aus: Wildcat 95, Winter 2013/2014
Im letzten Autoartikel1 äußerten wir die vage Hoffnung, dass die Abwehrkämpfe im Westen mit den offensiven im Osten zusammenkommen könnten. Obwohl es in den letzten eineinhalb Jahren weltweit vermehrt zu Aktionen und Streiks in und um die Auto- und Zulieferfabriken kam, ist das bisher nicht eingetreten. Gekämpft wird vor dem Hintergrund der Polarisierung der Autokonzerne in »Gewinner« und »Verlierer«, sowie betriebsinterner Spaltungen. Eine Ausnahme blilden die Streiks in der südafrikanischen Autoindustrie und bei Dacia in Rumänien. Auch die serbischen Fiat-ArbeiterInnen konnten in der neuen Fabrik in Kragujevac sehr rasch Lohnerhöhungen durchsetzen.
Die Krise spaltet die ArbeiterInnen in jene, die um den Erhalt ihrer Fabriken kämpfen, und andere, die gemessen an »Arbeiterverhältnissen« mit Geld überschüttet werden – deren Arbeit aber immer stärker intensiviert wird. Porsche verkürzt gar die Arbeitszeit um eine Wochenstunde bei vollem Lohnausgleich. Die »Gewinner« stehen im Vergleich zu den »Verlierern« (nicht nur bei Opel, sondern auch »Schlecker«!) relativ gut da – aber im Vergleich zu ihren Chefs verlieren sie ebenso an Boden. Die vw-StammarbeiterInnen bekommen zwar einige tausend Euro Prämien, sehen sich aber gewaltigen Sparprogrammen gegenüber. Die Arbeit wird extrem verdichtet, die Angriffe erfolgen in immer kürzeren Abständen – und auch bei bmw und Daimler sind die »abgesicherten Festangestellten« damit konfrontiert, dass eben nichts mehr »sicher« oder »fest« ist. In der deutschen Autoindustrie arbeiten 350 000 Leih- und WerkvertragsarbeiterInnen – halb so viele wie direkt bei den Konzernen beschäftigt sind.
Die wiederholten Streiks in Bremen zeigen, dass mittlerweile auch die »Festen« versuchen, gegen weitere Auslagerungen zu kämpfen. Zwar hängen ihre Lohnerhöhungen und Prämien an den Niedriglöhnen in den Sub-sub-sub-Ketten, aber was nützt es, wenn es irgendwann keine »Festen« mehr gibt?
Die letzte Aktion fand am 1. Oktober 2013 statt. Als bekannt wurde, dass Daimler nun auch Produktionsarbeiten im Rohbau auslagern will, legten 2000 Leute zwei Stunden lang die Arbeit nieder. Hinzu kam ein Erpressungsversuch gegen die Belegschaft, dass Teile der neuen E-Klasse nicht in Bremen bleiben sollten, obwohl der Ausbau der Halle bereits begonnen hatte. Diese Aktionen, an denen sich große Teile der Belegschaft beteiligten, konnten die Auslagerungen lediglich verzögern. Im Presswerk und in einer Rohbau-Halle wird die Logistik nun von der Firma Rhenus zu sehr viel schlechteren Arbeitsbedingungen betrieben. Der Unternehmer lässt sich nicht durch symbolische Aktionen und ein- bis zweistündige Streiks aufhalten.
In den Auto- und Zulieferfabriken herrscht mittlerweile eine Arbeitsorganisation ähnlich der von H&M und Walmart. Hinter der »großen Marke« verbinden sich unzählige ArbeiterInnen zahlreicher Subfirmen zu einer Produktions- und Logistikkette. Am bekanntesten in der brd ist bmw Leipzig, wo in den Hallen ein Drittel Feste, ein Drittel Werkvertrags-ArbeiterInnen und ein Drittel LeiharbeiterInnen von über 20 verschiedenen Subfirmen schaffen. Auch Daimler will die Fertigungstiefe weiter senken. Neue Werke werden schon so geplant und in Betrieb genommen, dass möglichst viele ArbeiterInnen auf verschiedene Firmen verteilt sind. In den alten Fabriken ist diese Spaltung schwerer durchzusetzen, weil sich dort die ArbeiterInnen ihre »gewohnte Arbeitsorganisation« nur gegen Widerstand wegnehmen lassen. Deshalb werden die Bedingungen dort niemals für alle gleichzeitig verschlechtert, sondern immer nur für eine überschaubare Gruppe von ArbeiterInnen.
