Zwischenbericht (CentrO Oberhausen):
Gegen Ausbeutung organisieren!
Am 12. September 1996 hat in Oberhausen der Einkaufspark CentrO aufgemacht. Gebaut wurde er auf einer Industriebrache von Thyssen mitten in Oberhausen. Zusammen mit einer auch schon fertiggestellten Veranstaltungshalle (Arena) und weiteren Projekten (Bürogebäude, Wohnungen, Jachthafen) soll so der Stadtteil Neue Mitte entstehen. Bauherr des CentrO, das im wesentlichen aus Geschäften, Restaurants und einem Freizeitpark besteht, ist die englische Firma Stadium. Finanziert wurde das Projekt vor allem über die Westdeutsche Landesbank, das Land Nordrhein-Westfalen und die Stadt Oberhausen. Die Investitionssumme liegt bei zwei Mrd. DM, die jährliche Umsatzerwartung bei 1,2 Mrd. DM. Das CentrO ist damit das größte Investitionsprojekt im Ruhrgebiet seit dem Bau der Opelwerke in Bochum.
Stadium hatte vorher schon einen ähnlichen Komplex in der englischen Stadt Sheffield gebaut (Meadowhall) und sich 1990 in Oberhausen um das Projekt beworben, nachdem die Landesregierung von NRW 1989 das noch sehr viel größere Vorhaben für ein sogenanntes World Tourist Center auf dem Gelände abgelehnt hatte (u.a. wegen zu hoher Subventionsforderungen).
Schon während der Planungsphase gab es in Oberhausen und im Ruhrgebiet Opposition gegen das Projekt, von den Grünen bis zu Gewerbetreibenden der Region. Letzteren ging es um den »Kaufkraftverlust« für ihre eigenen Geschäfte. Grüne und linke Gruppen, aber auch Leute aus der Kirche wetterten gegen den »Konsumtempel«, führten zum Teil aber auch die Erfahrungen aus Meadowhall in Sheffield an. Dort arbeiteten 1991 etwa 7000 Leute, davon aber nur knapp die Hälfte in Vollzeit. Insgesamt gab es hauptsächlich unqualifizierte, schlecht bezahlte Jobs in Verkauf, Fast Food, Putzen und Security.
Stadt- und Landesregierung machten trotzdem mit Hinweis auf die angekündigten 10.000 Jobs Werbung für das Projekt in Oberhausen. Hinter dieser Unterstützung und den versprochenen Subventionen hingen auch die Interessen des SPD-Filzes, der auch in den beteiligten Firmen eine Rolle spielt: bei Thyssen als Grundeigentümer, bei der Westdeutschen Landesbank als Finanziererin usw.
Heute gibt es im CentrO insgesamt ca. 250 Geschäfte und 40 Restaurants. Die größten Läden sind Kaufhof, C&A und der Textilhändler Sinn. Kaufhof belegt allein ein Viertel der Gesamtverkaufsfläche, hat 75 Mio investiert und beschäftigt über 300 Leute. In der Gastronomie kontrolliert die Firma RTR GmbH etwa 60 Prozent der Restaurants und Freßstände mit über 200 ArbeiterInnen. Insgesamt arbeiten im CentrO bisher rund 7000 Leute, davon rund ein Drittel bis die Hälfte in Teilzeit und als Geringfügige.
Ein Großteil der ArbeiterInnen in den Küchen und Restaurants im CentrO in Oberhausen sind MigrantInnen, zumeist AsylbewerberInnen. Das Arbeitsamt Oberhausen hatte eine Sondervermittlungsstelle für die CentrO-Firmen eingerichtet. Ein halbes Jahr lang suchten sie geeignete Leute. Einen Monat vor Fertigstellung vermeldeten die Firmen, daß ihnen noch etliche Arbeitskräfte fehlten. Die einheimischen ArbeiterInnen wollten allenfalls die Jobs beim CentrO-Management (Security), als VerkäuferInnen und als KellnerInnen. Für die besonders mies bezahlten Putz- und Küchenarbeiten fanden sich nicht genug Leute.
Für viele AsylbewerberInnen waren diese Jobs dennoch lukrativ. Sie kamen aus allen Ruhrgebietsteilen nach Oberhausen, vor allem Afrikaner und Tamilen, hauptsächlich Männer. Das Arbeitsamt stellte ihnen Vollzeitarbeitserlaubnisse aus - und zwar schneller als sonst üblich. Es drückte auch ein Auge zu, wenn die Leute gleich anfingen zu arbeiten, auch wenn die Arbeitserlaubnis nur beantragt war.
