Die CUT: Die neue Gewerkschaftsbewegung an einem Wendepunkt1
Iram Jacome Rodrigues (Aus: NACLA-Report Mai/Juni 1995)
Brasilien ist keine Ausnahme, was die globale Umstrukturierung der Produktion und die dadurch hervorgerufene Fragmentierung der Arbeit2. Diese Prozesse stellen überall eine Herausforderung für die gewerkschaftliche Macht dar. Im Unterschied zur Situation in vielen anderen Ländern war die Gewerkschaftsbewegung in Brasilien allerdings in der Lage, ihren Einfluß und Umfang trotz der feindlichen ökonomischen Rahmenbedingungen auszuweiten. Die brasilianische Erfahrung läuft dem internationalen Trend des gewerkschaftlichen Niedergangs, der sich in dem weitverbreiteten Fall des Organisationsgrads ausdrückt, entgegen.
Die Stärke des brasilianischen Gewerkschaftswesens hängt eng mit der umfassenderen Rolle zusammen, die die Gewerkschaften in der brasilianischen Gesellschaft übernommen haben. Aufgrund der andauernden politischen Krise des Landes und der daraus resultierenden Schwäche des Parteiensystems sind die Gewerkschaften über ihre eigenen spezifischen Interessen hinausgegangen, um wirksame gesellschaftliche und politische Kräfte zu werden und in einem Fall eine größere politische Partei zu bilden. Die Gewerkschaften in Brasilien haben sich nicht auf Lohnforderungen oder andere Arbeitsprobleme im engeren Sinne beschränkt. Stattdessen sind sie zu einem breiten Spektrum von Themen aktiv geworden, wozu Industriepolitik, Wettbewerbsfähigkeit der Firmen, Produktivität, die Auswirkungen der Tertiarisierung auf die Arbeiter, Sozialpolitik und regionale Integration gehören.
Die breite Massenbewegung Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre gegen die Militärdiktatur schuf zwei größere Instrumente für die Organisierung der Arbeiter: die Vereinigte Arbeiterzentrale (CUT) und die Arbeiterpartei (PT), die beide eine große Bedeutung für das öffentliche Leben in Brasilien bekamen. Der Ruf der Arbeiter nach gewerkschaftlicher Freiheit und ihre Proteste gegen sinkende Löhne und die autoritäre Ordnung am Arbeitsplatz wurden zu einem Kampf nicht nur um neue Arbeitsrechte, sondern für tatsächliche Bürgerrechte.
Die 1983 gegründete CUT − eine der drei Gewerkschaftsdachverbände in Brasilien − war ein Produkt der massenhaften gewerkschaftlichen Organisierung, die sich in der Industrieregion von Groß-Sao Paulo seit 1978 und vor allem unter den Metallarbeitern von Sao Bernardo do Campo entwickelt hatte. Während die hauptsächliche Basis der CUT in den letzten 12 Jahren weiterhin dort blieb, hat sie es geschafft, sehr schnell zu wachsen und dabei ihren gesellschaftlichen und politischen Einfluß auszuweiten. Heute ist die CUT zum Symbol des »neuen Gewerkschaftswesen« des Landes geworden.
Aus den gewerkschaftlichen Aktionen in Sao Bernardo do Campo ging auch die Arbeiterpartei hervor, die Schwesterorganisation der CUT. Nach 1978 verband sich die Opposition gegen die existierenden autoritären Gewerkschaftsstrukturen mit dem breiten Widerstand gegen das Militärregime. Diese Opposition entstand in mehreren Anläufen zu Beginn der 60er Jahre in Form von Gruppen wie der Oppositionellen Metallarbeiterbewegung in Sao Paolo (mosmsp). Luis Inacio »Lula« da Silva war 1975 der gewählte Präsident der Metallarbeitergewerkschaft in Sao Bernardo do Campo. Er sollte bald zum einflußreichsten Wortführer der Arbeiterbewegung werden. Im November 1989 kandidierte er für die brasilianische Präsidentschaft und erhielt 39 Prozent der Stimmen in der Stichwahl gegen Fernando Collor de Mello, den schließlichen Wahlsieger. In den allgemeinen Wahlen im Oktober letzten Jahres, bei der Lula wiederum unterlag, konnte die PT zwei Gouverneure durchbringen, Vitor Buaiz in Espirito Santo und Cristovam Buarque in Brasilia, und eine bedeutende Anzahl von Abgeordneten in den Staaten und in der Föderation.
