Wildcat-Zirkular Nr. 61 - Januar 2002 - S. 24-36 [z61oilca.htm]


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Krieg und Öl

Die Industriestaaten haben ein Problem mit der zunehmenden Abhängigkeit von den Lieferungen der OPEC. In der Vergangenheit zeigte sich, daß nur die OPEC in der Lage ist, ihre Förderung noch zu expandieren (ebenso wie zu drosseln). Während der letzten Hochpreisphase war kein anderer Sektor in der Lage, die Förderung auszuweiten. Rußland ebenso wie UK/Norwegen und USA förderten schon an ihrem oberen Limit. Der Anteil der OPEC an der Weltölversorgung steigt nach dem Absinken in den 80ern kontinuierlich (1973 54%, 1985 29,7%, 2000 41,6%, nach den angeblichen Ölreserven 2015 um 60%). Deswegen ist eine strategische Forderung der US-Energie-Politik, so viele Öl- und Gasvorkommen wie möglich außerhalb der OPEC zu erschließen. Dies wurde um so dringlicher, je prekärer die politische Lage im Nahen und Mittleren Osten sich entwickelte. Die Unfähigkeit, die gesellschaftlichen Kosten für eine stabile Ausbeutung sicherzustellen, haben die zunehmende Abhängigkeit von der Versorgung mit Öl aus der Golfregion zu einem höchst riskanten Faktor für die USA und andere Industriestaaten gemacht (siehe hierzu auch den Artikel von G. Caffentzis in der Beilage zu diesem Zirkular).

Wurde früher versucht, Rußlands Einfluss auf die ölfördernden Regionen rund ums Kaspische Meer zu untergraben (Tschetschenien, Afghanistan, »Entwicklungs«-Investitionen in die zentralasiatischen und kaukasischen Länder), so ist heute Rußland ein wichtiger Partner bei der Versorgung mit Nicht-OPEC-Öl und -Gas geworden, nicht nur wegen der Kaspischen Region, sondern auch wegen der Potentiale in Sibirien.

Öl- und Gasmengen

Im Jahr 2000 erreichte die Weltölproduktion 77 Mio. bpd (Barrels pro Tag), das entspricht rechnerisch einem Jahresvolumen von über 28 Milliarden Barrel. Die prospektierten Weltölreserven werden mit über einer Billion (1000 Milliarden) Barrel angegeben (Quelle: BP-Amoco, Statistical Review of World Energy; IEA, OECD). Während die aktuellen Produktionsdaten für Erdöl realen Größen entsprechen, sind die Angaben zu den Reserven zweifelhaft, weil eine Reihe von erdölproduzierenden Ländern (OPEC) seit vielen Jahren gleichbleibende Angaben machen, obwohl dort nicht nennenswert in Prospektion investiert wurde. Allerdings ist die Vergabe und der Umfang von internationalen Krediten von Sicherheiten, z.B. Erdölreserven abhängig. Auch ist die Vergabe von Förderquoten innerhalb der OPEC unter anderem an die Höhe der Reserven gebunden. Das führte dazu, daß in den letzten drei Jahren nach und nach alle OPEC-Länder ihre Reserven neubewerteten und dabei die Angaben verdoppelten bis verdreifachten. Bei der reinen Betrachtung der Volumina wird auch nicht berücksichtigt, daß mit zunehmender Dauer der Förderung die Ausbeutung der Restmengen einen zunehmenden technischen Aufwand erfordert und so die Förderung progressiv teurer wird.

Die Weltgasproduktion hatte im Jahr 2000 einen Umfang von über 2,5 Billionen Kubikmetern. Über die weltweiten Gasvorkommen liegen keine vernünftigen Zahlen vor.

Die erwarteten Ölvorräte in der Region am Kaspischen Meer werden derzeit - soweit veröffentlicht - auf ein Volumen von mehr als 200 Milliarden Barrel Öl geschätzt. Die Schätzungen haben sich mit fortschreitender Prospektion vervielfacht. Erst ein geringer Teil davon ist auch zur Förderung erschlossen. Das Volumen der Gasvorräte lässt sich über seismische Prospektion viel schwerer definieren. Nach jüngeren Untersuchungen werden im Bereich vom Kaspischen Meer bis nach Kirgisistan riesige Vorkommen vermutet. Über Struktur und Volumen dieser Vorkommen gibt es noch keine realistischen Zahlen.

