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27.10.2016

Gekürzte und stark überarbeitete Fassung des Artikels in der Wildcat 100, Sommer 2016; Stand 26.10.2016

Disruptiver Wandel*

Warum gehen immer Massenentlassungen von Verkäuferinnen über die Bühne, während über das Schicksal von Autoarbeitern diskutiert wird? 2011/2 Schlecker, heute Tengelmann...

Wie lange noch stabilisiert die zunehmende Prekarisierung großer Teile der ArbeiterInnen die in den 70er Jahren erkämpften besseren Bedingungen der alten Stammbelegschaften in der Autoindustrie? Wann schlägt dieser Prozess um und auch die direktangestellten AutoarbeiterInnen müssen zu den neuen Bedingungen arbeiten?

Dieser Moment ist wahrscheinlich recht nahe; der »VW-Skandal« stellt den Umschlagpunkt dar. Der Angriff läuft in der Konstellation Abgasskandal / E-Auto / Auslagerungen / heraufziehende Wirtschaftskrise; die ersten beiden Punkte werden in den Medien in den Vordergrund gerückt, die anderen beiden eher verschwiegen.

Werden VerkäuferInnen und VW-ArbeiterInnen in dieser Perspektive in der Rolle der Opfer bleiben, die nur auf Betriebsrat oder Gerhard Schröder hoffen können? Oder entsteht am Horizont ein kämpferisches Proletariat, das seine Interessen wieder selber in die Hand nimmt?

Die heraufziehende Krise

Anhand der Verkaufszahlen (in China im September das 23-fache der Verkäufe in Russland) wird schnell deutlich, warum die globale Autoindustrie so abhängig vom chinesischen Markt ist. Laut der China Association of Automobile Manufacturers wurden dort im September 2016 knapp 26 Prozent mehr Autos als im Vorjahresmonat verkauft: 2 268 300. In den ersten drei Quartalen 2016 stiegen die Verkäufe um knapp 15 Prozent zum Vorjahreszeitraum auf 16 752 000, darunter 5 999 200 Millionen SUVs.

Zur gleichen Zeit sanken die PKW-Verkäufe in Russland erneut um knapp 11 Prozent zum Vorjahresmonat auf 125 568 Einheiten. Und in Griechenland wurden im September 2016 gerade mal noch 4 593 PKW verkauft.

In der BRD wurden in den ersten drei Quartalen etwas mehr Autos als in China in einem Monat verkauft: 2 555 783 – davon nur etwa ein Drittel privat!

Der chinesische Markt wird aber immer weniger von hier aus beliefert. Bereits 2015 sind die Exporte der deutschen Autoindustrie nach China um 16 Prozent eingebrochen, auch wenn die Absatzzahlen der einzelnen Firmen mit Ausnahme von VW noch leicht wuchsen. Der massive Aufbau von Produktionskapazitäten in China führt dazu, dass immer mehr Teile der dort verkauften Autos auch dort gefertigt werden – auch von »deutschen« Unternehmen. Die Autos dort zu produzieren, wo sie auch verkauft werden (z. B. in Mexiko für den amerikanischen Kontinent; siehe Wildcat 98: »Klassenkampf in den nordamerikanischen Gewaltökonomien«), führt dazu, dass die Jobs in der Autoindustrie der BRD deutlich zurückgehen werden. VW will mehr als zehn Prozent der Stammbelegschaften in der BRD entlassen. Auch Ford hat Entlassungen in Europa angekündigt.

Bereits jetzt lassen die deutschen Automultis fast zwei Drittel ihrer Autos im Ausland bauen. Aktuell beschleunigen sie die Verlagerung nach Osteuropa. In den letzten fünf Jahren haben sie dort gut neun Milliarden Euro investiert und mehr als 14 000 Jobs geschaffen. Daimler baut westlich von Breslau gerade ein neues Motorenwerk und in Ungarn neben das 2012 eröffnete Werk in Kecskemet für eine Milliarde Euro eine zweite Produktion. Vor wenigen Tagen hat VW eine Fabrik in Polen eröffnet, um dort in Zukunft die Crafter zu bauen. Die Slowakei und Tschechien gehören zu den wichtigsten VW-Standorten. Diese Investitionen schaffen die Voraussetzungen, um die ArbeiterInnen in der BRD massiv anzugreifen. Das wird aber im Moment mit »Abgas-Skandal« und »Elektro-Auto« zugedeckt, bzw. »begründet«.

