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Der Streik der ägyptischen Fischereiarbeiter in GriechenlandIn Nea Michaniona, einem Dorf in der Nähe von Thessaloniki (Nordgriechenland), fand von Januar bis April 2010 ein Streik der Fischereiarbeiter aus Ägypten statt. Die meisten von ihnen arbeiten seit 25 Jahren in Griechenland. Aufgrund einer Vereinbarung zwischen Ägypten und Griechenland aus den 1980er Jahren werden sie mit Acht-Monats-Verträgen (vom 1. Oktober bis 31. Mai) angestellt. In der Branche gibt es aufgrund der starken Arbeitsintensivierung sehr viele Arbeitsunfälle. Im November 2009 ertrank ein Arbeiter bei der Arbeit auf einem Boot. Die Bosse zwangen die Fischereiarbeiter, zu Löhnen von 300 oder 400 Euro (anstatt 1200-1300 Euro) monatlich an sieben Tagen pro Woche unter schlechten Bedingungen zu arbeiten. Außerdem wurden sie von der Arbeiterversicherungsanstalt (IKA) zu einer anderen Versicherung (OGA) umgemeldet, die schlechtere Sozialleistungen bezahlt. Trotz der Erpressung durch die Unternehmer und dem in der Krise zunehmenden Terror von Teilen der ansässigen Bevölkerung machten sie Front gegen ihre Ausbeuter, gingen sie auf die Straße, streikten und blockierten die Produktion. Unterstützung bekamen die Streikenden nur von PAME und Leuten aus der anti-autoritären Szene von Thessaloniki, die vor Ort und auch im Gericht auftraten. Die Solidaritätsversammlung aus Thessaloniki organisierte während des dreimonatigen Streiks Demos, Diskussionsveranstaltungen, Kundgebungen und Konzerte zur finanziellen Unterstützung der Streikenden (siehe hier). Am 3. Januar 2010 legten die Fischer die Arbeit nieder und demonstrierten im Dorf. An den nächsten beiden Tagen blockierten sie den Hafen und hinderten die Eigentümer daran, ihre Schiffe zu benutzen. Die Unternehmer antworteten mit Drohungen und versuchten, die Streikposten zu durchbrechen, unterstützt von Anti-Riot-Bullen, Hafenpolizisten und organisierten Rechten. Der Bürgermeister verklagte die Ägypter wegen »illegalen« Streiks. Bis Ende Februar wurden viele Streikende ständig verprügelt und vor ihren Wohnungen terrorisiert. Am 6. Januar begann der Streik mit den folgenden Forderungen: sofortige Bezahlung des Weihnachtsgelds, Rückkehr zur vorigen Versicherungsanstalt, und Beteiligung an der Kontrolle des Akkords. Die Fischer arbeiten im Akkord sie bekommen 50 Prozent des Einnahmen als Lohn, konnten aber in den letzten Monaten nicht kontrollieren, welche Fische wie teuer sie verkauft wurden und welcher Lohn ihnen gezahlt wurde. Die Arbeitgeber hatten als »Beobachter des Akkords« die Führung der örtlichen Fischereigewerkschaft bestimmt, in der auch Familienmitglieder der Schiffseigentümer organisiert sind. Am 9. Januar ging der Streik weiter, die Boote blieben im Hafen. Die Bosse gingen vor Gericht, damit der Streik für illegal erklärt würde. Die alltäglichen Drohungen gingen weiter. Durch die örtliche Fischereikooperative forderten die Arbeitgeber, dass die Arbeiter nur mit der Zustimmung der Fischereiarbeitergewerkschaft eingestellt und rebellische Fischer von der ägyptischen Botschaft bespitzelt werden sollten. Außerdem verweigerten sie die Zahlung des Weihnachtsgelds. Am 11. Januar streikten die Fischereiarbeiter nach einer Versammlung unter Terror- und Verfolgungsbedingungen weiter. Die Unternehmer drohten u. a. mit der Möglichkeit, dass die Streikenden abgeschoben werden könnten. Am 12. Januar brachten einige Unternehmer ihre Boote mit Hilfe von Streikbrechern in Gang. Bei einer Kundgebung am 28. Februar in Nea Michaniona wurden Fischereiarbeiter und pame-Unterstützer von ca. 20 Schiffseigentümern und ihren einheimischen Arbeitern angegriffen. Die Polizei musste eingreifen. Am 1. März attackierten sie die Häuser einiger Streikender, um sie zu verprügeln. Nach sechs Gerichtsprozessen und einem dreimonatigen Kampf wurde der Streik schließlich für illegal erklärt. Anfang April war der Streik im Wesentlichen zu Ende, da die Fischereiarbeiter die Ankunft von Streikbrechern nicht verhindern konnten. Manche der Streikenden sind nach Ägypten zurückgegangen. Einige sind zur Arbeit zurückgekommen. Trotzdem haben die Arbeiter den Bossen und Gewerkschaftern ihre kollektive Macht gezeigt – wie es auch im April 2008 die multinationalen Erdbeerarbeiter in Nea Manolada auf dem Westpeloponnes gemacht hatten. Sie hatten die Bullen, die örtlichen Behörden, und die einheimischen Beschäftigten ihrer Arbeitgeber gegen sich. Sie erinnerten uns wieder daran, was passiert, wenn die Produktion durch Widerstand von unten gestoppt wird – und wie ein Arbeiterkampf isoliert bleibt, wenn er nicht von anderen Klassenkräften praktisch unterstützt wird. Bericht eines Genossen aus Griechenland, April 2010 |
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