Wildcat-Zirkular Nr. 2 - März 1994 - S. 17-23 [z02krise.htm]


[Startseite] [Archiv] [Bestellen] [Kontakt] Zirkular: [Nr. 2] [Ausgaben] [Artikel]

Klassenkampf - Krise - Kommunismus?

Teil 2

Eigentlich wollte ich im zweiten Teil gleich auf neuere Krisentheorien eingehen. Einige Reaktionen auf den ersten Teil und der Diskussionsverlauf um Karl Heinz Roths Vorschlag legen es nahe, erst nochmal anhand des Begriffs der Produktionsweise einige inhaltliche und methodische Sachen klären. Dann will ich nochmal ganz knapp skizzieren, wieso uns die gute, alte operaistische Krisentheorie »nicht mehr reicht«. Und erst im dritten Teil werde ich schließlich auf einen neueren Ansatz zur Erklärung der aktuellen Krise eingehen.

Marx benutzt den Begriff der »Produktionsweise« in der Deutschen Ideologie bereits auf zwei Arten, philosophisch, wenn er schreibt: »Die Menschen haben Geschichte, weil sie ihr Leben produzieren müssen, und zwar müssen auf bestimmte Weise«. Und zur Beschreibung einer bestimmten Etappe in dieser Geschichte, wenn er schreibt: »Die Weise, in der die Menschen ihre Lebensmittel produzieren, hängt zunächst von der Beschaffenheit der vorgefundenen und zu reproduzierenden Lebensmittel selbst ab. Wie die Individuen sind ... fällt also zusammen mit ihrer Produktion, sowohl damit, was sie produzieren, als auch damit, wie sie produzieren. Was die Individuen also sind, das hängt ab von den materiellen Bedingungen ihrer Produktion.« In der Kritik der politischen Ökonomie bezeichnete er dies nochmal ausdrücklich als den Leitfaden seiner Untersuchungen: »Das allgemeine Resultat, das sich mir ergab und, einmal gewonnen, meinen Studien zum Leitfaden diente, kann kurz so formuliert werden: In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. ... Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um.« (Zur Kritik der politischen Ökonomie, MEW 13, S. 8 f.)

Das Bild vom Haus mit seinen Fundamenten war wahrscheinlich nicht so glücklich - Stalin hat dann ja die entsprechende »Theorie« draus gemacht ... Marxens Methode der Kritik der politischen Ökonomie gerät an einigen Stellen in seinem Werk in einen Widerspruch zu seiner Suche nach den Vorboten einer neuen Gesellschaftsordnung: Zuweilen sah er diese sogar in den Aktiengesellschaften (insofern die seiner Ansicht nach vom Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate ausgenommen seien), im wesentlichen glaubte er aber wohl, daß die fabrikmäßige Massenproduktion die materielle Grundlage für den Sozialismus hergeben würde. Es gibt hier einen Widerspruch in seinem Denken, denn in seiner Kritik des Kapitalismus arbeitet er immer raus, daß nur die Abschaffung der Arbeit die Grundlage für eine freie Gesellschaft sein kann. Ich schrecke deshalb auch immer zurück, wenn mich jemand darauf festlegen will, ob ich »Marxist« bin, oder nicht - aber ich denke, wir können die Marx'sche Methode nach wie vor benutzen.

Unter heutigen Kritikern, wie beispielsweise Detlef Hartmann, ist es modern geworden, den oben dargestellten Widerspruch bei Marx dahingehend zu interpretieren, daß sie ihm vorwerfen, er habe auf die Entwicklung »gesetzt«. Ich denke, es ist aus dem obigen klar geworden, daß er im Gegenteil gegen die zeitgenössischen Auffassungen der Aufklärer oder der liberalen Ökonomen gezeigt hat, daß »Fortschritte« etwa in der Entwicklung der Technik immer ein Fortschritt in der Ausbeutung sind. Marx glaubte zwar an die Existenz von Bewegungsgesetzen der menschlichen Gesellschaft (insofern war er ein Kind des 19. Jahrhunderts), aber er hat nie versucht, diese Bewegung in ein geschichtsphilosophisches Schema des allgemeinen Entwicklungsgangs der Menschheit zu pressen.