Der sogenannte VW-Skandal – in dem (fast) alle drin hängen

Die einseitige Festlegung auf die CO2-»Klimaziele« führte zur »Dieselstrategie« der europäischen Autoindustrie, da Dieselmotoren weniger CO2 als Benziner ausstoßen. Vor etwa 15 Jahren wurde aber allen Beteiligten klar, dass die verschärften Abgasnormen EU5 oder gar EU6 (was in etwa dem US-amerikanischen Standard entspricht) nicht zu schaffen waren – vor allem weil man die Entwicklung mit immer mehr PS und immer schwereren Autos in die falsche Richtung getrieben hatte. Deshalb konzentrierte sich die Industrie auf Laborwerte – und der Staat hat das gedeckt, u. a. indem er die Abgasuntersuchung abschaffte (bei der AU wird seit 2008 nicht mehr gemessen, was aus dem Auspuff kommt, sondern lediglich der Bord-Computer ausgelesen – bezeichnenderweise gilt das für Autos, die nach dem 1. Januar 2006 gebaut wurden). Seither sind die Verbrauchsangaben, nach denen die Autos zugelassen werden, viel stärker als vorher gefälscht. Die Verbrauchswerte sanken auf dem Papier, blieben aber in der Realität gleich oder stiegen sogar (ein schwerer Diesel-PKW verbrauchte in den 70er Jahren typischerweise 5 bis 7 Liter; heute 6 bis 8 auf 100km).

Aber selbst um diese gefälschten Papierwerte zu erreichen, mussten so gut wie alle Autokonzerne weitere Tricks anwenden – und der Staat lieferte die Vorlagen, z. B. das »Thermofenster«: Zum Schutz der Motoren müssen etwa bei extremer Kälte die vorgeschriebenen Werte nicht eingehalten werden; einige Firmen haben das bei bis zu 17 Grad Umgebungstemperatur benutzt!

Die Bundesregierung war aktiver Spieler in diesem System; Mitte Juli wurde bekannt, dass auch die EU-Kommission bereits 2010 von diesen Manipulationen wusste. 2014 wies eine Untersuchung des International Council on Clean Transportation nach, dass Diesel-PKW durchschnittlich mehr als 7mal so viel Stickoxide ausstießen als erlaubt. Das war kein Geheimnis, darüber wurde breit berichtet.

Aber kein anderer Autokonzern fälschte so plump wie Volkswagen – und keiner versuchte so dreist, den Diesel-PKW auf den US-Markt zu drücken. Das wurde ihnen zum Verhängnis.

Im September 2015 musste VW nach Ermittlungen US-amerikanischer Behörden zugeben, bei weltweit mehr als elf Millionen Diesel-Fahrzeugen eine illegale Software eingesetzt zu haben, die Emissionswerte bei Tests künstlich senkte. Das stürzte den größten deutschen Konzern in die tiefste Krise seiner Geschichte. Die Aufarbeitung geht sehr langsam voran, weil etwas als »VW-Skandal« abgewickelt werden soll, in dem alle drinstecken.#

Der Zulieferer Bosch wird in den USA inzwischen als »wissender und aktiver Teilnehmer« am Abgasbetrug verfolgt. Auch Audi ist massiv unter Druck geraten und muss dort ebenfalls hohe Strafen bezahlen.

Ende Juni 2016 hatte sich VW mit den US-Behörden außergerichtlich geeinigt: gut zehn Milliarden für den Rückkauf manipulierter Dieselautos, plus fast fünf Milliarden Dollar an zwei Umweltfonds, plus mindestens 600 Millionen Dollar an klagende amerikanische Bundesstaaten (davon 86 Millionen Dollar an den Bundesstaat Kalifornien). Später kam noch eine Einigung mit Autohändlern über eine Zahlung von 1,2 Milliarden Dollar hinzu. Gestern hat ein Richter diese Einigung abgesegnet. Die strafrechtlichen Ermittlungen gehen aber weiter, und die Einigung schließt nicht die Dreiliter-Motoren von Audi ein. Somit ist klar, dass die rund 16,2 Milliarden Euro (umgerechnet rund 18 Milliarden Dollar), die VW für den Skandal zurückgestellt hatte, nicht einmal für die USA reichen werden.