Der Streik bei Maruti Suzuki in Indien vor zwei Jahren2 war ein Meilenstein, weil er diese Spaltungen überwinden konnte. LeiharbeiterInnen und Feste besetzten mehrere Wochen die Fabrik und konnten bessere Bedingungen für alle durchsetzen. Danach setzte eine Repressionswelle ein.
Dennoch war dieses kurze Aufblitzen von Arbeitermacht wichtig, in dem die Spaltungen ihre Wirkung verloren.
Dass dies nicht so einfach geschieht und es nicht eine Frage des Willens oder des »Bewusstseins« ist, verdeutlicht der jahrelange Konflikt um Leiharbeit und Werkverträge in Südkorea. Letztere sind seit jeher illegal in dem Land und die Gerichtsprozesse um sofortige Festanstellung werden von den ArbeiterInnen gewonnen, aber Hyundai kümmert sich nicht darum und macht einfach weiter. 2010 besetzten Leih- und WerkvertragsarbeiterInnen in der Fabrik in Ulsan für 25 Tage eine ganze Halle, um ihre Festanstellung durchzusetzen. Dabei hielten sich die Festangestellten zurück, was deutlich die tiefe Spaltung und die Grenzen des Kampfes zeigte. Daraufhin wurde die Leiharbeit gesetzlich auf zwei Jahre begrenzt; seitdem entlässt Hyundai die LeiharbeiterInnen kurz vor Ende dieser Frist. Die Reaktion darauf ist leider nicht immer offensiver Kampf, sondern manchmal Verzweiflungstaten wie Selbstmord oder dass einzelne ArbeiterInnen z. B. einen Strommast besetzen und aufgrund ihrer großen Opferbereitschaft zumindest »Öffentlichkeit« erzeugen.
Ein weiterer Versuch fand am 14. August 2013 im selben Werk statt. LeiharbeiterInnen gingen ohne Unterstützung der Gewerkschaft vor die Tore und forderten eine Lohnerhöhung, weil sie nur 60 Prozent des Lohns eines Festangestellten bekommen (ca. 1100 Euro). Eine Medienkampagne hetzte gegen die festangestellte »Arbeiteraristokratie«, die Hyundai mehr koste als in den usa.3 Die kmwu (Korean Metal Workers Union) behauptete, diese hätte einen gemeinsamen Kampf verhindert. Trotzdem setzte dieselbe Gewerkschaft einen Monat später fünf Prozent Lohnerhöhung für die Festangestellten durch plus eine Einmalzahlung in Höhe des fünffachen Monatslohns plus (!) 9,2 Mio. won (rund 6500 Euro) Leistungsprämie – als ob die Medien und »negative« oder »fehlende« Öffentlichkeit und nicht die Spaltung in der Fabrik das Problem wäre!
Das führt uns zur Rolle der Gewerkschaften, die gerufen werden, wenn die ArbeiterInnen sich zu schwach fühlen, vor allem bei den vielen Aktionen gegen Schließungen und Verschlechterungen in den letzten Jahren (s. Neupack, S. 44). Bei Iveco in Weisweil bei Freiburg organisierten die ArbeiterInnen über Telefonketten eine wirksame Torblockade und verhinderten damit den Abtransport der Maschinen. Die Verhandlungen überließen sie aber der ig Metall. Ende September, ein Jahr nach der Torblockade, gingen die Lichter aus. Dasselbe Spiel bei der Zentrale von Renault Trucks in Brühl. Anfangs Demonstrationen, über die in den lokalen Medien kontinuierlich berichtet wurde, dann Verhandlungen mit der igm, Sozialplan, Schließung im Juni.
