Vor zwei Wochen wurde ein überaus harter Kampf der Genueser Hafenarbeiter mit einem Abkommen beendet, das beide Seiten als für sich vorteilhaft bezeichnen. Die Hafenarbeiter konnten wohl das Vorhaben der Hafenverwaltung, bestimmte Arbeiten am Kai an Subunternehmer zu vergeben, zunächst zurückschlagen. Alles weitere wird sich zeigen. Gerade wenn wir die internationalen Entwicklungen im Transportwesen betrachten, wird deutlich, daß der Streik wohl eher ausgesetzt denn beendet ist. Und wie sagt ein alter Hafenarbeiter-Spruch: der Kampf wird aufm Kai und nicht aufm Papier entschieden! Das Folgende ist eine Zusammenstellung von Materialien zu diesem Streik. Genauso gut könnte es über die Kämpfe der Hafenarbeiter in Spanien, den USA, Holland oder anderswo gehen, nach Italien haben wir halt die besseren Diskussionszusammenhänge. Wir haben zunächst mal nur Materialien zusammengestellt und hoffen, damit Stoff für die Diskussion mehrerer wichtiger Fragen zu liefern:
Welche Rolle können solche defensiven Kämpfe für die neue politische Klassenzusammensetzung spielen? Was sind überhaupt "alte", was "neue" Kämpfe – oder ist nicht schon die Frage so falsch gestellt? In welchem Zusammenhang stehen Arbeitererrungenschaften und Umstrukturierung, Arbeiterwiderstand und Krise? Wie können überhaupt Kämpfe im Transportsektor aussehen, der im letzten Jahrzehnt mit am stärksten umstrukturiert worden ist und heute in einer tiefen Krise steckt? Welche Rolle spielt dabei das Arbeiterwissen für Kämpfe?
Solche Fragen könnten ein Anfang sein, um die unterschiedlichen Erfahrungen zusammenzubringen in einer Situation, wo die "Fabrikisierung" immer weiterer Bereiche Kämpfe neuer Art hervorbringt. Es wäre kurzsichtig, erst auf die Homogenisierung all dieser Kämpfe zu warten, um dann mit der Initiative zu beginnen; politisch kurzsichtig, weil wir uns den Zugang zu einer ganzen Reihe explosiver Widersprüche abschneiden, theoretisch kurzsichtig, weil wir den Reichtum und die Komplexität des "modernen Proletariats" nicht verstehen würden. Im Gegenteil haben wir wertvolle Erfahrungen in den Sektoren, die von diesem Prozeß erfaßt werden, Erfahrungen, die wir in Initiativen, Vorschläge und Organisation umsetzen müssen.
Es folgen also erstmal:
In der grotesken Pressekampagne gegen die Genueser Hafenarbeiter haben es die Zeitungen akkurat vermieden, irgendwelche Informationen über andere europäische Häfen zu geben. Beginnen wir also in der Nachbarschaft, in
Hier hatte die Gewerkschaft seit einiger Zeit die Umstrukturierung der Teams und die Begrenzung des closed shop akzeptiert; der Hafen hatte 1985 sein finanzielles Gleichgewicht wiedererlangt und hatte das Privileg, zum Umschlagplatz der "Rund-um-die-Erde"-Container zu werden. Aber so wie sie gekommen waren, sind diese Linien auch wieder gegangen, da ja nichts es einem großen Reeder verbietet, einen Hafen als Umschlagplatz zu nehmen, ihn auf die Einhaltung bestimmter Zeiten und auf bestimmte Investitionen zu verpflichten und ihn dann wieder sitzenzulassen. Die Selbständige Hafenverwaltung von Marseille hat deshalb im Oktober 1986 300 Entlassungen verlangt. Die Gewerkschaft, also die CGT, hat mehr aus Gründen allgemeiner Politik denn aus Prinzip Nein gesagt. Es war das Jahresende der Eisenbahnarbeiter, die Seeleute sind gegen das Überwechseln der französischen Schiffe unter Billigflaggen in Streik getreten, und folglich wurde das soziale Klima im Transport brandheiß. Die Selbständige Hafenverwaltung von Marseille hatte sich überlegt, einen privaten Subunternehmer mit der Durchführung von Arbeiten zu beauftragen, die den Hafenarbeitern vorbehalten sind. Das war der Funke, der den Streik auslöste; er begann am 5. Januar und dauerte neun Arbeitstage, wobei die Villa der Hafenverwaltung mehrmals besetzt wurde.
