], genau wie es die Unternehmer weltweit machen. Aber das ist nur völlig unabhängig von den Gewerkschaften und Parteien aller Richtungen möglich, die nichts anderes als Filialen des Staats sind.
Nur ein kompromißloser Kampf auf der Grundlage proletarischer Selbstorganisation zahlt sich aus!
7. März 1997, Mouvement Communiste
(Alle Zuschriften, ohne weiteren Vermerk, an:
B.P. 1666, Centre Monnai, 1000 Bruxelles 1, Belgique)
Fußnoten:
[1] 100 französische Francs sind ungefähr 30 DM.
[2] Für belgische Verhältnisse ist dieser hohe Organisationsgrad nichts besonderes. Da die Gewerkschaften in Belgien stark in die Sozialversicherungen eingebunden sind (z.B. zahlen sie das Arbeitslosengeld aus), besteht ein hoher Organisierungsanreiz. (Genaueres dazu im Artikel zu den Streiks bei VW-Forest in der Wildcat 63/64).
[3] Das bedeutet also eine Anhebung der wöchentlichen Flexibilität der Arbeitszeit von 32-40 Stunden auf 27-45 Stunden!
[4] Schweitzer kriegt inzwischen Druck von den französischen Konservativen, weil er mit seiner abrupten Schließungsankündigung die »Würde seiner Angestellten« nicht »respektiert« habe, sprich: es wäre besser gewesen, behutsamer vorzugehen, um die ArbeiterInnen nicht zu provozieren - die letzten großen Streiks der Eisenbahner, im öffentlichen Dienst und der Fernfahrer stecken der französischen Regierung wohl noch in den Knochen...
[5] Unter den französischen Premierministern Balladur und Juppé gab es beim Kauf eines Neuwagens eine Staatsprämie für die Verschrottung des alten.
[6] Siehe dazu die Kritik an den protektionistischen Parolen von Kommunisten und Sozialisten in Frankreich bei Charles Reeve, Sturmwarnung, in: Wildcat-Zirkular Nr. 25.
[7] Im Staatsbesitz befindliches Stahlwerk in Südbelgien, das gerade geschlossen wird. Die Europäische Kommission hat weitere Subventionen abgelehnt. Am 28. Februar blockierten Arbeiter des Werks die Autobahn Brüssel-Paris und griffen die Bullen mit Planierraupen u.ä. an. Schöne Bilder ...
[8] Mittlerweile berichtete die Presse, daß die Verkäufe von Renault in Belgien im März um 20 Prozent zurückgegangen seien.
[9] Am 21. März haben z.B. ArbeiterInnen in Frankreich ein Auslieferungslager mit fertigen Renaults gestürmt und die Autos teilweise zerstört.