Noch vor vier Jahren sind die Ölmengen-Schätzungen als Phantasieprodukt abgetan worden. Sie sind mittlerweile aber durch Prospektion erhärtet. In den Prospektionsprojekten wird derzeit von 150 Millionen Barrel - das entspräche ca. 15% der hochgerechneten Weltölreserven - und von 50% der Weltgasvorräte ausgegangen.

Die Ausbeutung des Öls vom Ostrand des Kaspischen Meeres, wo sich die größten Vorräte befinden, bringt besondere Probleme mit sich. Der Gehalt an Schwefel und Schwefelwasserstoffen, geologische Verhältnisse und teilweise durch frühere Ausbeutung drucklose Lagerstätten erfordern schon vor dem Transport hohe Förderkosten.

Anliegerstaaten am Kaspischen Meer sind Rußland, Kasachstan, Turkmenistan, Iran und Aserbeidschan. Östlich vom Kaspischen Meer in der turkmenischen Wüste und im weiter zurückliegenden Usbekistan finden sich auch noch Öl- und Gaslagerstätten. In Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisistan werden weitere vermutet.

Die Grenzziehung im Meer ist umstritten. Sie wird vor allem von Iran angefochten, dem Rußland, Kasachstan und Aserbeidschan nur 12,5% der Meeresfläche zugestehen wollen. Juristisch ist das offen. Die iranische Regierung beruft sich auf Verträge mit der Sowjetunion von 1921 und 1940, welche die einseitige Nutzung der Rohstoffe durch einen der Anliegerstaaten verbieten. Das entspricht nach internationalem Recht der Definition des Gewässers als Binnensee (gemeinsame Nutzung). Die anderen definieren es als offenes Meer, dann liegen die Rechtsverhältnisse so, daß die Meeresfläche ausgehend von den bestehenden Landesgrenzen, die auf dem Meer nach einem festgelegten Berechnungsverfahren fortgeschrieben werden, aufgeteilt wird. Die Realität sieht gegenwärtig so aus, daß De-fakto-Verhältnisse geschaffen wurden und die völkerrechtlichen Verhandlungen immer wieder vertagt werden. Aserbeidschanische (BP!-)Prospektionsschiffe wurden am 23. Juli 2001 vom Iran schon militärisch bedroht. Andererseits demonstrierten türkische Jets über Baku militärische Unterstützung für Aserbeidschan.

Rußland

Der Staat Rußland hängt in hohem Maß vom Öl und vom Preis des Öls ab. In manchen Jahren machten Öl- und Gas bis zu 44% der gesamten Exporte aus. Eine Variation des Ölpreises um einen Dollar/Barrel verändert die russischen Einnahmen um 850 Millionen Dollar. Bis 1998 fiel der Ölpreis auf weniger als 10 Dollar und führte zum Zusammenbruch des Rubels, Zahlungsunfähigkeit des Staates und katastrophalen Verhältnissen in der russischen Ökonomie. Diese Verhältnisse ermöglichten andererseits die Konzentration der russische Erdölindustrie unter Einsatz mafioser Mitteln in den Händen sogenannter Oligarchen.

Vom Tiefstpunkt 1998 stieg der Ölpreis bis auf über 36 Dollar bis September 2000 an. Diese enormen Deviseneinnahmen ermöglichten der Regierung Putin, Renten und Löhne pünktlicher auszuzahlen, den zweiten Tschetschenienkrieg zu finanzieren, den Zugriff auf die Nachfolgestaaten wieder zu konsolidieren und die Wahlen im März 2000 zu gewinnen. Die Inhaber der vier großen Ölfirmen Rußlands (Lukoil, Jukoil, Interrosneft-Sidanko, Sibneft) finanzierten den Wahlkampf Putins mit.

