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13.04.2013
– Die Südafrika-Artikel aus Wildcat 37 (1985) und Wildcat 38 (1986) –

Südafrika – »Jammmert nicht, organisiert euch!«

(Slogan auf Demos in Südafrika)


Für die Multis war die Apartheid in Südafrika zwei Jahrzehnte lang ein sehr zeitgemäßes Ausbeutungskonzept: die Profite sprudelten wie an wenigen Orten der Welt. Seit einigen Jahren hat sich das Bild gewandelt: die Arbeiter der multinationalen Firmen sind bei Streiks, Mietkämpfen und anderen Aktionen an vorderster Front, haben sich hohe Lohnzuwächse erkämpft und die Apartheid und sämtliche Versuche, diese zu reformieren, immer wieder blockiert; die Profite der Multis sind von 20 Prozent 1980 auf 5 Prozent 1984 gefallen – und seither sind die Kämpfe regelrecht explodiert. Die Multis basteln deshalb seit ein paar Jahren an einem »moderneren« Ausbeutungskonzept. Gegen die Kämpfe der Arbeiter haben sie mit riesigen Investitionen und neuer Technologie eine neue Klassenzusammensetzung angepeilt, bilden schwarze Vorarbeiter und Facharbeiter aus, bauen Betriebsrats- und Industriegewerkschaftsstrukturen auf. Die »Erpressbarkeil des Westens« durch südafrikanische Rohstoffe ist ein frommes Märchen, beinahe alle Rohstoffe sind inzwischen durch andere ersetzbar, die Multis haben sich zusätzliche Lieferanten aufgebaut und Diamanten z. B. gibt's auf dem Weltmarkt seit einiger Zeit im Überfluß. In Wirklichkeit ist das Burenregime von den Multis und ihren Banken abhängig. Die amerikanischen Banken konnten im August ein viermonatiges Ultimatum stellen: wenn die Buren den Klassenaufstand bis dahin nicht so oder so bereinigt haben, wird ihnen mit 14 Mrd. Dollar kurzfristig rückzahlbarer Kredite der Hahn zugedreht. Für die Multis, ihre Banken und Regierungen geht es nur noch darum, die Schraube so anzuziehen, daß die eigenen Profite nicht darunter leiden, deshalb das langwierige Austarieren von dem, was Reagan dann als »Sanktionen« verkaufen wollte. Ihr Hauptproblem ist allerdings: was kommt nach dem Burenregime? Deshalb die EG-Delegation im Sommer, die sich mit dem südafrikanischen Geheimdienstchef, mit allen »demokratischen« Marionettenstrukturen sowie mit der gesamten Opposition getroffen hat. Deshalb UNO-Hearings, deshalb das Treffen zwischen dem größten südafrikanischen Unternehmen WC mit dem ANC im August ... Und genau auf dieser Schiene versucht sich der ANC auch ins Machtspiel einzubringen. Wenn die Hewlett Packard- Managerin für Südafrika am 23. September in Business Weekmeint: »Die Apartheid ist ein Hindernis für die ökonomische Entwicklung in Südafrika«, dann echot der ANC-Vertreter im Oktober in der ARD: »Um die weitere ökonomische Entwicklung in Südafrika zu garantieren, müssen demokratische Verhältnisse hergestellt werden, muß der ANC an die Macht.«

Soweit Konsens. Zwei Probleme bleiben: erstens darf das Ganze nicht zu schnell gehen; die zweieinhalb Millionen »armen Weißen« dürfen jetzt nicht auch noch zu kämpfen anfangen (faschistische Kommandos, Bürgerwehren...), denn mit dem Zusammenbruch der von den Buren geleiteten Institutionen, Ämter und Repressionsapparate würde die Sache für die Multis unregierbar à la Libanon. Und zweitens muß der ANC den Multis erst noch beweisen, daß er die Strukturen und die Macht hat, den sozialen Frieden zu gewährleisten. Und bezeichnenderweise hat der ANC das Jahr 1985 nicht etwa zum Jahr der Befreiung oder so was ausgerufen, sondern zum »Jahr des Kaders«, denn wie sie selbstkritisch anmerkten, verfügen sie noch nicht über die Strukturen, die Gewalt auf den Straßen und die Streiks in die richtige Richtung zu lenken - und welche Richtung das ist, macht z.B. Nelson Mandela deutlich, wenn er sagt, daß man natürlich nicht sofort die rassische Gleichheit und »one man, one vote« durchsetzen könne... Währenddessen arbeitet die Zeit, also die Klasse, massiv gegen die Multi-Strategien: Streiks und Unruhen nehmen weiter zu, dehnen sich regional und sektoral immer weiter aus; der Ausnahmezustand hat das nicht stoppen können, so gut wie alle Multis waren dieses Jahr schon von Streiks betroffen, »und wir wären froh, wir hätten nur betriebliche Kämpfe«, sagte ein Multi-Manager neulich. Das Problem für sie ist tatsächlich größer, wie man an Mietstreiks, Straßenkämpfen usw. sieht – und auch hier sind die Townships um die multinationalen Firmen herum die »Brandherde«, die nicht mehr verlöschen...

»Der Widerstand verstärkte sich in der zweiten Hälfte des Jahres. Im Juni streikten 300 Fahrer der öffentl. Transportgesellschaft PUTCO und setzten 33 1/3 Prozent Lohnerhöhung durch... Ein bemerkenswerter Grad an Arbeitersolidarität wurde im Streik der Dockarbeiter in Durban und Kapstadt deutlich. Die militanten Schauerleute von Kapstadt bewiesen ihre Verhandlungsstärke im Oktober und November, indem sie eine Arbeit-nach-Vorschrift-Kampagne starteten... In den ersten drei Monaten (des nächsten Jahres) waren über 61.000 Arbeiter an 160 Streiks beteiligt. Am 9. Januar trat die gesamte Belegschaft, fast 2000 Arbeiter einer Ziegelfabrik in einem Vorort von Durban in den Streik und forderte eine Anhebung des Mindestlohns von 8,97 Rand auf 20 Rand pro Woche. In den Zeitungen erschienen Fotos der streikenden Arbeiter, die sich auf einem Fußballplatz versammelt hatten oder auf der Straße mit einer (als Verkehrskontrolle »getarnten«) roten Fahne demonstrierten...

Am 25. Januar gingen die Arbeiter aus den großen Fabriken im Pinetown-New Germany-Industriekomplex (Durban) in den Streik. Die ersten waren die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Frametex-Textilfabrik, die zwischen 5 und 9 Rand pro Woche verdienten und jetzt einheitlich 20 Rand Mindestlohn forderten Am nächsten Tag hatte sich der Streik auf alle anderen Fabriken der Frame-Gruppe ausgeweitet und bezog jetzt ungefähr 6000 afrikanische und auch viele indische Arbeiterinnen und Arbeiter mit ein... Die Streiks verliefen alle nach dem selben Muster: die Arbeiter riefen ihre Forderungen nach 20 oder 30 Rand Mindestlohn aus, sie lehnten es ab, an die Arbeit zurückzukehren oder Anführer zu wählen. Wenn eine Fabrik wieder an die Arbeit ging, fing die nächste an zu streiken...«

Diese Aktionen waren der Auftakt zur bis dahin größten Streikwelle in Südafrika, ihr Zentrum waren die multinationalen Betriebe in der Region von Durban. Ihre große Stärke lag in der autonomen Organisation: sie waren ausschließlich von den Arbeitern selbst organisiert, da es »schwarzen« und »farbigen« Arbeitern verboten war, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Eine weitere große Stärke lag darin, daß die Arbeiter alle Spaltungen in Schwarze und Farbige, Frauen und Männer, Wanderarbeiter und städtische Arbeiter überwunden haben.

Diese Streikwelle fand 1973 statt! In den nächsten Jahren geschah dann nichts besonders Spektakuläres: die Streiks nahmen an Anzahl und Intensität deutlich ab, weiteten sich dafür aber über das ganze Land aus. In den Schlüsselindustrien Elektro, Maschinenbau, Chemie, Textil, also in den Betrieben der Multis, die im Boom der 60er Jahre hier angesiedelt worden waren und große Wachstumsraten aufwiesen, entstanden Arbeiterzellen. Ausgehend von diesen Betrieben entwickelte sich eine unübersehbare Anzahl von kleinen und kleinsten Konflikten, die sich statistisch nicht erfassen lassen, die aber viele kleine Verbesserungen beim Lohn und den Arbeitsbedingungen brachten.

Soweto

Am 16. Juni 1976 verübten die Bullen in Soweto ein Massaker an demonstrierenden Schülern und Studenten. Seit Mitte Mai hatte es immer wieder Demos gegen die Einführung von Afrikaans, der Sprache der burischen Unterdrücker, als Unterrichtssprache an afrikanischen Schulen gegeben. Nach dem Massaker explodierte Soweto und wie ein Buschfeuer breiteten sich die Unruhen auf Pretoria, Daveton, Springs, Nigel und Teile des Orange Free State aus. Die Jugendlichen kämpften mit Streichhölzern und Benzinbomben, aber es waren alles andere als wütende und ungezielte Unruhen. Als der Aufstand auf Kapstadt übergriff, zeigte sich eine deutliche Arbeitsteilung zwischen demolierenden Gruppen und Demonstranten, in Port Elizabeth konnte man die gleiche Taktik sehen. (Der ANC hielt sich raus und bezeichnete die Aufstände nachher als »führerlose Unruhen«)

»Wenn wir die Eltern auf unsere Seite bringen, können wir einen Streik ausrufen; wenn wir einen Streik ausrufen, bricht die Wirtschaft zusammen; wenn die Wirtschaft zusammenbricht, haben wir 1977 die schwarze Herrschaft.« (aus einem Flugblatt) Und die Aufrufe der Schüler an ihre Arbeiter-Eltern waren erfolgreich: zweimal, im August und im September 1976 legten die schwarzen Arbeiter drei Tage lang die Arbeit nieder und brachten die Industrie, besonders in Johannesburg und Kapstadt, zum Stillstand. Es wird geschätzt, daß sich an dem zweiten Streik eine dreiviertel Million Arbeiter beteiligten. Wiederum war die Arbeiterklasse fähig, autonom und ohne gewerkschaftliche oder politische Organisation die nächste Stufe im Kampf zu nehmen: von den betrieblichen Kämpfen zum allgemeinen Streik.

Die Antwort des Rassistenregimes war brutal: in ihren eigenen Statistiken sprechen sie von über 1000 Toten, die meisten davon Schulkinder. Die Repression reichte aber nicht aus, um einer Situation Herr zu werden, von der ein hoher Offizier meinte: »Wir leben bereits unter politischen, ökonomischen und militärischen Bedingungen, mit denen man üblicherweise Krieg verbindet.« In einem Sofortprogramm wurden einige Rassenschranken, wie z. B. die Reservierung bestimmter Arbeiten nur für Weiße gestrichen. Dies sollte aber nur ein Vorspiel für tiefergreifende Veränderungen sein. Um diese auszuarbeiten, setzte das Regime nach Soweto zwei Kommissionen ein: die Wiehan- und die Riekert-Kommission.

