Der Fall Magneti Marelli
Magneti Marelli gehört seit Mitte 1969 zur FIAT-Gruppe. Die Firma besteht aus 11 Fabriken, die fast über ganz Italien verstreut sind. Seit einiger Zeit wird die Produktion umstrukturiert und die Gesellschaft neu gegliedert. Im Lauf dieses Prozesses sind in den letzten Jahren einige Produktionslinien ausgegliedert und in unabhängige Aktiengesellschaften verwandelt worden: die Compagnia Generale Accu-mulatori (Allgemeine Akkumulatoren-Gesellschaft), die Batterien herstellt, und die Marelli Au-tronica (Marelli Autoelektronik), die elektronische Zubehörteile für Autos entwickelt und produziert.
Das Kapital der letztgenannten Gesellschaft z.B. teilt sich so auf: 25% FIAT, 50% Magneti Marelli und 25% Weber. Insgesamt arbeiten bei Magneti Marelli 8.500 Leute, wobei der Frauenanteil z.T. über 50% liegt. Das Ganze ist eine große Holding, die sich aus verschiedenen - nach Warengruppen gegliederten -Produktions- und Vertriebsabteilungen zusammensetzt. Momentan gibt es folgende Fertigungsabteilungen: Elektrische Ausrüstungen, Allgemeine Akkumulatoren-Gesellschaft, Batterien, Autoelektronik und Pneumatik. Was die Vertriebsabteilung betrifft, so unterhält Magneti mehrere Marken, vor allem wegen der Staatsaufträge; in Wirklichkeit hält Magneti vor allem bei Industriebatterien ein Monopol, insofern fast alle Staatsaufträge unter ihre verschiedenen Gesellschaften aufgeteilt werden. Die Magneti-Werke sind so verteilt:
- in Turin gibt es zwei: a) das Werk für elektrische Ausrüstungen, das Ventilatoren und Heckscheibenwischer herstellt, b) das Werk für Autoelektronik;
- in Pavia ein Werk für Autoelektronik, das Transistorzündungen, elektronische Regler und Bremskontrollsysteme herstellt;
- in Romano di Lombardia ein Werk für Batterien und Anlasser;
- in San Salvo in der Schweiz ein weiteres Werk für Batterien, Anlasser und elektrische Ausrüstungen. Technologisch ist dieses Werk das fortgeschrittenste;
- in Potenza ein Werk für elektrische Ausrüstungen;
- in Neapel die Allgemeine Akkumulatoren-Gesellschaft, die fast ausschließlich Batterien für die Industrie und die Marine sowie Antriebe für Hubwagen herstellt;
- in Alessandria ein Werk für Zündspulen;
- in der Mailänder Region vier: in Cinisello, Sesto San Giovanni, Melzo und Crescenzago. Der Hauptsitz mit 420 Angestellten ist in Cinisello. In Sesto San Giovanni stellten 110 Arbeiter Kamera-Überwachungsanlagen und Alarmanlagen her. In Melzo produzieren 200 Arbeiter Industriebatterien. In Creszenzago ist das nach San Salvo wichtigste Werk der Gruppe. Vor der Kurzarbeit waren hier 2 600 Leute beschäftigt. Es gibt folgende Unterabteilungen: Pneumatik, Elektrische Anlagen, Luftfahrt, Zündkerzen, Systeme und Samas (Werkzeuge und Werkzeugbau).
Die größten Veränderungen seit 1980 erstreckten sich auf folgende Bereiche: Unternehmenspolitik; Arbeitsorganisation; Rationalisierung und Standardisierung des Produktionsprozesses und der Produkte; Marketing-Politik; Lagerhaltung; Informatik; Verwaltung.