Das Gleiche »in groß« und in die Länge gezogen spielt sich bei Ford Genk und psa in Aulnay ab – mit dem Unterschied, dass Teile dieser Belegschaften versuchten, andere in ihre Aktionen mit einzubeziehen. Am 7. November 2012 fuhren ca. 250 gewerkschaftlich organisierte belgische Ford-ArbeiterInnen vor die Tore des Kölner Werkes und ließen Dampf ab. Medial wurde breit berichtet, aber die Aktion brachte sie nicht näher mit ihren deutschen KollegInnen zusammen. Mehr Substanz hatten die kurzen wilden Streiks einer kleinen Zahl von ArbeiterInnen der Zulieferer, die die Produktion lahmlegen konnten. Nun bekommen die Ford-ArbeiterInnen durchschnittlich 144 000 Euro Abfindung, und die Bedingungen auch für die ArbeiterInnen der Zulieferer haben sich wesentlich verbessert: Sie bekommen ebenso Abfindungen und können entgegen einem neuen Gesetz sofort Arbeitslosengeld beziehen (das Gesetz sieht vor, dass ArbeiterInnen dies erst beantragen können, wenn die Abfindung »aufgebraucht« ist).
Der Streik von zuerst 500, dann nur noch 200 psa-ArbeiterInnen4 (von 2500) ging fünf Monate und konnte trotz Rundreisen der StreikaktivistInnen und vieler ArbeiterInnen, die ebenfalls ihren Arbeitsplatz verlieren, keine breite Bewegung lostreten. Danach war es leicht für psa, die Löhne in den verbliebenen französischen Werken für zwei Jahre einzufrieren und Zuschläge für Überstunden zu reduzieren. In Aulnay gingen die meisten nun mit Abfindungen von bis zu 100 000 Euro, manche wurden auf andere Werke aufgeteilt. Die Streikenden waren während des Kampfes den üblichen Drohungen, Repressalien und medialen Verunglimpfungen ausgesetzt. Da die ArbeiterInnen nicht geschlossen handelten, sondern schon gespalten in den Kampf getreten waren, wurde das zu einem großen Problem. Durch den Abbruch des Streiks konnten sie gerade noch der Mauer ausweichen, auf die sie zusteuerten. Wiedereinstellungsgarantien, Einstellung der Strafverfahren, Bezahlung der Streiktage, 19 700 Euro »Prämie« für jeden Streikenden, der sofort ging und Anrechnung der Streiktage auf den Ruhestand5 – mehr war am Ende nicht drin.
Die Enttäuschung nach so einem Kampf entlädt sich in der Regel gegen die Gewerkschaft; sie hat uns wieder einmal »verraten«, weil sie so viel blockiert hat.6 Dabei überschätzen wir diese gleich zwei Mal und gehen ihr auf den Leim. Die Gewerkschaft kann keine Einheit herstellen, und wenn es so eine Einheit gibt, kann sie diese nicht zerstören. Ein Beispiel dafür ist der dreiwöchige Streik der ArbeiterInnen von Daimler Trucks in Portland/usa im Juli 2013. Die Belegschaft ist in vier Gewerkschaften gespalten organisiert, aber trotz der Empfehlung der zwei verhandlungsführenden Gewerkschaften (eine Mechaniker- und eine Lackierergewerkschaft), ein Angebot der Firmenleitung anzunehmen, schlossen sich die ArbeiterInnen auch der beiden anderen Gewerkschaften (Teamsters und seiu) dem Streik an. Daimler setzte daraufhin Streikbrecher ein, die keinen einzigen lkw fertig bekamen. Das Angebot wurde verbessert und die ArbeiterInnen stimmten dafür.
Eine moderne Autofabrik ist profitabel, wenn sie zu etwa 80 Prozent ausgelastet ist bei einer Stückzahl von 150 000 Einheiten im Jahr. Einige Fabriken liegen aktuell weit darüber und bringen Kämpfe hervor, in denen die ArbeiterInnen was durchsetzen können.