Seine (unglückliche) Metapher vom Haus und vom Fundament gab die Grundlage für sehr viele »Marxisten«,

a) genau das zu tun (die »ehernen ökonomischen Gesetze« des TäTäRä-Sozialismus, aber auch die Zusammenbruchstheorien von R. Kurz & Co.), und

b) den »Überbau« nur als Mittel im Dienst der Reproduktion der Produktionsverhältnisse zu begreifen. Zwar funktionieren die religiösen, politischen usw. Verhältnisse als wesentlicher Bestandteil der Produktionsverhältnisse, es wäre aber ein Irrtum zu glauben, die ganzen gesellschaftlichen Verhältnisse, Religion, Verwandtschaft usw. würden nur existieren, um verschiedene Formen der Ausbeutung zu ermöglichen oder zu rechtfertigen.... (das wäre Funktionalismus, wie ihn z.B. Althusser mit seiner Theorie der »ideologischen Staatsapparate« vertritt, aber auch Hirsch/Roth mit ihren »massenintegrativen Apparaten« sind gleich in der Nähe).

Ich hab das jetzt ä bißle länger gemacht, weil mir dabei vier Sachen wichtig sind:

Wieso reicht uns die operaistische Krisentheorie eigentlich nicht mehr?

a) Negris Schriften in der zweiten Hälfte der 60er Jahre zur »Krise des Planstaats« haben ein wichtiges theoretisches Fundament für die operaistische Analyse der aktuellen Klassenverhältnisse gelegt: Das Kapital hatte zwischen 1917 und 1929 lernen müssen, daß es bei Strafe des eigenen Untergangs die Arbeiterklasse politisch anerkennen mußte. Die revolutionäre Drohung, die von der Arbeiterklasse ausging, konnte nicht ausgelöscht werden (»auf lange Sicht sind wir alle tot« hatte Keynes gesagt), sie konnte nur »als Motor der Entwicklung« integriert werden. Dies mußten seit den 30er Jahren alle entwickelten kapitalistischen Länder anerkennen (auch der Nationalsozialismus setzte keynesianische Mechanismen in Gang; die verschiedenen Regierungen der BRD, selbst von Nixon ist der Ausspruch überliefert: »Heute sind wir alle Keynesianer«). Negri und andere hatten hellsichtig analysiert, wie die Klasse in den 60er Jahren aus diesem System von Produktivitätssteigerungen gegen Lohnerhöhungen auszubrechen begann: die Verweigerung der Arbeit, den Lohn als politische Größe zu entwickeln, die Ausbreitung der Kämpfe in alle gesellschaftlichen Bereiche (welfare mothers, Arbeitslosengeld = Lohn für Nicht-Arbeit usw.) sprengten den keynesianischen Deal. Das machte die »Krise des (keynesianischen) Planstaats« aus. Der Operaismus war ein wunderbares theoretisches Istrument, um diese Krise zu analysieren. Es gab auch viele Versuche in die Richtung, die Vertiefung der Krise durch die Arbeiterkämpfe als Übergang zum Kommunismus zu praktizieren. Diese Hoffnungen haben sich aber zerschlagen. Heute ist sicherlich kein direkter Weg Arbeiterkampf-Krise-Vertiefung der Krise-Kommunismus mehr vorstell- und praktizierbar. Deshalb müssen wir an dieser Ebene weiterdiskutieren, um zu kapieren, was real vor sich gegangen ist, wie die Klasse wieder an den Drücker kommen kann. Die immer wiederholte Behauptung, die unmittelbare Ursache der kapitalistischen Krise sei der Arbeiterkampf, bringt nix, wenn wir diese Kämpfe nicht real ausmachen können.

