Hallo,
die Wildcat 114 ist draußen!
Wir haben sehr viel Material reingepackt und im Editorial die inhaltlichen Bezüge zu verdeutlichen versucht. Online klappt das nicht so gut, weil praktisch jeder (Ab-)Satz auf einen Beitrag im Heft verweist. Deshalb ziehen wir einen Faden raus: die Geschichte der USA.
Wenn das kein amerikanischer Traum ist: Ein verurteilter Straftäter landet statt im Knast im Oval Office. Die Saat für Trump wurde in der globalen Krise 2008 ff. gelegt. Innerhalb weniger Monate wurden neun Millionen Menschen in den USA arbeitslos, durch das Platzen der Blase am Immobilienmarkt verloren fast zehn Millionen ihr Eigenheim. Viele mussten ihre Ersparnisse aufbrauchen, die sie eigentlich für den Ruhestand vorgesehen hatten. Und für die meisten dieser Leute ging es seither nicht mehr bergauf. »Trump ist (für sie) wie ein Antidepressivum« (Arlie Hochschild).
Es gab viele Analysen, hinter Trump stünde die »Fossilindustrie« – das hat nur so halb gestimmt.
Trump hatte mit »Drill Baby Drill!« versprochen, die Benzinpreise auf die Hälfte zu senken und der
Ölindustrie einen Deal angeboten: Ihr unterstützt meinen Wahlkampf mit einer Milliarde Dollar, dann könnt ihr bohren soviel ihr wollt! Bekommen hat er nicht mal ein Zehntel davon. Man schätzt, dass die Branche insgesamt rund 75 Millionen Dollar hat springen lassen. Sie haben keinen Nachholbedarf. Unter Biden - der den Umstieg auf Erneuerbare zur Priorität erklärt hatte! - haben die USA neue Rekorde bei fossilen Energien aufgestellt. Exxon-Chef Darren Woods: »Ich bin nicht sicher, wie sich ›drill, baby, drill‹ in Politik übersetzt.« Kein Unternehmen basiere seine Geschäftsstrategie auf einer Agenda der Politik. Selbst der texanische Energiebaron Bryan Sheffield, der mehr als eine Million Dollar für Trumps Wahlkampf gespendet hatte, sagte dem Wall Street Journal: »Unsere Aktien würden ins Bodenlose stürzen, wenn wir die Produktion so hochfahren, wie sich Trump das vorstellt«.
Trump hat sich mit der Nominierung von J. D. Vance den Zugang zu den Milliardären aus dem Silicon Valley geöffnet. Im Vergleich zu den läppischen 75 Millionen Dollar einer ganzen Branche hat Elon Musk allein mindestens 250 Millionen Dollar in Trumps Kampagne investiert! Und viele andere Tech-Milliardäre mit ihm. Musks Vermögen ist seit der Wahl auf 400 Milliarden gestiegen: die Tesla-Aktien sind mehr als eine Billion Dollar wert ... Aber es war nicht nur ein ökonomisches Investment. Trump wird gebraucht, um das Geschäftsmodell des Silicon Valley zu retten.
Mit Elon Musk, Joe Lansdale, Peter Thiel und David Sacks sitzt die Paypal-Mafia im Weißen Haus.
Malcolm Harris entwickelt in seinem sehr lesenswerten Buch »Palo Alto – the History of California, Capitalism and the World« anhand der Geschichte von Paolo Alto, wie sich diese Verbrecher aus dem Silicon Valley immer wieder als »Innovatoren« darstellen konnten und dabei ein altes kolonialistisches Modell weiter trieben. Noch immer ist die Erfahrung der »Frontier« die Grundlage US-amerikanischer Identität. Die »Eroberung des Westens« bedeutete aber die Vernichtung der Ur-Einwohner. Noch während des Unabhängigkeitskriegs gegen England erklärte George Washington, der erste US-Präsident, den Irokesen den totalen Krieg; »die völlige Vernichtung und Verwüstung ihrer Ansiedlungen und die Ergreifung so vieler Gefangener jeden Alters und Geschlechts als möglich«.
Sein Sklavenhalterkumpel Thomas Jefferson (der dritte US-Präsident von 1801 bis 1809) kündigte an: »Wenn wir jemals gezwungen werden, das Kriegsbeil gegen irgendeinen Stamm zu erheben, werden wir es erst niederlegen, wenn dieser Stamm ausgelöscht oder über den Mississippi hinausgetrieben ist«.
