Wildcat Nr. 79, Herbst/2007, S. 00–00 [w79_netzwerkit.htm]



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Netzwerk IT –

Nutzen von Entlassung bedrohte IT-Beschäftigte Internet-Foren zur Organisierung?

Während der Betriebsversammlung am 10.05.06 wurde den ca. 110 Beschäftigten der CSC (Computer Sciences Corporation) Niederlassung Immenstaad mitgeteilt, dass Gewinnmargen von fünf Prozent nicht ausreichend seien und deshalb Restrukturierungsmaßnahmen umgesetzt werden müssten. Dabei wurde vermieden, von einer Standortschließung zu sprechen, auch wenn diese faktisch umgesetzt wird.

Die verkündete Near-/Offshoremaßnahme traf Betriebsrat und Beschäftigte völlig unerwartet. Statt sofort eine Betriebsversammlung einzuberufen, um die neue Lage zu diskutieren, versuchte sich der Betriebsrat über Wochen in Verhandlungen mit der Geschäftsführung, ohne die Belegschaft über den Stand zu informieren.

Die Geschäftsleitung versuchte von Anfang an gezielt, die Beschäftigten gegeneinander auszuspielen. So wurde argumentiert, es handle sich nicht um eine Standortschließung, betroffen sei nur der Helpdesk. In der Folge kritisierten die nicht betroffenen KollegInnen, dass Aktionen und Pressearbeit ihren Arbeitsplatz gefährden könnten und von diesen Aktivitäten deshalb Abstand zu nehmen sei. Die Mehrzahl der Betriebsrats- bzw. Gesamtbetriebsratsmitglieder zählte damals nicht zu den von der Restrukturierung Betroffenen.

Die Bedingungen für wirkungsvolle Arbeitskampfmaßnahmen waren eigentlich vorhanden, da zu diesem Zeitpunkt der Helpdesk das Nervenzentrum des Supports darstellte. Ein Informationsaustausch und anonyme Diskussionen fanden über die Website Netzwerk IT statt. Im neu angelegten Projekt CSC 1wurden von ein paar Aktiven immer wieder alle verfügbaren Informationen eingestellt. So konnten auch KollegInnen der anderen, oft sehr kleinen und über die BRD verstreuten Standorte, die ebenfalls von den Maßnahmen betroffen waren, erreicht werden. Sehr viele KollegInnen lasen regelmäßig die neuesten Meldungen, aber nur sehr wenige stellten eigene Beiträge ein. Eine wirkliche Diskussion kam so leider nicht zustande – die Gründe sind nicht recht nachvollziehbar.

Der Betriebsrat fühlte sich von dieser Gegenöffentlichkeit angegriffen. Die Geschäftsleitung, die auch auf die Website aufmerksam wurde, reagierte sofort mit einem Maulkorb-Erlass. Längst nicht alle KollegInnen ließen sich davon einschüchtern, die Meldungen wurden sofort wieder ins Netz gestellt.

Widerstand gegen die Restrukturierungsmaßnahmen gab es leider so gut wie keinen. Teile des Betriebsrates konzentrierten sich auf die Verhandlungen mit der Geschäftsführung und lehnten die Einbindung von Gewerkschaften ab, bzw. argumentierten, dass dies die Verhandlungen gefährden könnte. Wir hatten einen offenen Brief an die Geschäftsführung verfasst, der auch von ca. 70 KollegInnen mit vollem Namen unterzeichnet worden war. Als jedoch klar wurde, dass der Brief auf Englisch an die Geschäftsführung in den USA geschickt würde, haben einige ihre Unterschrift zurückgezogen.

Zu keinem Zeitpunkt wurde wirklich Druck gegen Geschäftsführung und Betriebsrat aufgebaut. Einigen KollegInnen wurden gegen eine Prämie »Key-Player«-Rollen für die Durchführung der Restrukturierung angeboten. Einige wechselten als »Know-how-Träger« von Immenstaad nach Prag. Viele Leute hatten einfach Angst, immer mehr suchten sich einen anderen Job, ohne die dreimonatige Kündigungsfrist einzuhalten. Im Laufe der Monate veränderte sich so die Zusammensetzung der Belegschaft. Die StammarbeiterInnen wurden zunehmend durch LeiharbeiterInnen ersetzt, die kein Interesse an Arbeitskämpfen hatten.

Die Verlagerung des Helpdesks nach Prag ist in vollem Gange und wird bis Oktober voraussichtlich abgeschlossen sein. Es läuft allerdings nicht so, wie sich das die oberen Chefs in den USA vorgestellt haben, die die Firma in Europa an ein paar Standorten konzentrieren wollen. Es wurden inzwischen schon Vorgesetzte entlassen, die für die Durchführung der Restrukturierung verantwortlich waren. In Prag wird händeringend nach geeignetem Personal gesucht.

Für die letzten Beschäftigten in Immenstaad wird Ende des Jahres Schluss sein. Die Gekündigten bekommen eine Abfindung von mindestens 15 000 Euro. Wer noch keinen neuen Job hat, kommt für ein Jahr in eine Beschäftigungsgesellschaft.


[1] netzwerkit.de/projekte/csc

[2] Zu »Offshoring«: Rote Käppis bei IBM. Auslagerungen in der »IT-Industrie«, in: Wildcat 74, Sommer 2005



aus: Wildcat 79, Herbst 2007



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