Die Wiehan-Kommission sollte das Apartheidsystem auf Fabrikebene den neuen Erfordernissen anpassen. Sie bewegte sich auf schmalem Grad zwischen dem Verlangen der Multis, die strikten »Job-Reservations« ihren Verwertungsbedürfnissen anzupassen und einer weißen Aufpasser-Arbeiterschaft, die auf ihre Privilegien nicht verzichten wollte (kurz vor Veröffentlichung des Berichts 1979 rief die weiße Gewerkschaft Warnstreiks aus).

Dementsprechend mager waren die Ergebnisse: die Job-Reservation wird aufgegeben, es werden Schulungsprogramme und Qualifikationszentren für Schwarze eingerichtet; eine neu zu schaffende Institution namens »National Manpower«, an der sich die Multis direkt beteiligen, soll in Zukunft den Arbeitsmarkt organisieren. Den inzwischen stark angewachsenen unabhängigen »schwarzen« Gewerkschaften bot man an, sich legalisieren zu lassen, dazu müßten sie ihre Akten rausrücken und sich für die »Registrierung« bewerben (es entstand im Gefolge auch eine heftige Auseinandersetzung in und zwischen den Gewerkschaften, ob sie sich registrieren lassen sollten oder nicht; die Mehrheit hat diesen Weg inzwischen beschritten), um ihnen Druck in diese Richtung zu machen, wurden gleichzeitig gelbe Hausgewerkschaften eingerichtet.

Die Riekert-Kommission sollte sich mit der gesellschaftlichen Klassenzusammensetzung beschäftigen. Riekert stellte fest, daß 5 Mio. Afrikaner in den Städten wohnten (inzwischen dürften es etwa 10 Mio sein), von denen wäre die Hälfte »ökonomisch aktiv« und davon nochmal 60 Prozent nur legal. Diesen Legalen stellte er nun Familiennachzug, Lockerung der Meldepflicht und die Möglichkeit, in den Gettos Grundbesitz zu erwerben, in Aussicht. Den anderen drohte er mit verschärften Zuzugskontrollen und der Einrichtung von Arbeitsbüros in den Homelands. Riekert setzte also auf eine verstärkte Aufspaltung zwischen den städtischen und den Wanderarbeitern.

Kurz vorweggenommen haben beide Konzepte schon deswegen nicht funktioniert, weil die Multis weiterhin Illegale beschäftigten und die Millionen von illegalen Afrikanern sich nicht mehr vertreiben lassen.

1979/80: ein neuer Arbeiterkampfzyklus

Im Mai 79 wird der Wiehan-Bericht veröffentlicht, im Oktober 79 werden die darin vorgeschlagenen neuen Arbeitsgesetze verabschiedet. Aber so lange haben die Arbeiter nicht gewartet:

In der Nahrungsmittelfabrik Fatti's and Moni's hatten sie Anfang des Jahres einen Mindestlohn von 40 Rand verlangt (bis dahin verdienten Arbeiter durchschnittlich 32 Rand, Arbeiterinnen zwischen 19 und 27 Rand pro Woche). Am 23. April schmeißt die Firma fünf Arbeiter raus, die als Sprecher aufgetreten sind. Am 25. April treten deswegen 78 der 250 Arbeiter in den Streik. Die unabhängige Nahrungsmittelgewerkschaft ruft am 11 .Mai zum Boykott der Fatti's and Moni's-Produkte auf; dieser Boykott stößt landesweit auf praktische Zustimmung. Die Arbeiter werden von der Gewerkschaft mit 15 Rand pro Woche unterstützt und halten den Streik gegen alle polizeilichen Einschüchterungen und rassistischen Spaltungsversuche 7 Monate lang durch. Am 8. November kommt es zu folgender Abmachung, die vor allem die Gewerkschaft stärkt und mit den Arbeiterforderungen wenig zu tun hat: 14,5 Prozent Lohnerhöhung, die Streikzeit wird als Arbeitszeit bezahlt, ein Jahr später wird die Gewerkschaft vom Unternehmen anerkannt.

Von November 79 bis Januar 80 laufen mehrere Streiks bei Ford. Hier zeigte sich noch stärker, in welche Richtung der Zug nun gehen sollte: Ford führte bezahlte, von der Arbeit freigestellte Vertrauensleute ein.

Im Dezember 79 sind wieder die Kapstädter Hafenarbeiter an der Reihe. Bis zum März 1980 kämpfen sie mit Demos und Streiks, dann haben sie sich durchgesetzt: ihrem Arbeiterkomitee werden die vollen Verhandlungsrechte über Lohn und Arbeitsbedingungen zuerkannt.

Aber damit ist die neue Kampfwelle noch keineswegs zuende, sie fängt erst richtig an: Mitte 1980 ist »das Gespenst von 1973« (wie ein Journalist es ausdrückt) endgültig nach Südafrika zurückgekehrt. Ende Mai gehen 7000 Arbeiter und Arbeiterinnen in den Textil-Betrieben der Frame-Gruppe in den Streik und fordern eine 25-prozentige Lohnerhöhung. Von Mai bis August 1980 streiken die Fleischarbeiter in Kapstadt. Im Juni und Juli gehen über 3000 VW-Arbeiter in den Streik, sie fordern 2 Rand Stundenlohn (was einer Lohnerhöhung von durchschnittlich 90 Prozent entsprochen hätte). Der Streik weitet sich auf vier andere benachbarte Fabriken in Uitenhage aus: 4000 weitere afrikanische Arbeiter streiken. Aber auch hier akzeptieren die Arbeiter für das Linsengericht der formalen Anerkennung »ihrer« FOSATU-Gewerkschaft eine Lohnerhöhung auf lediglich 1,48 Rand. Das Abkommen wird von VW, General Motors und Ford unterzeichnet. usw. usw.

Mit dieser neuen Streikwelle haben die Arbeiter die Spaltungslinien und repressiven Maßnahmen von Riekert-Wiehan zerfetzt, sie haben sich noch einmal relativ hohe Lohn-steigerungen erkämpft. Gleichzeitig mit dem massiven Anwachsen der Mitgliederzahlen der unabhängigen Gewerkschaften und deren nun durchgesetzter Verhandlungsstärke beginnt aber auch ein Prozeß der Transformierung dieser Gewerkschaften von Basisvertretungen zu Apparaten mit freigestellten Betriebsräten, ehrgeizigen Funktionären (die seither in viele Korruptionsfälle verwickelt waren) und einer eigenen Verhandlungslogik. Wie weit gehend sich diese unabhängigen Gewerkschaften letztlich auf den Wiehan-Riekert-Linien bewegen, zeigt das Beispiel, daß die General Workers Union bei einer Entlassung mit dem General Motors Management aushandelte, daß zuerst die Wanderarbeiter rausfliegen zugunsten der städtischen Arbeiter.

Nachdem die Arbeiter durch ihre Kämpfe die bisherige Ausbeutung unter Apartheidsbedingungen zunehmend unmöglich gemacht haben, schwenken die Multis nach und nach auf diese Linie um, »moderne Gewerkschaften« in Südafrika zu fördern. Der erste ist Kellog (Cornflakes), der im August 79 die Süßigkeiten und Lebensmittelarbeitergewerkschaft SFAWU/FOSATU anerkennt und deren Führer Chris Diamini als bezahlten Vertrauensmann für Schulungs- und Organisationsarbeit freistellt. Diamini ist heute Vorsitzender der FOSATU, des größten Dachverbandes afrikanischer Gewerkschaften.


Welche ambivalente Rolle diese Gewerkschaften spielen und wie sie immer wieder hinter den realen Arbeiterkämpfen herhinken, wird am wichtigsten Streik von 1980 deutlich, den ich bisher nicht erwähnt habe, dem Streik der Johannesburger Stadtwerkearbeiter. Die BMWU (unabh. Gewerkschaft) hatte sich gerade dafür entschieden, sich registrieren zu lassen und befand sich in zähen Verhandlungen mit dem Stadtrat von Johannesburg, der versucht hatte, sich noch schnell eine gelbe Hausgewerkschaft zu gründen. Ein Leitungsmitglied der BMWU berichtet, wie es dann weiter ging:

»Dann entschied das Schicksal, einen Stock zwischen die Speichen zu werfen. Ein längerer Streit über Löhne und Arbeitsbedingungen in dem Orlando-Elektrizitätswerk kam schließlich zum Ausbruch. Ein spontaner Streik wurde uns am Donnerstag, dem 24. Juli aufgezwungen... Am nächsten Tag streikten an die 3400 Arbeiter als Unterstützung für ihre (rausgeschmissenen) Kollegen... Wir konnten nicht viel tun, sondern beobachteten hilflos, wie die Situation schlimmer wurde. Nach einem ziemlich ruhigen Sonntag weigerten sich die Müllarbeiter des Selby-Depots, ihre Schicht am Sonntagabend, 27. Juli zu übernehmen. Am folgenden Morgen, dem 28. Juli schwoll die Zahl der Streikenden auf beispiellose 10.000 an. Der Stadtrat bettelte, schmeichelte und drohte, aber die Arbeiter beugten sich nicht. Zu dieser Zeit fand der Rat heraus, daß, obwohl die Arbeiter ursprünglich nur aus Solidarität mit ihren gefeuerten Kollegen auf die Straße gingen, tausende auch ähnliche und drängende Beschwerden hatten, nämlich Geld. Einheitlich erklärten die Arbeiter, daß es unmöglich sei, mit 29,30 oder auch 38 Rand pro Woche im inflationsgeschüttelten Johannesburg zu leben. Die meisten unserer Mitglieder sind Wanderarbeiter, sie können nicht lesen und schreiben und neigen zu Stammesmesdenken - sie könnten leicht nach Stammeslinien auseinanderdividiert werden. Oder wenigstens dachte der Rat das. Den Arbeitern wurde gesagt, daß die Repräsentanten der verschiedenen Homelands eingeladen werden würden, um mit ihnen gemäß ihrer jeweiligen ethnischen Gruppen zu reden. Die Arbeiter überraschten den Stadtrat und uns, indem sie mit den Homelandvertretern nichts zu tun haben wollten; sie weigerten sich auch, selbst vier Kandidaten aus jedem Lager für Gespräche mit der Geschäftsleitung zu wählen. Sie sagten nur immer wieder, daß die Gewerkschaft alles Reden für sie machen würde. Das war ihr letztes Wort am 30. Juli...«

