Wildcat Nr. 76, Frühjahr 2006, S. 68–74 [w76_hausarbeit.htm]



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Wer macht den Dreck weg?

Gender, Migration und Hausarbeit

Einleitung
Gender, Migration und Hausarbeit
Buchbesprechung Bridget Anderson: Doing the Dirty Work

Immer mehr Leute beschäftigen eine Putzfrau – weil sie es sich leisten können und weil sie keinen Bock haben, die wenige Zeit, die ihnen nach der Lohnarbeit bleibt, für ätzende Beschäftigungen wie Klo putzen, Küche aufräumen, Wäsche bügeln zu verschwenden. Auch Leute, die früher solch eine Aufteilung in qualifizierte Arbeit (machen sie selbst) und schlecht bezahlte Schmutzarbeit (lass ich machen, kann ich mir leisten) abgelehnt hätten.

Die Immigrantin im Privathaushalt ist für viele Frauen zur Voraussetzung ihrer beruflichen Karriere geworden.Quality Time‹ ist das neue Zauberwort. Möglich ist das wegen der riesigen Lohnspaltung. Vorbei sind die Zeiten, da eine erfahrene Putzfrau fast soviel wie ein Fabrikarbeiter verlangen konnte. Auf dem grauen Arbeitsmarkt finden sich genug Frauen, die Hausarbeit gegen wenig Lohn anbieten: Frauen ohne Arbeits- oder auch Aufenthaltserlaubnis, Frauen, die zum ALG II schwarz dazu verdienen wollen. Hausarbeiterinnen sind erschwinglich geworden. Auch für linke oder feministische Kreise, die es früher strikt abgelehnt hätten, »Dienstpersonal« zu beschäftigen. Viele verstecken sich hinter der Begründung, mit der Einstellung einer Migrantin ohne Aufenthaltsstatus was Gutes zu tun, denn ihr bleibe ja nicht viel außer der Arbeit im Privathaushalt.

Was wäre denn ein gerechter Lohn? Wenn der- oder diejenige, die eine Hausarbeiterin beschäftigt, den Stundenlohn durchreicht, den sie selbst verdient? Dann würde trotzdem die Arbeitsteilung weiter bestehen, die Hausarbeit an die schwächsten Schichten auf dem Arbeitsmarkt abschiebt.

Diemut Bubeck macht die interessante Unterscheidung zwischen »Pflege« (von Menschen, die das nicht mehr selbst können) und »Bedienen« von Leuten, die das auch selbst tun können, aber nicht wollen.

Wie kommt es, dass Diskussionen (mit dem Ehemann oder der Wohngemeinschaft) darüber, wer schließlich den Dreck wegmacht, den wir selbst verursachen, so völlig out zu sein scheinen?

Wie kommt es, dass »Feministinnen«, die es nach 30 Jahren Streit müde sind, mit ihrem Mitbewohner über Sauberkeitsstandards zu diskutieren, sich dieses Problems entledigen und jemanden für diese Arbeit bezahlen?

»Keine Spur von Rebellion gegen den durchstrukturierten kapitalistischen Alltag. Kein Hinterfragen des speziellen Arbeitsverhältnisses ›bezahlte Hausarbeit‹. Mit Herrschaftsstrukturen und Macht hat es scheinbar nichts zu tun«, kommentieren die Übersetzerinnen in ihren »Vor- und Widerworten« zu Bridget Andersons Buch Doing the Dirty Work? Diskussionen in ihrem Bekanntenkreis.

Die Isolation im Haushalt stand im Zentrum der Hausarbeitsdebatten der Frauenbewegung in den 70er Jahren. Die politischen Antworten waren: Berufstätigkeit, Qualifizierung, eigenes Einkommen, Aufteilung der Reproduktionsarbeit mit dem Mann oder »Lohn für Hausarbeit« und politische Organsierung der Frauen im Stadtteil.

Heute haben wir beides: Die Frauenlohnarbeit wächst ununterbrochen an, gerade auch bei Frauen mit Kindern. Das Hausfrauen-Modell ist out. Und wir haben einen Lohn für die Hausarbeit, die von meist ausländischen Frauen verrichtet wird und der sehr niedrig ist. Die Isolation dieser Frauen im Privathaushalt des fremden Landes übersteigt bei weitem die der früheren »Hausfrauen«.

Vergleichsweise teurer für den Endkunden sind hingegen Reinigungsteams von professionellen Putzfirmen. Ihr Haupteinsatzgebiet sind deshalb Betriebe, die ihre festangestellten ReinigungsarbeiterInnen schon vor Jahren abgeschafft haben. Reinigungsarbeit war eine der ersten Arbeiten, die ausgelagert wurden: weil man nicht mehr bereit war, IG-Metall-Tarif für eine Putzfrau zu bezahlen und man sie sich nicht mehr selbst mit den Frauen rumärgern musste, sondern Mängel an den Subunternehmer melden kann.