Nicht die ›neuen Technologien‹ vertreiben die Arbeiter aus der Fabrik: Magneti Marelli wird restrukturiert ohne nennenswerte technologische Innovation.
aus: Primo Maggio, Heft 23/4, Sommer 85
Wie in ähnlichen Fällen begann die Veränderung der Produktion mit einer Umstellung der Unternehmenspolitik: bis 1977 hatte FIAT der alten Magneti-Direktion (die noch aus der Zeit stammte, als Magneti eine selbständige Firma war) noch einige Entscheidungsfreiheit gelassen, aber ab da änderte sich die Strategie völlig. Magneti wurde schrittweise immer stärker der FIAT-Leitung untergeordnet bis hin zum Austausch der alten Führungsgruppe gegen ein neues »Management«, das direkt von der Turiner Muttergesellschaft eingesetzt wurde. Seit 1980 wird die »Produktpalette« von Magneti, die früher stark diversifiziert war, vereinheitlicht und den Bedürfnissen von FIAT untergeordnet. Dadurch tritt Magneti Marelli in Wettbewerb mit den kleinen dezentralisierten Fabriken, die sich im selben Zeitraum in den Marktnischen entwickeln und dabei auf ein Produkt spezialisieren (wie z.B. Batterien), und verliert nach und nach bedeutende Marktanteile.
Aber die wichtigste Veränderung der Produktionsanlagen liegt im Übergang von der Fließbandarbeit zur Arbeit am Montagetisch (was Magneti »Montage-Modul« nennt). Die Arbeit am Montagetisch ist eine Art Komplettproduktion: im Gegensatz, zur extrem zerstückelten Arbeit am Band montiert jetzt jeder Arbeiter vier oder fünf Komponenten des Endprodukts. Der Arbeitsinhalt bleibt jedoch sehr arm. Eine Reihe von Funktionen, die vorher längs der Produktionslinien von anderen Arbeitern ausgeführt wurden (Springer, Handlanger, Eingreifer [Arbeiter, der bei Bedarf eingreift, z.B. wenn jemand was falsch macht, nicht nachkommt usw.]), sind nun in das Montagemodul integriert. Dadurch spart man Arbeiter ein und erhöht die Produktivität jedes einzelnen Arbeiters. Die gestiegene Produktivität ist in diesem Fall also keine Folge davon, daß neue Technologien eingeführt worden wären (die bei Magneti noch nicht sehr verbreitet sind), sondern der einfachen Intensivierung der Ausbeutung.
Ein anderer Eingriff erfolgt mit der Rationalisierung der Produktionsprozesse und der Standardisierung des Produkts: durch die Rationailsierungsprozesse werden eine Reihe von toten Zeiten und unnötigen Abläufen eliminiert, während man durch die Standardisierung ein einheitliches Produkt für die verschiedenen Fahrzeuge schafft.
Ein weiterer Eingriff betrifft das Lager: bei FIAT, dem Magneti auch schon vor 1980 angepasst war, gab es eine durchschnittliche Lagerdurchlaufzeit von 40 - 45 Tagen für ein Produkt. Heute ist man bei 6 - 7 Tagen angelangt.
Die letzte wichtige Veränderung war die Automatisierung der Angestelltenarbeit in Cinisello. Bis 1980/81 war die Arbeitsteilung unter den Angestellten nicht rigide festgelegt; sie waren gleich eingestuft und hatten dadurch die Möglichkeit, die Arbeiten untereinander selber zu verteilen. Mit der Einführung der Office Automation wird diese verbreitete »Professionalität« in die Enge getrieben, der Rechner legt die Aufgaben fest, es gibt keine berufliche Autonomie mehr. Die wirkliche Professionalität verschiebt sich immer mehr hin zu einer organisierten und technischen Unternehmensverwaltung. Mit der Umstrukturierung der Produktion und der daraus folgenden Einsparung von Arbeitskraft wird auch bei Magneti eine Strategie des Personalabbaus möglich. Indem man so die Kontrolle über die Klasse wiederherzustellen versucht, hebt man mit den traditionellen Formen der Vermittlung auch die Gewerkschaft aus dem Sattel, die sich zum Beteiligten an der Restrukturierung und Garanten bezüglich der eigenen Basis gemacht hatte. Der Rest ist Geschichte dieser Monate.
