Wildcat-Zirkular Nr. 32 - Dezember 1996 - S. 29-34 [z32usimm.htm]


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Die neuen ImmigrantInnen beleben die Kämpfe in den USA und deren Widersprüche

von John Marcotte, in: News & Letters, August/September 1996

New York - »Ab jetzt bin ich ein Weltbürger«. Mit diesen Worten beschreibt ein »illegaler« Arbeiter [undocumented, ohne Aufenthaltserlaubnis, A.d.Ü.] aus Ecuador seine Situation. Du kannst ihn im Herzen Manhattans finden, dort arbeitet er für drei Dollar die Stunde, zehn Stunden am Tag, und einem freien Sonntag alle zwei Wochen. Du könntest ihn als »den Anderen«, den »Illegalen« ansehen, der Sündenbock von Politikern, die uns nicht mal mehr vormachen können, sie hätten Lösungen für unsere Probleme, außer daß sie versuchen, uns gegen ihn, »den Anderen«, aufzubringen.

Die vielschichtigen Erfahrungen, die von den eingewanderten ArbeiterInnen in die nordamerikanischen Klassenkämpfe eingebracht werden, sind ein neues Phänomen, nicht nur in den USA, sondern weltweit.

Die letzten 20 Jahre brachten eine gewaltige Zunahme der ImmigrantInnen aus der Arbeiterklasse Lateinamerikas, der Karibik, aus Asien und Afrika. Die Weltwirtschaftskrise und die daraus folgenden Restrukturierungen, die Sparpolitik und fehlgeschlagene Revolutionen hatten sie zur Auswanderung nach Europa und den USA gezwungen. Für Millionen dieser ArbeiterInnen gibt es in ihren Ländern schlicht keine Arbeit und keine andere Möglichkeit zu leben.

Und nun sollen durch die unmenschliche Sozialhilfereform, zu deren Gesetzwerdung nur noch die Unterschrift von Präsident Clinton fehlt [inzwischen geschehen, A.d.Ü.], Lebensmittelmarken, Medicaid [Krankenhilfe für EmpfängerInnen von Sozialgeldern, A.d.Ü.] und jede andere Form von Unterstützungsgeldern für legale ImmmigrantInnen und Flüchtlinge eingestellt werden. Insgesamt 40 Prozent der Einsparungen aus diesem Gesetzesentwurf kommen durch Kürzungen bei ImmigrantInnen zustande. Dies trotz der Tatsache, daß ImmigrantInnen landesweit fast 85 Milliarden Dollar Steuern bezahlen, während sie nur fünf Milliarden Dollar an Sozialhilfegeldern beziehen.

Der Gesetzesentwurf der Clinton-Regierung zur Sozialhilfe kommt im Schlepptau des »Anti-Terrorism and Effektive Death Penalty Act« [Beschluß zur Terrorismusbekämpfung und Todesstrafe, damit sollen Todesstrafen, die schon lange verhängt worden sind, nun auch vollstreckt werden, A.d.Ü.], der im April durchgegangen ist, und infolgedessen legale ImmigrantInnen wegen geringster Vergehen bereits abgeschoben werden; in dieselbe Kerbe schlägt die Gesetzes»reform« der Einwanderungsbestimmungen nach dem Muster der Proposition 187 aus Kalifornien von 1994 [siehe Wildcat 64/65, A.d.Ü.], die sich nun im Kongreß durchsetzt, und die Annahme eines Gesetzesentwurfs des Abgeordnetenhauses, der Englisch zur offiziellen Sprache in den USA machen soll.

Nach diesem zuletzt genannten Gesetzesentwurf sollen Wahlzettel nur noch in Englisch gedruckt werden, was den Kongreßabgeordneten Luis Guiterrez aus Chicago dazu veranlaßt, das Gesetz »das Jim Crow der 90er Jahre« [mit diesem Namen wurde in den 50/60er Jahren auf die Diskriminierung der Schwarzen angespielt, oft wurde damit auch »der Nigger« gemeint. Der Name Jim Crow entstammt einem damals bekannten Theatherstück, A.d.Ü.] zu nennen. »Das Gesetz ist sicherlich hauptsächlich gegen die Latinos gerichtet, aber diese Einschränkung auf die englische Sprache ist auch eine Drohung gegen die AmerikanerInnen polnischer, italienischer, chinesischer und ukrainischer Herkunft«, sagt Guiterrez.