Der folgende Essay versucht, mehrere Stränge in einen Zusammenhang zu stellen:

• die feministische Debatte über geschlechtshiearchische Arbeitsteilung

• die alte Kampagne für »Lohn für Hausarbeit«

• die weiter steigende (illegale) Einwanderung von Frauen aus der Peripherie in kapitalistische Zentren, wo sie in Privathaushalten arbeiten

• die Tendenzen zu einer »Industrialisierung« von Hausarbeit

• die Möglichkeiten dieser Reinigungsfrauen, für bessere Bedingungen zu kämpfen und sich kollektiv zu organisieren.

Im Anschluss daran eine Besprechung des oben erwähnten Buches von Bridget Anderson.



Gender, Migration und Hausarbeit

von Lady Stardust

Der Durchschnittslohn einer Hausarbeiterin in Hongkong ist 15 mal höher als das Gehalt eines Lehrers auf den Philippinen. 176 Dollar monatlich für qualifizierte Arbeit auf den Philippinen stehen dem Lohn einer Kinderfrau in Italien von 700 Dollar oder von 1400 Dollar in den USA gegenüber.

Die vielen eingewanderten Frauen, die parallel zu stärker entwickelten und wohlhabenderen Branchen und Fachgebieten arbeiten, haben eine große ökonomische Bedeutung. Sie ermöglichen in den Entwicklungsbranchen stressige Arbeit mit langen Arbeitszeiten, sie ermöglichen es, dass Frauen einer qualifizierten Arbeit nachgehen und zu Hause einen bestimmten Lebensstil pflegen können. Und sie ermöglichen es, dass die Männer weiterhin nicht viel Hausarbeit verrichten. Das berufstätige Paar kann die Illusion einer Gleichheit der Geschlechter aufrecht erhalten – während es in Wirklichkeit die Ungleichheit der Geschlechter auf den Weltarbeitsmarkt abwälzt und eine »Versorgungskrise« [care crisis] weiter unten in der Kette hinterlässt. Die Löhne und Arbeitsbedingungen spiegeln den niedrigen Status oder Wert wider, der dieser Arbeit zugesprochen wird.

Die Arbeit ist in den modernen Kapitalismus integriert und zwar nicht nur, weil sie notwendig für die modernen Branchen ist, sondern auch durch die Art, wie Hausarbeit als Arbeit organisiert ist. Es gibt eine zunehmende Industrialisierung durch Agenturen, die Arbeitsprozesse und die Arbeitsorte, z.B. durch das Wachstum von Pflegeheimen und Fast-Food-Verkaufsstellen.

Wir benutzen den Begriff »Hausarbeit« zur Bezeichnung einer Arbeit, die traditionell von Frauen im Haus verrichtet wird, z.B. Sauber machen, Kochen, Pflege- und Betreuungsarbeit. Aber diese Hausarbeit verändert sich ständig. So ist das Kochen aus »Rohmaterial« heute zunehmend unüblich und das Schneidern von Kleidung fast unbekannt. Alte Leute werden immer häufiger in Einrichtungen gepflegt. Die wachsende Zahl von LohnarbeiterInnen im Haushalt (Kinderfrauen, Putzfrauen, usw.) und die Zunahme von Pflegeheimen deuten darauf hin, dass Hausarbeit immer mehr zur Ware wird.

Arbeitende Frauen und Hausarbeit – die Arbeiterinnen

In den 1990er Jahren wanderten mehr Frauen als Männer in die USA, nach Kanada, Schweden, Großbritannien und Israel aus. Die vier Hauptmigrationsströme sind: von Südostasien in den Mittleren Osten; aus dem ehemaligen Ostblock nach Westeuropa; von Süd- nach Nordamerika und von Afrika nach Europa.

Etwa 22 Millionen AsiatInnen arbeiten außerhalb ihres Heimatlandes. Eine/r von zehn BürgerInnen Sri Lankas arbeitet im Ausland. 84 Prozent der in den Mittleren Osten eingewanderten Sri LankerInnen sind Frauen. 70 Prozent der philippinischen Einwanderer in den USA sind Frauen. Die meisten dieser Frauen verrichten in irgendeiner Weise »soziale Arbeit« – von der Hausarbeit und Pflegearbeit über die Arbeit in der Verpflegungsindustrie bis hin zur Sexarbeit.

Staatliche Schätzungen von den Philippinen, aus Indonesien und Sri Lanka geben an, dass Frauen 60-75 Prozent der legalen MigrantInnen ausmachen, wobei ein bedeutender Anteil als HausabeiterInnen im Mittleren Osten, in Singapur, Malaysia und Hongkong tätig sind.

Migrantinnen kommen häufig nicht aus den untersten Klassen ihrer Heimatländer, sondern eher aus den Mittelschichten, den gebildeten Schichten (das gilt insbesondere für die »Katalog-Bräute«). Und: Je mehr Frauen in ihren Heimatregionen im Produktionssektor arbeiten, desto mehr Frauen migrieren später.

Arbeitende Frauen und Hausarbeit – die ArbeitgeberInnen

In Singapur beschäftigt etwa einer von sieben Haushalten eine eingewanderte HausabeiterIn. 1978 gab es 5000 eingewanderte HausarbeiterInnen, heute sind es über 150 000, die meisten von den Philippinen und aus Indonesien.