… ist eine ehem. Lizenz-Fabrik, die Mitte 2012 von Fiat neueröffnet wurde. GenossInnen berichten vom Werk als »einer Art verbotene Stadt, aus der kaum Informationen nach außen dringen«. Ein Arbeiter verdient 300 bis 400 Euro netto. Das ist unter dem serbischen Durchschnitt von etwa 400 Euro und ein Fünftel des Gehalts seines italienischen, ein Drittel seines polnischen Kollegen. Die Pausen reichen nicht, um aufs Klo zu gehen. Kurz nach der Eröffnung drohten die ArbeiterInnen mit Streik und erhielten sofort 13 Prozent mehr Lohn, eine Erhöhung des Weihnachtsgeldes und 320 Euro Prämie. Im Mai hatte eine Sabotageaktion für Schlagzeilen gesorgt, bei der 31 fertige Autos mit Sprüchen gegen Fiat und für Lohnerhöhungen zerkratzt wurden7. So wurden die ArbeiterInnen auch für die linksradikale Szene interessant: Anarchosyndikalisten organisierten Kundgebungen vor der Fabrik in Kragujevac und vor dem polnischen Werk in Tychy.
Im März streikte in Pitești ein Teil der ArbeiterInnen zwei Tage lang für eine Lohnerhöhung um 500 ron (112 Euro), was ca. 25 Prozent des Lohns eines Fließbandarbeiters ausmachte, und gegen die Taktzeit von 40 Sekunden8. Nicht nur das Management, auch die Gewerkschaft erklärte den Streik für illegal, weil sich daran unter 20 Prozent der Belegschaft beteiligt hätten. Danach gingen die Verhandlungen vier Wochen weiter, was am Ende generell 220 ron mehr für ArbeiterInnen, 110 ron für Angestellte plus fünfprozentige individuelle Lohnerhöhung brachte (sechs Prozent für Vorarbeiter). Die Jahresprämie (»Ostergeld«) wurde von 1023 auf 1680 ron brutto erhöht (376 Euro).
Seit dem großen Streik von 20089 droht das Management den ArbeiterInnen mit der Verlagerung ins neue »state of the art«-Werk nach Marokko, der jetzt größten Autofabrik in Afrika.10 Der Lohn eines Arbeiters in Pitești sei doppelt so hoch wie derjenige eines Arbeiters in Tanger, der 320 Euro verdiene (Renault zahlt in Tanger 12 bis 15 Prozent über dem gesetzlichen Mindestlohn). Die staatlichen Subventionen in Marokko seien attraktiv und die Maschinerie energiesparender als in Pitești, Tanger mit seinem wenig ausgelasteten Riesenhafen nur 14 km von Spanien entfernt. Und das Wichtigste: Die meisten Arbeiter in der neuen Fabrik bemühten sich in ihrem »ersten echten Job«. Doch bislang kommt die für die Kapitalisten so wichtige Erstläufer-Rate ftc (First Time Correct11) kaum über 70 Prozent, teure Reparaturen sind Alltag. Im von Renault betriebenen und der Regierung bezahlten Trainingscenter fällt die Hälfte der ArbeiterInnen durch die Prüfung. Bevor sie ans Band »dürfen«, müssen sie 6000 (!) Mal ihre Handgriffe wiederholen. Haben sie es dann endlich geschafft, reicht es einem Teil von ihnen bereits nach kurzer Zeit; sie kommen nach dem Ramadan-Urlaub einfach nicht mehr zurück.
Die große Ausnahme im zurückliegenden Jahr war Südafrika. Nach den heftigen Kämpfen im Winter im Bergbau und in der Agrarindustrie war im Sommer ein Teil der Autoproduktion wochenlang lahmgelegt. Los ging‘s schon im Mai mit einem zweitägigen Streik in der Mercedes-Fabrik in East London gegen die gleichen Pläne wie in Bremen: Fremdvergabe der Logistikarbeiten, unbezahlte Überstunden, einen Manager in der Lackiererei und für Fahrgeld. Die Arbeitsniederlegung begann mit einer verlängerten Mittagspause und entwickelte sich zu einem wilden Streik. Die numsa-Gewerkschaft trat sofort in Verhandlungen mit dem Management, das bereits eine gerichtliche Untersagung des Streiks eingeholt hatte.