Und obwohl die Bundesregierung VW über die Maßen schützt (z.B. indem sie die Möglichkeit einer Sammelklage zurückgewiesen hat), könnte es auch hier teuer werden: Die zuständige Staatsanwaltschaft Braunschweig eröffnete Anfang Juli ein Bußgeldverfahren. Laut Gesetz müsste VW die Gewinne zurückzahlen, die durch den Betrug gemacht wurden, am Ende könnten »einige hundert Millionen Euro« Strafe stehen.

Und dass in den USA die Kunden entscheiden können, ob sie ihre Autos an VW zurückverkaufen oder reparieren lassen und zusätzlich eine Barentschädigung von jeweils zwischen 5100 und 10 000 Dollar bekommen, wurmt Kunden in Europa ganz besonders, die mit einem Werkstattbesuch abgefunden werden sollen. Die EU-Kommission ist jedenfalls immer weniger gewillt, die Sonderbehandlung von VW durch die Bundesregierung zu dulden.

Auch die weltweiten Klagen von Aktienbesitzern auf Wertausgleich für erlittene Verluste können noch teuer werden. VW hatte am 3. September 2015 das Defeat-Device zugegeben, die Aktionäre aber erst am 18. September mit einer sogenannten Adhoc-Mitteilung informiert. Ende Juni kam die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) zu dem Ergebnis, VW habe seine Aktionäre ganz bewusst über die Risiken von Dieselgate im Unklaren gelassen. Somit habe das Unternehmen nicht nur gegen die Adhoc-Pflicht verstoßen, sondern sich außerdem der vorsätzlichen Marktmanipulation schuldig gemacht. Deshalb stellte die Bafin Strafanzeige gegen VW bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Braunschweig, die nun gegen Winterkorn und den gesamten VW-Vorstand ermittelt. Dadurch haben Aktionäre in einem Rechtsstreit mit Volkswagen deutlich bessere Aussichten auf Schadenersatz. Hierbei geht es um viele Milliarden, die Aktie ist seit Beginn der Affäre von mehr als 160 auf 125 Euro Ende Oktober gefallen.

Die geopolitische Dimension

Die Autoindustrie ist nicht mehr innovativ, sie muss gestützt werden wie ein schwerkranker Patient. Das treibt letztlich den »Wirtschaftskrieg« (Ramsauer, CSU) zwischen den USA und der EU:

  • die Deutsche Bank hat kein Geschäftsmodell mehr, wie sie als Bank Geld verdienen könnte und hat deshalb »das Spekulantentum zum Geschäftsmodell gemacht« (Gabriel, SPD);
  • VW konnte die Umweltauflagen in den USA nicht erfüllen und hat deswegen systematisch betrogen;
  • die Geschäftsmodelle von Apple, Google usw. bestehen sowieso nur aus Steuern sparen und Subventionen abfassen.

Deshalb läuft der »Wirtschaftskrieg« als juristische Auseinandersetzung um die diversen Betrugs- und Subventionsmodelle.

Ein Körnchen Wahrheit steckt aber in den Klagen der VW-Manager: »Warum wurde der Betrug ausgerechnet in dem Moment aufgedeckt, in dem wir die technische Lösung hatten?!« Die Dieseltechnologie wird in dem Moment bekämpft, in dem die neuesten Motoren das Stickoxid-Problem gelöst haben und EU6 erfüllen, das heißt, genausowenig Stickoxide wie ein Benziner, keine Partikel und bei CO2 besser! (Wie oben geschrieben bezieht EU6 sich allerdings auf künstliche Laborwerte; die Auseinandersetzung um »real driving emissions« – Emissionen im praktischen Fahrbetrieb – läuft gerade.)

Die deutschen Auto-Multis waren die einzigen, die in den USA PKW mit Dieselmotoren verkauften. VW ist in den USA nur ein Nischenanbieter mit einem verschwindend geringen Marktanteil. Aber jeder Automulti muss auf dem US-amerikanischen Markt mitspielen. VW hatte in den letzten zehn Jahren aggressiv darum gekämpft (2008 Eröffnung des Montagewerks in Chattanooga, parallel dazu die »Clean-Diesel«-Werbung, wodurch sich die Verkäufe von Dieselautos in kurzer Zeit verdreifachten). Nun hat die US-Justiz klar gemacht, dass sich Volkswagen dabei verhoben hat. VW verliert nicht nur den amerikanischen Markt, sondern muss dafür auch noch teuer bezahlen. Mit dem Skandal wurde dem Diesel-PKW auf dem US-Markt das Lichtlein ausgeblasen.

