Wildcat Nr. 39 – Sommer 1986 – S. 25-29 [w39szwit.htm]


[Startseite] [Archiv] [Wildcat] [Bestellen] [Kontakt]

Witten

Unsere Erfahrungen mit der Zwangsarbeit lassen sich grob in vier Phasen einteilen:

Erste Phase

Anfang Februar ‘82 verpflichtete die Stadt etwa 60 Asylbewerber (Kurden, Türken, Tamilen) zur Zwangsarbeit: vier Stunden täglich für 1,- DM Stundenlohn.

Dagegen bildete sich ziemlich schnell eine Bürgerinitiative, an der einige von uns als Einzelpersonen beteiligt waren. Obwohl damals klar war, dass die Stadt schon immer SozialhilfeempfängerInnen, wenn bis dahin auch nur sehr vereinzelt, zum Arbeitseinsatz gezwungen hatte, wurde dies nicht thematisiert. Die Zwangsarbeit wurde lediglich eingeschränkt aus der Situation der Asylbewerber heraus kritisiert (Arbeitsverbot für Asylbewerber, Abschreckung). Während die Tamilen überwiegend dem Arbeitseinsatz folge leisteten, verweigerten die kurdischen und türkischen Genossen nahezu geschlossen die Zwangsarbeit.

Durch verschiedene Aktionen (Infostände, Veranstaltung, Unterschriftenlisten, Go-in beim Stadtdirektor) gelang es uns, politischen Druck auszuüben. Die Antwort der Stadt war die Erhöhung der sogenannten Aufwandsentschädigung von 1,- auf 2,- DM und die Ankündigung, im Zuge der Gleichberechtigung in Zukunft verstärkt deutsche SozialhilfeempfängerInnen zu verpflichten.

1983 wurden (laut Angaben der Stadt) 103 Deutsche und 115 Asylbewerber zur Zwangsarbeit verpflichtet, 110 verweigerten der Arbeitseinsatz.

In dieser Situation gelang es aus verschiedenen Gründen nicht, den Druck von 1982 zu reorganisieren und zu verstärken:

Zweite Phase

Die Zwangsarbeit in Witten wird immer weiter ausgedehnt, neue Einsatzorte werden von der Stadt erprobt. In dieser Zeit (´83,´84) gelingt es nicht, Ansätze für gemeinsamen Widerstand dagegen zu diskutieren. Einige nutzten die individuelle Möglichkeit, auf dem Papier ihren Wohnsitz in der Region zu ändern, da die Zwangsarbeitspraxis in dieser Zeit im Ruhrgebiet von jeder Kommune unterschiedlich gehandhabt wurde (z.B. wurden Leute, die in Witten Sozialhilfe neu beantragten, während der ersten drei Monate in Ruhe gelassen). Wenn man sich das geschickt einteilte, kam man ganz gut über die Runden.

Dies war eine Möglichkeit, die (wie wir später erfahren haben) auch außerhalb der Szene genutzt wurde.

Viele verlassen sich einfach auf die juristische Ebene, legen Widerspruch ein, prozessieren. Das führt immer wieder zu kurzzeitigen individuellen Erfolgen, gleichzeitig entwickelte sich die Praxis der Stadt aber in dieser Zeit auch weiter (z.B. wurden die Formulierungen auf den Bescheiden ständig erweitert), und Anfang ´85 machte das OVG mit einem Urteil alles »wasserdicht«. Konkret sah das so aus: 2,-DM Stundenlohn, 7-Stundentag, 35-Stundenwoche; Einsatzorte im Grünflächenbereich der Stadt Witten, beim Tiefbau und bei der Freizeitgesellschaft Kemnade GmbH (an dieser sind das Land NRW, Bochum, Witten, Hattingen sowie der Kommunalverband Ruhrgebiet beteiligt).

Die Situation an den Arbeitsorten hat sich in dieser Zeit durch eine geschickte »Durchmischung« ebenfalls stark geändert: fest eingestellte städtische Arbeiter, ABMler mit einjähriger Befristung, ABMler mit siebenmonatiger Befristung (Grünflächen-Saisonarbeiter) vereinzelt Sozi-EmpfängerInnen, denen konkret eine Festeinstellung versprochen wurde, die seit zwei Jahren arbeiten und von denen zwei bereit sind, auch mal mit Überstunden einzuspringen; Asylbewerber die meist abgeschirmt arbeiten, sowie jugendliche SozialhilfeempfängerInnen, die über das NRW-Landesprogramm auf ein bis zwei Jahre eingestellt sind, und »normale« SozialhilfeempfängerInnen.

