Die dritte Runde eines Streiks von Leiharbeitern in der südiranischen Petrochemie, diesmal in Bandare-Imam in der Nähe von Mahshahr, ist nach 14 Tagen am 9. Oktober zu Ende gegangen. Hauptforderung war auch hier – wie in vielen neuen Arbeiterkämpfen – die Direkteinstellung.
In den letzten Jahren sind Verleihagenturen im Iran wie Pilze aus dem Boden geschossen. Bereits früher hatten Arbeiter des Hüttenwerks in Isfahan und der Autoindustrie in Teheran (Konzern Iran Khodro) Festeinstellung gefordert; in der Petrochemie von Täbris hatte man dafür im März 2011 elf Tage lang gestreikt. Davor waren nur kleinere Betriebe im Iran von solchen Arbeitskämpfen mit dem Angelpunkt der Leiharbeit betroffen. Dass nun in dieser Sache auch bei Großbetrieben gestreikt wird, beweist eine neue Qualität.
Das iranische Sklavenhändlersystem liegt in der Mitte zwischen dem deutschen und dem italienischen Caporalato-System, (siehe Artikel zum Streik der Tagelöhner in Nardo im Heft): Die sog. Kontraktfirmen (Verleiher) schließen Verträge mit (Entleih-)Betrieben über bereitzustellende Arbeitskraft – oft mit Laufzeiten zwischen drei Monaten und einem Jahr. Danach werben sie ArbeiterInnen an, mit kurzfristigeren Verträgen und zu einem Bruchteil der Lohnsumme, die von der Entleih-Firma vorher an den Verleiher gezahlt worden war. Zahlungen für Kranken- und Rentenversicherung, gelegentlich auch für Fahrtkosten, sackt der Verleiher meist zusätzlich ein. Beispielsweise bekommt eine Agentur 850 000 Toman (ca. 600 €) für einen Arbeiter und gibt ihm davon 360.000 weiter. Noch dazu werden in der Regel die Löhne mit zwei- bzw. mehrmonatiger Verspätung bezahlt. Manche Verleihagenturen verwenden Blankoverträge und ändern die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden nachträglich ab.
Nach Angaben des Ölministeriums sind gegenwärtig 120.000 Menschen in Leiharbeitsverhältnissen für die Ölindustrie tätig, davon 2500 am Ende der Produktionskette in den Ölexportstellen. Dort bilden sie 2/3 der Arbeitskräfte bei 1/3 Festangestellten.
Die früheren Streiks in Mahshahr gingen teilweise mit Erfolg zu Ende. Im Februar 2011 haben die Arbeiter bei der Ferimco-Verleihagentur in der Petrochemie Mahshar mit fünftägigem Streik durchgesetzt, dass ihr seit sechs Monaten aussstehender Lohn bezahlt und der Agenturboss enlassen wurde.
Fünf Monate später entwickelte sich hier der zweite Streik, diesmal getragen von den Arbeitern bei Kharazmi, einer anderen Verleihfirma. Der Ausstand dauerte elf Tage. Er wurde mit dem Versprechen beendet, dass in drei Monaten die Arbeiter fest angestellt würden. Nachdem das Versprechen der staatlichen Stellen und der Unternehmensleitung zur Ausschaltung der Verleihagenturen nach Monaten nicht verwirklicht worden war, hat im September ein Teil der Leiharbeiter von Bandare-Imam gestreikt. Sie beziehen sich auch auf Zusagen des Ahmadinedschad-Kabinetts von vor sechs Jahren; damals war von höchster Stelle verkündet worden, Verleihfirmen verbieten zu wollen.
In der Petrochemie Bandare-Imam arbeiten gegenwärtig 6500 Arbeiterinnen und Arbeiter, davon insgesamt 4300 als Leiharbeitskräfte, davon 300 Frauen. Die Beschäftigten sind in der Mehrzahl Araber. (40 Prozent der Einwohner von Mahshar gehören zum arabischen Bevölkerungsteil des Iran.)
