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Kampf um Wert oder Klassenkampf!?2007 erschien bei Pluto Press/London The Beginning of History: Value struggles and global Capital von Massimo DeAngelis. Die GenossInnen von Aufheben haben es in Nr. 16/2008 besprochen. Die wichtigsten Argumente dieser Kritik haben wir im folgenden zusammengefasst (sie erscheinen in leicht geänderter Form auch in der Wildcat 88). Wir haben die Rezension aber auch komplett übersetzt [weiter...]. Kurz ein paar Sätze zur Einordnung der politischen Debatte.In der Wildcat 88 beginnen wir eine Debatte um die Commons. Unser Ausgangspunkt ist die globale Zunahme an Mobilisierungen, Kämpfen und Revolten; in der BRD etwa die Bewegung gegen Stuttgart21 und die breiten Proteste gegen den Castortransport. Zudem laufen seit einigen Jahren verschiedene praktische Initiativen aus Kreisen der ehemaligen »Antiglob-bewegung« sich entlang der Commons neu zu sortieren:
Die - weltweite – Diskussion um die Commons soll als Klammer um die Kämpfe und Debatten funktionieren: sie thematisiert die Kämpfe und die Commons als Antwort auf die kapitalistische Krise und als Perspektive. Wir wollen herausbekommen, an welchen Punkten was neues ausprobiert wird und wo Leute tatsächlich zusammenkommen. Gibt es Verbindungen zwischen der Ausweitung prekärer Arbeit, den Kämpfen in den »neuen Arbeitsbedingungen« oder gegen Betriebsschließungen einerseits und den Projekten und Diskussionen um die Commons andererseits? Bzw. wie sehen diese Verbindungen aus? Die Diskussion spaltet sich übrigens schon am Wort: die einen sprechen von den Commons. Der Begriff ist ein Container für alle möglichen Arten von Widerstand und Kämpfen gegen die »Marktgesetze«. Der Bezug auf die historischen Commons (z.B. Allmende) soll Kontinuität und Möglichkeit von Alternativen zu Markt und Staat belegen. Und gerade an diesem Punkt sind die Debatten und praktischen Initiativen oft am widersprüchlichsten. Die Gründe dafür arbeitet Aufheben in der Kritik an DeAngelis heraus. Genau dieser Widersprüchlichkeit wollen andere entkommen, und sprechen von the common, dem Gemeinsamen, das sie vorgeblich aus der Arbeit entwickeln und als Klassenkonzept und Klassenpraxis hochhalten (Hardt/Negri sind die bekanntesten Vertreter). Die GenossInnen von Aufheben werfen wichtige Kritikpunnkte in diese globale Debatte und kritisieren beide Positionen. Dazu werden sie in der Einleitung der Buchbesprechung zunächst auf eine gemeinsame Wurzel zurückgeführt, nämlich auf den »autonomistischen Marxismus«, bzw. die italienische Autonomia der 1970er Jahre. Was sie darunter verstehen, wird allerdings nicht wirklich erklärt oder entwickelt. Erst relativ spät im Text, unter der Überschrift Von der Sphäre der Produktion zur Sphäre der Zirkulation: der Denkprozess der Autonomia, skizzieren sie ihre Vorstellung dieses »autonomistischen Marxismus«, bzw. des Operaismus: Die breiten und offensiven Arbeiterkämpfe der 1960/1970er Jahre hätten tatsächlich mit einer gewissen Berechtigung zu den Thesen der Zentralität der Fabrik, der Autonomie des revolutionären Subjekts Massenarbeiter und selbst zu Negris Zurückweisung oder Auflösung des Wertgesetzes Anlass gegeben. Durch die Krise und das Ende dieser Kämpfe wären aber die Schwächen des »autonomistischen Marxismus« zutage getreten: mit den Thesen von der »Fabrikgesellschaft« sei die Autonomia in eine abgehobene, positive, »überhistorische Philosophie des revolutionären Subjekts« abgedriftet und hätte die Produktion aus den Augen verloren. Diese Kritik teilen wir. Allerdings ist es schade, dass die GenossInnen von Aufheben so tun, als würde sie auch auf den frühen Operaismus zutreffen, dessen Stärken doch gerade die Untersuchung der Klassenzusammensetzung, der produktiven Kooperation und des Antagonismus im Produktionsprozess waren. Nur so ist auch ihre Bemerkung in Fußnote 24 zu erklären, in der sie Überlegungen zur unterschiedlichen Bedeutung oder Wirkung von Arbeiterkämpfen im Zusammenhang ihrer Stellung in der produktiven Kooperation als schlechte Ideologie abtun, und das mit einem Verweis auf die Poll Tax Bewegung belegen wollen. Aber folgen wir den unterschiedlichen Trieben, wie sie von Aufheben aus der gemeinsamen »autonomistischen Wurzel« entwickelt werden: die Überlegungen Negris zur immateriellen Arbeit enden in einer »totalisierenden Fetischisierung« der Produktion, die Tätigkeiten der materiellen Produktion werden als fast »von Natur aus, aufgrund ihrer Immaterialität«, »anti-kapitalistisch« betrachtet. Es