Wir müßten bis zum »Chinese Exclusion Act« der 1880er Jahre [1882 verabschiedetes Gesetz, das die Einwanderung aus China für zehn Jahre verbieten sollte, A.d.Ü.] zurückgehen, oder zu den »Origin Acts« von 1921 und 1924, die die Einwanderung aus Süd- und Osteuropa begrenzen sollten, um ähnliche Angriffe auf ImmigrantInnen zu finden. Führende Republikaner und rassistische Demagogen wie Pat Buchanan sehen im großen Wahljahr [Präsidentschaftswahlen, A.d.Ü.] in der Kriegserklärung an die ImmigrantInnen die geeignete Strategie, ebenso wie die Kriegsverbrecher Slobodan Milosevic aus Serbien und Radovan Karadzic aus der sogenannten »Serbischen Republik« ethnische Säuberungen als das geeignete Rezept zur Erringung der Staatsmacht ansahen. Clintons betrügerisches Einverständnis dient dem Zweck der Machterhaltung.

Für Leute aus Mexiko ist die Einwanderung in die USA eine alte und neue Geschichte, historisch sind sie seit 1848 Teil der Arbeitskraft in den Vereinigten Staaten, als sich die USA die Hälfte Mexikos einverleibten. Der Gang über die Grenze, um nördlich des Rio Grande Arbeit zu suchen, hat für sie Tradition. Hinzu stießen ArbeiterInnen aus Puerto Rico, die seit den 1930ern nach New York kommen.

Dann folgten die Menschen aus der Dominikanischen Republik, vor allem nach der Militär- Invasion von 1965, als Präsident Johnson 45 000 Marines auf die Insel schickte.

In den 1980ern waren es Leute aus Zentralamerika und Haiti, die vor von den USA unterstützten mörderischen Militärregierungen und den Contra-Terroristen der CIA fliehen mußten; auch die Einwanderung aus Asien hat eine lange Geschichte, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, als ArbeiterInnen aus China gewaltsam in die USA gebracht wurden, um dort die Eisenbahnen zu bauen, nur um dann von der »American Federation of Labour« angegriffen zu werden. Seitdem die Mehrheit der ImmigrantInnen nicht mehr aus Europa kommt, gehört Rassismus immer mehr zum Bestandteil der Hysterie gegen die ImmigrantInnen.

Exil aus Verzweiflung

Neu ist ebenfalls, daß ungefähr in den letzten zehn Jahren hunderttausende von ArbeiterInnen aus immer entfernteren Gebieten Lateinamerikas die gefährliche und teure Überlandreise durch Mexiko auf sich nehmen müssen, um schließlich in den New Yorker Schwitzbuden zu landen. Einmal angekommen, arbeiten sie für Löhne, die in den letzten Jahrzehnten dramatisch gesunken sind.

Die ersten zwei Jahre arbeiten sie hauptsächlich für die Rückzahlung ihrer Schulden bei den Geldverleihern und Schmugglern, die ihre Reise finanziert haben. Dann arbeiten sie zwei Jahre für den Erwerb eines kleinen Stückchen Landes daheim, danach ein weiteres Jahr, um ein kleines Haus für ihre Familien darauf zu bauen. Schließlich wird noch ein Jahr gearbeitet, um etwas für den Tag der Rückkehr zu ihren Familien beiseite zu legen, die sie durch den grausamen Zwang zurückzulassen mussten. Aber unter der neoliberalen Wirtschaftspolitik in Lateinamerika, die von der Weltbank und dem IWF begonnen wurde, gibt es im Fall der Rückkehr keine Hoffnung auf einen Arbeitsplatz.

Für diese neuen ImmigrantInnen aus Peru, Ecuador, Kolumbien und Mittelamerika gibt es keine Hoffnung auf eine eventuelle Legalisierung ihrer Arbeitsverhältnisse. Das Anti- Einwanderungsgesetz von Simpson-Mazzoli von 1986 zielte nie gegen die Arbeitgeber, die ArbeiterInnen ohne Aufenthaltspapiere beschäftigten. Stattdessen trug es dazu bei, eine neue Klasse von dauerhaft »illegalen« ArbeiterInnen zu schaffen, die abhängiger von ausbeuteri schen Bossen sind, die ihren Status kennen, und dies seit der Verabschiedung des Gesetzes dazu benutzt haben, eine explosionsartige Ausweitung von Schwitzbuden mit Niedriglöhnen loszutreten.