Selbstverständlich geht es um industriepolitische Interessen der USA. Die Summen, die VW berappen muss, sind sicherlich nicht »fair« im Vergleich zu General Motors. Dessen Management hatte gewusst, dass die Zündschlüssel ihrer Autos während der Fahrt auf die Aus-Position springen konnten – wodurch 120 Menschen starben. Trotzdem stellte die US-Regierung das Strafverfahren gegen GM 2015 gegen die Zahlung von 900 Millionen Dollar ein; dazu kommen Entschädigungen für die Opfer.

Wurde dem Diesel durch den Skandal auch insgesamt das Licht ausgeblasen? In der BRD sind noch immer 75 Prozent der verkauften BMW, 59 Prozent der Mercedes und 55 Prozent der VW Diesel. Nun pushen aber alle das Elektro-Auto.

Das E-Auto greift die Kernkompetenz der deutschen Automultis bzw. ihrer ArbeiterInnen an:

Antriebsstrang und Motoren. Zusammen mit Veränderungen beim Zusammenbauen der Autos (»Kleben statt Schweißen«) wird in Zukunft z. B. auch Foxconn Elektroautos bauen können. Was die ArbeiterInnen der Weißen Ware hinter sich haben, steht den AutoarbeiterInnen unmittelbar bevor.

Im Vergleich zu diesen Umbrüchen sind die Ökologie-Argumente zunächst zu vernachlässigen. Beim aktuellen deutschen Strommix stoßen Elektroautos (selbst unter Einbeziehung des Atomstromanteils!) pro Kilometer doppelt so viel Kohlendioxid wie Diesel der neuesten Generation aus, beim Stickoxid sieht es nicht anders aus. Greenpeace rechnete vor, dass ein Auto mit Verbrennungsmotor im Jahr 2020 nicht mehr als 60 g CO2/km emittieren muss. Wenn es in Größe und Performance einem E-Auto entspräche, sogar weniger als 50 g. Solche Werte könnten E-Autos erst 2030 erreichen, wenn bis dahin der Strommix verstärkt aus erneuerbaren Energien kommt. In einer kompletten Lebenszeit-Analyse kam das Heidelberger Umwelt- und Prognose-Institut zum Schluss, dass bei durchschnittlicher Nutzung E-Autos pro Personenkilometer nur unwesentlich weniger CO2 ausstoßen als Benziner und Diesel. Das Problem ist aber, dass E-Autos nur in weniger als der Hälfte der Fälle einen herkömmlichen PKW ersetzen, sondern zusätzlich angeschafft werden. Produktion und Betrieb dieser Zweit- und Drittautos verbrauchen Ressourcen, in den Städten blockieren sie Straßen und noch mehr Parkplätze. Durch Privilegien wie gesonderte Parkplätze oder kostenfreie Ladestationen werden E-Autos häufiger genutzt. In Norwegen, dem Musterland der Elektromobilität, fahren nahezu alle Käufer von E-Autos damit zur Arbeit. Vor dem Kauf nutzte ein Viertel von ihnen noch den Öffentlichen Personennahverkehr.

Beim Feinstaub ändert das E-Auto so gut wie nichts. Er entsteht vor allem durch Abrieb an Reifen und Bremsen.

Wenn die Stadtbusse in der BRD elektrifiziert würden (Oberleitungen oder E-Motoren), würde das deutlich mehr CO2 einsparen als was durch die E-Auto-Prämie erreicht werden kann. Und der Elektromotor würde dort eingesetzt, wo er schon jetzt sinnvoll ist: im Stadtverkehr. Je mehr Pendler das Auto zu Hause lassen (oder gar nicht erst eins kaufen), desto größer wäre der Umwelteffekt.

Mit dem E-Auto geht es nicht um Klima- und Umweltschutz, sondern um Industriepolitik. Laut dem Betriebsrats-Vorsitzenden Osterlohe wird »40 bis 50 Prozent der Wertschöpfung bei einem Elektroauto die Batterie sein«. Das könnte in etwa hinkommen, Motor, Getriebe, Auspuff, Kupplung usw. fallen ja weg; ein E-Auto ist eine starke Batterie, um die herum vier Räder, ein Computer, Sitze und ein bisschen Glas und Plastik montiert wurden. Bisher befördert die Batterieproduktion den Smog in China. »Industriepolitik« heißt in diesem Fall, eine gefährliche und umweltschädliche Produktion in der BRD aufzubauen. Es gibt keine Zahlen, wie viel Energie bei der Produktion von Batterien verbraucht wird, es ist aber anzunehmen, dass damit jedes Umweltargument hinfällig wird – dass aber insofern ein Schuh draus wird, als BR-Vorsitzender und SPD-Wirtschaftsminister einerseits Arbeitsplätze bei VW, andererseits Kohlestrom noch für ein paar Jahre fördern können.