Die Faschisten des Front National und die Gaullisten haben mit Unterstützung der Presse begonnen, die Stadt gegen die Hafenarbeiter aufzuhetzen und haben drei Demonstrationen gegen sie organisiert, bis Chirac, der auf nationaler Ebene das schlimmste befürchtete, sie dazu brachte aufzuhören. Nach zwei Wochen wurde dann ein Abkommen geschlossen, das nochmals das ausschließliche Recht der Hafenarbeiter anerkennt, daß nur sie im Hafen arbeiten dürfen. Daraufhin haben sie die Arbeit wiederaufgenommen.
Hier sind die Hafenarbeiter schon seit Februar vergangenen Jahres im Kampf – und mit ihnen alle spanischen Hafenarbeiter, die in der Coordinadora organisiert sind, einer Basisgewerkschaft, die weder zur sozialistischen UGT noch zu den kommunistischen Comisiones Obreras gehört. Es ist der längste Arbeitskampf seit Francos Tod, vergleichbar mit dem Streik der englischen Bergarbeiter. Die Gründe? Immer die gleichen. Privatisierung der Häfen, das heißt, Terminals werden zum ausschließlichen Gebrauch großen Reedereien oder Speditionen überlassen, Abschaffung des Statuts, daß nur Hafenarbeiter im Hafen arbeiten dürfen – das alles war in einem Dekret vom Mai 1986 enthalten, dem sowohl der Erlaß der italienischen Regierung als auch nach dessen Scheitern der von D'Alessandro nachgebildet war. Felipe Gonzalez hat das ganze Prestige seiner Regierung in die Auseinandersetzung mit den Hafenarbeitern geworfen und hat seine Zustimmung erteilt, daß in Barcelona wie auch in anderen Häfen eine private Gesellschaft namens Contenemar mit eigenen Arbeitern unter Polizeischutz arbeiten konnte – auf einem isolierten Teil des Hafens, der mit einer Mauer aus Containern vom übrigen Hafen abgetrennt war. Im Dezember fanden die gewerkschaftlichen Wahlen in den Häfen statt und die Coordinadora, die vorher 80 Prozent der Stimmen hatte, erhielt nun 90 Prozent – die sozialistische Gewerkschaft nicht einmal 4 Prozent.
ist der größte Hafen der Erde und Modell für alle anderen Häfen: hier hat die Hafenbehörde keine einzige operative Funktion mehr, alles wird von Privaten erledigt, von Aktiengesellschaften, an denen zum Teil die staatlichen Eisenbahnen oder die Post beteiligt sind. Tatsächlich gibt der Hafen, also die Kommune von Rotterdam Kredite oder Kreditgarantien an Firmen, die im Hafen investieren. So wurde auch das Delta Terminal finanziert, eine futuristische Anlage auf einer künstlichen Insel mitten in der Hafeneinfahrt. Aber es gibt keine Kunden. In Rotterdam ist die Umstrukturierung gelaufen und nochmal gelaufen, sagen wir, sie ist hausgemacht und permanent. Aber den Gewerkschaften ist es 1985 gleichwohl gelungen, ein Abkommen zu unterzeichnen, das Entlassungen bis 1990 ausschließt. Auch Rotterdam ist Umschlagplatz der großen "Rund-um-die-Erde"-Linien, es ist, wie man sagt, ein main port. Eine dieser Linien ist Ende 1986 zusammengebrochen, obwohl sie sehr weitgehend staatlich unterstützt wurde, und hat ihre regelmäßigen Container-Transporte eingestellt. Um einen Vergleich zu machen: das ist ungefähr so, wie wenn in der Welt des Personal Computers Apple zusammenbrechen würde. Habt Ihr in den Zeitungen auch nur eine Zeile davon gelesen? Ich nicht. Aber wie auch immer, die Einstellung der Linien hat dem Hafen von Rotterdam auf einen Schlag mehr Containerumschlag entzogen, als Genua in einem Jahr macht. In dieser Situation hatten also die Betreiber eine Überkapazität. Sie haben das Abkommen mit den Gewerkschaften aufgekündigt und sofortige Entlassungen verlangt. Ende Januar hat daraufhin der Streik begonnen...