Dieses Vorgehen wurde von Zusammenschlüssen eingewanderter ArbeiterInnen bekämpft. Sie reichen von der »Chinese Staff and Workers Association«, des »Latino Workers Center« in New York, bis hin zur kalifornischen »Immigrant Workers Association«.

Weil sie nur Hungerlöhne bekommen, haben die neuen ImmigrantInnen von heute, im Unterschied zu früheren Einwanderergenerationen, keine Aussicht, ihre Familien nachkommen zu lassen. Die Entfernungen, Gefahren und die Kosten der Reise in die USA bedeuten außerdem, daß sie sich eine Abschiebung nicht leisten können. Eine Abschiebung vor der Rückzahlung der Schulden an die »coyotes« würde für die gesamte Familie ein unermeßliches Unglück bedeuten. Dies macht die Organisierung von eingewanderten ArbeiterInnen gefährlicher und schwieriger.

Die Verzweiflung ist eine der Bedingungen für die aus ihren Herkunftsländern verbannten ArbeiterInnen. Wie ein Arbeiter aus Ecuador diese schrecklichen Bedingungen schildert, »ist es normal, daß nur einmal im Monat Fleisch gegessen wird und die ganze Familie in einem kleinen Raum lebt. Inspektoren aus der Europäischen Gemeinschaft können nicht einmal verstehen, daß die Leute noch am Leben sind. Die konsumierten Kalorien liegen unter der Menge, die diese als lebensnotwendig errechnet haben. Bei den Kindern gibt es eine Unterernährungsquote von 70 Prozent. Ein Kind bekommt nichts als schwarzen Kaffee zum Frühstück, und wird in der Schule ohnmächtig. Ich weigere mich, meinen Sohn an Hunger sterben zu lassen.«

Dennoch ist die Arbeitskraft der ImmigrantInnen aus Lateinamerika mit ihren kulturellen und ethnischen Unterschieden und Geschichten äußerst vielschichtig. In Lateinamerika gibt es kraftvolle Kämpfe, wie wir an der Rebellion in Chiapas sehen können. Die Dialektik von Rasse und Klasse in Lateinamerika fördert die Gärung der Ideen, die von den eingewanderten ArbeiterInnen in die nordamerikanische Arbeiterbewegung und die sozialen Kämpfe eingebracht werden.

An der Westküste kann dies besonders gut beobachtet werden. In den 1960er und 70er Jahren waren es die »United Farm Workers« (UFW), die einer neuen Art von Arbeiterbewegung den Weg bahnten. Während die alten Bürokraten der AFL-CIO im Sumpf der Geschäfte des Gewerkschaftswesen wateten, sich nicht einmal darüber klar waren, daß sie die Errungenschaften der Arbeiterbewegung verspielten, zeigte die UFW, was ArbeiterInnen ausrichten können, wenn sie zu einer wirklichen Bewegung werden. Nach langem Ringen mit ihren eigenen Widersprüchen, hat die UFW nun in den Erdbeerfeldern Kaliforniens eine Organisierungskampagne gestartet. 1992 waren es die Trockenmaurer, fast alle aus Mexiko und Mittelamerika, die alle Wohnungsbaustellen in Kalifornien dicht machten, bis sie ihre eigene Gewerkschaft durchgesetzt hatten. 1995 waren es die LandarbeiterInnen, meist aus Mexiko, die sich selbst organisierten. Beides Mal waren es »rank-and-file« ArbeiterInnen [von der Basis, nur die gewerkschaftliche Basis kann eigentlich nicht gemeint sein, oft sind die ImmigrantInnen da ja zunächst gar nicht organisiert, A.d.Ü.], die diese Streiks führten. Dies soll bedeuten, daß nicht wie bei den üblichen Streiks der Baugewerkschaften, bei denen nur einige ArbeiterInnen Streikposten stehen, diesmal hunderte von ArbeiterInnen als Streikposten vor den Arbeitsstellen standen und andere ArbeiterInnen davon überzeugten, beim Streik mitzumachen.