Der erste Tschetschenienkrieg, in dem die separatistische Bewegung durch Saudi-Arabien und andere unterstützt wurde und der im Ergebnis westlichen Interessen folgte, zerschlug die bedeutende petrochemische Industrie und vertrieb das aufsässige Proletariat von den Produktionsmitteln. Die historische Pipeline von Baku zum Schwarzen Meer wurde in Tschetschenien mehr als 100mal unterbrochen und angezapft. Das Öl wurde sogar in klandestinen Raffinerien weiterverarbeitet und auf dem schwarzen Markt vertrieben. Über eine Umgehungspipeline kann mittlerweile wieder Öl aus den alten Ölfedern bei Baku zum Schwarzen Meer fließen.

Der Zerfall der Sowjetunion öffnete für die USA und andere Industriestaaten den Zugang zu den Ölressourcen des Kaspischen Meeres. Sie unterstützten die zentrifugalen Tendenzen in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion in Zentralasien und investierten in großem Umfang in Prospektion, Förder- und Verarbeitungsanlagen in Kasachstan und Turkmenistan. Rußland verlor mit dem Ende der SU bis auf einen kleinen Anteil auf seinem Territorium den Zugang zu den kaspischen Ölquellen, behielt aber das Monopol auf die Transportsysteme, solange keine andere effiziente Pipeline möglich wurde. 1996 reduzierte es unter dem Vorwand zu hohen Schwefelgehaltes (der schon immer so hoch war) den Weitertransport des Öls. Unter diesem Druck erreichte es die Finanzierung (Milliarden Dollar) einer neuen Pipeline von den kasachischen Ölfeldern durch Rußland nach Noworossijsk am Schwarzen Meer durch das Exploitationskonsortium von Chevron, Mobil, Lukoil (Rußland), Oman und Kasachstan (in der Reihenfolge der Größe ihrer Beteiligungen) und behielt so weiter die Kontrolle über einen expandierten Export des Kaspischen Öls.

Die US-Regierung forcierte zunächst den Ausbau einen südkaukasischen Westtrasse. Ein internationales Konsortium mit sehr breit gefächerter Finanzierung (Amoco, Unocal, Exxon und Pennzoil aus den USA mit Beteiligungen aus Großbritannien, Aserbeidschan, Lukoil, Norwegen, Japan, Türkei, Saudi-Arabien und anderen) konstruierte eine Pipeline im Süden des Kaukasus von Aserbeidschan durch Georgien zum Schwarzen Meer. Eine Unterwasserpipeline durch das Kaspische Meer sollte auch das Öl von der Ostseite des Kaspischen Meeres dieser Leitung zuführen. Diese wurde von Rußland verhindert. Seit 1999 transportiert die südkaukasische Pipeline eine reduzierte Menge Öl. Sie ist auf Grund der besonderen Bedingungen erst ab einem Ölpreis von ca. 25 Dollar rentabel. Die Türkei behindert den Abtransport durch den Bosporus und läßt nur relativ kleine Tanker passieren (für sehr große wäre die Passage ohnehin auch mit Ausbau nicht möglich). Sie fordert den Weiterbau der Pipeline quer durch die Türkei nach Ceyhan an ihrer südöstlichen Mittelmeerküste. Diese wäre allerdings erst nach einem endgültigen Abschluß des Krieges um Kurdistan möglich. Nach Aussage eines BP-Bosses ist diese Weiterführung aber nur mit dem ostkaspischen Öl rentabel.

Rußland unterstützt Armenien im Konflikt mit Aserbeidschan um Berg-Karabach, von wo aus die Pipeline leicht bedroht werden kann. Separatistische Bewegungen in Südossetien und Abchasien, wo Rußland auch Truppen stationiert hat, bedrohen Georgien. Der georgische Staat, der unter den Versprechungen der USA, Deutschlands und anderer auf völlige Unabhängigkeit von der GUS und sogar Anschluss an die NATO gesetzt hatte, geriet unter übermächtigen Druck Rußlands und wird in wiederkehrenden Abständen mit Intervention russischer Truppen bedroht. Die Wirtschaft ist nahezu zum Stillstand gekommen, im letzten Winter ließ Putin unter dem Vorwand der Kollaboration mit den »Terroristen« auch die Gasversorgung Georgiens abstellen. Stromversorgung und Heizungen waren mitten im Winter blockiert. Schewardnadse kehrte unter dem unmittelbaren Eindruck der russischen Gräuel in Tschetschenien und der doch begrenzten Zuwendungen der westlichen Staaten kleinlaut in die GUS zurück.