In Spanien beschäftigten im Jahr 2002 mehr als 395 000 Haushalte DienstbotInnen (meist Frauen); ungefähr 60 Prozent von ihnen kamen aus der Untergrundwirtschaft.

In Großbritannien gab es 1998 etwa 928 000 Beschäftigte in Privathaushalten. Der durchschnittliche Wochenlohn betrug 30 Pfund für viereinhalb Stunden, das sind 6,70 Pfund pro Stunde.

In den USA gehen 65 Prozent der Frauen, die Kinder haben, außer Haus arbeiten; 1950 taten das nur 15 Prozent. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre waren ungefähr 802 000 legale HausarbeiterInnen in US-Privathaushalten beschäftigt, von denen sich 40 Prozent um die Kinderbetreuung kümmerten. Mindestens zehn Prozent der drei Millionen illegaler Einwanderer in den USA waren 1993 in der Kinderbetreuung tätig, während weitere zehn Prozent anderweitig in Privathaushalten beschäftigt waren. Der durchschnittliche Stundenlohn in den USA betrug 2,14 Dollar, wovon laut US-Recht noch Geld für Kost und Logis abgezogen werden darf. Der durchschnittliche Arbeitstag betrug 14 Stunden.

Es gibt viele Gründe, warum Familien jemand anderen einstellen, um ihre Pflichten im Haushalt zu erledigen. Dazu gehören: Kürzungen im Wohlfahrtsstaat, das zunehmende Alter der Bevölkerung, Familien mit einer Frau als Famlienoberhaupt, der Niedergang der Großfamilie – und der Wunsch nach einem gewissen Lebensstil. (z.B. in einer tip top sauberen Wohnung zu leben, Kleidung zu tragen, die nur mit der Hand gewaschen werden kann, einen gut gepflegten Garten zu haben, Dinner Parties zu Hause zu veranstalten und gleichzeitig arbeiten zu gehen und genug Zeit für die Kinder zu haben.)

Lohn für Hausarbeit

Feministinnen weisen seit langem darauf hin, dass Hausarbeit als erniedrigend angesehen wird und einen niedrigen sozialen Status oder ökonomischen Wert besitzt, weil sie von Frauen verrichtet wird; und Frauen verrichten sie, weil es als ihre Arbeit angesehen wird. Solange der Pool von Leuten, unter denen diese Arbeit aufgeteilt wurde, die Famlie war, wurde dies durch die ungleichen Geschlechterverhältnisse zwischen Mann und Frau im Haushalt zum Vorschein gebracht. Als aus der unentlohnten Arbeit, ein Kind großzuziehen, entlohnte Arbeit von Kinderfrauen wurde, wurde am geringen Marktwert deutlich, dass Haus- und Pflegearbeit allgemein einen bleibend niedrigen Wert hat. 30 Jahre nach Beginn der »Lohn-für-Hausarbeit«-Debatte haben wir nun Löhne für Hausarbeit – sie betragen etwa drei Dollar die Stunde.

Die Debatte stellte ursprünglich die Tatsache in den Mittelpunkt, dass die Reproduktion des täglichen Lebens und der Bedürfnisse der (gewöhnlich männlichen) Arbeiter und die Versorgung und Erziehung der Kinder eine notwendige Arbeit für die Produktion von Mehrwert sei, weil sie es diesen Männern ermöglichte, arbeiten zu gehen, ihren Bedarf an Kleidung, Nahrung und Gefühlen deckte, und dafür sorgte, dass aus den Kindern die nächste Generation von Arbeitern wurde. Die kapitalistische Arbeitsteilung beruhte darauf, dass diese Aufgaben getan wurden, aber sie maß ihnen keinen »Wert« bei in Form eines Lohns, was Anerkennung, Bewertung und Quantifizierung bedeutet hätte.

Als Frauen wieder zunehmend Lohnarbeit annahmen, übernahmen die Männer keinen größeren Anteil an der Hausarbeit. Heute verrichtet diese »erniedrigende« Arbeit zunehmend eine dritte Person (oder mehrere Personen), nämlich die schlecht entlohnten eingewanderten Frauen. Die Verfügbarkeit von »erschwinglichen« eingewanderten HausarbeiterInnen ermöglicht es den Männern, die »zweite Schicht« im Haushalt zu vermeiden und schafft die Illusion einer Gleichheit der Geschlechter innerhalb der Beziehung des arbeitgebenden Paares. Aber in Wirklichkeit ist die Ungleichheit der Geschlechter nur aus dieser Beziehung heraus verlagert worden und zu einer globalen Migrationsbeziehung geworden. Eine Arbeitsteilung, die Feministinnen kritisierten, als sie »lokal« war, ist nun zu einer globalen geworden. Diese Frauen, die keine andere Wahl haben, als für andere Leute die Hausarbeit zu machen, zahlen einen hohen Preis für ihre eigenen zurückgelassenen Familien.