Vor 1978 war die Gewerkschaftsbewegung in Brasilien zwar nicht völlig paralysiert, aber beschränkt auf kleine, kaum sichtbare lokale Aktivitäten in bestimmten Sektoren der Arbeiterbewegung. Zwischen 1974 und 1978 kam es zu Arbeitsverlangsamungen und Produktionsunterbrechungen, die aber normalerweise auf einzelne Betriebe beschränkt blieben. Der eiserne Stiefel der Militärdiktatur verhinderte massenhaften Widerstand. Die traditionelle Gewerkschaftsstruktur war korporatistisch und autoritär.3 Die Gewerkschaftsführer − die sogenannten »pelegos« (Kollaborateure) − hatten enge Beziehungen zur Regierung und zu den Unternehmern.
Mitte der 70er Jahre erwachten die Arbeiter aus ihrer langen politischen Untätigkeit und begannen, ihre Opposition gegen die Wirtschaftspolitik des Militärregimes zu artikulieren, die Druck auf die Löhne der Armen und der Mittelklasse ausübte. Die Arbeiter ergriffen wieder die Initiative in der Beziehung zum Staat und zu den Unternehmern. 1978 brach eine Streikwelle zunächst in Sao Bernardo do Campo aus, die sich dann über das ganze Land ausbreitete. Im gleichen Jahr führten die Metallarbeiter von Sao Bernado ihren ersten Kongreß durch, auf dem sie als die wichtigsten programmatischen Prinzipien der gewerkschaftlichen Aktivität bestimmten: Tarifverhandlungen, Gewerkschaftsfreiheit und ein Arbeitsgesetz, das ihre grundlegenden Rechte enthält.4
Befürworter des »neuen Gewerkschaftswesens« verurteilten die bestehenden Gewerkschaftsstrukturen und sprachen sich für freie Verhandlungen zwischen Unternehmern und Arbeitern ohne staatliche Einmischung aus. Die ganze Zeit über arbeiteten sie praktisch am Aufbau eines anderen Gewerkschaftsmodells, indem sie an der Basis organisierten, um so die Gewerkschaften auf der Ebene der Fabrik zu stärken.
Im Übergang Brasiliens zur Demokratie wurde die Arbeiterbewegung auf diese Weise zu einer politischen Schlüsselfigur. Die großen korporatistischen Gewerkschaften wurden wie »Unternehmen« geführt und verfügten neben ihren ökonomischen und politischen Muskeln auch über beachtliche finanzielle Ressourcen. Als sie mit ihrer Reorganisation begannen, waren sie daher in der Lage, Kongresse, Seminare, Schulungen für die Führung, Rundreisen zur Kontaktaufnahme zwischen den Gewerkschaftsmitgliedern usw. zu finanzieren. Diese soziale Bewegung, die mit der Zeit zu einer politischen Bewegung wurde, eröffnete der Arbeiterklasse die Möglichkeit, sich in die öffentlichen Angelegenheiten einzumischen. Vor diesem Hintergrund entstand die CUT und gewann eine derart prominente Rolle in der brasilianischen Arbeitswelt.
Bei der Bildung der CUT kamen drei Strömungen zusammen: die traditionelle Linke, die »unabhängige« Gewerkschaftsbewegung und kirchlicher Aktivismus.5 Die erste Strömung bestand aus Gewerkschaftsaktivisten, die sozialistischen politischen Parteien angehörten. Anfang der 70er Jahre hatten diese linken Aktivisten ihre militante Vergangenheit aufgearbeitet und versuchten, die »Massen« zu erreichen − entweder durch Organisierung in den Elendsvierteln oder indem sie in die Fabriken gingen. Anfang der 80er Jahre waren diese linksgerichteten Aktivisten immer noch in der Arbeiterbewegung aktiv und beteiligten sich an den kleinen alltäglichen Kämpfen sowohl in den Fabriken der großen Industriezentren − namentlich im Süden und Südosten − als auch in den ländlichen Regionen wie im Norden und Nordosten. Aber sie waren zerstreut, oftmals ohne Kontakt zu ihren Parteien oder lagen im Streit mit ihnen.
Die Angehörigen der zweiten Hauptströmung des neuen Arbeiteraktivismus nannten sich selber »Unabhängige«. Diese Strömung spiegelte das neue Profil der Arbeiterklasse wider, das aus den ökonomischen und sozialen Veränderungen des Landes während der Diktatur resultierte. Sie wurde angeführt von jungen Arbeitern, von denen viele aus ärmeren Gebieten, vor allem aus dem Nordosten, zugewandert waren. Sie waren Industriearbeiter in der ersten Generation, die weder Verbindungen zu der traditionellen Linken noch zu der nationalistischen ideologischen Vision der populistischen Gewerkschaftsbewegung aus der Zeit vor 1964 hatten. Diese gewerkschaftliche Strömung orientierte sich größtenteils an der Metallarbeitergewerkschaft in Sao Bernardo do Campo. Nach und nach füllten diese neuen »unabhängigen« Führer überall im Land das Vakuum im traditionellen Gewerkschaftsapparat.
