Wildcat-Zirkular Nr. 59/60 - Juli/August 2001 - S. 50-54 [z59napst.htm]


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»The revolution will not be napsterized«

Vom Antiimperialismus zum Antifaschismus, Antirassismus und Antisexismus - und nun zum Antiglobalismus?

Warum wir da nicht mitgehen.

1) Wessen Geschäft ist Politik? (siehe Lesefrüchte ... im Anhang)

Leute wie Ebermann leben von der Politik. Letztlich müssen wir hier auch deshalb Eintritt für die politische Debatte bezahlen. Und dementsprechend sind die Inhalte... »politische Felder« zum Aussuchen wie in der bunten Warenwelt, Konkurrenz der Positionen wie auf dem Marktplatz, Politik als Geschäft - so wie Napster nicht Kommunismus bedeutet, sondern Bertelsmann gehört!

In diese Veranstaltung möchten wir uns nicht einreihen, wir treten aber auch nicht in Konkurrenz!

2) Kapitalismus als Totalität, die das ganze Leben bestimmt

Politik, die den Antagonismus nicht mitdenkt, bleibt systemimmanent.

Der Antagonismus (unlösbarer Widerspruch) dieser Gesellschaft ist bestimmt durch die Produktionsweise der Fabrik: das Versprechen grenzenlosen Reichtums gegen die alltägliche Schinderei und Ausbeutung. Es geht nicht darum, neben anderen Themenbereichen auch »über die Ökonomie« zu reden. Die im bürgerlichen Politikverständnis immer schon mitgemachte Trennung zwischen den Sphären der »Politik« und der »Ökonomie« hält das System am Leben, weil es die Möglichkeit der Einflußnahme und Veränderung auf den abgetrennten und damit zum Geschäft gewordenen Bereich der »Politik« eingrenzt. Revolutionäre Politik muß den antagonistischen Widerspruch zwischen der Verwertung menschlicher Arbeitskraft und Reichstumsproduktion, zwischen Destruktion und Produktion, zwischen Ausbeutung und dem Kampf dagegen, bei jeder politischen Praxis mitdenken. Revolutionäre Politik ist der Versuch, die (eigenen) Kämpfe um Befreiung auf eine gesellschaftliche Ebene zu bringen.

3) Warum wir die Antifa kritisieren

Das Wesen des Antifaschismus besteht darin, dem Faschismus widerstehen zu wollen, indem er die Demokratie verteidigt. Die Demokratie ist die vollendete Form der Abtrennung der Politik von den Sachzwängen der kapitalistischen Ökonomie; sie ist der perfideste Schleier über der Gewalt der Ausbeutung - selbst über sie sollen wir noch »mitbestimmen« dürfen, ohne ihr uns entziehen zu können. Die Verteidigung der Demokratie ist das offene Eingeständnis, daß der Kapitalismus unzerstörbar und Kommunismus unmöglich ist. Demokratie ist die scheinbar freiwillige Unterwerfung unter den Leviathan der Staatsgewalt als unseren Zwangszusammenhang. Der Antifaschismus ist der linke Schutzwall der bürgerlichen Demokratie gegen radikale Kritik. In den 90er Jahren sind fast alle Jugendlichen, die aufbegehren und sich politisch zusammenschließen wollten, zur Antifa gegangen; dort wurde ihre Revolte auf diesen Hauptwiderspruch kanalisiert: erstmal die faschistische Gefahr bekämpfen!

4) Kritik des historischen Antifaschismus, Volksfront

»Antifaschismus steht in der Tradition der Volksfront« - das sagen jetzt auch die Veranstalter des Kongresses (im Kongreßpapier: »Die Antifa ist tot - es lebe die Antifa!«)

Volksfrontpolitik war eine besonders fiese Art von Hauptwiderspruchspolitik: wir müssen alles dem Überleben der Sowjetunion opfern: die Revolution, die Revolutionäre, die Arbeiterkämpfe.