Boom-Branchen und ihr Schatten aus billiger Arbeitskraft

Erwiesenermaßen findet das größte Wachstum der Hausarbeit eher in Ländern mit raschem ökonomischem Wachstum statt, wie Singapur, Bahrain, Kuwait, Hongkong und Saudi Arabien, als in der etablierten »ersten Welt«. Es gibt Städte mit einer hohen Konzentration von Firmenniederlassungen, IT-Firmen, Banken usw., die Männer und Frauen in hoch bezahlten qualifizierten Tätigkeiten beschäftigen. Diese Zentren sind lebenswichtig für das reibungslose Funktionieren des globalen Kapitalismus. Um sie am Laufen zu halten und den qualifizierten Professionals lange Arbeitszeiten zu ermöglichen, braucht es auch eine Armee von niedrig entlohnten ArbeiterInnen – die DatenerfasserInnen und Call Center ArbeiterInnen. Saskia Sassen stellt in ihrer Untersuchung dar, dass »zwischen 30 und 50 Prozent der ArbeiterInnen in den Schlüsselbranchen tatsächlich niedrig bezahlte LohnarbeiterInnen« sind. Aber weiter unten in der Reihe braucht es auch die ReinigungsarbeiterInnen für die Büros und die Wohnungen, braucht es PflegerInnen für die Kinder und älteren Verwandten der hoch bezahlten ArbeiterInnen, braucht es die Fast-Food- und Fertiggerichte-Industrie. Wenn wir berücksichtigen, dass Statistiken nicht sehr zuverlässig sind, wenn so viele dieser ArbeiterInnen illegal und inoffiziell beschäftigt sind – dann dürfte der tatsächliche Anteil von schlecht bezahlten und prekär beschäftigten ArbeiterInnen in den Zentren des globalen Kapitals sehr hoch sein.

Die meisten dieser Jobs sind nicht »verlagerbar«. Urban Professionals leben in der Stadt – und übergeben einen wachsenden Anteil an »Haus«arbeit dem Markt – entweder indem sie Güter und Dienstleistungen einkaufen oder indem sie selbst Arbeitskräfte anheuern. Im Schatten dieser Wachstumsbranchen – die traditionell Orte von potenziell hoher Bezahlung und Verhandlungsmacht waren, sieht man heute eine wachsende Zahl von niedrig entlohnten ArbeiterInnen mit niedrigem Status, die oft Einwanderer, illegal und marginalisiert sind. Da Sexismus und Rassismus noch weit verbreitet sind fühlen sich Menschen nicht allzu unwohl wegen der schlecht bezahlten Putzfrau oder dem Kebab-Buden-Arbeiter morgens um drei, weil es eben »die anderen« sind. Viele Arbeitgeber oder Käufer von Dienstleistungen fühlen sich sogar als Wohltäter, weil sie jemandem Arbeit geben – aber sie würden diese Arbeit keinesfalls selbst machen wollen.

Überweisungen und anderes Geld

Die Geldüberweisungen (Geld, das zu den Famlien im Heimatland geschickt wird) sind lebenswichtig für die Weltwirtschaft – für das Überleben von Menschen in den Empfängerländern, für deren Regierungen und für die Volkswirtschaften dieser Länder.

Frauen bleibt oft keine andere Wahl als auszuwandern und ihren Familien Geld zu schicken. 34 bis 54 Prozent der philippinischen Bevölkerung wird von Überweisungen aus dem Ausland ausgehalten. Frauen schicken im allgemeinen etwa die Hälfte ihres Verdienstes nach Hause. Ein Weltbank-Bericht zeigt, dass »2005 die offiziell registrierten Überweisungen weltweit über 232 Milliarden Dollar betrugen. Davon gingen 167 Milliarden Dollar an die Entwicklungsländer, das ist doppelt soviel wie die gesamte offizielle Entwicklungshilfe.« Der Bericht schätzt, dass durch Geldsendungen über informelle Kanäle mindestens nochmal 50 Prozent dazu addiert werden können, was die »Gastarbeiterüberweisungen« zur größten Devisenquelle in vielen Entwicklungsländern macht. Der Bericht hält es für plausibel, dass der offizielle Geldfluss weiterhin wie in den 1990er Jahren jährlich um 7 bis 8 Prozent ansteigen wird. 2004 waren die Geldüberweisungen in 36 Entwicklungsländern größer als der Zufluss an öffentlichem und privatem Kapital. In weiteren 28 Ländern waren sie höher als die Einkünfte aus der wichtigsten Warenexportbranche. In Mexiko sind die Überweisungen beispielsweise höher als die ausländischen Direktinvestitionen, und in Sri Lanka sind sie höher als die Einnahmen aus dem Tee-Export.

Viele Regierungen von Auswanderungsländern haben spezielle Programme, um Frauen die Emigration zu erleichtern. Regierungen ermutigen zu Wanderarbeit, Sexarbeit und Heiratsvermittlung. Die philippinische Regierung hat die »Ehevermittlungsagenturen« legalisiert.