In den Küchen wird der Tariflohn bezahlt, der bei elf DM die Stunde liegt (1880 DM brutto im Monat). In anderen Restaurants in der Region liegen die Löhne zwischen sechs und zwölf DM (zwölf ist eher selten). Fürs Putzen gibt es bis zu zehn DM. Einige Restaurants zahlen noch Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsschichten.
Schon in den ersten Wochen gab es Reibereien in den Restaurants. Etliche hatten zuviele ArbeiterInnen eingestellt, um dann die besten auszusieben. Die anderen wurden gekündigt. Da das Geschäft in den Restaurants (anders als in den Läden) nach dem ersten Ansturm auch eher schlecht lief, wurden weitere Leute gefeuert. Bei den ersten Lohnabrechnungen wurde außerdem klar, daß von den 1880 DM brutto gerade mal 1400 bis 1500 übrig bleiben, mit Zulagen vielleicht 1700. Wenig, vor allem wenn mensch davon noch Geld in die Heimat schickt oder eine Wohnung oder ein Auto bezahlen muß (was viele brauchen, weil sie nach den Nachtschichten sonst nicht mehr nach Hause kommen). Etliche Firmen beschissen die ArbeiterInnen auch bei den Zuschlägen, hielten Versprechen von Lohnerhöhungen nicht ein, usw.
Wir entschieden, die Konflikte aufzugreifen und die ArbeiterInnen zu unterstützen. Als erstes verteilten wir an einige ArbeiterInnen im CentrO die Broschüre »Arbeitsrecht für Flüchtlinge«. [1] Viele der AsylbewerberInnen wissen wenig über ihre arbeitsrechtliche Situation. Die Broschüre kam da gerade richtig, wurde weiterkopiert und vor allem an Leute aus denselben Herkunftsländern weitergereicht.
Trotz der täglichen Schweinereien gab es erstmal keine offenen Arbeitskämpfe. Wir überlegten, wie wir einen Austausch über die Unzufriedenheit und die Auseinandersetzungen hinbekommen könnten, der über die bisherigen Beziehungen untereinander hinausgeht und Leute aus verschiedenen Betrieben (und Herkunftsländern) zusammenbringt. Wir hatten etliche Interviews mit KollegInnen im CentrO gemacht und verteilten Anfang Dezember ein Flugblatt (siehe unten), in dem wir die wichtigsten Ergebnisse und Forderungen aus diesen Interviews zusammenschrieben. Das Flugblatt endete mit einer Einladung zu einer Versammlung, bei der die Probleme im CentrO und gemeinsame Forderungen und Aktionen diskutiert werden sollten.
Wir verteilten das Flugblatt dann ausschließlich an ArbeiterInnen im CentrO, die aus den Restaurants, den Geschäften, den Kinos usw. Die Reaktionen waren durchweg positiv. Hier wurde nochmal die Wut und Unzufriedenheit der Leute wegen der Löhne und schlechten Bedingungen deutlich. Zum Treffen sind allerdings nur wenige gekommen. Die Leute, die erst kommen wollten, dann aber nicht erschienen, nannten unterschiedliche Gründe: Zum einen war es schwierig, einen geeigneten Termin zu finden, weil im CentrO Schicht gearbeitet wird. Etliche Leuten werden nur kurzfristig eingeteilt, wissen also nicht, wann sie frei haben. Wichtiger war aber die Angst, daß jegliches Auffallen zur Kündigung, Entzug der Arbeitserlaubnis o.Ä. führen könnte. Nichtsdestotrotz ergaben sich durch Flugblatt und Versammlung einige neue Kontakte und Perspektiven. Die Auseinandersetzung wird weiter gehen.
Fußnoten:
[1] Die Broschüre gibt es in Deutsch, Englisch und Französisch sowie eine aktualisierte und auf die spezielle Situation polnischer WanderarbeiterInnen eingehende Fassung auf Polnisch. Zu bestellen bei uns (BoSala Makasi, Adresse und Telefon siehe oben) oder Gruppe abc, c/o Jugendclub Courage, Bismarckstr.40, 50672 Köln, Tel.: 0221/520 936 (Kopiervorlagen für zwei DM in Briefmarken).