Obwohl viele mit dem Streik einverstanden waren, haben ihn nur 300 bis 400 Leiharbeiter aktiv getragen, von ungelernten Arbeitern bis zu den Technikern, die auch jeden Tag vor dem Verwaltungsgebäude der Firma demonstrierten und Sit ins veranstalteten. Festangestellte haben auf Druck der Chefs die Arbeiten der Streikenden teilweise miterledigt; auch haben sich die Frauen nicht aktiv am Streik beteiligt. Im Laufe der Streiks wurden drei Arbeiter festgenommen, die später durch Proteste und Demos freikamen. Anderen wurde der Zutritt zum Fabrikgelände verwehrt. Und allen, von den Chefs bis zum Arbeiter, wurde verboten, mit Medienleuten zu sprechen. Parallel dazu hat man Reis an Arbeiter verteilt, und Stammesführer eingeschaltet, damit sie auf Streikende einwirken. Am Ende haben Staat und Firmenleitung durch völlige Ignoranz und Missachtung der Streikaktionen die Arbeiter zur Aufgabe zu bewegen versucht.
Trotz alldem und trotz der Versuche, Streikbrecher auch von außen zu holen, oder die Löhne der Festangestellten zu erhöhen, wurde der Streik fortgesetzt. Viele noch agierende Gewerkschaften und Arbeiterorganisationen im Iran sowie Aktivisten im Ausland unterstützten die Streikenden. Viele Diskussionen wurden mit anderen Petrochemie- und Öl-Arbeitern besonders aus der Ölprovinz geführt, denn ihre Unterstützung wäre wichtig gewesen. Doch nach weiteren Versprechungen der staatlichen Stellen nahmen die Leiharbeiter die Arbeit wieder auf.
Trotzdem wurde das neue Niveau der Kämpfe in diesem hoch wichtigen Sektor der iranischen Wirtschaft deutlich.
Ein Arbeiter erzählt: »In einer bekannten Arzneimittel-Fabrik (Tolidaru Pharmaceutical company), wo ich 30 Jahre gearbeitet habe, wurde nach manchem Widerstand der Arbeiterinnen und Arbeiter erst 2007 eine kleine Abteilung mit zwölf Arbeitskräften einer Kontraktfirma überlassen, eigentlich testweise, um zu ermitteln, wie solche Unternehmen Kostenreduzierung auch in allen anderen Abteilungen durchsetzen könnten. Die ersten Reaktionen der Arbeiter folgten dem Schema des hinhaltenden Widerstands, es gab aber auch spontane, mehr individuelle Auseinandersetzungen mit den Verleihfirmen. Der Produktionsbetrieb versuchte dann, die Herstellung von Hygieneartikeln nach anderswo auszulagern. Als sie 200 ArbeiterInnen in Rente schickten, darunter besonders klassenbewusste und kämpferische Frauen, und durch Leiharbeiter ersetzten, war unsere Kampfkraft gelähmt. Die Leiharbeiter hatten keinen Kontakt mit uns. Wenn wir uns in der Kantine trafen, kamen wir wie von unterschiedlichen Sternen. Sie blieben auch nicht lange, die Verleihfirmen feuerten sie einfach, wenn sie z.B. die verlangte Menge Arbeit am Tag nicht erledigen konnten oder wollten. Mit keinem von ihnen haben wir Freundschaft schließen können. Bevor wir ein Gespräch anknüpfen konnten, kam ein anderer an seiner Stelle. Von den damals etwa 1500 Arbeitern sind heute nicht mehr als 330 übrig, davon noch 120 festangestellt. Wir hatten damals mit zwölf Leuten z.B. 19.000 Stück eines Produkts hergestellt. Heute macht eine Sklavenfirma mit neun Leuten 22.000 Stück davon.«