Beide dieser Strömungen unterhielten enge Beziehungen zum progressiven Sektor der Katholischen Kirche. Die Kirche, eng verwoben mit der sozialen Fabrik des Landes, entwickelte eine Bewegung von christlichen Basisgemeinden (communidades eclesiais de base, CEB) im ganzen Land. Anfang der 80er Jahre gab es etwa achtzigtausend Basisgemeinden, denen annährend zwei Millionen »gläubige und unterdrückte« Menschen angehörten. In diesen CEBs kam ein weitverbreitetes kollektives Gefühl von sozialer Revolte und Kritik an der bestehenden politischen Ordnung zum Ausdruck. Die CEBs waren in der alltäglichen Praxis der Leute verwurzelt und organisierten Gruppen von Menschen, die ihre grundlegenden Rechte als Bürger forderten. Als ein Katalysator volkstümlicher Bestrebungen formten diese katholischen Bewegungen eine der Säulen für die Reorganisation der Arbeiterbewegung.6 Sie beeinflußten die Arbeiteraktivitäten, indem sie von der Würde der Arbeiter sprachen, d.h. den Arbeiter nicht als bloßes Werkzeug für die Produktion von Reichtum, sondern als mit bestimmten Rechten ausgestattete Person betrachteten.
Mit der Gründung der CUT, die aus der Reorganisation der Arbeiterbewegung Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre hervorgegangen war, erfüllte sich eine schon lange vorhandene Bestrebung in der brasilianischen Arbeiterbewegung.7 Seit ihrer Gründung 1983 ist die CUT bemerkenswert angewachsen. Gewerkschaften in Brasilien vertreten alle Arbeiter in ihre Gerichtsbarkeit, unabhängig davon, ob sie zahlende Gewerkschaftsmitglieder sind. 1984 hielt die CUT ihren ersten Kongreß mit 5 000 Delegierten ab. Der zweite Kongreß, zwei Jahre später, wurde von 5 564 Delegierten besucht, deren Organisationen 12 Millionen Arbeiter an der Basis repräsentieren.
Im April 1993 gehörten 1 878 Gewerkschaften (627 ländliche und 1 251 städtische) zur CUT, die 16,5 Millionen Arbeiter repräsentierten. Von den 5,5 Millionen landwirtschaftlichen Arbeitern waren über 600 000 Gewerkschaftsmitglieder. Von den 11 Millionen städtischen Arbeitern sind drei Millionen − etwa 25 Prozent − organisiert.8 Beim Fünften Kongreß im Mai 1994 hatte die CUT etwa 2 300 Mitgliedsgewerkschaften, die etwa 18 Millionen Arbeiter an der Basis vertraten.9
Von der Streikwelle 1978 bis zur Geburt der CUT 1983 war die Organisierung der Arbeiter fieberhaft vorangeschritten. Zwischen 1983 und dem Dritten Nationalen Kongreß 1988 entwickelte die CUT erfolgreich eine organisierte Arbeitermilitanz. Diese bewegungsartige, befreiende, sozialistische und konfliktorische Periode, die als »heroische« Phase der Organisation bezeichnet wird, endete mit diesem Kongreß.
Der Dritte Kongreß markiert den Beginn eine Wende in der Vision der CUT von einer Bewegung zu einer Organisation. Von diesem Punkt an begann die Organisation, eine vertikale, administrative Struktur anzunehmen, die komplex und in diesem Sinne bürokratisch war. Diese Umstrukturierung führte zum Aufbau einer rationalen »geschäftsmäßigen« Gewerkschaft. Der vierte und fünfte Kongreß, 1991 und 1994, setzte die Wende innerhalb der CUT von einer mehr konfrontativen Haltung zu einer neuen Bereitschaft zum Verhandeln fort.