Wir könnten nun Europa verlassen und uns den US-Häfen an der atlantischen Küste zuwenden, wo nach fünfzehn Jahren zum ersten Mal wieder die Docks von den Hafenarbeitern blockiert worden sind, die gegen Entlassungen kämpfen, aber so langsam würde es langweilig, und ich käme noch in den Ruf, im spätoperaistischen Delirium zu liegen.
Warum habe ich also all das erzählt? Um zwei Dinge klarzumachen. Erstens, wenn wir über Häfen und Handelsschifffahrt diskutieren, müssen wir den internationalen Zusammenhang im Auge haben. Dieser ist heute von einer großen Unordnung, von Preisstürzen und Firmenzusammenbrüchen durch die scharfe Konkurrenz gekennzeichnet (der Vorsitzende von Hapag Lloyd sprach von einem "Blutbad"). Die monopolistische Konzentration führt zur Außerkraftsetzung der Verhaltensregeln und sogar der technischen Standards, zur Automatisierung und Reduzierung des Personals bis hin zum Absurden wie zum Beispiel, wenn sie sieben (7) Mann zum Ausladen eines Schiffes von 40.000 Tonnen schicken, das vielleicht sogar gefährliche Fracht geladen hat. Eine Situation von riesiger Überkapazität an Schiffen und Hafenterminals. Wenn es also auch wahr ist, daß das italienische Hafensystem überholt und potenziert wurde, so wird man doch wohl noch fragen dürfen, auf Grundlage welcher Voraussagen zum Beispiel über das Verkehrsaufkommen an der ligurischen Küste Konstruktionspläne für Containerterminals von anderthalb Millionen Containern im Jahr aufgestellt werden? Anstatt über die Notwendigkeit von Personalabbau und von verschlechterten Arbeitsbedingungen könnte man auch über Sinn und Logik gewisser Investitionen reden....
Der zweite Grund ist ... daß wir über die Grenzen der Umstrukturierung diskutieren müssen... Was bedeutet es, daß die Umstrukturierung der Dienstleistungen begonnen hat? Daß es bei Post und Eisenbahn 100 000 Entlassungen geben wird? Wenn das so ist, müssen wir der Situation ins Auge sehen und brauchen entweder neue soziale Abfederungen anstelle der alten oder eine neue Beschäftigungspolitik.... Irgend etwas aber muß getan werden, denn die BRD und die USA zeigen, daß das neoliberale Modell, das die alten direkt produktiven Arbeiter durch die neuen Tertiären und High-Tech-Arbeiter ersetzen wollte, gescheitert ist....
Das folgende ist die Abschrift eines Interviews mit einem Genossen der CULMV (Compagnia Unica dei Lavoratori Merci Varie) aus dem Hafen von Genua. Die Fragen sind rausgelassen. Die Überschrift bezieht sich auf den berühmten Film, um die Pressehetze gegen die mafiahaften Genueser Hafenarbeiter zu ironisieren.
Von einem können wir ausgehen: in den italienischen Häfen arbeiteten vor vier Jahren 20.000 Arbeiter, heute 14.000 Arbeiter. Wenn die Unternehmer, die Kunden und die Politiker die Umstrukturierung beschließen, spüren diejenigen als erste deren Auswirkungen, die ihren Lohn zum Leben brauchen. Das ist offensichtlich. Nur – und das ist jetzt so eine Art Vorrede – sehen wir in letzter Zeit mit neuem Interesse diese neuen Formen der Herausbildung des politischen Willens, wo nicht mehr der Unternehmer und der Arbeiter die Sache ausfechten sollen, sondern die Stadt, die anderen, die ganze Welt mit Interesse die Sache der Arbeitenden verfolgen und nun auf einmal entdecken, daß alles gut funktionieren muß. Dies ist die neue Art, mit gesellschaftlichen Konflikten umzugehen; also genauer gesagt, auf diese Art scheint es gar keine gesellschaftlichen Konflikte mehr zu geben.