Vom Montagemodul zur Tarifverhandlung
An Magneti Marelli können wir studieren, wie durch eine Veränderung der Arbeitsorganisation Arbeiter aus der Fabrik rausgeschmissen werden, ohne das neue Technologien eingeführt werden. In ähnlich gelagerten Fällen von Restrukturierung liefen die Veränderungen in der Produktion und der Rausschmiss von Arbeitern beinahe gleichzeitig ab, waren eng miteinander verflochten. Das haben dann manche so interpretiert, dass die neuen Technologien die Triebkraft zur Reduzierung der Arbeitskraft in der Fabrik seien. Magneti Marelli scheint das genaue Gegenteil zu beweisen: die Einführung neuer Technologien ist einer bereits zuvor eingeführten neuen Arbeitsorganisation untergeordnet.
Die Mittel zum Rausschmiss waren Kurzarbeit zu null Stunden1, Abfindungen und Vorruhestand. Durch eine hoch getriebene Arbeitsintensität steigerte man die Produktivität ohne nennenswerte technologische Innovation. Und während von 1975-80 das Investitionsvolumen bei durchschnittlich 2 °/o des Jahresumsatzes lag, ist die jetzige Phase geprägt durch einen Schub von Erneuerungsinvestitionen in Höhe von 4°/o des Jahresumsatzes. Um die gegenwärtige Effizienz in der Produktion zu erreichen, hat die Unternehmensleitung seit Oktober 1982 zunächst massiv die Kurzarbeit eingesetzt. Das hat zu einer starken Disziplinierung der Arbeiter geführt und in der Fabrik ein Klima geschaffen, das viele dazu brachte, zu kündigen oder in den Vorruhestand zu gehen. Durch Abfindungen bis zu 54.000 Mark - vor allem für die kämpferischsten Arbeiter - versuchte die Firma, diese Tendenz zusätzlich anzuheizen.
Parallel dazu wurden die Zeiten neu aufgenommen, sodass gleichzeitig die Rhythmen und die Arbeitsaufgaben gesteigert wurden; schließlich kürzte man noch die Zusatzzahlungen (Produktionsprämien, Urlaubsgeld, 13. Monatslohn), je nachdem, wie oft jemand an Streiks teilgenommen, blaugemacht hatte usw. Außerdem wurden die Kantinenpreise erhöht. Auf der gleichen Ebene können wir eine lange Reihe von Reorganisationsmaßnahmen, neuen Maschinen oder der Einführung von Vorrichtungen auflisten, die alle darauf zielen, die Arbeitszeiten zu senken. Praktische Konsequenz dieser Eingriffe war die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und des Lebens in der Fabrik. Verschärft wurde das Ganze noch durch eine härtere Disziplin, die über eine strengere Kontrolle und die Angst vor Kurzarbeit durchgedrückt wurde.
Am wichtigsten aber war der Übergang zu einer neuen Arbeitsorganisation, die sogar von der Gewerkschaft propagiert wurde, besorgt wie sie war, die Arbeiter von den traditionellen Fesseln des Fließbandes zu befreien. Nach einer Experimentierphase wurde die neue Arbeitsorganisation, das sogenannte Montagemodul, fast überall in der Fabrik eingeführt. Das Montagemodul besteht aus einem Tisch, an dem fünf oder sechs Arbeiter die verschiedenen Teile montieren. Der Übergang sollte nach den Vorstellungen der Gewerkschaft schmerzlos sein: die Befreiung vom Fließband sollte bei gleichen Stückzahlen und gleicher Arbeitszeit eine autonome Pausenregelung und eine Zusammenfassung der Aufgaben (Job enlargement bzw. Job enrichment] bringen. In der Praxis waren die Auswirkungen dieser Neuorganisation des Arbeitsprozesses verheerend: Eliminierung einiger »Arbeiterfiguren« (wie Springer, Handlanger…), Erhöhung der Mobilität und der tatsächlichen Arbeitsauslastung, stärkere Konzentration auf die Arbeit, Verringerung der toten Zeiten, größere Flexibilität der Produktion, Erhöhung der Stückzahlen, Verringerung der Fehlzeiten. Mit der neuen Arbeitsorganisation sind die Springer (die Arbeiter, die dich während der Pausen am Band ersetzten) und die Qualitätskontrolleure (die Arbeiter, die am Bandende das Teil kontrollierten) in das Montagemodul integriert worden. Dies bedeutet eine wesentliche Zunahme der direkt produktiven Arbeit.