Schließlich ist noch gar nicht sicher, wann Elektro-Autos alltagstauglich und bezahlbar sein werden. Tesla hat allein im ersten Quartal 2016 eine halbe Milliarde Dollar Verlust gemacht.

Es gibt viele Argumente gegen den Diesel, aber es gibt kaum Argumente für die aktuelle Art der Einführung von Elektro-Autos.

Was bedeutet das alles in Bezug auf die Klassenverhältnisse?

Sieht es in Wolfsburg in 20 Jahren so aus wie heute in Detroit? Kommune total verschuldet, Infrastruktur kaputt, kein Geld mehr, um die LehrerInnen zu bezahlen, fast nur noch bad jobs… ?

Im März ließ der VW-Konzern den ersten Versuchsballon steigen mit der Ankündigung über die Presse, zehn Prozent der Stammbelegschaft zu entlassen – intern begannen die Vertrauensleute bereits, die KollegInnen auf noch höhere Zahlen vorzubereiten. Die Süddeutsche machte den Zusammenhang von Krise und Angriff auf die ArbeiterInnen deutlich: »Diese Krise ... hat etwas Gutes. Denn sie führt endlich zu einem grundsätzlichen Umdenken.« Oder wie es ein VW-Manager im Sommer ausdrückte: »Der Dieselskandal hat den Konzernumbau enorm beschleunigt – fällig gewesen wäre er aber auch so.«

Der Elektromotor wird gebraucht, um die »Verhandlungsmacht« der AutoarbeiterInnen in den bevorstehenden Konflikten beim Umbruch der Autoindustrie zu untergraben. Mit der »Strategie 2025« beerdigt VW-Chef Müller auch offiziell die jahrelange Expansion des Konzerns. Er kündigte einen »kompletten Umbau« an, einige Unternehmensteile werden abgestoßen, die Zulieferer in einem eigenen Unternehmen zusammengefasst, ähnlich wie es Ford und GM Anfang des Jahrhunderts schon getan hatten (zu Kämpfen bei Visteon siehe Wildcat 84, Frühjahr 2009).

Nachdem ein Jahr lang immer wieder betont wurde, ohne betriebsbedingte Kündigungen auszukommen, wird seit einigen Wochen der Ton rauer.

Bei der außerordentlichen Betriebsversammlung am 20. Oktober kam es laut Süddeutscher Zeitung zur »Machtprobe auf offener Bühne«. VW-Markenchef Diess brachte eine 40-Stunden-Woche für Teile der Belegschaft ins Spiel – das würde den VW-Haustarifvertrag außer Kraft setzen. »Die Versammlung am Donnerstag war nicht öffentlich. Die Stimmung in der Belegschaft soll hitzig gewesen sein.« Ein Anwesender schreibt: »Diess hat in seinem Beitrag zum Zukunftspakt, den er dieses Mal vor dem BR hielt (sonst umgedreht), einige harte Punkte gebracht: starker Abbau der Leiharbeit, 40-Stunden-Woche für den indirekten Bereich, Fremdvergabe und Ausgliederung, keine automatische Übernahme der Azubis, kaum noch Einstellungen von außen. – Osterloh bestätigte, dass die Situation sehr ernst ist, hat von BR-Seite aber natürlich andere Lösungsvorschläge unterbreitet. Die Belegschaft soll hauptsächlich über eine attraktive Altersteilzeit verringert werden, dies sei dem Unternehmen aber zu teuer. Die Kollegen um mich rum meinten, die Verhandlungen sollen die großen Kröten in kleinere Frösche verwandeln, die wir dann zu schlucken bereit sind. Die Stimmung war mitunter recht laut und aggressiv. Die MLPDler sammeln gerade Interviews vor dem Tor.«

Fußnoten:

[*]Lesenswerter Artikel zu Disruption vs. Revolution: Marcus Hammerschmitt am 10. Juli 2016 auf telepolis »Verführerische Vokabeln«

[#]Die Süddeutsche hat eine Grafik mit allen erwischten Autos online gestellt.

 
 
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