Die Bedeutung des zweiten Tschetschenienkrieges als Drohinstrument beschränkt sich nicht nur auf Georgien. Auch die GUS-Ölländer Aserbeidschan, Kasachstan, Turkmenistan bekamen vor Augen geführt, daß es für das Überleben ihres Regimes keine Alternative zum Zusammenschluß in einer antiterroristischen Allianz der GUS-Staaten gibt. Sie stehen unter dem direkten Druck des russischen Staates und anderer Nachbarstaaten (z.B. Iran vs. Aserbeidschan) sowie separatistischer, oppositioneller und islamischer Bewegungen, die sich aus Unterdrückung, Verelendung, Verseuchung und dem Haß auf die alles durchdringende Korrumpiertheit speisen, denn anderes hat der Ölreichtum den Menschen dieser Regionen zwar verheißen, aber noch nicht gebracht. In einigen Ländern sind mittlerweile auch russische Beschützer stationiert.

Schon die Sowjetunion versuchte den Befreiungsschlag aus der zentralkontinentalen Lage hin zum Weltölmarkt, als sie den Putsch in Afghanistan unterstützte und danach mit ihren Truppen einrückte. Der - nach Vietnam - arrogant-dämliche Glaube an die Überlegenheit von Militärtechnik setzte einen der letzten Nägel am Sarg der Sowjetunion.

Zentralasiatische GUS-Republiken und Aserbeidschan

Die Entwicklung nach dem Ende der Sowjetunion verlief in den zentralasiatischen Republiken und in Aserbeidschan ähnlich. Ehemalige Parteikader - oft aus dem Sicherheitsapparat - setzten auf ethnizistisch/antirussische Propaganda und brachten die Kontrolle über den Machtapparat an sich. Kasachstan, Turkmenistan, Usbekistan und Aserbeidschan entwickelten sich so in zunehmende Autonomie. Kirgisistan und Tadschikistan gerieten schnell wieder in militärische Abhängigkeit von Rußland: Regionale Milizen, welche die entlegeneren Teile der beiden Länder beherrschten und die Pfründe aus Rauschgifthandel und Transit einstrichen, konnten nur mit Hilfe der russischen Armee davon abgehalten werden, den flächenmäßigen Großteil dieser Länder unter ihre Kontrolle zu bringen.

Ein Beispiel für die Entwicklung in den anderen Staaten: In Kasachstan wurden nach der Unabhängigkeit alle ethnischen Russen, Deutsche u.a. aus Staats- und Leitungsfunktionen bis zu den untersten Chargen (z.B. Hausmeister) entfernt und durch ethnische Kasachen ersetzt. (Zur sowjetischen Zeit waren alle höheren Positionen russisch dominiert.) Das hatte zur Folge, daß die gesamte Struktur zusammenbrach, und die von dieser Säuberung Betroffenen emigrierten. Gesundheitswesen, Produktion, Transport und Verwaltung kamen bald zum Erliegen. Der Haupterwerbszweig breiter Bevölkerungsmassen wurde zunehmend das Ausschlachten der Infrastruktur. Alles, was verkäuflich war, wurde bei Nacht und Nebel demontiert und nach China/Xinjiang verschoben und trug so zur Entwicklung Westchinas bei. Stromzähler, Wasser- und Gasleitungen, Türbeschläge und Armaturen, elektrische Leitungen, die Kabel von den Masten verschwanden über Nacht mitsamt ihren Isolatoren. Soweit in Fabriken überhaupt noch produziert wurde, kamen sie zum Erliegen, weil über Nacht die Produktionsmittel verschwanden: Schienen, Kräne, Maschinen, Werkzeuge und die letzten Kleinteile wurden demontiert und verschoben. Der Machtapparat wurde aufgebläht. Die Straßen des Landes wurden von einer mit dem Sicherheitsapparat identischen oder vercliquten Mafia beherrscht, die für alle Bewegungen und Transporte Schutz- oder Strafgelder kassierten oder die Waren und Fahrzeuge gleich auf dem schwarzen Markt verschwinden ließen. Der Präsident Nasarbajew ließ mittlerweile eine neue Hauptstadt im Niemandsland aus dem Boden stampfen. Für die Nutzung und Aufrechterhaltung nicht oder nur mit riesigem finanziellem Aufwand verlagerungsfähiger strategischer Zentren, wie des Raumfahrtzentrums Baikonur oder des Atomtestgebiets bei Semipalatinsk im Norden, zahlt Rußland Gebühren und betreibt deren Unterhalt. Für die Subventionierung des Lebensunterhalts der Bevölkerung ist die Regierung auf den ununterbrochenen Fluß von Geldern aus dem Gas- und Ölgeschäft, sowie auf ausländische Hilfe angewiesen.