D'Alessandro versteht ohne Zweifel sein Handwerk: denk doch mal an die Vorstellung seines "Blauen Buchs", an seine Beziehungen zur Presse, zur Macht. Das Industrie-Dreieck, die Großindustrie schickt ihn durch Craxi nach Genua.... (Auch die KPI hängt wirtschaftlich in Genua drin, nicht nur durch ihre "roten" Kooperativen.) Als D'Alessandro in Genua ankam, war die KPI einer der stärksten Befürworter des Blauen Buchs und der neuen Hafenprojekte; sehr wahrscheinlich deshalb, weil den Kooperativen ein größerer Anteil beim Ausbau des Hafens zugesichert worden war. Auch deshalb entstand 1982 ein Konsens zur Wiederherstellung der Normalität im Hafen; eine privilegierte Beziehung zwischen D'Alessandro und der Regierung bildete sich heraus, die zu einem konstanten Kapitalzufluß nach Genua führte, um den neuralgischen Hafensektor wieder in Ordnung zu bringen.
Früher wäre es einfach gewesen, geradezu klassisch: es gibt einen Klassenkampf, jemand will seine Pfoten in den Hafen stecken .... Heute ist es schwierig für einen Hafenarbeiter, nicht so sehr "zur Stadt(bevölkerung)" zu reden, sondern zu den Genossen. Es wird schwierig zu behaupten, daß im Hafen ein Klassenkampf läuft und warum ich - deshalb – im Hafen notwendigerweise von der Verteidigung des Alten rede, der sogenannten Privilegien, und daß sich im Hafen die Radikalität, der Antagonismus in der Form des Widerstands ausdrücken.
D'Alessandro ist es in drei Jahren, von 1984 bis 1987, gelungen, die Wiederherstellung der Ordnung im Hafen unumkehrbar zu machen. Drei Jahre lang hält so was wie ein Pakt zwischen Produzenten, also dem Autonomen Konsortium des Hafens (CAP) und der Compagnia Lavoratori Merci Varie (CULMV) unter Ausschluß der Gewerkschaft. Das sind drei Jahre sozialen Burgfriedens, mit neuen produktiven Regeln und Ordnungen, die akzeptiert werden. Man arbeitet mehr, man arbeitet im Prämiensystem, die CULMV findet Gefallen an der Perspektive, nicht nur bei den Lohnverhandlungen im Hafen, sondern auch bei der Machtaufteilung in der Hafenregion eine Hauptrolle zu spielen.
Paride Batini ist ein alter KPI-Militanter, der sich durch seine Ehrlichkeit und seinen Mut das Vertrauen der Hafenarbeiter erworben hat. Angesichts der drohenden Marginalisierung der CULMV, akzeptiert Batini in diesen Jahren die Umstrukturierung von D'Alessandro, die also ohne besondere Brüche, mit der Zustimmung aller Seiten ins Werk gesetzt wird. In dieser Periode fährt die CULMV sogar mit einem eigenen Standpunkt zur Umstrukturierung auf und bringt das Rote Buch der METIS (einer Beratungsfirma) heraus.