b) Viele »Spätoperaisten« haben die frühen Theoretisierungen eines Planstaats, der gegen die Arbeiterkämpfe die Krise benutzt, der »in die Krise geht«, inzwischen zu regelrechten Verschwörungstheorien ausgebaut. Auch in unseren eigenen Analysen herrscht oft ein unausgesprochener Funktionalismus vor, der in etwa besagt: Wenn »das Kapital« oder »der Staat« etwas tut, dann um folgendes zu erreichen. Dabei bleibt oft die Dialektik der Kämpfe auf der Strecke, bei denen nämlich oft was rauskommt, was keine der beiden Seiten gewollt hat, und auf dessen Grundlage dann die Kämpfe (auf höherer Ebene) weitergehen. Dabei gibt es auch ein gedankliches Problem: Wenn das Kapital so autonom ist, daß es »in die Krise gehen« kann, warum ist es dann nicht stark genug, die Krise auch wieder zu beenden? Dieser Strukturalismus der Analyse wird dann von Fall zu Fall mit einem recht dünnem »Dann-erst-recht« oder voluntaristisch überdeckt. Vor allem die Midnight Notes machen hier einen Kopfstand: Ihre Analysen am Schreibtisch sind strukturalistisch (sie beschreiben, wie der Kapitalismus sich reproduziert) und nur indem sie dieses Funktionieren verschwörungstheoretisch auf einen »Plan« reduzieren, erwecken sie den Eindruck, wir könnten da was dagegen tun (was zu tun sei, bleibt dann aber auch immer recht wolkig und beliebig). Sie haben den praktischen Optimismus verloren, der den Operaismus früher auszeichnete, weil er die Ursache der kapitalistischen Krise in den realen Kämpfen der ArbeiterInnen ausmachte.

Früher war es gerade des Hauptargument der Operaisten für die neue Phase in der Klassenzusammensetzung, daß der Arbeiterkampf den Zusammenhang zwischen Klassenkampf und kapitalistischer Entwicklung zerrissen habe, daß sie insofern historisch über den Keynesianismus rausgetreten sei. Wenn das aber stimmt, dann brauchen wir hier wirklich ein Stück neue Theorie. Denn wie schon Boyer sagt: »Wenn die Krisen länger dauern, geht den Theoretikern der Arsch auf Grundeis« - und das gilt scheint's auch für den Operaismus.

Neuere Ansätze zur Erklärung der kapitalistischen Krise

Jetzt fragen sich sicher alle: »Who the fuck, is Boyer?« Boyer ist ein Regulationist, und das wiederum sind Linke, die sich Ende der 70er ein Problem stellten: Die bürgerlichen und die meisten »marxistischen« Theorien konnten nicht den Charakter der tiefen Krise verstehen, in die das Kapital geraten war; die Operaisten konnten zwar die Krise verstehen, aber sie konnten auch nicht erklären, warum das Kapital immer tiefer hineingeriet, obwohl die Arbeiterkämpfe weltweit stark abflauten. Gleich vorweg: die Theorie der Regulation ist eine akademische Angelegenheit und ihre Vertreter sind heute oft Berater von reformistischen Politikern. Es geht mir nicht darum, ihre politischen Vorschläge hier auszubreiten. Aber der Ansatz hat einige Vorzüge:

Sie haben einige Nachteile:

Einige Regulationisten erfassen zwar die politischen und sozialen Ursachen der Krise, sie verheddern sich aber an dem Punkt, wo sie nicht Kritik der politischen Ökonomie, sondern politische Ökonomie betreiben. Soziale Verhältnisse kommen bei ihnen nur sehr abstrakt oder als institutionalisierte Strukturen vor, also in »geronnener Form«. Veränderungen von klassenspezifischen Interessen, alltäglichen Verhaltensweisen und Orientierungen der gesellschaftlichen Menschen sind für sie kein Thema. Und das ist natürlich besonders daneben bei einer Krise, die wir sehr stark gerade in »Verhaltensweisen« und in nicht institutionellen Kampfformen sehen). [2]

So wie Boyer aber 1986 versucht hat, die verschiedenen kapitalistischen Krisen erstmal einzuteilen, kann für unsere weitere Diskussion recht nützlich sein, deshalb fasse ich sein Schema im folgenden zusammen. Danach gibt es fünf Typen von Krisen (Zitate alle von Boyer [3]):

Typ 1: Exogene Krise - die Krise als »externe« Störung

aufgrund von äußeren Ereignissen wie Naturkatastrophen, Ereignisse auf internationaler Ebene, Kriege ... Im strikten Sinn also eigentlich gar keine Krise.