Unter dem Eindruck der Gewalttätigkeit des russischen Regimes in Tschetschenien, finanziellen Zuwendungen und des Know-Hows Rußlands in Bedrohung/Absicherung des Regimes sowie der immer noch vorhandenen geostrategischen Isolation kam die zentrifugale Bewegung K.s zum Erliegen. Bei der Stabilisierung der GUS spielt das Kasachstan Nasarbajews heute eine wichtige Rolle.

In Usbekistan war die Macht des Präsidenten Karimow nicht unangefochten. Ein riesiger Sicherheitsapparat, der jede Anzweiflung des Regimes brutal verfolgt, die Opposition inhaftiert, gefoltert, umgebracht oder vertrieben hat, dominiert das Land. Regimekritische Informationen werden von vorneherein unterbunden. Karimow selbst stellt sich als islamistisch dar, um der einzig noch existierenden Gefahr, den Fundamentalisten in den Koranschulen und Moscheen, den Wind aus den Segeln zu nehmen. So durfte im Lande auch nicht darüber gesprochen werden, daß bei der US-Intervention in Afghanistan dieses Land der wichtigste Stützpunkt der USA im Norden ist. Nach offizieller Version gibt es im Lande keine US-Soldaten und -Flugzeuge, obwohl ganze Stützpunkte für sie freigemacht wurden.

Turkmenistan hat keinen Anschluss an den Weltmarkt für seine großen Öl- und Gasvorkommen. Es gibt keine Verbindung zu den russischen/kasachischen Pipelines. Ein Projekt zum Anschluss an die wirtschaftlich und politisch prekäre südkaukasische Pipeline zum Schwarzen Meer quer durch das Kaspische Meer ist an Rentabilitätsproblemen zum Glück gescheitert; das ökologische Desaster wäre riesig gewesen. Die Regierung kooperiert mit dem Iran, der turkmenisches Öl in sein Inlands-Netz einspeist.

Kapital, Know-How, Macht, Ölpreis und Transportkosten

Nach dem Zusammenbruch der SU kann dieses riesige Ölvorkommen nicht mehr nur von Satelliten aus untersucht werden, es ist jetzt auch für westliche Investitionen offen. Weder Rußland noch die anderen SU-Nachfolgestaaten haben das Kapital und das Know-How für die aufwändige Ausbeutung dieser Ressourcen. Ein Wettrennen um die Förderung und den Bau von petrochemischen Anlagen findet statt. Dabei ist charakteristisch, daß Konsortien die Investitionen tätigen, die angesichts der Risiken eine breite Streuung aufweisen. Die Investitionsverträge westlicher Ölfirmen werden derzeit auf über 100 Milliarden Dollar geschätzt. 11 US-Gesellschaften, 24 andere westliche und 2 russische Firmen betreiben 40 Förderprojekte.

