14.02.2005 [Startseite] [Archiv] [Bestellen] [Kontakt]

 


Buenos Aires: Erfolgreicher Streik in der U-Bahn (Subte)

Die 1900 ArbeiterInnen der U-Bahn von Buenos Aires haben am 10. Februar eine Lohnerhöhung von insgesamt 44 Prozent durchgesetzt - ein großer Erfolg und ein Signal in dem Krisenland, in dem die ArbeiterInnen seit Jahren Lohnverluste hinnehmen mussten. Schon vor knapp einem Jahr fielen die Subte-ArbeiterInnen durch unzeitgemäße Ansprüche auf. Sie forderten die Wiedereinführung einer alten Errungenschaft: den 6-Stunden-Tag wegen gesundheitsgefährdender Arbeit, den sie mit einem Streik, gegen den Willen der Gewerkschaftsbürokratie, durchsetzen konnten. Seit November fordern sie Lohnerhöhungen und mehr Arbeitssicherheit (Argentinien gehört mit jährlich 1700 Toten durch Arbeitsunfälle zu den gefährlichsten Arbeitsplätzen der Welt). Es kam immer wieder zu kurzen Streiks und Besetzungen von U-Bahnhöfen. In der letzten Woche standen die Bahnen täglich drei Stunden und zuletzt 24 Stunden. Streikbrecher wurden mit Gleisbesetzungen am Fahren gehindert.

Trotz des viel gelobten Wirtschaftsaufschwungs in Argentinien liegen die Reallöhne immer noch 20 Prozent unter denen von 2001, dem Jahr des Kriseneinbruchs. Mit den Abwertungen konnten die Unternehmer ihre Schulden bereinigen, und die Löhne sanken. Der Kampf der Subte-ArbeiterInnen wird von vielen als Signal verstanden, dieser Entwicklung endlich etwas entgegenzusetzen. In der Presse wurden die Streikenden als unverschämte Hochlohnverdiener angegriffen: ihre Löhne wären doch sowieso schon doppelt so hoch wie der Durchschnitt von 680 pesos. Die ArbeiterInnen antworteten mit dem Hinweis auf die enormen Subventionen, die das Unternehmen einstreicht, ohne in Infrastruktur und Arbeitssicherheit zu investieren, sowie auf die hohen Gehälter der Geschäftsleitung, und sie forderten die Offenlegung der Bilanzen. 1993 transportierten 3500 Beschäftigte 145 Millionen Passagiere, heute sind es 1900 Beschäftigte bei 238 Millionen Passagieren. Während die Produktivität um 638 Prozent stieg, gab es für die ArbeiterInnen in den elf Jahren gerade mal 37 Prozent mehr Lohn – eine typische Situation in den privatisierten Unternehmen, an der die Gewerkschaftsbürokratie kräftig mitgestrickt hat.

»Es war ein schwieriger Konflikt, weil das Unternehmen uns beschuldigt hat, gute Löhne zu verdienen. Wir glauben, dass wir gewonnen haben, weil wir gegenüber der öffentlichen Meinung klar machen konnten, dass wir uns nicht dafür schämen, in einem Land, wo manche Leute 400 pesos verdienen, Löhne von über 1000 pesos zu haben. Wir schämen uns im Gegenteil dafür, dass es Löhne von 400 pesos gibt, Renten von 300, und Geschäftsführer, die 40000 verdienen. Unsere Stärke war, dass wir vor diesen reaktionären Kritiken nicht zurückgewichen sind. Wir haben gesagt, wir haben nichts zu verbergen.

Wir verdienen das, was wir verdienen, und wir wollen mehr. Wir wollen, dass alle besser verdienen, weil wir ein anderes Leben wollen. Wir hatten eine ähnliche Diskussion, als wir den 6-Stunden-Tag durchgesetzt haben. Da haben sie gesagt, wir wollten das nur, um Überstunden zu machen und Geld zu scheffeln. Aber wir haben ihnen gezeigt, dass das nicht so war, dass wir die 6 Stunden gefordert haben, um nur 6 Stunden zu arbeiten, um das Leben genießen zu können. Denn das Leben ist nicht dazu da, zu arbeiten und abzustumpfen.« So der Delegierte Roberto Pianelli (Pagina 12, 11.2.05).

Die Gewerkschaftsdelegierten, Unabhängige und Linke, genießen das Vertrauen der ArbeiterInnen und konnten den Streik durchführen. Die Verhandlungsmacht liegt jedoch bei der Gewerkschaftsbürokratie. Nachdem die Streikenden mit einer Verlängerung des Ausstands um 48 Stunden und einem folgendem unbefristeten Streik drohten, handelte die Bürokratie das vorliegende Ergebnis mit der Geschäftsleitung aus, ohne die Delegierten zu konsultieren – ein Versuch, die Kontrolle wieder zu übernehmen. Die Streikenden erfuhren aus den Medien von dem Ergebnis (19 Prozent Grundlohnerhöhung, Einmalzahlungen, Prämien für Betriebszugehörigkeit, insgesamt durchschnittlich 44 Prozent, mit Laufzeit bis Ende des Jahres und Bezahlung der Streiktage). Als Abgesandte der Gewerkschaft in der U-Bahn auftauchten, um das Ergebnis und das Streikende offiziell zu verkünden, wurden sie nicht reingelassen: »Ob das Ergebnis angenommen wird oder nicht, entscheidet nicht die Gewerkschaft, sondern die Basis.« Erst nachdem das Ergebnis in mehreren Versammlungen von den Steikenden für gut befunden wurde, wurde 18 Stunden später der Streik beendet.

Die folgende Pressekonferenz fand im 4-Sterne-Hotel Bauen statt, was für Journalisten wieder Anlass war, über die Arbeiteraristokratie zu hetzen, die sich sowas leisten kann. Was ihnen entgangen war: das Hotel Bauen ist seit zwei Jahren besetzt und in der Hand der ArbeiterInnen. Die schicken Konferenzsäle stehen der Bewegung umsonst zu Verfügung...

Nach der erfolgreichen Durchsetzung des 6-Stunden-Tages letztes Jahr riefen die Delegierten der Subte zu Treffen im Hotel Bauen auf, um eine allgemeine Kampagne für Arbeitszeitverkürzung zu initiieren. Diese Treffen sind zu einer Art Koordination der antibürokratischen Kräfte geworden, von besetzten Betrieben bis zu Oppositionsgruppen in verschiedenen Betrieben und Branchen. Aus diesem Kreis haben die Subte-ArbeiterInnen bei ihrem Streik große Unterstützung bekommen, und die gemeinsamen Aktionen könnten in Kürze weitergehen: für den folgenden Dienstag haben die ArbeiterInnen der Eisenbahn in der Provinz Buenos Aires zu einem 24-stündigen Streik für mehr Lohn aufgerufen.

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