Typ 2: normales Ergebnis der Regulation, »Anpassungskrise«

sozusagen völlig endogene Krise, die nichts mit unsicheren äußeren Faktoren zu tun hat, sondern in ihrer Zyklizität zum Funktionieren des Kapitals gehört. »Es ist zweifellos das Verdienst von Marx, als erster erkannt zu haben, daß dieses Phänomen dem Kapitalismus eigen ist, und verschiedene Möglichkeiten seiner theoretischen Erklärung vorgeschlagen zu haben.« Mangelnde Nachfrage, Disproportionen zwischen den Sektoren oder den Abteilungen, zu niedrige Profite, weil der Mehrwert zu stark in höhere Löhne geht, finanzielle Instabilitäten oder Grenzen bei der weiteren Ausdehnung des Kredits.... auch wenn die verschiedenen Theorien den Akzent mehr oder weniger stark auf die verschiedenen Faktoren legen, stimmen sie doch alle darin überein, daß Boom und Krise automatisch aufeinanderfolgen. Form und Tiefe dieser Krise hängen von den Modalitäten der Regulationsweise ab, im keynesianischen Sozialstaat wurde aus der Depression eine Rezession (weil die Löhne nicht mehr wegbrechen) ... die Ökonomie verfällt seit der Krise der 70er Jahre in einen Zustand, wo es keinen automatischen Aufschwung mehr zu geben scheint »Ist dies nicht Anzeichen dafür, daß die aktuellen Anpassungsmaßnahmen nicht mehr selbstkorrigierend sind und statt dessen das vorherige Regulationssystem weiter destabilisieren?«

Von daher ergibt sich die Abgrenzung zu »großen Krisen»: die ökonomische und soziale Dynamik tritt in Widerspruch mit der Entwicklungsweise. Große Krisen werden nochmal in Typ 3 und Typ 4 unterschieden, je nachdem, ob die Regulation das Akkumulationsregime destabilisiert oder ob es die Krise des Akkumulationsregimes ist, das auf die Regulation zurückwirkt.

Typ 3: Krise der Regulationsweise

Drei Krisenursachen sind hier möglich: a) exogene oder endogene Störungen »neuen Typs«, die nicht mit den bisher bekannten Methoden aufgefangen werden können; b) sozio-politische Kämpfe stellen die institutionalisierten Kompromisse infrage, neue soziale Strukturen sind inkompatibel mit der ökonomischen Reproduktion des Systems auf erweiterter Basis (»die Krise zeigt in diesem Fall das Auseinanderfallen zwischen der Zeit der Politik und der Zeit der Ökonomie«); c) die Vertiefung der Regulationslogik selbst führt zur Zerrüttung des Wachstums und zum Eintritt in eine Krise langer Dauer. (Boyer versucht also, alle marxistischen Analysen zusammenzupacken, die sich über die Ursachen uneins sind, aber darin übereinstimmen, daß die aktuelle eine »große Krise« ist).

»Genauso gerät das fordistische Lohnverhältnis in die Krise, weil es unter Druck kommt, der allerdings von Land zu Land verschieden ist: Arbeiterkämpfe gegen die Arbeitsorganisation, Lohnforderungen, die nicht durch Produktivitätserhöhungen kompensiert werden, Übernahme eines immer größeren Teils der mit der industriellen und städtischen Lebensweise zusammenhängenden kollektiven Kosten durch den Staat. Allgemein gesprochen scheint die Verrechtlichung (codification) von Ansprüchen auf Einkommen, die fast unabhängig von der ökonomischen Lage bestehen, zu einer Quelle von Konflikten sowohl wirtschaftlicher als auch sozio-ökonomischer Art zu werden, seit sich der Zuwachs der Produktivität abgeschwächt hat.«

Typ 4: Krise der Entwicklungsweise: das Akkumulationsregime selbst ist in der Krise.

