Wildcat Nr. 76, Frühjahr 2006, S. 66 [w76_streik_oed_subte.htm]
Buenos Aires:
Streik in der U-Bahn – und die Fahrgäste freuen sich
Wie ein Streik im Öffentlichen Dienst auch geführt werden kann, haben gerade wieder die ArbeiterInnen der Subte, der U-Bahn von Buenos Aires vorgeführt. Bahnsteig frei – kassiert wird nicht!
Zur Geschichte der Subte-Kämpfe siehe das Interview mit dem Delegierten Beto Pianelli (März 2005):
Webseite der Basisdelegierten der Subte: www.metrodelegados.com.ar
Am 15. März konnten sich die Fahrgäste der Subte wieder über einen zeitweiligen Nulltarif freuen. Um ihrer Forderung nach 35 Prozent Lohnerhöhung Nachdruck zu verleihen, hatten die Subte-ArbeiterInnen in den Hauptverkehrszeiten, von 7 bis 10 und von 17 bis 20 Uhr, an den wichtigsten U-Bahn-Stationen die Drehkreuze geöffnet. Diese sind normalerweise nur mit gültigem Fahrschein passierbar, und private Wachdienste achten darauf, dass niemand die Barrieren ohne Ticket überspringt. Diese Wachleute sind wiederum gar nicht mit ihrer Auslagerung und den schlechteren Arbeitsbedingungen einverstanden. Dreißig von ihnen haben Anfang März in einer der Endstationen für ihre Übernahme durch Metrovías, die Betreibergesellschaft der Subte, demonstriert und dabei – nicht zum ersten Mal – ebenfalls die Fahrgäste umsonst fahren lassen.
Die ArbeiterInnen der Subte haben in den letzten zwei Jahren – nach Jahren von Krise und Lohnverlusten – erhebliche Lohnerhöhungen und die Arbeitszeitverkürzung auf den 6-Stunden-Tag durchgesetzt. Dafür haben sie mehrfach gestreikt und das gesamte U-Bahn-Netz lahmgelegt – eine Maßnahme, die in der Metropole Buenos Aires ein enormes Chaos verursacht, und die übliche Diffamierung der Streikenden zur Folge hatte. Sie haben die Hetze mit einer geschickten Öffentlichkeitspolitik entkräftet. Gegen den Vorwurf, dass sie als Hochlohnverdiener nur weitere Privilegien für sich sichern wollten, haben sie einerseits auf Plakaten öffentlich gemacht, wie viele Subventionen das privatisierte Unternehmen Metrovías eingestrichen hat, ohne in Sicherheit oder Infrastruktur zu investieren, und welche Riesengehälter sich die Chefetage auszahlt. Andererseits haben sie klargestellt, dass sie nicht bereit sind, weiter den Gürtel enger zu schnallen, sondern dass es ihnen tatsächlich um ein besseres Leben geht – nicht nur für sich, sondern für alle. Das waren keine leeren Worte: Nach ihrem eigenen Erfolg haben sie praktische Solidarität mit ArbeiterInnen anderer Betriebe gezeigt, mit Präsenz an Streikposten und Solidaritätsstreiks, und sie haben ihre prekarisierten KollegInnen in verschiedenen ausgelagerten Firmen dabei unterstützt, sich in ihren Tarifvertrag reinzukämpfen. Als die Prekarisierten im Oktober bei einer Aktion in einer U-Bahn-Station von der Polizei mit Schlagstöcken und Tränengas angegriffen wurden, standen eine Stunde später alle fünf Linien.
Nach der Privatisierung und Übernahme der Subte durch Metrovías 1994 waren die ArbeiterInnen zunächst machtlos gegen Umstrukturierung und Entlassungen. 1997 gelang es ihnen zum ersten Mal, mit einem Streik auf allen Linien die Entlassung eines Fahrers zu verhindern. »Macht keine Verrücktheiten, morgen setzen wir uns mit der Firma zusammen«, hatte ihnen damals die von der Arbeiterinitiative erschreckte Gewerkschaft UTA gesagt. Seitdem haben sie ihre Unabhängigkeit von der Gewerkschaft und ihre Streikfähigkeit kontinuierlich ausgebaut. Nach den letzten Umsonstfahr-Aktionen hat die UTA eine Lohnerhöhung von 16 Prozent vereinbart. Vielen war das zu wenig, aber nach ausführlicher Diskussion auf Versammlungen in sämtlichen Abteilungen setzte sich die Meinung durch, das Ergebnis zu akzeptieren, denn demnächst stehen Manteltarifverhandlungen an. Der Tarifvertrag und eine Kampagne zur Frühverrentung werden die nächsten Schritte sein, »und danach werden sicher noch weitere Verrücktheiten kommen«, sagen die Basisdelegierten.
»Vorsicht beim Trinken – alle öffentlichen Toiletten sind geschlossen…«
Der Streik der britischen Kommunalbeschäftigten am 28.3. hat schnell Wirkung gezeigt: Tony Blairs Vize bot den Gewerkschaften »Gespräche« an. Zunächst hatten Regierung, Kommunen und Medien auf eine Schlappe der Gewerkschaften gesetzt und am frühen Morgen des 28. März entsprechende Meldungen über geringe Beteiligung lanciert. Aber schon im Laufe des Vormittags brach diese Taktik zusammen, als überall spürbar wurde, dass tatsächlich weit über eine Million Kommunalbeschäftigte in den Streik getreten waren, es war der größte eintägige Streik im UK seit dem Generalstreik 1926. In jedem Ort, jeder Gemeinde und Stadt wurden Streikposten organisiert um die Rentenrechte der ArbeiterInnen zu verteidigen (es geht um die Möglichkeit, vor 65 bei voller Rente aus der Mühle zu entkommen). Dieser massive eintägige Kraftakt kommt nach Jahrzehnten der Niederlagen für die Gewerkschaften in GB.
700 000 der Streikenden waren Arbeiterinnen, was diesen Tag zusätzlich zum größten Frauenstreik in der britischen Geschichte machte. Tausende Schulen waren geschlossen, Freizeitzentren, Rathäuser, die Müllabfuhr und viele andere öffentlichen Dienste streikten, viele Straßentunnel und Fährverbindungen waren geschlossen, alle Bus- und Bahn-Dienste in Nordirland usw usw. In Schottland machten die Streikenden zwei große Straßenbrücken gebührenfrei für einen Tag.
aus: Wildcat 76, Frühjahr 2006