Durch ihre militante Taktik brachten eingewanderte »rank-and-file«-Hausmeister die »Gerechtigkeit-für-Hausmeister- Kampagnen« in Los Angeles immer wieder an die Öffentlichkeit. Da Los Angeles heute die Industriehauptstadt der USA ist - etwa 717 000 zum größten Teil eingewanderte ArbeiterInnen sind in den Tuch, Kunststoff, Textil und Nahrungsmittel verarbeitenden Fabriken - setzen ArbeiterInnenorganisationen nun ihre Hoffnung auf die Erfolge der neuen Militanz unter den eingewanderten ArbeiterInnen. Dies gilt besonders für die LAMAP (Los Angeles Manufacturing Action Projekt), eine »multi-gewerkschaftliche, sich über die ganze Region erstreckende Organisierungs-Kampagne«. Einer der Organisatoren von LAMAP ist Joel Ochoa aus Chiapas in Mexiko, er ist auch Leiter der Abteilung Südost der »California Immigrant Workers Association«. »Unsere Erfahrungen lassen den Schluß zu, daß viel häufiger die ImmigrantInnen auf die Gewerkschaften zugehen, als dies umgekehrt der Fall ist. Die Leute kommen aus Mexiko und ganz Lateinamerika hierher, und sie bringen eine Tradition und Kultur mit, die ihnen ein reichhaltiges Repertoire an Taktiken bereithält, um gegen die Unternehmer zu kämpfen«, sagt Joel Okocha (Nach David Bacon, »How California's Immigrant Workers are Revitalizing Labor«, aus der Village Voice).

Die heute im ganzen Land wütende Hysterie gegen die ImmigrantInnen, die von Politikern wie dem Neofaschisten Buchanan und Pete Wilson, dem neo-neofaschistischen Gouverneur Kaliforniens, angeheizt wurde, zielt auf die Unterdrückung eben dieser zunehmenden Militanz der schlecht bezahlten eingewanderten ArbeiterInnen. Außerdem sollen die Köpfe der einheimischen ArbeiterInnen mit Müll zugestopft werden, um sie gegen die ImmigrantInnen aufzubringen.

Der Autoritäre Wohlfahrtsstaat

Durch Gesetze und behördliche Aktivitäten des Staates und des Bundes wird der Zugang zu den Schulen stark eingeschränkt. Dadurch stehen die eingewanderten ArbeiterInnen und ihre Kinder tatsächlich einem Jim Crownism der 90er Jahre gegenüber. Und da diejenigen, die heute in die USA kommen, zunehmend die Nachkommen der indianischen Einwohner aus dem Norden, Süden und dem Zentrum ganz Amerikas sind, ist es tragisch und absurd zu hören, wenn sie von den Nachkommen der europäischen ImmigrantInnen als »Illegale« bezeichnet werden.

Während durch die neue repressive Anti-ImmigrantInnen Gesetzgebung das Arbeiten für die ImmigrantInnen zum Verbrechen wird, werden durch die ähnlich repressive Clinton- Republikanische »Reform« der Sozialhilfe letztlich die armen einheimischen ArbeiterInnen für die Unfähigkeit dieses Systems bestraft, Jobs bereit zustellen, von denen du leben kannst. Darin liegt die Tragik und Absurdität.

Die neue Gesetzgebung droht armen eingewanderten ArbeiterInnen mit der aberwitzigen Geldstrafe von 500.000 Dollar und mit bis zu 15 Jahren Knast, wenn bei der Jobsuche falsche Papiere benutzt werden; die »Reform« der Sozialhilfe verweigert armen einheimischen ArbeiterInnen die öffentliche Unterstützung und führt zur weiteren Verarmung ihrer Kinder. Ziel ist es, ihnen die Konkurrenz mit den eingewanderten ArbeiterInnen um die schlecht bezahlten Jobs in den Schwitzbuden aufzuzwingen.