Dass Frauen ins Ausland gehen, um in Privathaushalten zu arbeiten, baut nicht nur die Professionals und das Geschäftsleben in den Empfängerländern auf, sondern nebenbei auch die Regierungen der Entsendeländer, die Geldhändler wie Western Union und eine ganze Reihe von Menschenhändlern, Arbeitsvermittlungsagenturen und Zuhälter.

Die Industrialisierung der Hausarbeit

Hausdiener und Pflegearbeiterinnen passen nicht in das Bild eines modernen Kapitalismus mit industrialisierten Arbeitsplätzen und einer Distanz zwischen Produzent und Konsument. Der Konsument ist in diesem Fall häufig der Arbeitgeber – mit all der schrecklichen Intimität von Ausbeutung innerhalb einer persönlichen Beziehung. Doch inzwischen wird die Arbeit in Privathaushalten zunehmend über Agenturen organisiert. Oder die Arbeit wird im eher traditionellen Sinn industrialisiert – wie z.B. durch die Herstellung von Fertigmahlzeiten oder Mitnahmegerichten in Großküchenbetrieben oder indem immer mehr alte Menschen in Pflegeheime gehen. Dies folgt dem Trend bei der Kleider- oder Seifenherstellung usw. Einige Arbeitsvermittlungsagenturen – wie z.B. Kelly Services – haben eine »Hauspflege«- [home care] Abteilung, die Dienstleistungen wie Reinigen, Kochen und das Abholen der Kinder von der Schule umfasst. Ein paar wenige große Reinigungsfirmen, die wiederum von noch größeren Konglomeraten aufgekauft wurden, beherrschen 25 Prozent der Reinigungsarbeit in Privathaushalten in den USA – mit steigender Tendenz. Die Vorteile für die ArbeiterInnen bestehen nicht nur in einem gewissen Schutz vor den Launen und Missbräuchen, von denen Frauen berichten, die direkt vom Wohnungsinhaber beschäftigt werden, sondern sie enthalten auch das Potenzial für Kommunikation und gemeinsame Aktionen, weil du gerne wissen möchtest, wer deine KollegInnen sind.

Die Reinigungsfirmen legen Regeln für den Arbeitsprozess fest (zuerst den Raum neben der Küche; Abstauben von links nach rechts und von oben nach unten, usw.). Sie geben die Arbeitsteilung vor (Staubsaugen, Staubwischen, Bad und Küche), die Arbeit wird in Vierer-Teams verrichtet, wobei jedeR eine dieser Aufgaben übernimmt. Sie drohen mit versteckten Kameras, um für die notwendige Kontrolle der Arbeit zu sorgen. Diese Firmen werden wahrscheinlich noch wachsen, weil neue Kunden lieber mit einer Firma als mit einem Individuum verhandeln, und weil die globalen Akademiker standardisierte Marken-»Produkte« lieben, die eine Firma liefert. Beide, Arbeiter und Dienstleistungsempfänger, ziehen die Unpersönlichkeit der kapitalistischen Arbeit vor. Die große Nähe bei der Pflegearbeit oder Hausarbeit kann äußerst unbehaglich sein. Es gibt keine Distanz und keine Entfremdung vom Job, die ihn überhaupt erst erträglich macht.

Der »Care Drain«

Die meisten Migrantinnen haben Kinder. Das Durchschnittsalter von Migrantinnen in den USA liegt bei 29 Jahren. In diesem Alter haben Frauen in den Ländern, aus denen sie kommen, gewöhnlich schon Kinder. Sie können ihre Kinder nicht mitbringen – aus rechtlichen und ökonomischen Gründern. Mehr weibliche als männliche Migranten bleiben in ihrer Wahlheimat.

Es gibt eine Art ökonomischer Kettenreaktion auf die Versorgungskrise [care crisis]. Ein Beispiel: Rowena arbeitet in den USA für 750 Dollar monatlich und schickt davon an ihre beiden Kinder, die bei ihrer Mutter leben, 400 Dollar. Aber ihre Mutter arbeitet auch und zwar 14 Stunden täglich als Lehrerin. So kommt morgens um acht Uhr Anna de la Cruz und kocht, macht sauber und versorgt die Kinder (für 50 Dollar monatlich). Sie wiederum lässt ihren Sohn im Teeny-Alter in der Obhut ihrer 80 Jahre alten Schwiegermutter.

Viele Regierungen und Medien in den Entsendeländern ermutigen zur Emigration, aber gleichzeitig verunglimpfen sie diese Frauen als »Rabenmütter«, die eine Generation krimineller Kinder hervorbringe. Dies führt zur Stigmatisierung dieser Familien. Die Globalisierung hat zu Vorstellungen über Gender und Modernität geführt, die eine riesige weibliche Arbeitsbevölkerung schaffen, und gleichzeitig üben kulturelle Ideologien Druck auf die communities aus, um die arbeitenden Frauen moralisch zu disziplinieren.