Ein Beispiel für Probleme, die bei der Konkurrenz um diesen Markt auftreten können, ist ein deutsch-kasachisches »Gemeinschaftsprojekt«. RWE-DEA und die Erdöl- und Erdgasgesellschaft Berlin gründeten mit der staatlich-kasachischen Juschneftegas ein Joint Venture zur jährlichen Förderung von 600 000 Tonnen Öl in Südkasachstan. Die erforderlichen Investitionen von 300 Millionen DM wurden von den deutschen Firmen aufgebracht. Da es von dort keine Transportmöglichkeit nach Deutschland gibt, sollte es auf den einheimischen Markt gebracht werden. Im Gegenzug sollte von staatlichen Quellen im Nordwesten des Landes dieselbe Menge Öl durch die russische Pipeline zu Weltmarktpreisen nach Deutschland geliefert werden. Nachdem die Anlagen fertig waren und zum ersten Mal die volle Menge gefördert wurde, verkaufte die kasachische Regierung ihre Anteile an die kanadische Firma Hurricane HC. Seither »fühlt sich die kasachische Regierung nicht mehr an das Tauschgeschäft gebunden« und liefert kein Öl für das deutsche Konsortium in die Pipeline. Der Schwiegersohn des Präsidenten und ein ehemaliger Regierungschef teilen derzeit den kasachischen Markt für Ölprodukte untereinander auf, und das deutsche Projekt stört dabei.

Es ist offensichtlich, daß auch wirkliche Macht oder Bündnisse mit Firmen, hinter denen wirkliche Mächte stehen, erforderlich sind, um auf diesem Markt Erfolg zu haben - oder man muss sich auch im Chor der militärischen Mächte etablieren.

Transportkosten, Transportwege - Pipelinetrassen

Das westliche Kapital hat also die Hand am Ölhahn, aber das Produkt noch lange nicht zu profitablen Konditionen auf dem Weltmarkt.

Die Profite aus Erdöl werden nicht nur durch die Förderkosten und die Qualität des geförderten Öls bestimmt, sondern vor allem auch durch die Kosten des Transports, wobei der Seetransport mit Großtankern nicht so sehr ins Gewicht fällt wie der Transport durch Pipelines. Es entstehen sehr hohe Investitionskosten, Kosten für Unterhalt der Pipeline und Bewegung des Öls sowie politische Kosten für Transit und Sicherheit. So kostet der Transport von Öl in den Ländern am Persischen Golf zwischen 0,25 und 1 Dollar pro Barrel, Nordseeöl ca. 1,7 Dollar, Kaspisches Öl durch Rußland ca. 6 Dollar und Sibirisches Öl zwischen 5,5 und 7 Dollar. (1 Barrel = 159 Liter)

Ein hoher Ölpreis ist Voraussetzung für gewinnbringende Ausbeutung der kaspischen Ressourcen.

Kostengünstige und politisch sichere Pipelines mit optimaler Anbindung an den Weltmarkt sind eine andere Determinante des Profits.

Im folgenden werden verschiedene Transportwege und ihre Probleme besprochen (siehe die Karte im Anhang):

Die Trasse nördlich des Kaukasus durch Rußland und die südkaukasische Trasse wurden oben schon beschrieben.

Die Iran-Trasse

Die geographisch kürzeste und billigste Route würde durch den Iran an den Persischen Golf mit seinen entwickelten Ölhäfen und Verarbeitungsanlagen führen. Es gibt im Iran schon jetzt ein ausgedehntes Pipeline-System. Turkmenistan, das in den Konflikten um das Kaspische Öl mit dem Iran kooperiert, hat 1997 eine Gas-Pipeline in den Iran eröffnet. Die iranische Regierung will den Bau einer Pipeline für das kaspische Öl quer durch ihr Land. Der Boykott der US-Regierung verhinderte bisher jedes Engagement von US-Ölkonzernen in diesem Land, von deren Seite aber schon wiederholt versucht wurde, die Regierung zur Lockerung der Sanktionen zu bewegen. Ölfirmen aus anderen Ländern (Frankreich, Italien, Niederlande, Spanien, Indien, Rußland und China) haben Ölgeschäfte mit dem Iran abgeschlossen oder stehen in Verhandlungen. Relativ unbeachtet fand jetzt im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Krieg eine Intensivierung der Kontakte zwischen den Regierungen und die Demonstration von Akzeptanz durch die US-Regierung statt: Rumsfeld erklärte (am 11. Nov.), daß Iran »ein legitimes Interesse« daran hat, »was in diesem Land vorgeht« (Afghanistan ist gemeint) und daß iranische »Verbindungsleute« neben »amerikanischen« in Afghanistan aktiv sind. Die beiden Außenminister hatten am 12. November einen als »kurz, aber freundlich« bezeichneten Austausch am Rande der UN-Vollversammlung. Bei derselben Gelegenheit war eine »6+2 - Konferenz« geplant: US- und Rußlands Regierung auf der einen Seite und Vertreter einiger an Afghanistan angrenzender Staaten, darunter Iran, auf der anderen Seite. Zwischen dem 10. und 12. November trat Chatami auch in den verschiedensten US-Fernsehprogrammen als respektabler Repräsentant der iranischen Reform auf.