All diese Distanziertheit gegenüber den realen Klassenforderungen und Kampfformen nutzt der Führungsgarde der BMWU (typischerweise für die südafrikanischen Verhältnisse!) mal wieder nichts: sie werden verhaftet und wegen Sabotage angeklagt (nicht wegen Sabotage des Streiks, sondern weil »Anzetteln eines Streiks« nach südafrikanischem Gesetz Sabotage ist). Der Streik selber wird mit militarischen Mitteln brutal zerschlagen, die Arbeiter in die Homelands deportiert. Einer der beteiligten Arbeiter sagte später: »Heute sage ich, daß es keine Rolle spielt, daß ich den Job verloren habe und in das Bantustan gebracht wurde. Ich bin wieder hier in Johannesburg, und ich bin bereit alles zu verlieren für den Kampf, weil sonst meine Kinder genauso leiden werden.«

Community, Straßenkampf, Bürgerinitiativen

Um die aktuellen Kämpfe verstehen zu können, müssen wir jetzt nochmal zu dem anderen Schauplatz des proletarischen Kampfs in Südafrika umschwenken: den Gettos. In Südafrika müssen alle »Non-Whites« (Afrikaner, Inder, Mischlinge) in Gettos leben. Die haben sich inzwischen zu Millionenstädten entwickelt, deren genaue Einwohnerzahl niemand kennt: für Soweto gibt es offizielle Zahlen von 800.000 Einwohnern, andere von 1,5 Mio., in Wirklichkeit dürften da etwa 2,5 Millionen leben; 95 Prozent davon leben seit über 20 Jahren in Soweto oder sind da geboren, sie fühlen sich weder Stämmen noch Homelands zugehörig, ihre Heimat ist Soweto. Das mußten die Rassisten auch an Crossroads erfahren, das sie um ein paar Kilometer verlegen wollten: in einem jahrelangen Kampf haben die Bewohner das verhindert. Der Zustrom von verarmten Leuten vom Land in die Gettos hält weiter an: man schätzt, daß täglich 1000 Leute nach Crossroads ziehen. Diese Illegalen kommen dann erst mal bei Verwandten unter (die Einfachsthäuser und Hütten sind alle überfüllt). Die kommunitären Strukturen sind überhaupt stark entwickelt: von der illegalen Kneipe, in der man sich trifft und sein illegal gebrautes Bier trinkt, über die Schulen, wo sich die Kinder treffen und aufhalten, die Eisenbahn- und Busstationen, wo jeden Morgen Zehntausende stundenlang auf den Bus warten, der sie zur Arbeit in die »weißen Gebiete« bringt, über Sport, Tanz, Modeschauen und Kirche bis hin zu den selbstorganisierten Sterbekassen (da die Leute sehr arm sind und anständige Beerdigungen sehr teuer: der Sarg, Essen und Trinken für die riesige Trauergemeinde). Auf diese Strukturen konnten auch immer wieder die proletarischen Jugendlichen zurückgreifen (über die Hälfte der Afrikaner ist jünger als 15) sei es bei den Schulstreiks, sei es bei Straßenkämpfen.

Nach den Aufständen 1976 hat das Regime deshalb große Anstrengungen unternommen, die Gettos umzustrukturieren, hat den Wohnungsbau vorangetrieben, Wasser und Strom verlegt (Siemens hat z. B. Soweto elektrifiziert, die Deutsche Bank 180 Mio. DM Kredit dafür gegeben) usw. Gerade wegen der Strompreise sind in den letzten Jahren viele Kämpfe gelaufen. In Soweto zahlten die Bewohner z.B. für ein Häuschen vorher 30 Rand Miete und sollten nun für den Strom 80 Rand monatlich zahlen – und zwar obligatorisch, denn gleichzeitig wurde ein Gesetz gegen Smog verabschiedet, das offene Feuerstellen in Soweto verbietet. Nach 1976 sind tausende solcher Initiativen gegründet worden, die Kämpfe gegen Strompreis, Mietpreis- und Buspreiserhöhungen organisieren sollten. Die Versuche im Gefolge Riekerts, einen schwarzen Mittelstand in den Gettos aufzubauen, haben sozial nicht hingehauen; zwar wohnen neben Bischof Tutu und dem schwarzen Personalchef von Siemens auch jede MengeÄrzte, Akademiker und sogar ein paar Millionäre in Soweto (die haben eigene Viertel), aber 95 Prozent der Häuser sind nach wie vor Einfachstbauweise: Wellblech und Eternit. Politisch hat diese Strategie schon eher verfangen diese schwarze Mittelschicht war sehr erfolgreich dabei in die Führungspositionen der Bürgerinitiativen zu setzen. Das hat zunächst mal zu der paradoxen Situation geführt, daß diese Mittelständler proletarische Forderungen vertreten mußten (wenn sie es sich bei den Proletariern nicht verderben wollten) und dafür dann auch des öfteren in den Knast gegangen sind. Andererseits gab es eben auch schon immer die Stories, daß der schwarze Supermarktbesitzer den Boykott gegen weiße Läden anführt – und vorher noch schnell die Preise in seinem Laden hochsetzt, damit er ja genug Reibach macht. Insgesamt läßt sich aber sagen, daß diese vielen Initiativen eine große Rolle gespielt haben bei der Durchsetzung proletarischer Forderungen, und erst mit der Gründung des »Bürgerinitiativen- Dachverbandes« UDF hat sich dieser Mittelstand eine größere Handlungsfreiheit schaffen können.

September 1984: der Aufstand bricht aus

Bezeichnend für die Autonomie der südafrikanischen Klasse ist, daß die Streiks und alle anderen Kämpfe seit 1979 kontinuierlich zugenommen haben, mit Ausnahme von 1983 war jedes Jahr ein neues »Rekordjahr« in der Streikstatistik. Die Erpressung durch eine unglaublich hohe Arbeitslosigkeit, durch Massenentlassungen usw. hat nicht so hingehauen wie beispielsweise in der BRD. Im September 84 überlappten sich diese ganzen Kämpfe und explodierten in einen neuen Kampfzyklus, der sich seither unaufhaltsam weiterentwickelt hat.

Es ist völlig unmöglich, die verschiedenen Aktionen der südafrikanischen Klasse im letzten Jahr aufzuzählen; wir haben deshalb drei Kämpfe rausgegriffen und versuchen im Anschluß daran, die Riots etwas näher zu beschreiben.

Der November Stay-away

Am 2.9. beschließen Versammlungen in den Townships Sebokeng und Sharpeville Mietstreiks, in Sharpeville zusätzlich einen stay-away für den kommenden Tag. Dieser Tag endet mit 31 Toten, als die Bullen das Feuer auf die Demonstranten eröffnen. Zwei Wochen später organisiert das »Freiheit-für-Mandela-Komitee« in Soweto einen Solidaritäts-Stay-away. Es kommt zu den ersten großen Zusammenstößen in Soweto seit 1976. Drei Demonstranten werden getötet. Einen Monat später beschließt auch die Township KwaThema einen Stay-away. Hier kommen drei Sachen zusammen: die Krise der Township-Marionetten-Regierungen, die wachsende Politisierung der Townships überhaupt, der zunehmende Widerstand der Schüler (von ihnen ging auch die Initiative zu diesem Stay-away aus).

Am 14. Oktober findet eine Versammlung in KwaThema statt, an der 4000 Leute teilnehmen, ein Studenten-Eltern- Komitee wird gegründet, Chris Diamini als Vorsitzender. Forderungen werden aufgestellt: keine Altersbeschränkungen an den Unis, demokratische Studentenvertretungen, keine weißen Lehrer mehr (die meistens Soldaten sind), die Armee muß aus den Townships raus, alle verhafteten Studenten müssen freigelassen werden, alle Marionetten-Stadträte zurücktreten.

80% der Arbeiter bleiben zuhause, die Jugendlichen gehen auf die Straße, bauen Barrikaden, es gibt Zoff mit den Bullen – was vom Studenten-Eltern-Komitee verurteilt wird. Das ganze war so erfolgreich, daß man für einen November einen größeren, regionalen Stay-away planen kann. Vorbereitet wird er von Gewerkschafts- (Diamini!) und Bürgerinitiativen-Strukturen, die UDF hält sich raus, weil es »Sache der afrikanischen Arbeiter« sei. 400.000 Flugblätter mit folgenden Forderungen werden verteilt: demokratische gewählte Studentenvertretungen, keine Altersbeschränkungen, keine körperliche Züchtigungen, keine sexuelle Ausbeutung an den Schulen, die Armee raus aus den townships, Freilassung aller Verhafteten, keine Miet-, Bus- und Dienstleistungspreiserhöhungen, Wiedereinstellung der Arbeiter, die während der letzten Streiks rausgeschmissen worden sind. Die Beteiligung am Stay-away ist sehr hoch, allerdings beteiligen sich die Pendler aus den Homelands nicht. Während des Stay-aways kommt es zu einer Welle von Angriffen auf staatliche Institutionen, Symbole des südafrikanischen Kapitalismus (Banken, Baugesellschaften usw.) und zu mehreren städtischen Revolten in deren Verlauf die Bullen wieder 23 Menschen umbringen. Die Bullen reichen nicht aus, es wird Armee geholt. Das Regime erklärt nachher, die Jugendlichen seien dabei, No-go-areas durchzusetzen.

Reaktionen auf den Stay-away:

  • das staatliche Sasol-Unternehmen hat 5-6000 Arbeiter rausgeschmissen, weil sie sich am stay-away beteiligt hatten;
  • die Privatkapitalisten haben keine Repressalien ergriffen, manche sogar den Lohn für die zwei Tage bezahlt (das liegt wohl auf der Linie, daß sie froh sind, wenn die Arbeiter außerhalb des Betriebes Dampf ablassen);
  • die zwei wichtigsten südafrikanischen Finanzzeitungen haben gefordert, nun müsse der Dialog mit dem ANC beginnen.
Der Empangeni Busboykott

Am 14. Januar 1985 traten 45.000 Pendler im Kwa Zulu Homeland in den Busboykott mit einer klaren Forderung: weg mit der Empangeni Busgesellschaft (die hatte gerade mal wieder die Preise erhöhen wollen). Sie organisierten ihre Aktion in einem »Pendlerkomitee«. Bereits hier gelang es den »Inkatha-Chiefs« des Homelands und örtlicher Gewerkschaftsprominenz, sich in dieses Komitee wählen zu lassen. Sie beschlossen dann auch gleich, sich mit der Kwa Zulu Handelskammer, zwei Vertretern des Transportministeriums und dem zuständigen Vertreter der Nationalen Partei zu treffen. Die Forderungen waren jetzt schon viel verquaster, u.a. sollte eine Kommission die ganze Angelegenheit erst mal untersuchen. Als diese Kommission am 11. Februar zusammentreten will, stürmen aber 1300 Leute den Laden, weil sie den Verhandlungsprozeß direkt kontrollieren wollen. Das Komitee formulierte jetzt neue Forderungen, anstatt Abschaffung der Empangeni Transportgesellschaft forderte man jetzt freien Wettbewerb im Busgeschäft (was drei lokalen schwarzen Unternehmern zugute kam, die sowieso planten, ihre eigenen Busgesellschaften zu gründen). Außerdem forderten sie eine gesetzlich bindende Abmachung zwischen Komitee, Local Road Transportation Board und Regierung. Die Arbeiter waren anfänglich dagegen, überhaupt mit der Regierung zu verhandeln und ein Abkommen mit ihr wollten sie schon gar nicht schließen – da ihnen das Komitee aber unmittelbare Vorteile wie niedrigere Fahrpreise usw. versprach, willigten sie schließlich ein.