Der Dritte Kongreß formalisierte Veränderungen, die sich im CUT-Gewerkschaftswesen bereits abzeichneten. Durch Satzungsänderungen erhielten die Delegierten des Gewerkschaftsrats Vorrang vor den Basisvertretern und die Zahl der für den CUT-Kongreß gewählten Vertreter wurde so geändert, daß sie der Zahl der der CUT angeschlossenen Gewerkschaften und nicht der der jeweiligen Arbeiter entsprach. Das führte zu einer Verringerung des Anteils der Kongreßdelegierten, die aus der Gewerkschaftsopposition der 70er Jahre stammten − im allgemeinen der mehr links orientierte Teil der CUT. Außerdem entschied der Kongreß, daß die Teilnehmer zukünftiger nationaler Kongresse auf Kongressen in den einzelnen Staaten gewählt werden sollen. Dies wirkte als Filter für die Vertretung der Arbeiter, denn in der Praxis konnte damit ein Arbeiter an der Basis, der keiner der internen Strömungen der CUT angehörte, nicht mehr zum Delegierten des nationalen Kongresses gewählt werden. Und schließlich entschied der Dritte Kongreß, nur noch alle drei statt bisher zwei Jahre einen Kongreß durchzuführen. Die linkeren Tendenzen betrachten diese Veränderungen als einen Schlag gegen die innere Demokratie der CUT.
Das Resultat war die Schaffung einer sogenannten »Demokratie der Tendenzen«, mit der viele dieser Tendenzen nicht glücklich sind. Viele Linke haben zum Beispiel den Eindruck, daß der normale nicht-militante [im Sinne von nicht zu einer Tendenz gehörend, A.d.Ü.] Arbeiter in der Organisation keine Rolle mehr spielt. Ihrer Ansicht nach widerspricht diese »Demokratie der Tendenzen« den demokratischen Ideen, die von der neuen Gewerkschaftsbewegung verteidigt wurden. Für andere, moderatere Kräfte in der CUT, die sich auf Arbeitsprobleme im engeren Sinn konzentrieren, bedeutet der politische Hickhack zwischen den Tendenzen eine exzessive Politisierung. Sie befürchten dadurch den Verlust der besonderen gewerkschaftlichen Identität der CUT.
Auf dem Fünften Nationalen Kongreß der CUT im Mai 1994 wurde ein 25köpfiger nationaler Exekutivausschuß gewählt. Er setzt sich zusammen aus einem Delegierten aus dem landwirtschaftlichen Sektor, sieben aus der Industrie (drei davon Metallarbeiter), fünf Bankarbeitern (alle aus Staatsbanken), drei Angestellten aus Staatsfirmen und neun Beschäftigten des öffentlichen Dienstes; 17 Männer und 8 Frauen. Der bemerkenswerteste Umstand an dieser Zusammensetzung ist das Übergewicht der Staatsangestellten, die praktisch 70 Prozent ausmachen. Dies ist möglicherweise ein Ausdruck des starken Widerstands der Gewerkschaft gegen die Politik der Privatisierung und der Verkleinerung des öffentlichen Dienstes. Obwohl die landwirtschaftlichen Arbeiter über ein Drittel der Arbeiterbasis der CUT ausmachen (etwa 6,5 von 18 Millionen), sind sie im Exekutivausschuß so gut wie nicht vorhanden und spielen daher auch keine Rolle in der inneren Demokratie.
Trotzdem verfügen die Metallarbeiter von Sao Bernardo do Campo nach wie vor über die größte Autorität und Anerkennung innerhalb der CUT. Sie repräsentieren die Mehrheitstendenz in der Organisation, die sogenannte »Arbeiterartikulation«. Die Führungsrolle dieser Tendenz drückt sich in der Besetzung des Gewerkschaftsvorstands aus. Seit ihrer Gründung 1983 bis zum Mai 1994 war Jair Meneguelli Präsident der CUT, ein Metallarbeiter in der Ford-Fabrik in Sao Bernardo do Campo und der frühere Präsident der Metallarbeitergewerkschaft in Sao Bernardo do Campo und Diadema. Er trat zurück, nachdem er im Oktober 1994 zum Kongreßabgeordneten gewählt worden war. An die Stelle von Meneguelli trat Vicente Paulo »Vicentinho« da Silva, ein anderer Gewerkschaftsführer aus Sao Bernardo do Campo.
Es ist auch bemerkenswert, daß die CUT-Führung sich vorrangig aus Mittelklasse-Arbeitern zusammensetzt. Fast 60 Prozent der Delegierten zum Kongreß von 1994 verfügten z.B. über einen Universitätsabschluß − in einem Land, in dem 32 Millionen, über 20 Prozent der brasilianischen Bevölkerung, Analphabeten sind. Bei dem gegenwärtigen Prozeß handelt es sich also um eine weitgehende Institutionalisierung und damit eine größere Professionalisierung und Bürokratisierung innerhalb der CUT10. Er drückt außerdem das Übergewicht der mittleren Sektoren innerhalb der Organisation aus und damit eine wachsende Distanz zwischen Basis und Führung.