Laut städtischer Statistik liegt die Verweigerunsquote ’84 bei 30%.

Dritte Phase

Anfang ‘85 wurde, wie gesagt, die Praxis der Stadt Witten durch Gerichtsurteil in letzter Instanz für zulässig erklärt. Zum einen war das Anlass für die Stadt Witten die Zwangsarbeit weiter auszudehnen, zum anderen war die Hoffnung vieler, besonders von Leuten aus der Szene, durch rechtliche Schritte dem Stress mit der Arbeit entgehen zu können, zerstört.

Für einige von uns stellte sich an diesem Punkt erneut die Frage, wie wir weg von den individuellen Formen der Verweigerung hin zu kollektiven Schritten der Arbeitsverweigerung kommen könnten. Da wir den Zeitpunkt als günstig einschätzten, entschlossen wir uns, im Frühjahr ’85 die Arbeit anzunehmen, mit der Vorstellung, langfristig an den Arbeitsorten Widerstand entwickeln zu können.

Plangemäß erhielten auch einige von uns eine Vorladung zur Einteilung in den Arbeitsdienst (ab jetzt heißen einige von uns schlichtweg Erwin). Erwin sollte sich im Laufe der Woche zur Einteilung melden; da er nicht als übereifrig auffallen wollte, ließ er erst ein paar Tage verstreichen und meldete sich gegen Ende der Woche zur Einteilung. Man teilte Erwin mit, dass leider alle Arbeitsplätze belegt seien, dass er aber bei späteren Arbeitseinsätzen berücksichtigt werde. Sehr schnell haben wir rausgefunden, dass von Anfang an nicht genügend Arbeitsplätze vorhanden waren, dass das ganze nur ein Trick war, um die Leute vorzusortieren und die Arbeitsbereitschaft der Leute zu testen. Viele hatten gar nicht auf den Bescheid reagiert, ihnen wurde die Sozialhilfe gekürzt. Nur vereinzelt konnten wir Leute erreichen und sie warnen.

Das macht auch die Schwierigkeit deutlich, mit der wir es bei der Zwangsarbeit ständig zu tun hatten und haben. Es gibt keinen Punkt, an dem alle zusammen kommen; in den Arbeitskolonnen sind immer höchstens drei deutsche und drei ausländische Zwangsarbeiter zusammen eingesetzt; die Zahl der ZwangsarbeiterInnen bleibt eine imaginäre Größe, die nirgends fassbar ist.

Einen Monat später bekam Erwin endlich einen Arbeitsplatz zugeteilt. Als erstes erklärte der etwas unruhig wirkende Vorarbeiter (inzwischen waren sechs Zwangsarbeiter, darunter drei Tamilen, mit einer halben Stunde Verspätung erschienen, nur Erwin war pünktlich), dass die 7-Stunden- Regelung in seinem Arbeitsbereich keine Geltung hätte, da sie nicht zu realisieren wäre, bei ihm arbeiten alle gleich, und die ZwangsarbeitInnen bekämen dann einen Tag frei – wie sich später rausstellte bei schlechtem Wetter wenn sie eh nicht benötigt wurden. In der anschließenden, heftig geführten Diskussion wurde schnell klar, dass bei dieser Arbeitsstelle nur eine einheitliche Zeitregelung durchführbar war, denn der Vorarbeiter brachte die Arbeiter morgens in kleinen Gruppen zu ihren Arbeitsorten und holte sie dann acht Stunden später wieder ab. Hätte er nach sieben Stunden rumfahren müssen, um die Zwangsarbeiter einzusammeln, wäre das organisatorisch nicht zu bewältigen gewesen. Angesichts dieser Tatsache bestanden die Anwesenden erst recht auf dem 7-Stundentag. Auf die Verarschung mit dem freien Tag wollte sich keiner einlassen. (Erwins Herz lachte, der Vorarbeiter tobte.) Da keiner die Arbeit aufnehmen wollte, bevor die Sache geklärt war, und die festen Arbeiter sowieso keine Eile hatten, an die Arbeit gebracht zu werden, blieb dem Vorarbeiter keine andere Wahl. Für die mit uns eingeteilten Festangestellten hieß das konkret Arbeitszeitverkürzung auf sieben Stunden bei vollem Lohnausgleich.