Dies ist auch der Grund für den Gegenangriff der Bourgeoisie mittels der gegen die ImmigrantInnen gerichteten Proposition 187 nach der Rebellion von 1992 in Los Angeles, die ein Aufstand der Schwarzen und der neuen ImmigrantInnen aus Lateinamerika war. Sie versuchten, die auf den Straßen entstehende Einheit zwischen Schwarzen und Latinos zu untergraben, indem die schwarzen und weißen ArbeiterInnen gegen die ImmigrantInnen aufgehetzt werden. Danach setzte der Angriff auf »affirmative action« ein, als Versuch, die weißen ArbeiterInnen gegen Schwarze und ImmigrantInnen aufzustacheln.

Die Arbeiterbewegung steht vor der Herausforderung, diese ImmigrantInnen-feindliche Gesetzgebung als arbeiterfeindlich zu bekämpfen. Dies bedeutet, bei den Mauscheleien der Regierung Clinton mit dem gegen die Arbeiterklasse eingestellten, von den Republikanern dominierten Kongreß nicht schweigend zuzuschauen, als sie den Mindestlohn schließlich nur deswegen erhöhten, um der zunehmenden Militanz, die vor allem von den niedrig entlohnten »rank-and-file« ArbeiterInnen ausgeht, die Spitze zu nehmen.

Überall sind wütende Forderungen der ArbeiterInnen zu hören, ob von den Trockenmaurern, LandarbeiterInnen, den Hotel- und TextilarbeiterInnen, oder den Truckern in Los Angeles und Long Beach Harbors, bis zu den eingewanderten ArbeiterInnen in den Schwitzbuden von New York. Die eingewanderten ArbeiterInnen, die in Lateinamerika Streiks, aufständische Bewegungen und Fabrikbesetzungen durchgeführt haben, und deren Jobs von der ersten neoliberalen Restrukturierungswelle weggespült wurden, haben diese reichen Erfahrungen in die heutigen Arbeitskämpfe in den USA eingebracht.

Die Auswanderung der Ideen

Es ist nicht Besonderes, in einer New Yorker Schwitzbude einen Studenten zu treffen, der Marxismus studiert hat und in Basiskomitees gearbeitet hat, die der Befreiungstheologie anhingen. Sie kennen daher beide Realitäten, die der Städte und die des Landlebens in der Dritten Welt. Sie sind nun hier gelandet, weil sich entweder die Form ihres Kampfes und ihrer Lebensgrundlage erschöpft hatte, oder weil die neoliberale Politik ihre Organisationen zerstört hat.

Die Krise ist eine philosophische, aber sie ist ebenso politischer und ökonomischer Art. Ein Arbeiter aus Ecuador, der in einer Schwitzbude in New York arbeitet, drückt dies so aus:

»Wir waren bei der katechistischen Jugend (Aktivisten der Befreiungstheologie). Durch die ökonomische Krise wurden viele unserer Leiter zur Auswanderung gezwungen; sie konnten nicht mehr für ihre Familien aufkommen. Aber das, was uns Kraft gegeben hatte, war ebenfalls in der Krise. »Gestern Nicaragua, heute El Salvador, dies ist der Weg für Ecuador«, das war unsere Parole gewesen.

Als Nicaragua 1990 zum Kapitalismus zurückkehrte, war es, als ob uns jemand das Licht abgedreht hätte. Es war eine Revolution gewesen, zu der die Befreiungstheologie einen großen Beitrag geliefert hatte. Was waren unsere Alternativen? Welche Theologie, welches Floß würde uns durch die Krise der 90er tragen? Es gab nichts. Die linken Parteien spalteten uns. Wir sahen das endlose Töten in Peru und Mittelamerika, und wir sahen die Wahlen in Kolumbien als die falsche Alternative«.

Der Kampf um Befreiung hat sich durch die neuen ImmigrantInnen der letzten 20 Jahre vollständig verändert. Für die komplexen multi-ethnischen Verhältnisse innerhalb der Communities der ImmigrantInnen, für die Beziehungen zwischen den neuen ImmigrantInnen und dem, was für die amerikanische Gesellschaft immer der Prüfstein gewesen ist, nämlich ihre Dimension der Schwarzen [its Black dimension?], bleibt die Herausforderung bestehen: wie kann eine Vermittlung zwischen diesen Kämpfen erarbeitet werden, die so philosophisch und konkret ist, daß nicht nur miteinander gesprochen wird, sondern daß die Revolution selbst eine unwiderstehliche Anziehungskraft gewinnt?


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