Zur Lage im Iran

Der iranische Staat steht gewaltig unter Druck. Die industrielle und handwerkliche Produktion ist wegen der außenwirtschaftlichen Isolation des Landes und fehlenden Reparatur- und Innovationsinvestitionen stark zurückgegangen. Die vom stabilen hohen Ölpreis begünstigten Einnahmen des Landes versickern in der mittlerweile stark ausgeweiteten Korruption, der aufgeblähten Bürokratie, dem Sicherheitsapparat und - immer noch - in der Bedienung des Kriegs-Schuldendienstes. Die Arbeitslosigkeit liegt zwischen 40 und 50%, »Unterbeschäftigung« bei 75%. Die Inflationsrate beträgt offiziell um 20% jährlich. Die Bevölkerung ist innerhalb von 20 Jahren von 40 auf 70 Millionen angewachsen. 70% sind jünger als 25 Jahre. Unter ihnen ist die Arbeitslosigkeit etwa doppelt so hoch. Absolventen mit höherem Ausbildungsniveau haben kaum Chancen auf einen entsprechenden Job. Die Zahl gut ausgebildeter jugendlicher Migranten - besonders nach USA und Kanada - wird in diesem Jahr auf 200 000 geschätzt. Der Kampf gegen diese Verhältnisse initiierte den studentischen Protest. Von dieser Seite wird die Öffnungs- und Wirtschaftspolitik der derzeitigen Regierung unterstützt. Seit drei Jahren gibt es viele Arbeiterkämpfe - mit zunehmender Tendenz. Sie richten sich gegen die gravierenden Verschlechterungen in den Arbeits- und Lebensverhältnissen. Unter Ausnutzung der Arbeitslosigkeit werden Löhne nicht oder nicht vollständig bezahlt. Für die vielen Betriebe unter fünf Beschäftigten wurden die Arbeitsgesetze aufgehoben. Besonders in der Textil-, Teppich- und Lederindustrie finden Kämpfe (Streiks, Straßen- und Autobahnblockaden, öffentliche Protestaktionen vor Behörden und Parlamenten) wegen Nichtbezahlung statt.

Die Programmatik der hier so hochgelobten »Reform«-Fraktion versucht, die ökonomische Isolation zu durchbrechen und in Übereinstimmung mit dem IWF, über Privatisierungen und Sonderkonditionen Direktinvestitionen aus dem Ausland hereinzuholen.

Die Südost-Trasse durch Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan

Um nach dem Scheitern der sowjetischen Pläne eine Trasse zum Indischen Ozean machtpolitisch durchzusetzen, nachdem sich die Taliban-Fraktion mit Hilfe der US-Saudischen Koalition gegen die anderen Fraktionen in Afghanistan durchgesetzt hatte, machte sich ein Konsortium unter Führung der kalifornischen Unocal daran, die Pipeline durch Afghanistan und Pakistan zu realisieren. Das Konsortium bestand aus: Unocal (USA) und Delta-Oil (Saudi Arabien) gemeinsam 85%, Turkmenrusgas 5%, Gazprom 10% (zog sich im Juni 98 aus dem Projekt zurück), Crescent Group (Pakistan), Hyundai E&C, Inpex (Indonesien) und Itochu (Japan). Als erstes war eine Gas-Pipeline von den Dauletabad-Gasfeldern in Turkmenistan über Herat (Afgh.), Kandahar nach Quetta in Pakistan geplant (2 Milliarden Dollar); danach eine Öl-Pipeline mit einer Kapazität von 1 Million Barrel/Tag von den Raffinerien in Tschardschu an der usbekisch-turkmenischen Grenze zur Arabischen See. Die Kosten wurden auf 2,5 Milliarden Dollar geschätzt. Tschardschu wäre ein Knotenpunkt, an den sowohl das westsibirische als auch das kaspische Öl angeschlossen werden könnten.