Der »antifaschistische Kampf« konnte den Faschismus nicht verhindern.

5) Kritik des 90er Jahre Antifaschismus

Selbstverständlich müssen wir uns gegen Faschos wehren! So wie wir uns gegen alle wehren, die uns angreifen oder uns das Leben zur Hölle machen wollen. Aber deswegen muß man nicht Antifaschist sein. Für die AAB war Antifa immer Ideologie, organisatorischer Ansatz und »Politikform«; sie machen unentwegt »Politik«. Man sucht »neue Politikfelder« und klappert mögliche Kandidaten ab: »Bietet ein neuer Internationalismus die Möglichkeit einer gesellschaftlichen Positionierung der radikalen Linken ...?« Politikfelder, die modisch sind und ziehen, als Grundlage von Organisierung. Die Auswahl ist beliebig: Antiimperialismus, Antifaschismus, Antiglobalismus ... die Frage ist nur, ob es für ein Organisationsprojekt als Mittel taugt. Organisation wird dabei zum Fetisch - daher kratzt inhaltliche Kritik auch nicht; denn Inhalte werden nur funktional bestimmt. Die Debatte wird nicht ernsthaft geführt, sondern soll nur die notwendige Breite für das nächste Organisationsprojekt ausloten und herbeiführen.

Was die Maoisten für die 68er waren, waren FelS und AABO für die Autonomen der 80er: eine Rückentwicklung, die sich fortschrittlich wähnte!

6) Die »soziale Frage« zu thematisieren, reicht nicht aus!

Der Ausweg aus Einpunktbewegungen, die sich totgelaufen hatten, wird in der Regel in der »sozialen Frage« und/oder im »Antikapitalismus« gesucht. Dies ist ein Schritt nach vorne; wenn dabei stehengeblieben wird, ist es aber keine Lösung, sondern dann besteht die Gefahr, daß die antiimperialistische oder die antifaschistische Ideologie einfach durch eine neue ersetzt wird. »Antikapitalismus« als ein »Politikfeld« neben anderen führt zwangsläufig zu Verkürzungen, wie sie im real existierenden Antikapitalismus schon angelegt sind: als Antiglobalismus, der zu einer neuen Aufwertung der Nationalstaaten und ihrer wirtschaftlichen Regulierung treibt (siehe attac); als »soziale Frage«, die seit ihrer Entdeckung im Vormärz bedeutet hat, nach einer Abmilderung oder Verschleierung des antagonistischen Gegensatzes durch Sozialreform zu suchen (siehe Existenzgeld).

In den Kongreßpapieren überwiegt aber sogar die Tendenz, nach dem Kampf gegen die Faschos nun den Kampf gegen die Überwachungsgesellschaft zu thematisieren - und das reicht nun schon gar nicht aus, um einen politischen Schritt nach vorne zu machen! Im einen Fall kommen die Menschen nur als Verwaltungsobjekte vor, im zweiten als Überwachungsobjekte - als (mögliche) Subjekte kommen sie in keinem Fall vor!

7) Revolution (alles übern Haufen werfen)

Auch die wenigen inhaltlichen Papiere, die sich auf www.antifakongress.de finden ließen, drehen sich hilflos um das Problem, daß sie einerseits nach einem Zusammenhang suchen, der ihnen die vielen Widersprüche begreiflich macht, aber andererseits vor etwas zurückschrecken, das sie Hauptwiderspruchstheorie nennen. Hinter diesem Problem stecken bürokratische Revolutionsvorstellungen: Revolution als Drehen an der zentralen Schraube, woraufhin sich alle anderen Schräubchen automatisch verstellen - und nicht als Prozeß, an dem die allermeisten Menschen beteiligt sind.