Am dritten Tag konnte die numsa die ArbeiterInnen zur Wiederaufnahme der Arbeit bewegen. Die Forderung nach 20 Prozent mehr Lohn war dabei schon öffentlich. Es war ein kleiner Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte: Drei Wochen Streik in den Autofabriken und weitere vier bei den Autozulieferern.
Am 8. August 2013 traten 2200 ArbeiterInnen der bmw-Fabrik in Rosslyn in den Streik. Die numsa unterstützte die Forderung nach einer 50-prozentigen Erhöhung der Schichtzulagen. Am 19. August traten zehntausende ArbeiterInnen aller anderen Fabriken der sieben Autohersteller12 in den Streik. In der numsa, die den Streik organisiert hatte, sind in diesen Fabriken von zwei Drittel (vw) bis 80 Prozent (gm, Toyota) der Beschäftigten organisiert. Die ArbeiterInnen forderten 14 Prozent mehr Lohn und Zuschüsse für Wohnen, medizinische Versorgung und Pendeln. Ein Bandarbeiter verdient 8500 Rand (620 Euro), wovon oft 20 Prozent für Fahrtkosten draufgehen.
Ende August droht bmw mit der Verlagerung der Fabrik und schiebt geplante Investitionen auf, die Zeitungen jammern über die unsicheren Bedingungen für Investoren. Der numsa-Chef betont, die Autokonzerne seien auf ihre südafrikanischen Fabriken angewiesen, weil sie selten so günstige Arbeitskosten fänden und hohe staatliche Subventionen bekommen. Nach drei Wochen Streik gab es 11,5 Prozent Lohnerhöhung für 2013, zehn Prozent für 2014 und nochmal für 2015; jährlich eine Fahrtkostenpauschale von 1200 Rand, 750 Rand Wohnzuschuss und einen 70-prozentigen Zuschuss zur Krankenversicherung. Ein Fließbandarbeiter verdient nun im Jahresschnitt 10 300 Rand (760 Euro).
Kaum war die Produktion wieder angefahren, da musste sie schon wieder stoppen. Neben Tankstellenarbeitern, Autoverkäufern usw. organisierte die numsa einen Streik bei den Autozulieferern, der einen Monat dauerte. Resultat: zehn Prozent Lohnerhöhung sofort, jeweils acht Prozent in den nächsten beiden Jahren.
Diese Ergebnisse sind den anhaltenden Kämpfen geschuldet, in denen auch die numsa die Erhöhung der Reallöhne erreichen muss, will sie nicht das Schicksal der num im Bergbau erleiden. Der mehrjährige Abschluss hat für das Kapital jedenfalls wieder relative Planungssicherheit hergestellt.
Die Polarisierung in der Krise in »Gewinner« und »Verlierer« führt zu ganz unterschiedlichen Bedingungen für Kämpfe. Dementsprechend anders entwickeln sich diese. Die Werksschließungen in Westeuropa und der Angriff auf die »Festen« zeigt, dass es irgendwann jeden trifft. In den alten Werken in der brd sind das nicht mehr nur die Logistikbereiche, sondern auch »Kernkompetenzen« wie Rohbau und Motorenproduktion. Niemand ist mehr sicher. Das Gefühl, nicht mehr unantastbar zu sein, hat sich in der Autoindustrie verbreitet.
Deshalb sind Kämpfe wichtig, in denen es gelingt, die Spaltungen in Feste, Leiharbeiter und Werkvertragler zu überwinden. Gewerkschaftliche Versuche, die Probleme juristisch zu lösen, haben zu Rückschlägen geführt; die ArbeiterInnen wurden durch Trennwände, Redeverbote und Kündigungen noch mehr gespalten. Dagegen gibt es in Bremen hoffnungsvolle Ansätze – etwa wenn das neue Redeverbot mit Werkvertrags-ArbeiterInnen nicht befolgt wird oder wenn die Daimler-ArbeiterInnen (fabrikübergreifende) Versammlungen zu Werkverträgen machen.