Aber da sind wir gleich bei der zweiten Schwierigkeit: teilweise erzielte Erfolge konnten nie stabilisiert werden.

Durch den guten Start ließ sich einer der Zwangsarbeiter dazu hinreißen, einen ganzen Arbeitstag da zu bleiben – eigentlich hatte er nur kurz vorbeikommen wollen, um dem Vorarbeiter seine Meinung zu sagen, was er dann kurz vor Schichtende sehr anschaulich getan hat. Er tauchte dann gar nicht mehr auf, der zweite hatte sich nach dem zweiten Tag krank gemeldet, und Erwin arbeitete schließlich allein und wurde in eine andere Kolonne versetzt. Am Einsatzort kehrte die alte Ordnung wieder ein, ZwangsarbeiterInnen arbeiteten seitdem wieder acht Stunden am Tag; Versuche von außen, die Auseinandersetzung über den 7-Stundentag wieder aufzunehmen, scheiterten.

Ein weiteres Problem bestand darin, dass es keine Gruppe von außen gab, die bei Arbeitseinsätzen unterstützend tätig werden konnte. Oftmals bot sich die Gelegenheit, wie z.B. bei Erwins Einsatz auf dem Schulhof einer Gesamtschule, durch Flugblätter mehr Öffentlichkeit herzustellen: So wunderten sich die Schüler zwar über die kleine Arbeitskolonne auf ihrem Schulhof, die es fertig brachte, sich fünf Stunden auf ihre Geräte zu stützen, und den Rest der Zeit mit Pausen zu verbummeln, aber es war unmöglich, sämtliche Fragen der Schüler in deren Pausen zu beantworten.

Insgesamt haben die verschiedenen Arbeitseinsätze im Jahr 1985 gezeigt - sämtliche Erfahrungen und Erfolge von Erwin können wir hier nicht wiedergeben -, dass es nicht gelang, kollektive Verweigerungen zu organisieren; die Ablehnung der Arbeit war zwar überall deutlich, aber die Verweigerung blieb individuell. Kontakt am Arbeitsort mit Tamilen wurde verhindert, deshalb haben wir es eher zufällig erfahren, dass 15 Tamilen gemeinsam zum Rathaus gegangen waren und mehr Lohn gefordert hatten. Oder wir haben uns über einen Brandanschlag mit erheblichem Sachschaden gewundert, bei dem der Geräteschuppen eines Einsatzortes abbrannte, wobei der Anschlag aber nicht die Handschrift der Polit-Szene trug.

Trotz aller schlechten Erfahrungen waren wir am Ende der Arbeitssaison zumindest in der Lage, uns einen Gesamtüberblick über die Zwangsarbeit in Witten zu verschaffen und die Zielsetzung unserer weiteren Interventionen umfassender zu diskutieren.

Vierte Phase

Ende Oktober ‘85 haben wir uns mit einigen Leuten zusammengesetzt und versucht, unsere Erfahrungen auszuweiten. Damals haben wir uns eigentlich erst als Initiative weg mit der Zwangsarbeit organisiert.

Erste öffentliche Aktivitäten bestanden ab November im Verteilen von Flugblättern auf dem Sozialamt. Wir wollten die »Winterpause« bei der Durchführung von Zwangsarbeit für eine ausführliche Öffentlichkeits- und Informationsarbeit nutzen. Unserer Einschätzung nach konnten wir nur hier durch eine kontinuierliche Präsenz alle ZwangsarbeiterInnen erreichen und Erfahrungen austauschen. Durch einen öffentlichen Treffpunkt im Wittener Arbeitslosenzentrum wollten wir regelmäßig ansprechbar sein.

Die Reaktionen von seiten der Stadt umfassten Verbote, unsere Plakate und Flugblätter im Rathaus zu verteilen bzw. aufzuhängen; auf Druck der Stadt wurde uns im Arbeitslosenzentrum Hausverbot erteilt; in einer Pressekampagne versuchte die Stadt, uns unter der Überschrift »Sozialamt möchte mit Märchen über Zwangsarbeit aufräumen« zu diffamieren. Nachdem wir weiterhin am Sozialamt präsent waren, haben sie durch einen Bulleneinsatz uns einzuschüchtern versucht, dabei wurden zwei Leute verhaftet.