In der Tat erlaubte das Fließband mit seiner Rigidität keine verbreitete Mobilität zwischen den Abteilungen oder den einzelnen Bändern. Dadurch war es zwar leicht, eine einfache Tätigkeit schnell zu erlernen, lediglich die verlangte Geschwindigkeit erforderte mehrere Anlerntage. Durch die Neuorganisation können die Arbeiter besonders flexibel und problemlos an jeder Stelle eingesetzt werden. Die hohe Flexibilität der Arbeit bewirkt eine ständige »Mikromobilität« [Mobilität zwischen Arbeitsplätzen, aber auch das ständige Hin-und Herschieben und Neudefinieren der Aufgaben], die auch für eine starke Gewerkschaft, die auf solche Dinge achtet, schwer zu kontrollieren ist. Die Unternehmensleitung hat dies ausgenutzt, um eine Erhöhung der Auslastung [je Arbeitsgang und Zeitvorgabe] durchzusetzen: hier ist die Steigerung der Intensität der Arbeit mehr als offensichtlich. Die Differenz zwischen der Anwesenheit in der Fabrik und der effektiven Arbeitszeit betrug vorher zweieinhalb Stunden, jetzt liegt sie bei eineinhalb. Darüber hinaus ist die Unternehmensleitung jetzt in der Lage, die Rentabilität jedes einzelnen Montagetischs zu kontrollieren und damit höhere Stückzahlen durchzusetzen. Diese Kürzungen der Vorgabezeiten und der Abbau der Ausfallzeiten sind nicht vorwiegend die Konsequenz technisch-organisatorischer Veränderungen, sondern vielmehr Resultat einer stärkeren psychischen Einbindung der Arbeiter. Bei dieser neuen Arbeitsorganisation überwiegen die psychischen vor den physischen Anstrengungen. Am Fließband war es dem einzelnen Arbeiter möglich, die einzelnen Handgriffe schließlich reflexartig auszuführen, so das ein Teil des Kopfes frei blieb, um sich in Fantasien zu flüchten, sich zu unterhalten oder sonst wie die Zeit zu vertreiben usw. Das Montagemodul dagegen verlangt eine höhere Aufmerksamkeit jedes einzelnen für die unterschiedlichen Arbeitsschritte, Und im übrigen hat die Erhöhung der geistigen Anstrengung nichts zu tun mit der so oft beschworenen »neuen Professionalität«, denn die geforderten vielfältigen Bewegungen sind inhaltlich genauso arm wie die Bandarbeit. Während das Fließband vor allen Dingen die Entfremdung des Körpers bewirkt, so verlagert sich das Gewicht der Arbeit nun stärker auf die geistige Aktivität. Die Flexibilität der Montagetische hat also zu einer Verringerung der toten Zeiten geführt; um einen Montagetisch auf eine andere Fertigung umzustellen, reichen einige Minuten; um ein Fließband umzustellen, brauchte man einiges mehr!
Um das Ganze abzuschließen: der Absentismus ist von 20% auf 3% zusammengebrochen. Diese Strukturveränderungen wurden begleitet von einer hämmernden Propaganda für die Werte der Effizienz, der Produktivität, des individuellen Wettbewerbs und das Leistung sich lohne. Solche Ideologien konnten sich auch festsetzen dank der aufgegliederten Tarifverhandlungen, die jegliche Arbeiterinitiative gebremst haben. 1200 Arbeiter weniger sind das letztendliche Ergebnis dieses ersten Veränderungsabschnittes.