Mit Opel Bochum wird zum ersten Mal in der Geschichte der brd eine Autofabrik ohne »Ersatzarbeitsplätze« geschlossen – und ohne dass neue Branchen entsprechend massenhaft ArbeiterInnen in einen produktiven Zyklus einsaugen könnten (s. Green New Deal, S. 52). Auch in der brd sind die ArbeiterInnen auf der Suche nach neuen Antworten – und da können wir uns einmischen. Die Frage der Unterstützung stellt sich, und wir können sie anhand praktischer Erfahrungen international diskutieren. Oder warum nicht mal selbst mit Werkvertrag oder als LeiharbeiterIn reingehen? Opel sucht immer wieder Leute in Bochum, weil der Krankenstand in die Höhe schnellt.
[1] Siehe Wildcat 93: What if they learn to hate? Sommer 2012. Gekürzt online:
[2] Siehe Wildcat 91 und 92: Kampf bei Maruti Suzuki, 2011/12.
[3] Arbeitskosten pro Stunde bei Hyundai: 16,80 Euro in Südkorea, 14,50 Euro in den usa und 5,20 Euro in China.
[4] Von Mouvement Communiste und Kolektivně proti Kapitalu gibt es eine sehr lesenswerte Auswertung mit detaillierter Chronologie: psa Aulnay: quelques considérations pour une discussion, Juni 2013 (Französisch)
[5] Die cgt spricht von 250 ArbeiterInnen, die diese Bedingungen erhalten. In einer offiziellen Stellungnahme der Fabrikdirektion ist von 130 die Rede.
[6] Siehe bspw. den ansonsten lesenswerten Artikel von Jose Chatroussat in der aktuellen Insurgent Notes: The Struggle at Peugeot in France
[7] Offensichtlich diente als Vorbild eine ähnliche Aktion bei Fiat in Polen vor zwei Jahren, siehe Wildcat 89: Sabotage bei Fiat in Tychy
[8] Ungeachtet der Komplexität der Karosserie sind 40 Sek. in der Montage sehr intensiv. Globaler »Spitzenreiter« ist wohl Fiat Tychy mit 35 Sek. In Bremen sind es 70 Sek. für eine C-Klasse, 3 Min. für eine E-Klasse (hier wollen sie auf 2 runter). bmw Leipzig für den 1er: 76 Sek. In Graz wird der Mini alle 90 Sek. fertig. In China reichen die Taktzeiten je nach Modell von 52 bis 144 Sek.
[9] Siehe Wildcat 81
[10] Im Oktober wurde die zweite Produktionslinie eröffnet und 1400 neue Arbeiter angeworben. Auf einer Fläche von 300 ha sollen 4700 Arbeiter und 300 »Führungskräfte« im nächsten Jahr 340 000 Autos produzieren. Die Energie kommt aus Biomasse und Eukalyptus-Holz; es soll zukünftig in der Nähe der Fabrik auf Plantagen wachsen. Der Lack erreicht den Automatisierungsgrad einer westeuropäischen Fabrik, der Rohbau ist nur zu 6 Prozent roboterisiert (90 Prozent in Westeuropa). Die Fabrik kostet 1,1 Mrd. Euro. Ein Arbeiter macht 44 Stunden die Woche (35 in Frankreich). Der Antrieb kommt aus Europa: Dieselmotoren und Getriebe aus der Renault-Fabrik in Sevilla (Spanien), von wo lkw und Fähre drei Stunden brauchen; aus Rumänien Benzinmotoren. Es gibt 18 Zulieferer, die sich lokal angesiedelt haben. Alle befinden sich in einer Freihandelszone im Umkreis von 30 km.
[11] Die ftc-Rate berechnet den Anteil der Karosserien aus einem Bandabschnitts, die ohne Nacharbeit in den nächsten Abschnitt geschickt werden. Die Vorgaben liegen bei 85 Prozent und darüber.
[12] Mercedes Benz in East London, bmw in Rosslyn, vw in Uitenhage, GM in Port Elizabeth, Ford in Port Elizabeth (Motoren) und Pretoria, Toyota in Durban, Nissan in Rosslyn. Insgesamt arbeiten in den OEM-Fabriken 30 000 ArbeiterInnen, bei Zulieferern 70 000.