Die weltweite Produktion von Liebe

Dass Frauen ihre Familien nicht mitbringen können, ist für die Arbeitgeber von Vorteil – weil die Frauen mehr Zeit und Energie für ihre Arbeit haben. Sie sind eher froh darüber, in der Wohnung ihrer Arbeitgeberfamilien zu leben, was bedeutet, dass sie fast immer im Dienst sind. Eine Zusammenstellung über Live-in HausarbeiterInnen in Großbritannien ergab, dass 30 Prozent von ihnen mehr als einen 12-Stunden-Tag hatten.

Arlie Russell Hochschild schreibt über die Fetischisierung der Ware Liebe oder »Das Pfund Fleisch der Globalisierung«. Sie schaut nach den Auswirkungen auf die zurückgelassenen Kinder und stellt die These auf, dass die Einsamkeit und der Schmerz dieser Frauen dazu führt, dass sie große Mengen an Liebe auf die Kinder übertragen, zu deren Versorgung sie angestellt sind. Sie sagt, dass Liebe eine »unfair verteilte Ressource« sei, die »an einem Ort extrahiert und irgendwo anders genossen wird … Liebe scheint knapp und begrenzt zu sein, wie ein Mineral, das aus der Erde gewonnen wird.« Ironischerweise hätten die Frauen, wären sie in ihren Heimatländern geblieben, nicht die Zeit, die Liebe so verschwenderisch auszuschütten wie in ihren Jobs in der Ersten Welt. »Die Erste Welt zieht Liebe aus der Dritten Welt ab. Aber was sie da abzieht, ist teilweise hier produziert oder ’montiert‘; die Freizeit, das Geld, die Ideologie der Kindheit, die große Einsamkeit und die Sehnsucht nach dem eigenen Kind.«

Kämpfe und potenzielle Kämpfe

Diese Frauen werden oft als marginal, unsichtbar und machtlos beschrieben – die letzten beiden Eigenschaften gelten sicherlich für Live-in HausarbeiterInnen und Kindermädchen – doch verfügen diese ArbeiterInnen auch über eine ganz spezifische Macht. All diese Jobs müssen dort verrichtet werden, wo sie anfallen – das Kapital kann sie nicht einfach verlagern, wenn es einen Kampf für Lohnerhöhungen gibt. Ebenso muss diese Arbeit von Menschen getan werden und sie kann nicht wirklich mit weniger ArbeiterInnen verrichtet werden – das Kapital kann also nicht in dieser Richtung industrialisieren oder für einen »technologischen Fix« (B. Silver) sorgen. Es ist Arbeit, die schlicht gemacht werden muss.

Wir finden häufig Beispiele von Frauen, die sich über NGOs oder Kulturvereine organisieren. Es ist erwiesen, dass reguläre Arbeit eingewanderte Frauen »ermächtigen« kann – sie lernen die Sprache besser, haben ihr eigenes Einkommen, haben besseren Zugang zu verfügbaren Dienstleistungen. Frauen beteligen sich immer stärker an communities und am communitiy Aktivismus. Diese Trends legen nahe, dass Frauen sich als die mächtigeren und stärker sichtbaren Akteure im Klassenkampf entpuppen könnten. Wenn wir nach diesen Potenzialen suchen, dann hängt eine Menge davon ab, ob eine im Privathaushalt arbeitet oder an einem Arbeitsplatz außerhalb. Die Isolation im Privathaushalt ist eine schwierige Voraussetzung, um sich kollektiv als ArbeiterInnen zu organisieren. Aber es ist auch erwiesen, dass die zweite Immigranten-Generation eher mehr kämpft als ihre Eltern.

Es gibt einige Berichte über kollektive Kämpfe. Am 6. Januar 2006 streikten in Indien 20.000 HaushaltsarbeiterInnen einen Tag lang mit der Domestic Worker Union für ihre Anerkennung als offizielle ArbeiterInnen mit den üblichen Arbeiter-Rechten. Es gab auch einige Kämpfe von Hausmädchen in Hongkong. Überhaupt könnte sehr viel mehr getan werden, um diese Kämpfe überall auf der Welt zu untersuchen und zu unterstützen.


Buchbesprechung

Doing the dirty work.
Migrantinnen in der bezahlten Hausarbeit in Europa

von Bridget Anderson

übersetzt von Doris Schierbaum und Monika Becker,

Anhang: Manifest der RESPECT-Initiative

ISBN 3-935936-36-2, ca. 240 Seiten, April 2006, 14 Euro, Verlag Assoziation A, Berlin/Hamburg


Bridget Anderson ist Mitarbeiterin von Kalayaan, einer Selbstorganisation von illegalisierten Hausarbeiterinnen in Großbritannien. Ihr Buch Doing the Dirty Work? beruht auf einer Studie, die sie 1997 in westeuropäischen Großstädten (Athen, Barcelona, Berlin, London und Paris) über die Lebensverhältnisse illegaler Hausarbeiterinnen aus den Philippinen, Lateinamerika, Afrika oder Osteuropa unternommen hat. Zu Beginn ihres »Update« von 2005 formuliert sie nochmal ihre wichtigsten Fragen: »Handelt es sich um einen ganz gewöhnlichen Job? Ist er notgedrungen ausbeuterisch? Sind alle ausgebeuteten migrantischen Hausarbeiterinnen ›Opfer des Menschenhandels‹?«