Je mehr die Stadt zu Repression griff, um so stärker wurde das Interesse an unserer Initiative: Arbeitslose aus dem Arbeitslosenzentrum sorgten dafür, dass wir uns dort trotz Hausverbot treffen konnten, indem sie uns die Tür aufschlossen. Jeder misslungene Versuch der Stadt, ein Plakatierverbot durchzusetzen - schließlich können nicht ständig Bullen am Sozialamt anwesend sein - brachte uns mehr Sympathie ein. Zuletzt war die Stimmung auf dem Sozialamt beim Verteilen von Flugblättern so aggressiv, daß sich die Sozialarbeiter nicht mehr auf den Flur trauten. Als es doch einer tat und ein Plakat abreißen wollte, musste er hinterher wochenlang wegen einer Herzattacke krankfeiern.

In dieser Zeit haben wir auch verstärkt Kontakt zu Leuten aus Wittener Betrieben aufgenommen, da wir mitbekamen, wie in letzter Zeit befristet eingestellt wurde, z.B. bei Siemens, Kroschu (Kabelbäume für die Automobilindustrie), Wickmann (Sicherungen) und viele Frauen unter 25, die vorher beim Sozialamt waren, jetzt dort arbeiteten (ein Drittel der bei Siemens arbeitenden Frauen unter 25, die vorher beim Sozialamt waren, sind dort für sechs Monate befristet eingestellt). Nach sechs Monaten, wenn sie in der Hoffnung übernommen zu werden, und als Akkordarbeiterinnen abgenutzt sind, fliegen sie raus, kriegen wieder Kohle vom Sozialamt, landen nach einiger Zeit bei Kroschu usw.. Wir haben versucht, mit Arbeiterinnen aus diesen Betrieben Erfahrungen auszutauschen und über eine gemeinsame Praxis zu diskutieren. Als Teil dieser Diskussion ist eine gemeinsame Zeitung Außer Betrieb entstanden, die bis jetzt allerdings inhaltlich noch nicht ganz unseren Vorstellungen entspricht.

Ein weiteres Feld in dieser Zeit war der Kampf der Bewohner einer kleinen Siedlung, die als Schandfleck wegsaniert werden soll. Diese Siedlung wurde bezeichnenderweise im Zweiten Weltkrieg als Zwangsarbeiterlager für Kriegsgefangene gebaut, nach dem Krieg von Obdachlosen in Besitz genommen und in den 50er Jahren von einem Abbild des »bösen Kapitalisten« aufgekauft, der nicht nur seine Mieter ausquetscht, sondern sie auch noch als Billiglohnarbeitskräfte in seiner benachbarten Kohlehandlung zum Kohleschleppen einsetzt. Viele der BewohnerInnen haben wir auf dem Sozialamt wiedergetroffen. Wir haben gemeinsame Versammlungen abgehalten und mit ihnen diskutiert; inzwischen befinden sich die meisten seit acht Monaten im Mietstreik.

Mitte Mai veranstaltete der DGB eine Podiumsdiskussion zum Thema Zwangsarbeit. Während die DGB-Vertreterin deutlich unsere Forderung nach unmittelbarer, ersatzloser Streichung der Sozi-Zwangsarbeit unterstützte, versuchte der SPD-Sprecher (Vorsitzender des Sozialausschusses), sich zunächst mit Allgemeinplätzen aus der Affäre zu ziehen (»… schon immer gegen Zwangsarbeit gewesen…«), war nach einer Stunde jedoch unter Druck und sagte schließlich zu, auf der nächsten Sozialausschußsitzung einen Antrag der Grünen auf Abschaffung der Zwangsarbeit zu unterstützen.

In dieser Situation haben wir in einem Flugblatt, das wir auf allen Arbeitsorten, am Sozialamt, und in einer Übersetzung gezielt an die tamilischen Zwangsarbeiter verteilt haben, dazu aufgerufen, den Druck auf die Stadt zu verstärken, und nicht auf die Ankündigungen und Versprechen zu vertrauen.