Die Verträge zum Bau der Gas-Pipeline wurden im Januar 1998 von der Taliban-Regierung unterzeichnet. Das Gebiet war auf der ganzen Strecke gesichert. Die Taliban hatten die Nordallianz in den äußersten Nordosten zurückgedrängt und, nach Bruch der Vereinbarungen mit der schiitischen Minderheit, den Westen des Landes - traditionell iranisches Einflußgebiet - mit der Provinz Herat vollständig unter ihre Kontrolle gebracht. Im März definierte Unocal »Verzögerungen« bei der Finanzierung, im Juni stieg Gazprom aus, im August - nach den Luftangriffen auf Stützpunkte von Al Quaida in Afghanistan - sprach Unocal von politischen Problemen und stieg im Dezember endgültig aus dem Projekt aus. Im April 99 beaufragten Pakistan, Turkmenistan, und die Taliban-Regierung das Konsortium, jetzt unter Leitung der saudi-arabischen Delta-Oil, das Projekt der Gas-Pipeline in Angriff zu nehmen.

Zur Lage in Saudi-Arabien

Für Saudi-Arabien kommen die politischen und militärischen Anstrengungen der USA, ihren Machtanspruch in den Ölregionen der Welt nicht nur verbal einzufordern, auch innenpolitisch äußerst ungelegen. Die Ersetzung des Ölproletariats im Zuge des Golfkriegs verschaffte an dieser Front fürs Erste Ruhe. Die aufsässigen Proletarier palästinensischer, ägyptischer, jemenitischer, nordafrikanischer und anderer Herkunft wurden vertrieben und ihre Kampf- und Kommunikationsstrukturen zerschlagen. 90% des privaten und 70% des öffentlichen Sektors sind aber weiterhin von ausländischer Arbeitskraft abhängig.

Das Pro-Kopf-Einkommen ist über zwei Drittel gesunken. Die Geburtenrate ist hoch, die Mehrheit der Bevölkerung ist unter 15 Jahre alt. Die früher vielgerühmte Infrastruktur ist besonders im Gesundheits- und Bildungssektor zerfallen. Die Beschäftigungslosigkeit bei männlichen College-Abgängern liegt über 30%, die Beschäftigung von Frauen ist in vielen Bereichen verboten. Unter dem Druck des ökonomischen Niedergangs gewinnen ethnische und religiöse Unterschiede an Brisanz. Ungefähr 12 000 junge Saudi-Araber waren im Afghanistan-Krieg gegen die Sowjet-Union. Jetzt fokussieren sich die Konflikte auf die Politik der uneingeschränkten politischen und religiösen Herrschaft. Die Stationierung von US-Truppen im Lande, die Zulassung internationaler Ölkonzerne zur Erschließung saudi-arabischer Gasfelder heizen die Konflikte an, die früher durch Zuwendungen aus den Öleinnahmen beruhigt werden konnten. (siehe hierzu G. Caffentzis in der Beilage zu diesem Zirkular)

Die Ost-Trasse

Nach Osten wurde eine Trasse durch China bis zum Pazifik zur direkten Erschließung des chinesischen, japanischen und koreanischen Marktes in Betracht gezogen. Mit infrastrukturellen Arbeiten, wie Telekommunikationsverbindungen, ist auf dieser Trasse ein von Siemens geleitetes Konsortium beschäftigt. Die brutale Bekämpfung separatistischer Bewegungen in Xinjiang durch die chinesische Regierung mag damit in Zusammenhang stehen. Auf den ersten Blick scheint eine solche Trasse mit dem Überseetransport vom Persischen Golf aus kostenmäßig nicht konkurrieren zu können. Zur Entwicklung der chinesischen Westregionen könnten direkte Gas- und Ölanschlüsse zu den zentralasiatischen Feldern allerdings einen wichtigen Beitrag leisten.

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Legende:
2 Die Trasse nördlich des Kaukasus
4 Die südkaukasische Trasse
7 Die Süd-Trasse durch den Iran zum Persischen Golf
8 Die Südost-Trasse durch Turkmenistan, Afghanistan und Pakistan
9 Die Ost-Trasse durch China


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