Auch durch die Mechanismen der Tariffestsetzung wird die CULMV manchmal bevorzugt, damit der Konsens erhalten bleibt. Der Konsens wird also bezahlt, und er scheint eine Art Fortsetzung des Arbeiterwiderstands im Hafen zu sein, oder wenn ihr so wollt, der Forderungsdynamik, der Errungenschaften der Hafenarbeiter. Wir müssen jedenfalls eines bedenken: der Arbeiterwiderstand hat effektiv den Hafen von Genua aus dem Markt geworfen. Bis 1981 haben wir keinen einzigen Mann aus den Teams genommen, wir haben bis zum äußersten jeden Arbeiter politisch verteidigt, und das haben wir so gut gemacht, daß es dann keine Schiffe mehr gab, die Schiffe fuhren in andere Häfen. Wir haben nicht ausreichend damit gerechnet, daß die Schiffe nun andere Routen hatten, und daß die geografische Lage nicht ausreichte, um den Marktanteil zu verteidigen.
Seit 1970 hat sich die Politik der italienischen Häfen in Genua abgespielt. 1970 haben ein paar Heißsporne damit begonnen, die Forderungen der Hafenarbeiter in Italien zu verändern. Und das war ein dermaßen wichtiger Prozeß, daß er auch ins Ausland exportiert wurde (siehe die Genossen von der Coordinadora in Spanien).
Nur ... – wenn du die Kosten deines Arbeitstages steigerst, um die Zeiten von Nicht-Arbeit abzudecken: das dreizehnte Monatsgehalt, das vierzehnte Monatsgehalt, die Sozialversicherung usw., und wenn du damit auf recht hohe Gesamtkosten kommst und andere das dann benutzen, um mit niedrigeren Kosten den Umschlag zu kriegen, dann bricht eben in Genua der Umschlag steil zusammen, während das andernorts nicht der Fall ist ...
Wenn du in Genua zum Beispiel die Beschäftigung verteidigst und Teams von 18 Mann aufstellst, während sie in Livorno Teams von sieben Mann nehmen, dann fährt das Schiff nach Livorno. All das kommt von unseren Errungenschaften, vom Kampf für den garantierten Lohn bis heute – es war nicht der Paternalismus und Klientelismus der früheren CAP, die das ermöglicht hätte.
Ich bin davon überzeugt, daß D'Alessandro bereits bei seiner Ankunft 1984 den heutigen Bruch vorausgesehen hat. KPI und Gewerkschaft haben zwar damit gerechnet, dachten aber, die Arbeiterreaktion kontrollieren und lenken zu können. Alle hatten vergessen, daß das zumindest im Hafen von Genua seit 1970 nicht mehr so ist, weil im Moment der Auseinandersetzung, des Konflikts, die Arbeitervertretung außerkraftgesetzt wird, weil die Arbeiter andere als ihre offiziellen Führer anerkennen, weil andere Delegierte die Versammlungen übernehmen und leiten ... Obwohl die Gewerkschaft außerordentlich fähige Kader im Hafen hat, ist sie von der Beziehung zwischen den Produzenten an den Rand gedrückt worden. Das erklärt auch ihre Schwierigkeiten, ihr Deplaciertsein heute; die CULMV ersetzt die Gewerkschaft, indem sie auch Verhandlungsmacht ist; die CULMV, meine ich, in ihrem physischen Protagonismus der Treffen zwischen D'Alessandro und Batini ...
Das Arbeiterhafenkollektiv (Collettivo Operaio Portuale) hatte bereits 1977 den Gipfel seines Einflusses erreicht. 1977 haben wir lokal die Macht übernommen, haben unser Spiel getrieben mit Konsuln und Vizekonsuln. Es ist nicht richtig, wenn gesagt wird, daß das Flugblatt "Weder mit den Roten Brigaden noch mit dem Staat" im Gefolge der harten Pressekampagne und der öffentlichen Meinung die Krise unserer Arbeiterorganisation provoziert habe. Das ging sicher nicht von diesem Flugblatt aus. Es ist aber sicherlich so, daß 1977/78 die unmittelbare Konfrontation mit dem Terrorismus für viele von uns zur Gelegenheit wurde, umfassend über die eigenen Bedingungen, über das eigene Leben nachzudenken. Diese Jahre werden so – ohne große Berechtigung – zu Jahren der aufgezwungenen Entscheidungen, der Eile, der Entscheidungen fürs Leben. Ich wiederhole, der Terrorismus ist nur der zufällige und äußerliche Anlaß, wenn es wahr ist, daß kein einziger Hafenarbeiter je wegen Mitgliedschaft in den Roten Brigaden verhaftet worden ist. In jenen Jahren also entscheiden sich viele Genossen für den Eintritt in die politisch-gewerkschaftliche Karriere. Von 1978 bis 1981 verfällt das Arbeiterhafenkollektiv so langsam. Insbesondere die Krise wirkt sich in einer spezifischen finalen Episode aus: ein Austritt aus dem Delegiertenrat als Wille zur Macht. In Wirklichkeit mußten wir immer konstatieren, daß sich unser politischer Kampf der Gewerkschaftsdebatte bedienen mußte, um Wirkung zu zeigen, um zu zählen.