Nun weigerte sich auf einmal die Regierung, ein solches Abkommen zu unterzeichnen; stattdessen boten sie den schwarzen Kapitalisten an, sich in die Gesellschaft einzukaufen. Jetzt reichte es den Arbeitern, sie nahmen die Sache wieder selber in die Hand und bereiteten einen stay-away vor. Daraufhin drohte das Regime mit dem Einsatz der Armee und schickte einen Beauftragten. Der hätte sich allerdings fast zu Tode erschrocken, weil er von 1000 Arbeitern bereits erwartet wurde.

Trotzdem gelang es dem Komitee, in dieser Phase den Boykott zu beenden; man einigte sich auf die Verschiebung der Preiserhöhungen um ein Jahr, und die Regierung gab einige allgemeine Absichtserklärungen von sich. Nachdem also im anfänglichen Pendler-Boykott die klaren Forderung nach Gegenmacht angelegt war, wurde der Kampf auf die Durchsetzung der schwarzen Kleinbourgeosie und des freien Marktes umgebogen. Die Lösung liegt sogar auf der Linie des Regimes, die Arbeiterreproduktion allgemein zu »privatisieren« (Häuser, Dienstleitsungen).

Bergarbeiterkämpfe

Die südafrikanische Bergwerkindustrie war immer sehr stark auf die Ausbeutung von Wanderarbeitern ausgerichtet, es gab immer ein sehr hohes Verhältnis von ungelernten Wanderarbeitern zu wenigen (weißen) Vor- und Facharbeitern. Gegen die Kämpfe der 70er Jahre wurde dann eine technologische Umstrukturierung der Bergwerke durchgezogen, was zu einer neuen Klassenzusammensetzung führen soll mit einem wesentlich höheren Anteil an »qualifizierten« Arbeitern. Die weißen Aufsichtsarbeiter reichen nicht mehr aus und haben auch nicht mehr die entscheidende Verhandlungsmacht, ein Streik von ihnen 1979 blieb praktisch wirkungslos. Die Bergwerkgesellschaften haben angefangen eine ansässige schwarze Arbeiterklasse aufzubauen, die »im Berg« Karriere machen will. Folglich hat die AAC, das bei weiten größte Unternehmen Südafrikas, vor drei Jahren kräftig dabei mitgeholfen, eine Gewerkschaft der Bergarbeiter zu gründen: die NUM, an deren Spitze seither der Rechtssanwalt Cyril Ramaphosa steht. Durch Schulung, Beratung und finanzielle Unterstützung haben auch »internationale Gewerkschaftsverbände« mitgeholfen – wie so was funktioniert wissen wir ja spätestens seit der Gründung der »sozialistischen Partei Portugals« durch die SPD. Die NUM wurde von außen her aufgebaut, sie konnte sich in den meisten Bergwerken frei bewegen und Mitglieder werben: und sie haben ausschließlich Vorarbeiter und über Tage arbeitende Angestellte angeworben. Dazu muss man wissen, daß in der Bergwerkindustrie nicht nur große Lohnunterschiede zwischen weißen und schwarzen bestehen (ein Weißer verdient durchschnittlich das fünffache eines Schwarzen), sondern auch unter schwarzen Arbeitern: ein normaler Arbeiter verdient 53, maximal 64 Rand, die Vorarbeiter bis zu 134 Rand. Gleichzeitig ist die Ausbeutung im Bergbau nach wie vor äußerst brutal: viehische Unterbringung der Wanderarbeiter, mieseste Versorgung mit Essen, sehr hohe Unfallzahlen, oft mit tödlichem Ausgang.

In den ersten Monaten von 1985 waren mehr als 80.000 Bergarbeiter im Streik, außerdem gab es verschiedenste Boykottaktionen. Im folgenden zwei Beispiele:

Der Streik in Rietspruit-Kohlenbergwerk/Carletonville:
Bereits im November 84 hatten Arbeiter Forderungen aufgestellt betreffs Wohnverhältnissen, Essensqualität und Lohn. Sie hatten sich dann aber auf Ramaphosas Taktik eingelassen, dem Management eine 30-Tage-Frist einzuräumen und nachdem die abgelaufen war, sie nochmal um 7 Tage zu verlängern – worauf wieder nix geschah. Die Arbeiter hielten dann am 14.11. eine Massenversammlung ab und beschlossen den Streik. Der wurde von den Bullen militärisch äußerst brutal zerschlagen.

Am Freitag, den 7. Februar verunglückt ein Arbeiter tödlich. Es ist schon der zweite Tote innerhalb weniger Wochen, die Arbeiter sind stinkwütend und wollen was machen. Die meisten Gewerkschafter sind gerade auf einem Schulungskurs, zwei sind da, die bitten um 2 Stunden Bedenkpause. Als die Arbeiter später am Tag den Obermanager direkt darauf ansprechen, will der aber nix davon wissen. Über das Wochenende sind alle Gewerkschafter auf Schulung und so bleibt die Sache in der Schwebe. Als sie dienstags wieder zurück sind, versuchen sie die Arbeiter von der »Gebetspause« abzubringen. Die hören ihnen aber gar nicht zu und ziehen diesen Kurzstreik wie geplant durch. Zur Strafe schmeißt das Management vier Gewerkschafter raus und fordert massenhaft Bullen an. Die Arbeiter sagen, wenn die vier Gewerkschafter rausschmeißen, sollen sie uns alle rausschmeißen und treten in Streik. Jetzt reisen die regionalen NUM-Führer an, um die Sache beizulegen, aber das Management bleibt stur. Die Bullen greifen brutal gegen einzelne Arbeiter durch, deportiren sie mit vorgehaltener Waffe usw., eine Ausgangssperre wird verhängt. Die Arbeiter streiken weiter.

Am 19. Februar umkreisen Polizeibusse das Lager und machen Jagd auf Arbeiter, immer zehn Bullen schnappen sich einen Arbeiter und bringen ihn zum Bergwerk. 120 werden ausbezahlt, rausgeschmissen und sofort deportiert. In einem anderen Bergwerk treten daraufhin 500 Arbeiter in einen Solidaritätsstreik; andere Bergwerke wollen sich dem anschließen, was aber die NUM verhindern kann. In den nächsten Tagen bricht der Streik zusammen.

Streik im Kloof Goldberkwerk:
Hier hatten die Arbeiter einen monatelangen Boykott gegen das grubeneigene Lebensmittelgeschäft durchgezogen. Hierbei hatten sie die Farmarbeiter der Umgebung einbezogen und waren so fähig, sich über Kilometer hinweg mit Nahrung zu versorgen. Am 9.2. findet eine Massenversammlung statt auf der 10.000 Arbeiter den Streik beschließen. Am 10.2. treten 13 000 Arbeiter in den Streik für niedrigere Lebensmittelpreise und billigere und bessere Kantinen. Am 11.2. reist Ramaphosa an, verhandelt mit dem Management, Verbesserungen werden versprochen, und Ramaphosa gelingt es die Arbeiter auf dieser Grundlage zur Arbeitswiederaufnahme zu bewegen – daraufhin sah sich das Management endlich in der Lage zurückzuschlagen: für den Streik gab es Lohnabzüge, Massenversammlungen wurden verboten.

Im Sommer 85 versuchte die NUM dann wieder mit der schon bekannten Taktik einen Streik zu organisieren: sie forderte 22 Prozent Lohnerhöhungen und gab dem Management 30 Tage Bedenkzeit. Der Clou war, daß die AAC 19,6 Prozent für die untersten Lohngruppen und 14,1 Prozent für die höheren Lohngruppen angeboten hatte – die Arbeiter hätten also für 4 Rand mehr im Monat streiken sollen. Der Streik wurde dann auch ein Flop, er hatte offensichtlich nichts mit den Arbeiterinteressen zu tun, sondern wie Ramaphosa selber sagte, sollte er die Macht der NUM demonstrieren (wobei sicher eine Rolle spielte, daß damals Gespräche mit der FOSATU über eine Vereinigung in Gang waren und eine gerade eben mal wieder siegreiche NUM da mehr Pöstchen bekommen hätte)

Riots 85

Die Kämpfe seit einem Jahr sind dadurch geprägt, daß sich immer wieder Fabrikkämpfe, Boykotte, Mietstreiks usw. überlappen und gegenseitig verstärken. Mitte März z.B. legt ein stay away das ganze Industriegebiet um Port Elizabeth lahm, die townships sind verlassen – bis auf die Jugendlicher, die auf den Straßen randalieren Die Bullen schießen wieder rein, es gibt sieben Tote Daraufhin gehen die Autoarbeiter von Uitenhage vom 21. bis 24. März nicht zur Arbeit – gegen den Versuch »ihrer« FOSATU Gewerkschaft, in Zusammenarbeit mit den Behörden den stay away auf den Sonntag zu verlegen, weil es dann keinen Produktionsausfall gebe. Die Bullen schießen in den Trauerzug für die sieben Toten und ermorden diesmal 19 Menschen. Die Arbeiter klagen die FOSATU an, daß sie daran mitschuldig ist. Als Reaktion auf die neuerlichen Toten gibt es tagelang Randale in den townships um Uitenhage. Die schwerbewaffneten Bullen bringen dabei wieder Menschen um (in diesem Jahr sind offiziell schon wieder hunderte von Demonstranten erschossen worden).

Ein Großteil der proletarischen Gewalt in den Aufständen richtet sich gegen die »schwarzen Kollaborateure. Bullen und (Klein-)Kapitalisten« Als die Unruhen im August zum ersten Mal auf die Industriestadt Durban übergreifen, spricht die UDF von einem »Mob, der die Vorstadt überrannt und wahllos Häuser geplündert und angezündet« habe. Gleichzeitig gibt es Randale in den umliegenden townships vor allem in Umlazi und Kwamashu. Daraufhin erhob Inkatha-Boß Buthelezi den Vorwurf, die Jugendlichen nützten die Unruhen für eigene gewalttätige Zwecke aus

Anfang September greifen dann die Aufständischen zum ersten Mal gleichzeitig bei Kapstadt und bei East London weiße Wohnviertel an; zur selben Zeit gibt es Randale in den townships von allen Industriezentren (Kapstadt, Port Elizabeth. Johannesburg und Durban). Und jetzt kriegen UDF und Inkatha die gebührende Antwort einer bekannten Wissenschaftlerin, Funktionärin in der UDF fliegen drei Brandsätze ins Haus; dem Bürgermeister von Umlazi, Inkatha-Mitglied, wird das Haus abgefackelt. In Soweto gibt eine Jugendgruppe bekannt, daß sie alle Häuser im Getto angreifen wird, die mehr als zwei Schlafzimmer haben.