Anwerbeindustrie

Anderson untersucht zum einen die »Anwerbeindustrie« für Migrantinnen und Migranten, zum anderen die Situation der Hausarbeiterinnen an ihren Arbeitsstellen und die Herausbildung von informellen Netzwerken der Migrantinnen in den Städten. Wir erfahren sehr detailliert, was die gravierenden Unterschiede zwischen Live-in (Unterkunft im Arbeitgeberhaushalt) und Live-out Jobs (eigene Unterkunft) sind und weswegen für Live-in Jobs fast nur illegale Migrantinnen infrage kommen.

Anderson vergleicht die Zusammensetzung der Hausarbeiterinnen und die Bedingungen in den Haushaltsarbeitsplätzen in den verschiedenen Großstädten. Auch erfahrene Hausarbeiterinnen tappen immer wieder in die Falle: sie arbeiten und bekommen keinen Lohn, werden ausgenutzt, misshandelt, eingesperrt, sexuell belästigt. Sie schildern Situationen, die nur noch mit krankhaften Verhaltensweisen oder dem Machtbedürfnis über andere Menschen erklärt werden können.

Aufgrund ihrer Arbeit mit der Organisation Kalayaan ist Bridget Anderson mit der Situation in England am besten vertraut. Anfangs ging es um die Unterstützung von Hausarbeiterinnen, die mit ihrer Arbeitgeberfamilie (meist aus dem Mittleren Osten) eingereist waren und ohne eigenständigen Aufenthaltsstatus unter sklavenähnlichen Bedingungen im Haus gefangen gehalten und häufig misshandelt wurden und vermutlich noch werden. Mit öffentlichen Kampagnen und Lobby-Arbeit kämpfte Kalayaan für eine Änderung des Einwanderungsgesetzes. Ein Ziel war, dass Hausarbeiterinnen einen ganz normalen Arbeitsvertrag mit festgelegten Arbeits- und Urlaubszeiten und allen Rechten bekommen. In dieser jahrelangen Kleinarbeit treten die Widersprüche zwischen dem Wunsch nach einer grundsätzlichen Änderung und den unmittelbaren Bedürfnissen der betroffenen Hausarbeiterinnen, die in England bleiben wollen, offen zutage. Die Hausarbeiterinnen sind eher bereit, an unzumutbaren Einreisemöglichkeiten festzuhalten, als auch dieses Schlupfloch für die Immigration zu versperren. »Die Unterhandlungen förderten Deals, die einige Arbeiterinnen auf Kosten der anderen trafen.«

Verkauf des eigenen Selbst (Kapital 7)

Ausgehend von dieser Erfahrung versucht Anderson eine theoretische Durchdringung des besonderen Arbeitsverhältnisses Hausarbeit. Ihre These ist, dass die Arbeit im Privathaushalt kein normales Lohnarbeitsverhältnis sei, wie es Marx beschrieben hätte. Dabei betont sie immer wieder die nichtexistente »Gleichheit« zwischen Arbeiter und Kapitalisten beim Verkauf bzw. Ankauf der Arbeitskraft. Dass die ein trügerischer Schein sei, spiele keine Rolle. Eine Hausarbeiterin könne nicht ihre Arbeitskraft verkaufen, sondern nur ihre ganze Person. »Was die ArbeitgeberIn tatsächlich kauft, ist nicht Arbeitskraft, sondern ›Kommandogewalt‹, die im Fall des Arbeiters durch den Arbeitsvertrag offensichtlich begrenzt ist.« Die Hausarbeiterin sei als Person selbst ein Mittel der Reproduktion.

Das Arbeitsverhältnis im Privathaushalt habe mehr mit einem Sklavenarbeitsverhältnis zu tun als mit einem Lohnarbeitsverhältnis. Die Kennzeichen: unbegrenzte Arbeitszeit, ständige Verfügbarkeit, große Intimität, die für die Arbeitgeberfamilie nur aushaltbar ist durch ständige Abgrenzung und Missachtung der Arbeiterin als Person.

Die Einwanderungsgesetze und der latente Rassismus seien die Voraussetzungen für dieses Sklavenarbeitsverhältnis. »Frauen aus rassifizierten Gruppen, die der Natur näher stehen, sind ›von Natur aus‹ gut für die Hausarbeit. Hausarbeit in Privathaushalten in den USA, in Kanada, Europa und im Mittleren Osten ist in einem hohen Maße rassifiziert.«

Da üblicherweise die Frau des Hauses als direkte Arbeitgeberin fungiert, ergibt sich zusätzlich noch eine komplizierte und asymmetrische Beziehung zwischen zwei Frauen, in denen die eine ihre Macht über die andere immer wieder ausspielt, aber auch nicht frei ist von Gefühlen wie Eifersucht, wenn die Kinder die Kinderfrau mehr lieben als die leibliche Mutter. Anderson widmet ein ganzes Kapitel der Sklaverei in den Südstaaten, um dieses spezielle Verhältnis herauszuarbeiten – was historisch interessant ist, aber ein wenig entfernt von den heutigen westeuropäischen Verhältnissen, um die es ihr geht.