Von der Entlassung zur Kurzarbeit zu Null Stunden
Der gewerkschaftliche Forderungskatalog wird über einen langen Zeitraum hin vorbereitet und es kommt dabei zu Polemiken zwischen den verschiedenen Komponenten der Verbände. Hauptstreitpunkt ist die Verkürzung der Arbeitszeit über den Solidaritätsvertrag. Bis zum Februar 1984 bleibt der Vorschlag noch unbestimmt, aber auf Treffen und Versammlungen wird er immer mehr mit Inhalt gefüllt. Die Verkürzung der Arbeitszeit sollte flexibel und den unterschiedlichen Produktionsbedingungen entsprechend angewandt werden. Im Juni 84 wird der Katalog von der Koordination der Delegierten von Magneti gebilligt. Zusammengefasst wird eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden mit unterschiedlichen Einführungsfristen gefordert, ab 1985 der 35 Stunden in den Bereichen, in denen es sehr viele Kurzarbeiter in der Cassa Integrazione (siehe Fußnote) gibt und die Beschäftigungsprobleme sehr groß sind. Für die anderen Bereiche 37 l/2 Stunden und zwar Kosten neutral für Magneti. Von den 5 Stunden Arbeitszeitverkürzung sollten 2 1/2 Stunden durch das Solidaritätsabkommen, die restlichen 2 1/2 Stunden durch die Reduzierung der 40 Stunden, wie sie der nationale Tarifvertrag vorsieht, abgedeckt werden; dabei sollten 5 frühere Feiertage, 2 staatsbürgerliche Feiertage und ein anderer Feiertag, der im Durchschnitt auf einen Samstag oder Sonntag fällt, insgesamt also 104 Stunden gleich 2 Stunden pro Woche, anders verteilt werden, die restliche halbe Stunde sollte zu Lasten von Magneti gehen. Zur Zeit der Verhandlungen waren noch 340 Arbeiter in der Cassa Integrazione zu null Stunden. Um diesen Vorschlag besser begreiflich zu machen, müssen wir auf die Einführung der Kurzarbeit zurückkommen. Es lassen sich bei Magneti drei Phasen unterscheiden:
In der ersten Phase von 1980-82 gibt es gewöhnliche Kurzarbeit mit wöchentlichen Feierschichten oder anderen Arten rotierenden Arbeitsausfalls aufgrund des rückläufigen Autoabsatzes insgesamt und der neuen Lagerhaltungspolitik.
In der zweiten Phase im Sommer 82 kommt es zu außerordentlicher Kurzarbeit. Nach einer Reihe von Mobilisierungen, Versammlungen, Kämpfen und Streiks gelingt der Gewerkschaft der Abschluss eines Abkommens, das die Kurzarbeit zu Null Stunden etappenweise einschränkt; bis 31. Dezember 1983 sieht es die sichere Rückkehr der 692 Arbeiterin die Fabrik vor, die seit 4.10.82 in der Cassa Integrazione zu Null Stunden sind. Das Abkommen ist jedoch nur für 167 Arbeiter eingehalten worden. Zu den anderen 300, die übrig geblieben sind, nachdem nach und nach im Lauf der Monate viele in Rente oder Vorruhestand gegangen sind oder selbst gekündigt haben, sagte Magneti, daß ihre Rückkehr aus produktionsbedingten Gründen nicht möglich sei.