Das neue Gewerkschaftswesen ist mit einer grundlegenden Paradoxie konfrontiert: am Punkt ihres größten Einflusses im breiteren politischen Prozeß scheint sie die wirksame Vertretung am Arbeitsplatz zu verlieren. Wenn es der CUT nicht gelingt, sich breiter innerhalb der Unternehmen zu organisieren, werden die Gewerkschaften und auch die CUT selber, geschwächt werden, da sie den alltäglichen Kontakt zu den Aktivitäten der Arbeiter verlieren.
Der einzige Weg, um die Stärke des gewerkschaftlichen Handelns zu erhalten, ist die Sicherung einer breiten organisierten Unterstützung an den Arbeitsplätzen. Dies erfordert eine gewisses Maß an Militanz. Trotz der Militanz der CUT an verschiedenen Punkten ihrer Geschichte, suchen die bestimmenden Kräfte innerhalb der Organisation heute zunehmend den Kompromiß und die Verhandlung. Die CUT hat sich von einem sehr radikalen Konzept von Gewerkschaft, wie es in den Streiks 1978 begann und in dessen Zentrum eine massive Kritik an den traditionellen Gewerkschaftsstrukturen stand, wegbewegt zu einer pragmatischeren Konzeption.
Die Herausforderungen für die brasilianische Gewerkschaftsbewegung sind dieselben wie für ihre Schwesterbewegungen überall auf der Welt: sie müssen angesichts der unermüdlichen Angriffe eines zunehmend mobilen internationalen Kapitals ihre Stärke erhalten. Gelegentlich mag dafür eine Haltung des Kompromisse und der Anpassung erforderlich sein, aber keine Gewerkschaftsbewegung kann die Abkopplung von den Arbeitern an der Basis überleben. Noch verfügt die CUT über die Loyalität dieser Arbeiter, aber auf dem Höhepunkt ihrer Stärke steht sie innerlich vor einer Zerreißprobe. ■
[1] new unionism: wörtl. neues Gewerkschaftswesen, also eine neue Art von Gewerkschaft.(Anm.d.Ü.)
[3] labor: bedeutet Arbeit, aber auch Arbeiterbewegung.(Anm.d.Ü.)
[3]Das korporatistische Gewerkschaftsmodell entwickelte sich in den 30er Jahren und bindet die Gewerkschaften − trotz einiger Änderungen in der Verfassung von 1988 − noch immer an den Staat. Es beruht auf den folgenden Elementen: a) das Vertretungsmonopol wird vom Staat zugewiesen; b) Einheitsgewerkschaft: in einem bestimmten Gebiet darf nur eine Gewerkschaft einer bestimmten Kategorie, z.B. der Metallarbeiter, diese Arbeiter vertreten; c) die sogenannte Gewerkschaftssteuer: ein obligatorischer Beitrag, der von allen Arbeitern, den organisierten wie den unorganisierten, eingesammelt wird, und der einem Tageslohn im Jahr entspricht; und d) die rechtliche Macht des Arbeitsgerichtssystems.
[4]Ricardo Antunes, A Rebeldia do Trabalho (Sao Paolo: Editora Unicamp/Ensaio, 1988), p. 17.
[5]Lencio Martins Rodrigues analysiert diesen Prozeß, seine verschiedenen Stufen und die allgemeineren Hintergründe in »As tendencias politicas na forma ao das centrais sindicais«, in Armando Boito Junior, O Sindicalismo Brasileiro nos Anos 80 (Sao Paulo: Paz e Terra, 1991). Siehe auch Eder Sader, Quando Novos Personagems Entraram em Cena (Sao Paulo: Paz e Terra, 1988).
[6]Siehe Heloisa de Souza Martins, "Igreja e Movimento Operario no ABC (1954-1975)," doctoral thesis presented to the Department of Social Science of the Faculty of Philosophy, Literature and Human Sciences of the University of Sao Paulo, 1986 (mimeo).
[7]Siehe Lencio Martins Rodrigues, CUT: os militantes e a ideologia (Sao Paulo: Paz e Terra, 1990), vor allem Kapitel 1, "A formacao da CUT," pp. 5-30.
[8]Zahlen des CUT-Generalsekretariats, 13. April 1993.
[9]Siehe Adriana Lopez und Alvaro Comin, »Delegados ao CONCUT: um perfil«, De Fato, Year 2, No. 4 (Sao Paulo) Juli-September, 1994.
[10]Iram Jacome Rodrigues, "Perspectivas do sindicalismo no Brasil; o caso da CUT," in Eli Diniz, Jose Sergio Leite Lopez and Reginaldo Prandi (eds.) O Brasil no Rastro da Crise (Sao Paulo: ANPOCS/HUCITEC/IPEA, 1994), p. 40.