werde komplett aus den Augen verloren, dass nach wie vor das Kapital diese Tätigkeiten bestimmt. Bis hierhin teilt Aufheben die Kritik von DeAngelis an Negri, bzw. dessen Anspruch, von den wirklichen gesellschaftlichen Verhältnissen und Kämpfen auszugehen. Hier beginnt aber auch ihre Kritik an den drei Zentralbegriffen von DeAngelis: »das Außen«, »die Commons«, »die Einhegungen« (engl. enclosures). Dieses Dreieck kritisiert Aufheben als Fetischisierung, für die sie zwei Gründe ausmachen: das Abtauchen in den faszinierenden, aber einseitigen Aspekt des puren, positiven Klassenkampfs. Und damit zusammenhängend den Perspektivenwechsel vom Klassenstandpunkt hin zur Sichtweise des bürgerlichen Individuums. Daraus erklären sie die Mystifizierungen, falschen Fragestellungen und in der Konsequenz die »moralisierende Theorie«. Inhaltlich liegt für Aufheben die Crux des »autonomen Marxismus« in der Reaktion auf das Abflauen der Arbeiterkämpfe der 1960er/1970er Jahre. Die Fabrik und die Abpressung von (Mehr)Wert wurde in die gesamte Gesellschaft verlängert, »der Wert« musste dazu immer mehr von seiner spezifischen Form gelöst werden: »Um ‘Produktion’ auf die gesamte Gesellschaft auszuweiten, musste man sie auf die Aspekte reduzieren, die sowohl mit, als auch ohne Warenproduktion und Lohnverhältnis existieren. Diese Aspekte sind die subjektiven Aspekte der kapitalistischen Produktion – ihre Sinnlosigkeit und Despotie.« Mit The Beginning of History bringe DeAngelis diese Entwicklung an ein logisches Ende, die Produktion ist bei ihm nur noch ein »Effekt des Marktes«, der Markt hat das Kommando übernommen. Von hier aus sei es dann nicht mehr weit bis zum Standpunkt des bürgerlichen Individuums: In der Zirkulation erscheinen wir als durch den Tausch verbundene Marktsubjekte, hier gibt es nur die unpersönlichen Gesetze des Marktes, nach der scheinbar gleiche Werte in Form von Geld getauscht werden. In der Produktion tritt uns das Kapital als Kommando gegenüber, und hier liegt für Aufheben auch die Dynamik des Klassenkampfes: trotz aller Managementträume braucht es die direkte Disziplinierung, Zwang und Despotie, »die Sphäre der Produktion beinhaltet somit den unausweichlichen Antagonismus zwischen ’Kapital und Arbeit‘« Die unsichtbare Hand des Marktes wird greifbarer Klassengegensatz. Weil er sich nur für die Zirkulation interessiert, könne DeAngelis nur noch getrennte und fragmentierte Individuen wahrnehmen. Das Kapital wird ein abstrakter Gegner, das nach unsichtbaren Gesetzen funktioniert und uns in Konkurrenz setzt. Aus dieser Perspektive des bürgerlichen Marktsubjekts könne es »keinen materiellen Grund zur Klassensolidarität« mehr geben. Deshalb braucht DeAngelis das fetischisierte Außen: der Einzelne muss versuchen, sich »Gemeinschaften und deren Werten anzuschließen und diese zu stärken«, um gegen die ganze Scheiße was zu tun. Aufheben sieht darin lauter »unnötige Probleme« einer Theorie, die »den Klassenkampf abschneidet«. Und so logischerweise nicht mehr sehen kann, wie aus dem Innern der »täglichen Verhältnisse von Lohnarbeit und Tausch ein antagonistisches Subjekt hervorgehen kann«. DeAngelis muss »sein Außen«, seine Commons als Außen, so auch immer wieder relativieren. Das staatliche Gesundheitswesen wird z.B. zum Common, das von der »Einhegung« durch Privatisierung bewahrt werden muss, gleichzeitig sind Krankenhäuser auch für DeAngelis staatliche Kontrollanstalten. Historisch sollen die »Einhegungen« (enclosures) den Beweis für seine Ausführungen liefern. DeAngelis stellt die historischen Commons als Einheit, als Gemeinschaft gegen die kapitalistische Einhegung dar. Aufheben sieht hinter der gemeinschaftlichen Nutzung von Weiden und Wäldern die Polarisierung der Gesellschaften in Bauernkapitalisten und Lohnarbeiter. Eine »gute Theorie« sollte ein Werkzeug sein, um uns besser mit den realen Widersprüchen und Menschen auseinandersetzen, uns einmischen zu können. Sie sollte uns bei der Lösung auch von DeAngelis‘ Dilemma helfen: warum kann das Kapital Kämpfe immer wieder integrieren, was waren die materiellen Gründe der Kompromisse, welche sozialen Kräfte waren im Spiel… Aufheben kommt zum Resümee, dass DeAngelis uns all das nicht bieten kann, stattdessen nur ein allgemeines Wertesystem überhistorischer »Gemeinschaften«. Und den moralischen und vagen Aufruf an den Einzelnen, sich diesen anzuschließen. weitere Artikeln zu diesem Schwerpunkt: siehe commons in Wildcat 88! |
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