Im Unterschied zum vorigen Krisentyp ist die Krise des Entwicklungsmodells dadurch gekennzeichnet, daß sie die Grenzen und den Höhepunkt der Widersprüche im Innern der wesentlichsten institutionellen Formen erreicht, die Voraussetzung für das Akkumulationsregime sind: Produktionsorganisation, Horizont der Kapitalverwertung, Aufteilung des Werts und die Zusammensetzung der gesellschaftlichen Nachfrage. Also Blockierung des dynamischen Reproduktionsprozesses der betrachteten Volkswirtschaft (Ökonomie). Für den Zeitgenossen ist es schwierig, Krisen vom Typ 3 und 4 zu unterscheiden, es lassen sich drei Kriterien dafür angeben:

Typ 5: Die endgültige Krise einer Produktionsweise

entspricht der »organische Krisen« in der Marxorthodoxie, aber sie ist hier an genauere Definitionen geknüpft. Der Untergang des Feudalismus war sicherlich eine Krise des 5. Typs, aber wie soll man aktuell sicher sein, daß die Entwicklungsmöglichkeiten des Kapitalismus erschöpft sind, daß nicht einmal ein einstweiliger Ausweg gefunden wird? Hier reicht kein abstrakter Beweis, sondern man müßte diesen Beweis auf zeit Ebenen antreten:

Letztlich geht es Boyer drum, der Kaffeesatzleserei zu entgehen, à la: der Kapitalismus ist in einer Krise, und da wir wissen, daß der Kapitalismus ein antagonistisches Verhältnis ist, kann er diese Krise nicht lösen - damit wird dann jede Krise zur tendenziell letzten Krise...

Soweit der Schnelldurchgang durch die Theorie der Regulation - den ich auch deswegen wichtig fand, weil viele Analytiker, deren Bücher wir lesen, Vertreter dieses Ansatzes sind. Zum Beispiel Mike Davis, dessen Buch »Phönix im Sturzflug [4] eine ganz tolle Analyse der Vereinigten Staaten zur Zeit von Reagan war - dessen politische Vorstellungen (»rainbow coalition«) am Ende dann aber keineswegs überzeugen können.

Ich denke, es wird nun etwas klarer, warum das so ist. Und es wird wohl auch klarer, warum wir eine eigene Krisenanalyse brauchen: eine, die keinen Bruch zwischen Analyse und politischem Vorschlag hat, sondern die uns praktisches Eingreifen möglich macht. Ansätze dazu im nächsten Zirkular.


Fußnoten:

[1] Wissen und Können sind komplexe Zusammenhänge von Vorstellungen, Ideen, Gewohnheiten sowie körperlichem und geistigem Geschick. Marx: »Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut.« (MEW 23, S.193)

[2] Zur konkreten Analyse der Krise dürften die Regulationisten also wenig taugen - aber ist das beim operaistischen Ansatz so viel anders: auch Alquati gelingt es nur, die in ihrer Widersprüchlichkeit funktionierende Fabrik zu beschreiben, und wo er Thesen über die »neuen Kräfte« wagt, sind sie eigentlich ziemlich daneben: »die jungen Techniker« usw. Daß Alquatis Betriebsuntersuchungen, Negris »Krise des Planstaats«-Überlegungen und Trontis Fruchtbarmachung Marx'schen Denkens insgesamt »ein Stück«, »eine Theorie«, »einen Organisationsansatz« ergaben, hat doch wohl eher was damit zu tun, daß der Untersuchungsgegenstand damals noch kohärent war: Fließband/Kreisförderer - keynesianische Wirtschaftstheorie - zyklische Konjunktur innerhalb bzw. nach einem »Wirtschaftswunder« ...

[3] Robert Boyer: La théorie de la régulation: une analyse critique, Paris 1986

[4] 1986 als Rotbuch erschienen.


[Startseite] [Archiv] [Bestellen] [Kontakt] Zirkular: [Nr. 2] [Ausgaben] [Artikel]