Vor 1970/71 war die Lage im Hafen sehr rückständig: die Trennung zwischen "Teilhabern" und "Hilfsarbeitern" (Festangestellten und Prekären;d.Ü.) war mittelalterlich; die Zugehörigkeit zum Kommunismus war rein ideologisch und hatte nichts mit dem Verhalten zu tun. 1971, als wir den garantierten Lohn von 7 700 Lire erkämpften, haben viele von uns gedacht, daß diese Errungenschaft wenig oder gar nichts sei im Vergleich zu dem, was wir erreichen hätten können. Dies hat einen großen Ruck nach vorne im Bewußtsein der Hafenarbeiter bedeutet. Ich würde nicht ganz der These zustimmen, daß alle unsere Errungenschaften – im Gegensatz zu denen der Metallarbeiter - gerade deshalb erreicht worden seien, weil wir in einem Sektor handeln, der unheilbar in der Krise steckt; das heißt, jemand hätte bewußt unseren Kampf toleriert, um den Hafen verfaulen zu lassen und heute um so härter zuzuschlagen. Ich würde aber unsere Kraft auch nicht überschätzen, unsere politische und Verhandlungsmacht: schließlich sind wir kaum 15 000 Arbeiter in ganz Italien ... Die Wahrheit liegt eher in den Sachen, die heute endlich kapiert werden, das heißt in der wahnsinnig schnellen Umstrukturierung des Transportwesens. In diesem Kontext haben wir unsere Schlacht gekämpft und uns dabei des unersetzbaren Instruments der CULMV bedient, indem wir hinter ihr entstanden sind, oder besser indem wir ihr vorausgegangen sind und sie als Alternative zur Gewerkschaft benutzt haben. Und heute ist gerade dieses Arbeiterinstrument der CULMV Ziel des politischen Angriffs gegen uns. Im Dezember 83 haben wir ein anderes Moment von Arbeiterkampf erlebt: wir haben 13 Tage lang die Einfahrten der Häfen in ganz Italien blockiert, weil wir keinen Lohn mehr gekriegt hatten. Deine Arbeitstage garantierten dir nicht mehr die Errungenschaften, die du erkämpft hattest und in der Zwischenzeit hatten sie dich sogar für diese Errungenschaften verantwortlich gemacht, denn sie hatten der Gewerkschaft die Verwaltung der Fonds übertragen (und nicht mehr der öffentlichen Institution). Niemand hat darüber gesprochen. Niemand erinnert sich mehr daran, und dennoch war es eine beinahe militärische Auseinandersetzung, nur die dokumentarischen Fotos können noch belegen, wie das damals war. Bei dieser Gelegenheit zum Beispiel haben wir als CULMV gekämpft – die Gewerkschaft hatte uns als "Autonome" rausgeschmissen – und haben gewonnen.