Malcom Harris‘ Buch setzt ein mit der Kolonisierung des dichtbesiedelten Kaliforniens. Dort hatte die spanische und mexikanische Herrschaft den Indigenen schon zugesetzt, als Mitte des 19. Jahrhunderts eine weitere Katastrophe geschieht: Es wird Gold gefunden.
Der Staat legalisiert die Gewalt von Siedlern, Goldsuchern und privaten Milizen gegen Indigene. Sie werden vertrieben, wenn weiße Landbesitzer Bedarf anmelden. Abraham Lincoln (der 16. US-Präsident von 1861 bis 1865) weist seinen Frontkommandeur an, »die Sioux vollständig zu vernichten (...). Zerstören Sie alles, was ihnen gehört, und treiben Sie sie in die Plains hinaus, es sei denn, (...) Sie können sie gefangen nehmen«. Die aktuelle Forschung geht von insgesamt 13 Millionen indigenen Opfern der Kolonisierung Nordamerikas seit 1492 aus.
Theodore Roosevelt (26. US-Präsident von 1901 bis 1909) mit eigener Ranch im Westen, bringt seine Sichtweise im vierbändigen Werk »The Winning of the West« zu Papier. Er äußert Stolz auf die umfassende und schnelle »Rassenexpansion«, zu der die Siedler nach seiner Überzeugung moralisch berechtigt waren. Herbert Hoover (31. US-Präsident) hatte sein Vermögen mit Bergwerken in den englischen Kolonien gemacht; er wird im Buch von Harris ausführlich vorgestellt als typischer Absolvent der Stanford-Uni.
In den 1970er Jahren gehen paramilitärische Einheiten gegen Aufständische vor. Seit fast 50 Jahren befindet sich der Indigene Leonard Peltier als Mitglied des American Indian Movement in Haft, der ohne Beweise wegen Mordes verurteilt wurde. Joe Biden hat seinen nichtsnutzigen Sohn begnadigt – aber immer noch nicht Leonard Peltier!
Trump (nun bald 47. US-Präsident) hat versprochen, elf Millionen Menschen, die ohne offizielle Erlaubnis in den USA leben, zu deportieren. Auch in seinem Abschiebewahn ist er weder neu noch originell: In den Dreißiger-, Vierziger- und Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts gab es große Deportationskampagnen gegen »unrechtmäßig Eingewanderte«. Millionen mexikanischer Staatsbürger wurden über die Grenze nach Süden gekarrt. Die berüchtigste Abschiebeaktion ereignete sich 1954/55 unter dem 34. US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower. Sie trug die rassistische Verachtung bereits im Namen: Operation Wetback. »Nassrücken« war das Schimpfwort für die Mexikaner, die den Grenzfluss Rio Grande schwimmend oder watend durchquerten, um die USA illegal zu erreichen. (Siehe die Studie von Benny Goodman »The Deportation Machine: America’s Long History of Expelling Immigrants«, 2021)
Am Ende seiner ersten Amtszeit hatte Trump übrigens weniger Menschen aus dem Land geschafft als zum Beispiel Barack Obama.
Die Verschuldung der USA ist auf 35 Billionen Dollar angewachsen. Das bestehende Haushaltsdefizit von knapp zwei Billionen Dollar wird durch die von Trump versprochenen Steuersenkungen weiter wachsen (bereits in seiner ersten Präsidentschaft hatte er mehr Schulden aufgehäuft als nach ihm Biden). Um das Haushaltsloch zu stopfen, müssen die USA ihren Schuldenberg weiter erhöhen. Das geschieht durch die Ausgabe von US-Staatspapieren. Um diese an den Mann zu bringen, muss der US-Finanzminister (ab Januar der Hedgefonds-Manager Scott Bessent) höhere Zinsen bieten. Höhere Zinsen treiben den Dollarkurs nach oben. Und die USA haben nicht mehr die Macht, um wie 1985 Japan, Frankreich, Großbritannien und die BRD im Plaza-Abkommen zu verpflichten, den Dollar gemeinsam zu drücken. Und vor allem: diese fünf Länder können das auch gar nicht mehr. Deshalb will Trump sich die Fed unterwerfen. Die US-Notenbank ist aber der Anker des Weltfinanzsystems. Zweifel an ihrer Unabhängigkeit würden nicht nur die Stabilität der globalen Finanzmärkte unterminieren, sondern auch den Dollar als Leitwährung infrage stellen, mehr als das die wachsende Stärke der BRICS bereits tut.