Im September 84 werden weitere 184 Arbeiter in die Liste aufgenommen, man ist somit bei 503 Arbeitern in der Cassa Integrazione zu null Stunden angelangt. Darauf folgend beginnen die Kämpfe für die Verkürzung der Arbeitszeit. Um die Streiks wirksamer zu machen, wird eine »Widerstandskasse« eingerichtet: jeder Arbeiter zahlt pro Monat der Auseinandersetzung 50000 Lire (knapp 80 Mark) ein; die gesamte Summe wird gemäß der Streikstunden verteilt. Die Kasse diente also dazu, die Arbeiter zu unterstützen, damit sie wenigstens 6-7 Tage streiken, um den Vorrat, die Lagerreserve anzugreifen. So sind drei Streiks von 8 Tagen Dauer gelaufen: einer in der Pneumatik, einer in der Abteilung Systeme und einer im Werk von Alessandria. FIAT (Magneti) hat darauf sofort Entlassungen angekündigt. Deshalb entfernte sich der Kampf von den ursprünglichen Zielen und wurde zum Widerstand gegen die Entlassungen. Die Kampffront, die von den Arbeitern, dem Betriebsrat und der Gewerkschaft gebildet wurde, zerbröckelte und die Debatte über die Kurzarbeit ging von neuem los. Das Manöver von FIAT hat die Gewerkschaft ausgebootet, die nun versucht, mit allen Mitteln ein Abkommen hinzukriegen, um die Entlassungen rückgängig zu machen. Sowohl der provinzweite, als auch der regionale Streik, die beide aus Solidarität mit den Magneti-Arbeitern gelaufen sind, haben jedoch gezeigt, dass sie ohne Bestimmung und Fähigkeit zur Konfrontation waren. Sie waren einfach Routineangelegenheiten und sehr weit davon entfernt, eine Trendenzwende anzuzeigen; diese Streiks haben vor allem die Brüche zwischen den Gewerkschaften nicht nur auf Verbands-, sondern auch auf Betriebsratsebene deutlich gemacht.
Die Einheit der Gewerkschaftsbewegung ist nun Schnee von gestern, und schon die Debatte über die Arbeitszeitverkürzung hatte die Widersprüche zwischen den drei Verbänden ans Licht gebracht. Für den Solidaritätsvertrag hatte sich allein die FIM [von der CISL getragene Metallarbeitergewerkschaft] ausgesprochen, im Gegensatz zur FIOM [Metallarbeitergewerkschaftder CGIL] und zur UILM [sozialdemokratische Metallarbeitergewerkschaft], die wenigstens im Falle Magneti eine Verkürzung der Arbeitszeit vorschlugen. Die Verbände verwiesen nun die Arbeitszeitverkürzung zurück an die Betriebsräte, während diese daran festhielten, daß man einen einheitlichen Kampf führen müsse, der die gesamte Bewegung miteinbezieht. In Wirklichkeit war alles wie gelähmt. Keiner der Vorschläge zur Arbeitszeitverkürzung ging auch die Bedingungen an, die die Entwicklung eines strukturellen Arbeitskräfteüberschusses erlaubt haben. Die Verhandlung ist auch ein Erfolg für Magneti: es wird ein Abkommen unterzeichnet, das 503 Arbeiter in der Cassa Integrazione zu null Stunden festschreibt. Die Gewerkschaft sieht das als Rücknahme der Entlassungen; FIAT als Annahme seines Vorschlages, nämlich die Durchsetzung der Kurzarbeit zu null Stunden. Das Abkommen lässt jede Interpretation zu: sowohl die »Rückkehr der Kurzarbeiter in die Fabrik« als auch »ihre endgültige Entlassung«. Aber es erwähnt dennoch verschiedene Instrumente für den Personalabbau: Vorruhestand, Mobilität, Kooperativen, Fortbildungskurse. In der Substanz ist es also alles andere als zweischneidig.
Fußnoten:
Wenn die Regierung erklärt, daßein Betriebe in der Krise« ist, können größere Teile der Belegschaft in Kurzarbeit geschickt werden. Sie erhalten weiter Bezüge über die staatliche Lohnausgleichskasse »Cassa Integrazione Guadagni« (CIG). Die CIG wird von den Unternehmern benutzt, um die alten, kranken und rebellischen Arbeiter loszuwerden, denen ordentlich praktisch nicht gekündigt werden kann. Man schickt vorzugsweise sie in die »CIG zu null Stunden«, was in der Regel die endgültige Entlassung bedeutet, aber eben mit mehreren Jahren Bezug von Kurzarbeitergeld, das in der Höhe fast dem Lohn gleichkommt. Diese Regelung gilt natürlich nur für Großbetriebe, nicht für Klitschenarbeiter.