Nach zwei, drei Jahren Waffenstillstand war es nicht unbedingt denkbar, daß das CAP plötzlich versuchen würde, die CULMV zu überspringen. Im Blauen Buch hatte es wohl einige Hinweise auf die Umstrukturierung der Arbeit gegeben, die konnte man aber sowohl gegen als auch mit den Arbeitern durchsetzen. Es war eine bewußte politische Entscheidung, ohne den Konsens der Hafenarbeiter vorzugehen. Als 1985 das Blaue Buch von D'Alessandro rauskam, stimmte die CULMV dem nicht gleich zu, was Parteien und Gewerkschaften übrigens sofort getan haben. Im Blauen Buch sind bereits einige "Dekrete" zur Verkleinerung der Teams enthalten- aber gleichzeitig sind einige Kompensationsmechanismen vorgesehen, um die Verluste der CULMV am Kai durch höhere Beteiligung am Gewinn auszugleichen. Die CULMV stimmt als letzte zu, legt sich aber gleichzeitig mit dem Roten Buch ein eigenes Managerinstrument zu. Und ich wiederhole, zwischen diesen beiden Konzepten gibt es keinen substantiellen Unterschied oder Inkompatibilität; verschieden sind lediglich die Vorgaben und die der CULMV zugedachte Rolle. Das Blaue Buch jedenfalls sieht ein klassisches rigides Industriemodell vor, das noch über die fortgeschrittensten Beteiligungsmodelle hinausgeht, ein Modell, das Kommando produziert und für die Lohnabhängigen viel Lohn, aber auch viel Verknechtung. Das Rote Buch will im Innern einer modernen Struktur die CULMV aufrechterhalten, welche die ganze Struktur von technischer Leitung und Kommando ersetzt und auf sich die Funktionen der Leitung und Organisation der Arbeit am Kai vereinigt, wobei durch Partizipation und Konsens noch höhere Rentabilität erreicht werden soll. Das integrierte operative System geht so weit, die Solidarität bei der Verwaltung des Lohns vorzuschlagen. Aber jedenfalls bliebe die CULMV der einzige Verwalter des Arbeiterlohns.
Hier möchte ich an ein sehr typisches Beispiel erinnern. In den Tarifverhandlungen 1984 hatten wir auch die Cassa Integrazione als Ersatz für den Lohn eingeführt, aber wir wollten dabei eine rotierende und namentliche Kurzarbeit, die so zum Lohn beiträgt – also nicht die Cassa Integrazione als versteckte Entlassung, wie sie sie in den Fabriken anwenden.
Garantierter Lohn plus erarbeiteter Lohn plus Kurzarbeitergeld: das ist der Zement, der die CULMV zusammenhält, ihre Stärke, der Grund ihrer Geschlossenheit: jeder kann seinen eigenen Lohn aufbauen und ihn nach oben oder unten verändern, je nachdem wieviel er arbeitet; die Vielfalt in der Einheit, wer mehr arbeitet, kriegt ein bißchen mehr als die anderen, alle zusammen beteiligen sich aber am Zustandekommen und an der Verteidigung des Lohns. Uns scheint das ohne weiteres eine kommunistische, ja warum nicht, eine marxistische Logik zu sein.
Heute ist es paradoxerweise nicht mehr möglich, die Dinge beim Namen zu nennen. Es ist nicht mehr möglich, den Klassenkampf, den Kampf um die Macht, das zu nennen, was er ist, Klassenkampf. Wenn wir obsolet gewordene Strukturen verteidigen – wie das ja inzwischen von allen behauptet wird - dann ist alles, was du als Klasse verteidigst, obsolet; und dementsprechend sind Klassenkonflikte von Anfang an Niederlagen und auch reaktionär, korporativistisch: das ist das skandalöse Wort, Korporativismus ist parasitär.Und das wird dann auf die unmöglichsten Arten hingestellt, zum Beispiel als Konflikt zwischen konkurrierenden Managements usw. Als D'Alessandro mit seinen Dekreten 30% der Arbeiter entlassen wollte, haben diese mit einem steilen Zusammenbruch der Leistung geantwortet. Im Hafen können sie niemals Tabula rasa machen. Die selbstbestimmten, autonomen Verhaltensweisen reproduzieren sich in der "Aufrufhalle". Der ganze Sinn der Operation liegt darin, wieder kommandieren zu können. Und da niemand von uns je kommandiert hat, wollen wir genau das verhindern. Wenn sie in Genua durchkommen, werden sie die Arbeit auch in den anderen Häfen so organisieren.