Wir hatten in der Initiative seit längerem über die Möglichkeit eines Streiks (Blockade eines zentralen Einsatzortes) diskutiert. Angesichts des Verlaufs einer DGB-Diskussion schien uns der beste Zeitpunkt für eine solche Aktion die im Juni angesetzte Sozialausschußsitzung. In den Wochen davor verstärkten wir daraufhin unsere Aktivitäten. In vielen Gesprächen mit ZwangsarbeiterInnen an ihrem Einsatzort versuchten wir ihre Einstellung zur Arbeit und zum aktiven Streik bzw. einer Unterstützung rauszukriegen. Dabei wurde deutlich, dass ein Teil durchaus bereit war, einen Streik zu unterstützen. Zu einem Treffen, bei dem nochmal gemeinsam über den Streik und ein gemeinsames Vorgehen diskutiert wurde, kamen allerdings nur wenige (WM – Mexiko???). Parallel dazu mobilisierten wir mit einem Flugblatt in tamilischer Sprache die Zwangsarbeiter aus Sri Lanka zu einem Treffen. Hier wurde ihre Bereitschaft deutlich, unsere Aktion mit zu unterstützen, gleichzeitig machten sie klar, daß sie aufgrund ihrer ökonomischen Situation (fehlende Möglichkeiten, anders - z.B. durch Schwarzarbeit - an Kohle zu kommen) auch bei einem »freiwilligen« Arbeitseinsatz weiterhin für 2,-DM die Stunde arbeiten würden. Ihre Forderungen gehen in Richtung, mehr Kohle vom Sozialamt zu fordern (vor allem während der Wintermonate ohne Arbeit).

Nach der Diskussion mit den Tamilen und vor allem nach dem Treffen mit den deutschen ZwangsarbeiterInnen wurde deutlich, dass ein Streik zu diesem Zeitpunkt nicht genügend verankert war. Wir entschlossen uns, uns zunächst auf die Ausschusssitzung zu konzentrieren.

Unsere Einschätzung vor der Sitzung war folgende: auf Grund des Drucks durch die DGB-Veranstaltung bringt die SPD einen Antrag, der die Abschaffung des direkten Arbeitszwangs beinhaltet, gleichzeitig aber »besser bezahlte« Arbeit anbietet. Mit welcher Praxis (Dortmunder Modell, Kölner Modell?) und in welchem Umfang, konnten wir nicht absehen. Diese Einschätzung wurde einen Abend vorher durch Informationen der Grünen bestätigt. Wir beschlossen daraufhin, für die Sitzung nicht groß zu mobilisieren, um dort zu »intervenieren«, sondern gingen nur mit ein paar Leuten hin, um zu sehen was abläuft.

Auf der Sitzung präsentierte die SPD dann einen Antrag, in dem von der Abschaffung der Zwangsarbeit keine Rede war. An den Kreis, als Träger der Sozialhilfe, wird appelliert, ein angemessenes Entgelt zu zahlen.

In der Sitzung (nachdem der SPD-Antrag raus war), reagierten wir sofort durch Zwischenrufe und machten deutlich, dass sich an der bestehenden Praxis überhaupt nichts ändert, dass der Antrag nur Propaganda für die SPD ist, und konfrontierten den Vorsitzenden mit seinen Äußerungen bei der DGB-Diskussion. Als er infolge der Tumulte und Angriffe auf seine Person nicht mehr in der Lage war, die Sitzung durchzuziehen, unterbrach er und forderte einen aus unserer Gruppe auf, den Saal zu verlassen. Dieser weigerte sich, wir rückten enger zusammen, und selbst die zur Hilfe gerufenen Bullen konnten den »Störer« nicht rausgreifen. Daraufhin besorgte sich der Vorsitzende eine Hundertschaft aus Bochum. In der Zwischenzeit hatten wir unsere Taktik geändert, den »Störer« verkleidet und ihm für diesen Nachmittag frei gegeben. Nach 2½-stündiger Unterbrechung ging die Sitzung weiter, ohne große Diskussion wurde der SPD-Antrag abgesegnet.

Zur Einschätzung der jetzigen Situation

Wir denken, der SPD-Antrag war die schnelle und überhastete Antwort auf die Ankündigung der Grünen, einen Antrag auf Abschaffung zu stellen. Aus der Antragsbegründung geht hervor, dass die SPD weiter an der Zwangsarbeit festhalten wird und sie in der nächsten Zeit noch ausbauen will(»Arbeit für alle«). An der Praxis hier wird sich in den nächsten Monaten erstmal nichts ändern, der Antrag ist erstmal nichts anderes als ein »Tendenzbeschluß«, der z.B. völlig offen lässt, was »übliches Arbeitsentgelt« ist. Wir gehen davon aus, dass die Strategen der Stadtverwaltung sich nun überlegen werden, wie sie hier die Modelle à la Köln/Dortmund aufziehen können. Was solche Modelle für die zahlreichen tamilischen Zwangsarbeiter bedeuten, ist zunächst unklar.


[Startseite] [Archiv] [Wildcat] [Bestellen] [Kontakt]