Skandal aufgedeckt: Arbeitsämter schummeln bei der Statistik!!!
Die Arbeitsämter frisieren ihre Vermittlungszahlen. Das haben alle gewußt und die meisten auch gewollt. Nun wird es uns als Debatte über Bürokratie, Schwerfälligkeit und Ineffektivität der Arbeitsverwaltung präsentiert. Natürlich behauptet niemand, daß »echte« Zahlen etwas an der Massenarbeitslosigkeit ändern würden. Der »Skandal« besteht darin, daß das Amt Aktivität vorgetäuscht hat, um seine eigenen Arbeitsplätze zu retten. Wenn man sieht, wie schnell nun Gesetze verabschiedet werden, für die es jahrelang keine Konsens-Lösung gab, könnte die SPD den Skandal auch selbst lanciert haben, um endlich durchgreifende Maßnahmen in Angriff nehmen zu können. Der Versuch mit der »Faulenzer«-Kampagne im letzten Jahr hatte wahre Verteidigungskampagnen des Müßiggangs ausgelöst (»Glückliche Arbeitslose«). Diesmal hat man sich die faulen Beamten ausgesucht: die eignen sich noch immer am besten als Prügelknaben für jede Propaganda, die allen verklickern will, daß sie mehr arbeiten müssen.
Die Zahl der Arbeitslosen, ist eine politische: immer neue Kategorien wu/erden erfunden, um Leute rauszurechnen: wer in einer Maßnahme ist, vor der Rente steht, eine Weiterbildung macht, arbeitslos ist, sich aber nicht mehr meldet ... Die Zahlen werden geschoben, um ein »Problem« abzugrenzen und passende Gesetze zu präsentieren.
Arbeitsämter waren/sind nicht zur Vermittlung von Arbeit da. Wer mit ihnen zu tun hatte, konnte sich allerdings von der zunehmenden Effektivität ihrer Abteilungen Sperrzeitenvergabe und Aufdeckung von Leistungsmißbrauch (= Schwarzarbeit) überzeugen. Auf diese Weise haben sie es geschafft, Arbeitslose in neue Jobs rein oder auf andere Weise aus dem Bezug staatlicher Leistungen raus zu drücken. Das reicht offenbar nicht mehr.
Die Kampagne richtet sich auch gegen die 90 000 Beschäftigten der Arbeitsverwaltung. Ihnen soll die »entsprechende Kultur, um die vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten auch tatsächlich umzusetzen« (Arbeitgebervertreter in der BA Kannengießer) beigebogen werden: private Vermittler als Konkurrenz, Gehälter und Aufstiegschancen an Leistung gebunden - das ist die Bedrohung, damit sie den Druck an die Arbeitslosen weitergeben.
Für die Industrie funktioniert das Arbeitsamt seit langem miserabel: undurchschaubare Umschulungsstrategien haben Weiterbildungsfirmen reich gemacht und dort eine Menge prekärer Honorartätigkeiten geschaffen, während Betriebe händeringend Fachkräfte suchen - für deren Ausbildung sie allerdings keinen Pfennig ausgeben wollen.
Es geht nicht um mehr oder weniger Arbeitsplätze, sondern um die Bedingungen, unter denen das Kapital Arbeitskraft einkauft -dieser Einkauf soll billiger und risikoloser werden. Löhne und staatliche Transferleistungen an Arbeitslose sollen gesenkt, der berühmte »Lohnabstand« zwischen einem schlecht bezahlten Hilfsarbeiter und seinem arbeitslosen Kollegen (auf niedrigem Niveau) hergestellt werden. Das geht nicht mit einer bürokratisierten Arbeitsverwaltung und v.a. nicht mit einem Anrecht auf (theoretisch) lebenslange Arbeitslosenhilfe, die an die Höhe des letzten Lohns gebunden ist.
Deshalb soll jetzt auch endlich Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf dem Niveau von Sozialhilfe zusammengelegt werden - das hatte bereits nach Regierungsantritt 1998 der damalige Finanzminister Lafontaine (heute prominentes attac-Mitglied) in einer Rede vor verblüfften Gewerkschaftern angekündigt. Das ist dann nach Ökosteuer, Rentenreform und selbst finanzierter Zusatzrente die nächste Stufe des geplanten Sozialstaatsumbaus, den die rotgrüne Regierung damit wesentlich effektiver als ihre christdemokratischen Vorgängerinnen angepackt hat.
Überraschend schnell haben sich führende SPD-Politiker auf die neue Untergrenze von 6 Euro pro Stunde geeinigt, zu der noch Arbeit vermittelt werden soll; was drunter liegt, ist »Ausbeutung«. Das ist etwa die Lohnhöhe in den neuen Tarifverträgen für Sklavenhändler.
Entscheidend bei diesem neuen Austarieren der Ausbeutungsbedingungen ist, ob in den Betrieben tatsächlich neue Bedingungen für Arbeit und Löhne durchgesetzt werden können, denn davon hängt ab, was den Arbeitslosen zugemutet werden kann.
Und in Wahlkampfzeiten ist natürlich Vorsicht geboten: wer an der Arbeitsverwaltung rüttelt, hat bald noch höhere Arbeitslosenzahlen in den Statistiken - und das will doch nun wirklich keiner der Reformer! Also Finger weg von den ABM im Osten!
Lesehinweis:
In der Broschüre »Dole Autonomy« (Beilage zum Zirkular 48/49) zeigt die Gruppe »Aufheben« praktische Möglichkeiten gemeinsamer Kämpfe von Sozialamtsbeschäftigten und Sozialhilfebeziehern auf.