Angesichts der Entschlossenheit dieser Jugendlichen, ihrer starken Verankerung in den proletarischen Strukturen (die Arbeiter-Eltern treten immer wieder zur Unterstützung in den Streik), angesichts ihrer Organisationsfähigkeit (auf Bullenprovokationen wird oft innerhalb von Stunden landesweit geantwortet) haben die Kollaborateure und Reformisten einen äußerst engen Spielraum.

Der Klassenkampf in Südafrika entwickelt sich also sowohl auf Fabrik- als auf Community-Ebene. Die verschiedenen »demokratischen« Oppositonen, »Befreiungsbewegungen« und »modernen« Industriegewerkschaften traben dem hinterher oder wiegeln in letzter Zeit auch immer stärker ab. Wir hier müssen jeden Versuch unserer »Linken« zurückweisen, irgendwelche »Antiapartheid-Bündnisse« von SPD bis Grün und Kennedy zu schließen. Es geht nicht um demokratische Rechte, sondern um Klassenkampf! Was die wirklich fürchten, ist die Revolution – nicht nur in Südafrika!

Die Yanks, der ANC und der Klassenkampf (Südafrika Teil 2)

Im ersten Teil des Artikels in der letzten Nummer haben wir die Klassenkämpfe der letzten zehn, fünfzehn Jahre in Südafrika zusammengefaßt, um herauszuarbeiten, wer da mit welchen Inhalten und wie organisiert kämpft. Im zweiten Teil geht es um die verschiedenen Oppositionsorganisationen vor dem Hintergrund dieser entwickelten Klassenkämpfe und im Rahmen der US-amerikanischen Geopolitik bzw. der »totalen Strategie« des Burenregimes. Einige Leute haben uns »üble Polemik gegen die bewaffneten Kämpfer des ANC« vorgeworfen; deshalb wollen wir versuchen, zwei Sachen herauszuarbeiten:

1). der ANC ist keine nationale Befreiungsbewegung mit der üblichen sozialen Basis unter den Bauern, er ist eine politische Partei mit langer Tradition, die sich in einer bestimmten historischen Situation einen »bewaffneten Arm« aufgebaut hat;

2). geht es uns um die Differenz von »nationalen Befreiungsbewegungen« und Klassenautonomie. Wir sagen grundsätzlich, daß die Klasse – nicht nur in Südafrika – über den »nationalen Befreiungskampf« hinaus ist. Angesichts der Multinationalisierung des Kapitals und der weltweiten Neuzusammensetzung der Klasse in den letzten 10/15 Jahren wird es immer absurder, wenn sich metropolitane Revolutionäre bemühen, den verschiedenen »nationalen Befreiungsbewegungen« etwas positives abzugewinnen. (Da im ersten Teil die ganzen Klassenkämpfe beschrieben werden, fehlt das jetzt hier, es hat aber keinen Sinn, nur den zweiten Teil zu lesen, wer den ersten also noch nicht kennt: erst den lesen!)


In den Jahren 78-80 kam für das multinationale Kapital weltweit einiges zusammen: » die Rebellion der polnischen Arbeiter, der Sieg der Sandinisten in Nicaragua, die iranische Revolution, der erfolgreiche Befreiungskampf in Zimbabwe... « waren nicht nur auf Grund ihres zeitlichen Zusammentreffens und ihrer räumlichen Ausdehnung von ausschlaggebender Bedeutung für die Krise. Sie zerstörten genau jene »Arbeitskräftepyramide«, die durch die »Energiekrise« hergestellt werden sollte« (Midnight Notes Collective: Soll und Haben der Krise« in Karlsruher Stadtzeitung 36 – vgl. zum weiteren Zusammenhang diesen Artikel). Gleichzeitig hatten die ersten vorsichtigen Versuche eines Wiederaufschwungs in den Metropolen sofort wieder zu einem neuen Lohndruck geführt. Das multinationale Kapital ging deshalb erneut in die »Depression«, in ein »weltweites Abbremsen«, was man über die amerikanische Zentralbank zu steuern versuchte (steiler Anstieg der Zinsen im Herbst 79, Geldverknappung usw.). »Das Problem ... hatte darin gelegen, daß das Kapital nicht in der Lage gewesen war, seine Probleme militärisch zu lösen. Die USA konnten die Marines nicht in den Iran, nach Zimbabwe und Nicaragua schicken. Die Stärke einer derartigen Intervention liegt in ihrer Konzentration, in ihrer gezielten Repression. Hätten die USA auf die Situation in Lateinamerika oder Afrika militärisch reagieren können, wären ihre Pläne nicht auf einer weltweiten Ebene aus den Angeln gehoben worden. Obwohl die USA mit Sicherheit Ober die technischen Mittel verfügten, um in diese Kämpfe zu intervenieren, waren sie aus innenpolitischen und regionalen Gründen daran gehindert.« (Ebenda). Deshalb also das weltweite ökonomische »Abbremsen« mit den Folgen, die wir alle kennen: drastisch heraufgesetzte Arbeitslosigkeit, Prekarisierung und Kürzung der Sozialausgaben in den Metropolen, Massenentlassungen, Einfrieren der Löhne und dramatische Heraufsetzung der Lebensmittelpreise in den »Schwellenländern«; Hungerkatastrophen in weiten Teilen der drei Kontinente; millionenfache Wanderungsbewegungen weltweit auf der Suche nach Überlebensmöglichkeiten, Wanderarbeit usw.

Im südlichen Afrika

waren die Imperialisten Mitte der siebziger Jahre mit ihrem Versuch gescheitert, in Angola und Mosambik eigene »Befreiungsbewegungen« (Unita und Renamo) aufzubauen und an die Macht zu bringen; Angola und Mosambik waren 1975 unter »marxistischen Regierungen« unabhängig geworden. Dazu kam der sich verstärkende Kampf in Namibia, und es wurde absehbar, daß die rassistische Regierung von lan Smith in »Südrhodesien« (Zimbabwe) sich nicht mehr lange halten konnte. In dieser Situation machte der damalige US- Staatssekretär Kissinger einen Deal mit dem südafrikanischen Burenregime: sie helfen, den Druck auf lan Smith so weit zu verstärken, daß der zugunsten einer »mehrheitlich gewählten Regierung« zurücktritt, und er garantiert ihnen dafür freie Hand in Namibia und betreffs der »inneren Entwicklung« (»Apartheid«). Den Blankoscheck der »westlichen Welt« nutzten die Buren, um den Soweto-Aufstand 1976 auf brutalste Weise niederzuschlagen – dennoch machen diese Kämpfe klar, daß die Zeit der Apartheid abgelaufen ist. Und auch auf der anderen Ebene hält das Abkommen nicht lange: die »Versöhnungsregierung« von Muzorewa in Zimbabwe wird 1980 von der ZANU/ZAPU-Regierung unter Mugabe abgelöst.

Als Reagan im Januar 1981 ins Amt kommt, sieht es im südlichen Afrika also schlecht aus für die Imperialisten: Angola, Mosambik und Zimbabwe sind unabhängig geworden, die südafrikanischen Besatzungstruppen in Namibia sind in die Defensive geraten, und seit 1978 hatten Streiks und andere Arbeiteraktionen in Südafrika ständig zugenommen. Die außenpolitischen Berater Reagans befürchteten eine »Explosion im südlichen Afrika«, sie hatten aber auch Vorstellungen davon, wie diese zu verhindern sei. Der seitherige Staatssekretär für Afrika, ehester Crocker, hatte Ende 1980 in »Foreign Affairs« eine Analyse über das südliche Afrika veröffentlicht und damit bereits die Linien der Politik Reagans vorgezogen: es sei noch nicht zu spät, um die »revolutionäre Massengewalt« im südlichen Afrika zu stoppen; die USA müßten aus ihrer Rolle des passiven Zuschauers heraustreten und sich in der gesamten Region »konstruktiv engagieren«, um die Entwicklungen in die gewünschte Richtung zu lenken. Dazu sei es nötig, die Region solchermaßen zu »stabilisieren«, daß für die notwendigen Veränderungen Zeit gewonnen und diese kontrolliert werden könnten.

Bereits kurz nach seinem Amtsantritt berief Reagan den nationalen . Sicherheitsrat (Staats-, Pentagon- und CIA- Funktionäre) in dieser Frage zusammen. Die Analyse und Entscheidung dieser Runde wurden streng vertraulich behandelt, aber anhand der US-Politik lassen sich ihre Linien mühelos entziffern: es geht um die ökonomische und politische Destabilisierung der »Frontstaaten«; sie sollen gezwungen werden, die Basen des ANC auf ihrem Territorium abzuschaffen. In einem zweiten Schritt sollen dann diese Staaten unter südafrikanischer Hegemonie wieder ökonomisch an die »westliche Welt« angebunden werden. Die USA und das Burenregime halten dabei eine Arbeitsteilung ein, die etwa so aussieht: Südafrika ist für wirtschaftliche Destabilisierung, militärische und geheimdienstliche Aktionen zuständig; die USA spielen auf diplomatischem Parkett den Vermittler, bieten wirtschaftliche Zusammenarbeit, Entwicklungshilfe usw. an – koppeln das aber an die Vorbedingung, daß die kubanischen Soldaten aus dem südlichen Afrika abgezogen werden (eine Bedingung, die durch Südafrikas militärische Angriffe unmöglich gemacht wird).

Unter der Hand werden die USA auch auf anderen Ebenen aktiv: seit '81 liefert die CIA wieder Waffen und Material an die Unita; außerdem zogen die USA eine Desinvestment-Kampagne gegen das »sozialistische Tansania« durch und blockierten Investitionen, Kredite und Entwicklungshilfe.

Im März 1981 überfallen südafrikanische Kommandos Maputo (Mozambik).ln den Folgemonaten legen militärische Sabotageeinheiten die Infrastruktur des Landes lahm (Eisenbahnen, Straßen, Brücken, Pipelines usw.) und reorganisieren die Renamo.' Eine ganze Serie von Sabotage- und Mordanschlägen auf Zimbabwe wird organisiert, in Sambia und auf den Seychellen werden (fehlgeschlagene) Staatsstreiche angezettelt. Im August '81 greift die südafrikanische Armee in großem Maßstab Angola' an, treibt 80.000 Menschen in die Flucht, besetzt Südangola.