Anderson musste während ihrer Arbeit auch praktisch die Erfahrung machen, dass einige HausarbeiterInnen mit dem Ziel ›Arbeitsvertrag‹ gar nichts anfangen konnten. »Regina: ›Sobald wir in Afrika Verträge unterschreiben, ist es, als ob man unterschreibt, dass man ein Sklave ist.‹« Etwas resigniert stellt sie fest: »Wir müssen auch akzeptieren, dass nicht jede, die in diesem Sektor arbeitet, zwangsläufig den Wunsch hegt, als ›Hausarbeiterin‹ in die bürgerliche Gesellschaft einverleibt zu werden.«

Und was spricht gegen die klassisch gewerkschaftliche Variante der Professionalisierung? Hausarbeiterinnen, die Facharbeiterinnen auf einem Gebiet sind, geregelte arbeitsrechtliche Beziehungen zwischen Arbeiterin und Arbeitgeberhaushalt?

In allererster Linie die Lohnkosten und zweitens: ihre Spezialisierung! Facharbeiterinnen sind teuer. Und je höher in der Hierachie, desto spezialisierter ist die Arbeit: Eine Köchin putzt nicht nebenbei oder versorgt auch noch den Hund.

Migrantische Hausarbeiterinnen hingegen haben im allgemeinen keine formelle hauswirtschaftliche Qualifikation, sie machen alles, was im Haushalt anfällt – das ist ihre Stärke und das ist offenbar gewünscht. Unter der Fiktion, dass Hausarbeit keine besonderen Fertigkeiten erfordert, werden sie schlecht bezahlt. Die Arbeitgeberin sitzt im Konfliktfall immer am längeren Hebel. Es besteht ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis. Deshalb bevorzugen auch wohlhabende Haushalte illegale Arbeiterinnen.

Anderson legt schlüssig dar, warum bezahlte Hausarbeit vor allem von Migrantinnen in irregulären Arbeitsverhältnissen verrichtet wird. Und sie behauptet, dass die Tendenz weiter in diese Richtung geht und nicht in Richtung Professionalisierung, obwohl das eher im Interesse der Arbeiterinnnen wäre, wenn die denn regulären Zugang zu diesem Arbeitsmarkt hätten.

Und wie verhalten sich die Hausarbeiterinnen?

»Unter den Arbeiterinnen, mit denen ich gesprochen habe, besteht der Eindruck, dass von ihnen Arbeiten verlangt werden, die selbst zu tun den ArbeitgeberInnen nie in den Sinn gekommen wäre. ›Es ist nicht ehrlich, du würdest deinem Mitmenschen doch nicht sagen, dass er etwas machen soll, was du selbst nicht gerne machst. Aber sie respektieren das nicht.‹ (Joy, eine Ghanesin, die in Athen arbeitet)« Der mangelnde Respekt vor ihrer Person ist das, was die Hausarbeiterinnen am meisten wütend macht.

Entsprechend sind die Überlebensstrategien: möglichst bald einen Live-out Job finden. Einen freien Tag. Eine Wohnung fürs Wochenende gemeinsam mit Kolleginnen. Und als verbreitetste Kampfform die Eigenkündigung, eines der wenigen Mittel, das die Arbeiterinnen haben, um der Macht der ArbeitgeberInnen über sie eine Grenze zu setzen.

Bridget Anderson weiß, dass es keine einfachen Antworten auf so ein verwickeltes Ausbeutungsverhältnis wie die Hausarbeit gibt. Sie lotet in ihren Ausflügen in die akademische Diskussion alle möglichen Ebenen aus: die Freiheit der Person bei Locke und bei Aristoteles, das Verhältnis der Frauen zur Staatsbürgerschaft usw., um dann festzustellen, dass Staatsbürgerschaft nicht viel bedeutet, wenn es um den Unterschied zwischen Arm und Reich geht. Ihr Ringen um politische Klarheit ist nachvollziehbar und macht das Buch zur Fundgrube – auch wenn sich manche Wege als Sackgassen erweisen.

Sie resümiert schließlich, dass es keine einfache Trennung zwischen irregulären und regulären Hausarbeiterinnen bzw. der unterdrückten Zwangsarbeiterin und der selbstständigen freien Lohnarbeiterin gibt, da auch deren Freiheit stets Zwängen unterworfen ist. Gerade in der Hausarbeit sind die Grenzen fließend. Für ihr eigenes Handeln macht sie den Unterschied auf zwischen kurzfristigen praktischen Antworten – dazu gehört es, alle Prozesse zu unterstützen, die die Selbstorganisierung der Hausarbeiterinnen erleichtern – und langfristigen Zielen: »in einer idealen Welt« kann es keine Hausarbeiterinnen geben.



aus: Wildcat 76, Frühjahr 2006



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