Durch die Sanktionspolitik wurde der Dollar aus außenpolitischen Gründen politisiert, nun wird er aus innenpolitischen Gründen manipuliert.
In diesen Zusammenhang gehört auch die Begeisterung Trumps und der Silicon Valley-Größen für Bitcoin. Am 7. Dezember hat Trump David Sacks zum Beauftragten für KI und Kryptowährungen ernannt. Die USA können nicht ein völlig unreguliertes Krypto-System pushen und gleichzeitig die Macht über das globale Finanzwesen behalten. Hier stehen ziemlich heftige Kämpfe bevor.
Ein wichtiges Verbindungsglied von Trump/Musk auf der einen, FDP/Merz auf der anderen Seite ist Mathias Döpfner, Milliardär und Freund von Elon Musk. Als Chef von Springer hatte er die Redaktion der Bild-Zeitung aufgefordert »please stärke die FDP«. Und Lindner versucht zu liefern: Nach krachenden Niederlagen bei Landtagswahlen erklärte die FDP öffentlich, nun innerhalb der Ampelkoalition verstärkt den Kampf gegen »linke Projekte« wie Atomausstieg führen zu wollen. Die nächsten Landtagswahlen verlor sie noch deutlicher, aber den Kurs behielt sie bei. Tage nach seinem D-Day erklärte Lindner, »die Deutschen sollten ein kleines bisschen mehr Milei und Musk wagen«.
Der FDP geht es nicht um kapitalistische Zukunftsfähigkeit, sie führt einen »Kulturkampf«, ums Überleben. Und Habeck hat Ökologie abgeräumt und pusht die Rüstungsindustrie.
Betriebsschließungen, Lohnsenkungen, Bürgergeld wird wieder Hartz, Lage der Geflüchteten, Wiedereinführung von Studiengebühren, länger arbeiten (Russwurm, noch als Chef des BDI: »Bei 42 Stunden fällt doch nicht jeder tot von der Stange.«).
VW will Lohnsenkungen und massiven Arbeitsplatzabbau durchsetzen. Die Aktionäre haben sich gerade 4,5 Milliarden Euro Dividende auszahlen lassen. Und die IG Metall? Macht mit dem Betriebsrat eigene Sparvorschläge plus zwei Jahre keine Lohnerhöhungen. Trotzdem weist das der VW-Vorstand brüsk zurück.
Zur gleichen Zeit ist der Dax zum ersten Mal über 20000 gestiegen, er hat 3000 Punkte in einem Jahr gewonnen. Auch in den USA sind die Aktien nach Trums Wahlsieg gestiegen. Der sogenannte Buffett-Indikator steht auf einem Rekordhoch. Er setzt die Marktkapitalisierung von Aktien ins Verhältnis zur US-Wirtschaftsleistung. Sein langjähriger Durchschnitt liegt bei knapp 90 Prozent, ab einem Wert von mehr als 100 gelten US-Aktien als überbewertet. Derzeit sind sie bei über 200 Prozent.
An den globalen Finanzmärkten sind mehr als 450 Billionen Dollar angelegt; dieser Reichtum ist größtenteils durch legale oder illegale Steuervermeidung entstanden. Ihn zu besteuern oder gar zu beschlagnahmen, um die »grüne Wende« zu wuppen, traut sich keine institutionelle politische Kraft. Und damit sind wir beim Edi der Wildcat 113 und der Macht der Milliardäre:
Laut Statistischem Bundesamt leben mehr als 627 000 Deutsche, die keiner Lohnarbeit nachgehen, ausschließlich von ihren leistungslosen Einkünften aus anderer Menschen Arbeit. Am 15. November 2023 errangen diese Deutschen einen leistungslosen Sieg: das Bundesverfassungsgericht gab der Klage von Friedrich Merz gegen den Klima- und Transformationsfonds der Ampelregierung statt; damit fehlten dieser 60 Milliarden Euro im Nachtragshaushalt 2021. Das war der Anfang von ihrem Ende. Bevor es am Tag nach Trumps Wahlsieg exekutiert wurde, hatte man vormittags noch schnell gemeinsam mit der Union das Asylrecht abgeschafft.