1981/82 überzieht das Burenregime praktisch alle seine Nachbarländer mit Krieg: Truppenvorstöße, Sabotageaktionen (z.B. sprengen sie im Dezember 82 die Erdölvorräte von Mosambik in die Luft) und Bombenangriffe wechseln sich ab, große Teile des südlichen Afrika werden vom Krieg zerstört. Damit lösen sie große Flüchtlingsströme aus, es kommt abwechselnd zu Dürre- und Überschwemmungskatastrophen, Hunderttausende sterben vor Hunger (Informationen nach 5). Auf Grund seiner ökonomischen Struktur wurde Mosambik als »schwächstes Glied in der Kette der Frontstaaten« identifiziert und am stärksten unter Druck gesetzt – und die Machel-Regierung war auch die erste, die auf die gewünschte Linie einschwenkte: im Oktober 83 verhandelte sie mit der Anglo-American-Corporation über die Wiederinbetriebnahme von Bergwerken auf mosambikanischem Territorium durch diese Gesellschaft; Ende 83 wurde eine Regelung für Investitionen getroffen, die dem ausländischen Investor gesicherte Profittransfers verspricht; Umschuldungsverhandlungen mit multinationalen Banken wurden geführt, 1984 trat Mosambik dem IWF bei und etablierte Beziehungen zur Weltbank.

Im März 1984 unterzeichnete Mosambik Nkomati-Abkommen mit Südafrika, indem es sich verpflichtet, die ANC-Basen auf seinem Territorium zu schließen und Südafrika sich im Gegenzug »verpflichtet«, die Renamo nicht mehr zu unterstützen (diese Unterstützung ist seither weitergegangen, was von dem Südafrika-Regime sogar öffentlich zugegeben wurde, allein in Südafrika-Camps sollen sich 18.000 Renamo-Soldaten befinden). Angola schließt in Luanda ein ähnliches Abkommen mit Südafrika, seither machen im Grenzgebiet gemischte Patrouillen Jagd auf SWAPO-Kommandos. Im Gefolge des Nkomati-Abkommens wurden Mosambik genau dosierte »Vergünstigungen« zuteil, so etwa eine Million Dollar Militärhilfe aus den USA, Entwicklungshilfe aus der BRD. Mit Südafrika wurden neue Abkommen über die Ausbeutung von ca. 50000 mosambikanischen Bergwerksarbeitern und 150.000 Landarbeitern in Südafrika geschlossen, Erdgaslieferungen nach Südafrika wurden vereinbart bestimmte Gebiete Mosambiks wurden als Tourismusziele für weiße Südafrikaner ausgebaut, es wurden sogar Verträge für die Lieferung von Nahrungsmitteln (!!!Fische) an Südafrika geschlossen. Im Süden Mosambiks wurden »freie Produktionszonen« für multinationale Konzerne eingerichtet mosambikanische Farmen wurden zu Agro-Business-Unternehmen des multinationalen Kapitals umgebaut usw. Für all diese Vorhaben wuchs der Finanzbedarf, Mosambik hat sich also weiter bei den transnationalen Banken verschuldet mit all den Kontrollen und Auflagen, die das mit sich bringt. Inzwischen garantiert die »marxistische Machel-Regierung« den multinationalen Konzernen wesentlich bessere Ausbeutungsbedingungen als Südafrika zum Beispiel, wo ausländische Konzerne ihre Profite z.B. nur stufenweise innerhalb von sechs Jahren repatrieren können.

Mitte 84 sind die südafrikanischen Rassisten auf dem Gipfel ihres Erfolges, sie haben einen »Cordon Sanitaire« um ihre Grenzen legen können und machen deutlich, daß sie auch ihre internationale Isolation durchbrochen haben. Im Juni 84 reisen der südafrikanische Regierungschef P. W. Botha und sein Außenminister durch Europa und werden in Lissabon, London, Bonn, Wien, Bern, Brüssel und Rom empfangen. Zum Abschluß ihrer Reise treffen sie sich in der US-Botschaft in Rom mit Chester Crocker und nehmen eine gemeinsame Auswertung vor. Es war ihnen gelungen, sämtliche »Variablen in der südafrikanischen Gleichung« zu ihren Gunsten zu ordnen: die »sozialistischen Frontstaaten« politisch zu neutralisieren und zum Teil zu profitablen Anlagesphären der Multis zu machen, die »Befreiungsbewegungen« Swapo und ANC von einem entscheidenden Teil ihrer Logistik zu isolieren und damit entscheidend zu schwächen – aber es gibt eben immer noch eine unabhängige Variable: die Klasse. Seit 1979 hatten Streiks und Boykottkampagnen in Südafrika ständig zugenommen, und im September 84 brachen die Aufstände offen aus. Trotz Pressezensur, Ausnahmezustand, Militär in den Townships, Massenentlassungen, dem Tod von über Tausend Menschen und der Verhaftung von vielen anderen gingen die Kämpfe seither ununterbrochen weiter und haben die Rassisten vom Gipfel ihres Erfolges in ihre bisher tiefste Krise gestürzt (siehe dazu Teil 1 in Karlsruher Stadtzeitung 37). Nachdem das Burenregime alle Möglichkeiten von Repression und »innerer Reform der Apartheid« ausgeschöpft hat, haben sie sich in den letzten Monaten auf die Suche nach Oppositionskräften gemacht, die sie an der Macht beteiligen können. Wir wollen uns deshalb diese »oppositionellen Kräfte« etwas genauer ansehen:

INKATHA

Die Bedeutung der Inkatha ist vor dem Hintergrund des Homeland-Konzepts der Buren zu sehen. Die »Stammesgebiete« (Homelands) der »verschiedenen südafrikanischen Stämme« sollen die Reproduktion der Wanderarbeiter garantieren, Auffangbecken für verbrauchte Arbeitskraft sein, und Zug um Zug zu »unabhängigen Staaten« umgewandelt werden, wie es mit Ciskei, Transkei und Bophutatswana bereits geschehen ist. Nach dieser Logik sind die Zulus mit sechs Millionen der größte Stamm und ihr von den Buren eingesetzter Chief-Minister Buthelezi hat es außerdem bisher verstanden, die »Unabhängigkeit« von Kwa Zulu Land zu verhindern. Dadurch und durch die Inkatha-Organisation spielt er eine gewisse Rolle im südafrikanischen Machtpoker.

1928 gründete der damalige Zulu-König die Inkatha als Organisation zur Bewahrung und Festigung der Tradition seines Stammes. Diese Organisation spielte allerdings politisch keinerlei Rolle, bis sie des Zulukönigs Neffe Gatsa Buthelezi als »nationale kulturelle Befreiungsbewegung« 1975 zu neuem Leben erweckte. Südafrikanische Quellen sprachen 1980 von 200-300.000 zahlenden Mitgliedern, davon zwischen 5 und 15 Prozent Nicht-Zulus. Die Organisation ist streng hierarchisch gegliedert, an ihrer Spitze steht der (auf Lebenszeit gewählte) Präsident Buthelezi. Alle 55 Abgeordneten des territorial zerstückelten Kwa Zulu Homelands gehören der Inkatha an. Die soziale Basis der Inkatha ist vor allem die Kleinbourgeoisie in Kwa Zulu, die kleinen Händler und Fuhrunternehmer, die Bierverkäufer und Ladenbesitzer (wobei jeder, der einen Arbeitsplatz will, in die Inkatha gedrängt wird). Es sind nicht die mehr und mehr in Bedrängnis geratenen Kleinbauern in diesem Bantustan und es ist nicht die Masse der Arbeiter aus Kwa Zulu, die in ihren Kämpfen schon oft klar gemacht haben, daß sie sich nicht als »Stammesangehörige« der Zulus sehen, sondern als Teil des südafrik. Proletariats (siehe Karlsruher Stadtzeitung 37). Und es sind nicht die Studenten: die Kwa Zulu-Uni ist eine Hochburg von UDF und AZAPO; im Herbst 1983 wollte Buthelezi dort provokativ eine Veranstaltung abhalten; als alle Uni-Angehörigen dagegen in den Streik traten, überfielen Inkatha-Schlägertrupps die Wohnheime und richteten ein Massaker an: 5 Tote, 13 Schwerverletzte, 1000 ins Krankenhaus eingelieferte.


Buthelezi sucht auf der einen Seite schon immer den »Dialog« mit dem Burenregime, versucht sich auf der anderen Seite auch immer wieder an ANC und Black Consciousness Bewegung anzuhängen, was ihm von der vorsichtigen und ambivalenten Taktiererei dieser Organisationen ihm gegenüber auch immer wieder ermöglicht worden ist. Damit die »Stammeskarte« überhaupt noch sticht, muß allerdings Inkatha immer wieder kräftig nachhelfen. Bereits bei dem Aufstand in Soweto 1976 provozierte Inkatha blutige Auseinandersetzungen zwischen den Streikenden und Bewohnern des Mzimhlope-Wohnheims. Im Oktober 83 griffen Inkatha-Brigaden die Einwohner des Townships Lamontville an, weil sie sich gegen ihre Eingliederung in das Kwa Zulu Homeland wehrten. Auch dabei gab es vier Tote. Im letzten halben Jahr hat Inkatha diese Provokationen ständig verschärft. Buthelezi hat dem ANC und der UDF öffentlich Vergeltung angedroht, falls sie »die Gewalt« nicht beenden, mehrere Morde an UDF-Aktivisten tragen die Handschrift Inkathas. Im Oktober 85 sind Autobusse voll Inkatha-Kriegern in Soweto eingefallen und haben ganze Straßenzüge in Schutt und Asche gelegt, weil sich ein Zulu-Ladenbesitzer von Steine werfenden Kids bedroht gefühlt hatte. Im Dezember verschärften sie ihre Überfälle in Alexandra und Kwa Ndebele, allein in der letzten Dezemberwoche kamen dabei 65 Menschen ums Leben – das wird dann in der Presse als »Stammeskämpfe zwischen Zulus und Pondos« wiedergegeben.

Buthelezi wird von der Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützt, er spricht sich gegen Boykottmaßnahmen der westlichen Länder und für Investitionen aus, geradezu vorbildlich findet er die Investitionen von Siemens und Daimler-Benz. Die schwarzen Arbeiter sollen besser ausgebildet werden, die schwarzen (Klein-)Kapitalisten sollen sich frei entfalten können, »ein Mensch – eine Stimme« sei als Ziel wichtig, könne aber nicht sofort durchgesetzt werden, er arbeite auf eine »Regierung der nationalen Versöhung« hin... Also das klassische Beispiel eines schwarzen Kollaborationisten, dessen Felle mehr und mehr davonschwimmen, weil seinen Herren deutlich geworden ist, daß Buthelezi trotz seiner SA-Banden der Inkatha-Jugendliga keinerlei Mittel dafür hat, die Klassenkämpfe in Südafrika wirksam einzudämmen und zu kontrollieren (Informationen nach3 und 6).