Klar geht es gegen den Kapitalismus; er ist eine spezifische Gesellschaftsform, in der sich die Menschen auf eine historisch besondere Art und Weise unterwerfen: unter ihre eigenen Produkte - nicht so sehr unter ihren Chef, der ist letzlich nur der Agent der allseitigen Unterwerfung unter die scheinbare Gewalt der Dinge. Diese Gewalt der Dinge resultiert aus der gesellschaftlichen Art zu produzieren, ohne daß diese Gesellschaftlichkeit bewußt würde, sie spielt sich hinter dem Rücken der Menschen ab, und erscheint deshalb als Zwang, als Gesetzmäßigkeit. Dieser Zwang bestimmt dein ganzes Leben, du kannst dich ihm nicht individuell entziehen, wir können dieses Verhältnis nur kollektiv aufheben - und das ist etwas, worauf wir Lust haben! Wir wollen das nicht, weil wir »gute Menschen« sind, sondern weil wir andere Menschen sein wollen, weil wir uns zu den anderen Menschen auf eine andere Weise verhalten wollen. Das ist die Revolution: unsere Beziehungen zu anderen Menschen auf eine neue Art zu leben. Dabei werden wir dann auch die Eigentumsverhältnisse (und alle anderen Verhältnisse!) antasten - nicht umgekehrt!


Anhang: Unser Geschäft ist die Politik

(Lesefrüchte aus www.antifakongress.de)

»Muß nun angesichts veränderter politischer Rahmenbedingungen, angesichts der Aneignung des Antifaschismus-Begriffs durch die bürgerliche Mitte, bei der Wahrnehmung neuer möglicher politischer Felder alles anders gemacht werden? Mitnichten! Die Politik der letzten Jahre war weder falsch noch erfolglos.«

Wenn man feststellen muß, daß »die Begriffe der eigenen Politik ... von der Staatsmacht aufgegriffen und für deren Politik verwendet« werden können, und daß dabei das einstige Lieblingsschlachtroß, die »Zivilgesellschaft« sogar die Hauptrolle spielt (»die Antifa ... wurde von der Rhetorik der verzivilgesellschafteten Öffentlichkeit überrannt«) - wäre es dann nicht etwa an der Zeit, gründlich, das heißt radikal, über die »eigene Politik« nachzudenken? »Mitnichten!« Die Lösung wird in einem Mix aus »symbolischer Politik«, trendigem Stil nahe am Zeitgeist und der eigenen »Positionierung« als »relevante Kraft« gesehen - dies alles durchaus in Kontinuität mit der Politik, die man bisher auch schon »weder falsch noch erfolglos« gemacht hat.

-- »Will man aber eine gesellschaftlich wirksame Politik entwickeln, ist es vonnöten, symbolische Politik zu betreiben.«

-- Im Forum Wer hat hier Stil? pop-antifa, mainstream und linke Kultur »steht die Frage an, wie der Bruch mit dem herrschenden Stil mit erfolgreicher Politik zu verbinden ist«

-- Was ist »erfolgreiche Politik«?? Einen Hinweis finden wir im Hauptpapier das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen: »Organisierungsversuche wie die AA/BO haben es nicht geschafft, sich als relevante Kraft zu etablieren« - steht da echt: »etablieren«!

Im selben Papier stellen die AutorInnen nochmal kategorisch klar, daß sie mit ihrer bisherigen Politik weitermachen wollen (»Bündnisse mit bürgerlichen Gruppen« seien nicht »generell zu verwerfen«). Das ganze Papier stellt bürgerliche Politikvorstellungen in Reinkultur dar: relevant werden, mitreden, sich in dieser Gesellschaft positionieren, etablieren.

»Unser Geschäft ist eine Politik, die sich als Widerstand versteht«. »Der Grund, warum wir uns mit Überwachungsgesellschaft und Konformitätsdruck beschäftigen, liegt ... in der Beeinflussung unserer 'Geschäftsbedingungen' durch diese Entwicklungen.« [Forum Widerstand ist zwecklos ...]


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