ANC

Wesentlich wichtiger als oppositionelle Kraft in Südafrika ist der ANC. Er ist überhaupt die älteste politische Partei des Landes, älter noch als seine ewige Gegenspielerin, die National Party der Buren. Er wurde bereits 1912 als nationale Widerstandsorganisation der der schwarzen Mittel- und Oberschicht (schwarze Landbesitzer, Verwaltungsbeamte, Kirchenfunktionäre und Verwandte von Häuptlingen) gegründet. In der 1919 verabschiedeten Verfassung des ANC wurden seine Ziele so definiert: Förderung der Einigkeit , unter den Schwarzen, Beeinflussung der Weißen, ihrer Organisationen und Institutionen; die Rassentrennung sollte mit verfassungsmäßigen Mitteln bekämpft werden. Diese Ziele hoffte man durch Petitionen und die Entsendung von Delegationen zu erreichen.

In den zwanziger und dreißiger Jahren spielte der ANC eine unbedeutende Rolle, in den vierziger Jahren wurde er dann von der Spitze her reorganisiert. Aber obwohl von 1940 bis 1944 Massenaktionen stattfanden, die ihren Höhepunkt im Bergarbeiterstreik von 1946 erreichten, geschah auch diese Reorganisierung noch innerhalb der Perspektive einer friedlichen Aussöhnung mit den weißen Machthabern. Allerdings bewirkten diese Massenaktionen die Gründung einer ANC-Jugendliga im Jahr 1943. Die heutige ANC-Führung kommt aus dieser Jugendliga: Tambo, Mandela usw., die 1949 zusammen mit Sobukwe und dem späteren Nobelpreisträger Sisulu die Führung im ANC übernahmen. In den folgenden Jahren organisierte der ANC gegen die stark verschärfte Repression des Burenregimes breite Massenkampagnen, die zwar ihre Ziele nicht durchsetzen konnten, aber den ANC stärkten: seine Mitgliederzehl stieg von 20.000 auf 100.000. 1954 schloß sich der ANC mit dem »SAIC« (südafrik. Inderkongreß), der weißen Organsiation COD (»Kongreß der Demokraten«), und der SACPO (»südafrik. Farbigenorganisation«) zur »Kongreßallianz« zusammen und erarbeitete die »Freiheitscharta«, die 1955 von einem »Volkskongreß« dieser Organisationen verabschiedet und 1956 vom ANC als eigene programmatische Grundlage angenommen wurde. Diese Freiheitscharta spricht sich für allgemeines Wahlrecht, freie Gewerkschaften, Abschaffung der Rassentrennung und »Nationalisierung der Bodenschätze, Banken und Monopolindustrien« aus. Sie war insgesamt so gemäßigt (z.B. wird im ersten Punkt die »ungerechte Landverteilung« als Folge einer »ungerechten Regierung« und eben nicht als Konsequenz von Kapitalismus und Kolonialismus begriffen und formuliert), daß der »afrikanische« Flügel des ANC dies als Verrat an den Positionen der Jugendliga ansah, sich abspaltete und den PAC (Panafrikanischer Kongreß von Azania) gründete.

Nach dem Massaker von Sharpeville 1960 und der zunehmenden Repression baute der ANC 1961 den Umkhonto We Sizwe (Speer der Nation) als bewaffneten Arm auf, der als kleine, gut ausgebildete Organisation Sabotageaktionen ausführen sollte. Im Juli 1963 wurde Mandela, der erste Befehlshaber von Umkhonto We Sizwe zusammen mit anderen führenden Mitgliedern des ANC verhaftet und zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Seither spielte der ANC v. a. im Ausland, bei der UNO, eine Rolle, in Südafrika praktisch nicht mehr. Bei den Unruhen von Soweto 1976 stand er völlig außerhalb und denunzierte die Aufstände als unbedeutend, führerlos, infantil und anarchistisch. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Klassenkämpfe hat sich der ANC in den letzten Jahren stärker ins Spiel gebracht, indem er einerseits sehr weitgehende Zugeständnisse an die Kapitalisten macht (Treffen mit verschiedenen Fraktionen des südafrikanischen und multinationalen Kapitals), und indem er andererseits völlig im Gegensatz zu seiner bisherigen Linie nun betont, daß das Burenregime von innen gestürzt werden wird und auch seine bewaffneten Aktionen ausgedehnt hat (die allerdings auf niedrigem Niveau bleiben, keine Beziehung zu den Massenkämpfen herstellen, sondern ausschließlich den »Dialog mit der Macht« führen).

Eine Broschüre von südafrikanischen Genossen beurteilt die Zusammenhänge so: nachdem der ANC den Schwarzen jahrzehntelang gepredigt habe, daß nur der Guerillakrieg von ausländischen Basen und der politische Kampf auf diplomatischem Parkett das Heil bringe, habe er nun seine Meinung abrupt geändert und predige die »innere Revolte«. »Der Erfolg war spektakulär.... Zum ersten Mal gibt es Anzeichen, daß die aktiv Kämpfenden den ANC spontan unterstützen. Die passive Unterstützung ist wie immer sehr hoch. Der ANC ist die einzige Oppositionsorganisation mit einem hochentwickelten bürokratischen Apparat und internationaler Anerkennung. Und vor allen Dingen: er muß den Massen nur Aktionen vorschreiben, nachdem sie diese bereits ausgeführt haben, um seine Position zu behaupten. Die Townships sind unregierbar geworden? Dann muß der ANC nur den Slogan ausgeben: »macht die Townships unregierbar« und seine Popularität schießt in den Himmel. Der ANC wird weiterhin terroristische Aktionen durchführen und wenn möglich sogar ausweiten. Denn er muß ein sichtbares Profil aufrechterhalten und Moral und Hingabe seines bewaffneten Flügels hochhalten. Aber für die Meisten in den ANC-Camps wird die Zukunft nach den glorreichen Ereignissen eher irdisch sein: »Als Elite der ANC-Polizei«2.

In einem Hintergrund-Artikel gab die Süddeutsche Zeitung am 27.12.85 den »Jahresetat« des ANC mit 100 Mio Dollar an, wovon die Hälfte auf die 8000 Mann starke Umkhonto We Sizwe entfalle. Bei seinem Bemühen um Machtbeteiligung ist der ANC inzwischen sogar von der Freiheitscharta abgerückt, »man befürwortet beispielsweise nur noch den Schutz individueller Grundrechte, nicht aber rassischer Minderheiten«. »Offenbar unter dem Druck der Frontstaaten, die die Probleme in Südafrika möglichst bald und friedlich gelöst sehen möchten, rückte der ANC im November 85 von seiner bisherigen harten Linie ab und nannte seine Bedingungen für Verhandlungen: die Freilassung von Nelson Mandela und aller anderen politischen Gefangenen, die Aufhebung des Ausnahmezustands und des Verbots des ANC, den Abzug der Truppen aus den Townships sowie die Schaffung von Bedingungen, unter denen freie politische Betätigung möglich ist.« (Süddeutsche Zeitung, ebenda) Mehr oder weniger sind sich auch alle darin einig, daß der ANC an der Macht beteiligt werden muß, sogar Botha hat inoffiziell seine Befriedigung über die Gespräche zwischen ANC und südafrikanischem Kapital ausgedrückt. Aber alle sind sich auch einig, daß ein großes Problem bleibt: wird der ANC die Kontrolle über die Klassenkämpfe erlangen können?

»Ein Teil der schwarzen Jugend lehne jede Art von Autorität ab; die Townships seien für den ANC genauso unregierbar wie für Pretoria... Die Unruhen spiegeln weniger die Anstiftung durch eine politische Organisation wieder ... als deren Fehlen.» (Süddeutsche Zeitung, ebenda) Zum gleichen Ergebnis kommt die Broschüre, aus der wir die bisherigen Informationen über den ANC gezogen haben: »der ANC kann sich seines dominierenden politischen Einflusses in der Nach-Apartheidgesellschaft nur dann sicher sein, wenn es in absehbarer Zeit zu einer politischen Lösung kommt. Dauert der Konflikt weiter an, könnte sich die politisch-organisatorische Struktur des schwarzen Widerstands völlig neu formieren und die alten Organisationen des Widerstands überflüssig machen«1 Wesentlich härter gehen die südafrikanischen Genossen mit dem ANC ins Gericht: der ANC sei in den letzten 25 Jahren die vorderste Ersatzregierung in Südafrika gewesen. Er zeichne sich v. a. durch Rhetorik und dadurch aus, daß er im Exil einen fähigen bürokratischen Apparat aufgebaut habe, der den Apartheidsstaat ersetzen könne. Aber »trotz der gewachsenen Unterstützung sind dem ANC die Ereignisse außer Kontrolle geraten. Es wimmelt von wilden Spekulationen über Reisen von London und Lusaka nach Pretoria. Aber eines können wir jetzt schon feststellen: in einem besonders enthüllenden Moment sagte der mythische Nelson Mandela neulich: »Wir wollen, daß Johannesburg die wunderschöne und blühende Stadt bleibt, die sie ist. Deshalb wollen wir das getrennte Leben so lange aufrechterhalten, bis es genügend neue Arbeitsplätze und Wohnungen gibt, so daß auch Schwarze in Würde nach Johannesburg ziehen können.« Obwohl der ANC und der weiße Staat tief verfeindet sind und entgegengesetzte Interessen haben, sind sie doch zumindest in einem vereint: die ökonomische Infrastruktur muß gerettet werden. Der Streit geht nur darum, wer das Eigentum in welchem Stil verwaltet.«2 Wie sagte neulich der Pressesprecher des ANC, als er gefragt wurde, wie er sich Südafrika unter einer ANC-Regierung vorstellt: »Die Züge müssen pünktlich fahren, die Lifte sollten kommen, wenn man auf den Knopf drückt, und auch das warme Wasser sollte funktionieren.«

Die Vereinigte Demokratische Front (UDF)

Im August 1983 entsteht die UDF als Zusammenschluß von 575 Organisationen (heute sollen es beinahe 700 sein), Studenten- und Frauenvereingungen, Gewerkschaften, Bürgerinitiativen, Jugendorganisationen usw. Auf der Gründungskonferenz gab man sich ein an die Freiheitscharta angelehntes Programm, indem allerdings die Teile fehlten, wo eine Nationalisierung der Schlüsselindustrien gefordert wird. Die UDF setzt sich ein für ein vereintes demokratisches Südafrika ohne Bantustans. »Im Gegensatz zu ihrem historischen Vorgänger, der Black Consciousness Bewegung, geht die UDF von einer organisierten Ebene aus, sie ist eher das Produkt klassischer Organisationsmodelle... Über diese Regenschirmstruktur wird eine Bürokratie gestülpt, deren einziger Lebenszweck es ist, die Einheit der Front zu überwachen«, schreiben die südafrikanischen Genossen. »Da die UDF bis zur Verhängung des Ausnahmezustands in einem relativ toleranten politischen Klima arbeitete, konnte sie ritualisierte Symbole aus einer früheren Epoche als ideologischen Kleister benutzen. Vieles von diesem Symbolismus gehört weniger zur Geschichte des Proletariats und mehr zur Geschichte des ANC... Die UDF hatte keinerlei populäre Forderungen, die sie hätte benutzen können, um sich als die Befreiungsorganisation in Südafrika aufzuspielen. Was sie aber ausnutzen konnte, war das reformistische politische Klima, das sie vorfand. Deshalb konnte sie von Anfang an Symbole, Taktiken und Anspielungen benutzen, die niemand in den sechziger und siebziger Jahren zu benutzen gewagt hätte. Man muß einfach in Wut geraten, angesichts des schrecklichen Schicksals, das UDF-Führer in der Gewalt des Staats und seiner Kohorten erlitten. Barbarische Haftbedingungen, Verschwundene, Ermordete. Wir wollen also auf keinen Fall die Agonie der Opfer gering bewerten. Aber wir weigern uns, sie zu mehr zu machen als sie sind. Wenn der Notstand etwas gezeigt hat, dann dies: daß die UDF entbehrlich ist. Die Triebkraft und die Intensität des Kampfs werden nicht von den Führern der UDF erzeugt.«2

AZAPO

Alle anderen Organisationen sind wesentlich schwächer. Je nach ideologischem Gusto (und alten Bekanntschaften aus gemeinsamer Studienzeit) heben Westdeutsche die eine oder andere von ihnen auf den Schild. Es handelt sich dabei um Gruppen, die sich mehr oder weniger stark auf die maoistischen Wurzeln des PAC oder auf die Black Consciousness Bewegung (BCM) in den siebziger Jahren berufen. Einige dieser Gruppen haben sich im »National Forum« zusammengeschlossen, ihre Basis haben sie vor allem an der Uni von Kapstadt, in den letzten Jahren haben sie auch einige Gewerkschaften aufgebaut. Die stärkste ist wohl AZAPO, ihre reale Verankerung und Bedeutung von hier aus zu beurteilen, finde ich recht schwierig; ich zitiere daher die Broschüre der südafrikanischen Genossen. Sie arbeiten zunächst die überragende historische Bedeutung der Black Consciousness Bewegung in den siebziger Jahren heraus und stellen fest, daß die Klassenkämpfe heute von diesem Bewußtsein bereits ausgehen. »Black Consciousness« in den Händen der AZAPO sei also zu einem programmatischen Etikett geworden, um sich von anderen Organisationen zu unterscheiden. Nicht aus theoretischen Gründen, sondern aus taktischen lasse AZAPO keine weißen Mitglieder zu.

»AZAPO's ideologisches Programm ist wie ihr praktisches Auftreten etwas militanter und kühner als das ihrer hauptsächlichen Rivalen ANC und UDF. Es ist im wesentlichen eine Mischung von abgetragenen leninistischen Sprüchen, die ausdrücklich die Rolle der Arbeiterklasse betonen, mit den üblichen antirassistischen und antiimperialistischen Versen. Sie fordern explizit die Kontrolle des Volkes über die Produktionsmittel. Black Consciousness wird von ihnen zu einem blutleeren Panafrikanischen Nationalismus verwurstet. Aber all das hat wenig praktische Auswirkungen, AZAPO ist an der Basis eine organisatorische Form auf der Suche nach einem Inhalt. Alles in allem gibt es keine Ziele im AZAPO-Programm, mit denen UDF oder ANC nicht beruhigt leben könnten... Die von der Presse groß herausgebrachten Angriffe von AZAPO-Mitgliedern auf UDF-Mitglieder und umgekehrt haben eher den Interessen der AZAPO als der UDF gedient. Einfach deshalb, weil die UDF die bei weitem größere Organisation ist... Kämpfe Mann gegen Mann erwecken den Anschein, daß AZAPO eher auf gleichem Fuß mit der UDF stehe... Aber das Proletariat ist nicht schwach, weil es gespalten ist, sondern gespalten, weil es schwach ist. Und obwohl das südafrikanische Proletariat heute vielleicht stärker als je zuvor ist, war es bisher nicht stark genug, die Ketten der bürokratischen Opposition gegen den Kapitalismus abzuwerfen. Die größte Tragödie am UDF-AZAPO-Konflikt und der Gewalt gegeneinander ist, daß all das die Unterdrückten keinen Milimeter weiter gebracht hat, was Klarheit, neue Kampfformen oder das so dringend benötigte Bewußtsein eigener Stärke betrifft.«2

Neuere Entwicklungen

Die Kämpfe der südafrikanischen Klasse gehen währenddessen trotz aller Repression weiter. »Sie sind nicht bewaffnet, aber sie sind das zäheste, am meisten politisierte und rebellischste Proletariat heutzutage auf der Welt.«2 Und der Klassenkampf spielt sich auf allen Ebenen ab: »In den letzten zehn Jahren haben die Kinder der Townships ihre Reife gezeigt. Mit unheimlicher Genauigkeit haben sie ihre Feinde aufs Korn genommen. Mit der gleichen Kraft greifen sie den Staat und seine Kollaborateure an. Sie haben keinen Respekt vor dem Privateigentum. Sie erlauben keinem Führer, ihre Aktionen zu kontrollieren. Sie verweigern den Dialog mit der Macht. Sie setzen sich keine anderen Ziele als ihre völlige Befreiung.«2 Das südafrikanische Regime hat erkannt, daß es die »Apartheid nicht mehr von innen her reformieren« kann, jeder Reformschritt wurde von der Klasse besetzt und umgedreht. Die Vorschläge der Riekert- und Wiehan-Komissionen wurden von der größten Streikwelle, die Südafrika bis dahin erlebt hatte, beantwortet; die Erweiterung des parlamentarischen Systems löste die größte Agitation in den Townships aus; die Einsetzung schwarzer Bürgermeister führte zu Aufständen, Mietstreiks und Boykotten; diese schwarzen Marionettenstrukturen sind inzwischen völlig zusammengebrochen; der Versuch, die Streiks militärisch niederzuschlagen, ist gescheitert und hat inzwischen in einigen Fällen dazu geführt, daß sich die Arbeiter auch bewaffnet haben; die Verhängung des Ausnahmezustands konnte die Kämpfe nicht eindämmen, im Gegenteil: nachdem die Bullen einen AZAPO-Militanten umgebracht hatten kam es Mitte Februar in Alexandra zu schwersten Ausschreitungen, die Armee mußte aufmarschieren und die weißen Stadtviertel schützen; gleichzeitig kam es in Port Elisabeth zu bewaffneten Zusammenstößen mit Polizeipatrouillen. Die Unruhen weiteten sich in dieser Woche zum ersten Mal bis ganz in den Osten des Transvaal aus. Außerdem kam es im Januar und Februar wieder zu massiven Streiks. Die Einschätzung der südafrikanischen Genossen scheint sich zu bestätigen, daß der Ausnahmezustand lediglich die UDF massiv behindert hat, daß aber ohne die Kontrolle solcher reformistischer Organisationen sich die Klassenkämpfe noch schneller ausbreiten und nun auch die weißen, wohlhabenden Viertel angegriffen haben. Vor diesem Hintergrund sind die Bemühungen Bothas zu sehen: bereits Ende Januar signalisierte er die Freilassung Mandelas. Später versprach er, bis zur Mitte des Jahres das Paß-System abzuschaffen. Anfang Februar wurden die weißen Städte für die Geschäfte des schwarzen Mittelstands geöffnet. Inzwischen wurde der Ausnahmezustand aufgehoben. Botha erfüllt also Zug um Zug alle Bedingungen des ANC für Verhandlungen, denn auf längere Sicht ist der ANC der einzige ernsthafte Dialogpartner. Das sehen auch die Multis so, die Financial Times schreibt, die amerikanischen Banken hätten damit gedroht, alle Kredite zu streichen, falls Winnie Mandela etwas passieren sollte... Die Multis drängen auf eine demokratische Lösung in Südafrika à la Philippinen, damit die Verwertung endlich wieder in geordneten Bahnen weitergehen kann. Das einzige, was noch verhandelt wird, sind die Tempi, das läßt sich an den immer wieder verlängerten Ultimaten und Kreditrückzahlungsfristen der Banken ganz gut verfolgen. Denn Botha ist in einer schwierigen Lage, das wissen eine Verbündeten. Er kann nicht zu weit gehen, ohne daß seine eigene soziale, politische und militärische Basis bröckelt. Deshalb hat er in den letzten Monaten auf allen Instrumenten gleichzeitig zu spielen versucht: in Lesotho die ANC-Basen ausgeräuchert und eine südafrikanische Vasallenregierung an die Macht geputscht, dem ANC aber gleichzeitig Signale von Verhandlungsbereitschaft gegeben; der National Party ihren markigen Führer vorgespielt der seinen Außenminister wie einen Schuljungen abkanzelt weil der öffentlich gesagt hatte, daß der nächste Präsident wohl ein Schwarzer seine wird, gleichzeitig dem schwarzen Mittelstand freie Bahn gegeben hat usw...


Nach der Erfahrung, daß die Klassenkämpfe trotz Ausnahmezustand weitergehen, muß es den Buren und den Multis nun darum gehen, »die Konflikte zu institutionalisieren«. Die Financial Times überlegt schon, man könne ja den ANC als politische Partei legalisieren und Umkhonto We Sizwe verbieten. Über kurz oder lang wird der ANC an der Macht beteiligt werden und »in dem Augenblick, indem der ANC an die Macht kommt... muß die Revolution aufhören«, schreiben die südafrikanischen Genossen. Genau das wird dann die Frage sein.

Literatur

Wir haben für den Artikel folgendes Material verwandt:

[1] »Südafrika – Geschichte, Kultur, Widerstand«, Gemeinschaftsbroschüre von Iz3w, AKAFRIK und AZAKO (könnt ihr bestellen siehe SZ 37)

[2] »South Afrika 1985 – the Organisation of power in black and white« eine Broschüre von südafrikanischen Genossen, die jetzt auch in England erschienen ist (Kopie für 1 Mark)

[3] viele Nummern der issa, v. a. Schwerpunkthefte zu Inkatha, »regionale Abhängigkeiten«

[4] Primo Maggio Nr. 25

[5] die letzten Jahrgänge der »Le Monde Diplomatique«

[6] das letzte halbe Jahr der »Financial Times«, London, der »FAZ«, der »Zeit« und der »Süddeutschen Zeitung«


 
 
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