Wildcat-Zirkular Nr. 33 - Januar 1997 - S. 7-10 [z33strei.htm]


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Putzblitz! Die streiken!

In diesem Bericht soll es um die Auseinandersetzungen bei einer Reinigungsfirma in Bochum gehen, in deren Mittelpunkt hauptsächlich Asylbewerber aus Afrika, vor allem Zaire, sowie u.a. auch aus Bosnien und Kurdistan stehen. Deutlich wird hier das Zusammenwirken von Sozialamt, Arbeitsamt und Unternehmern bei der Ausbeutung der AsylbewerberInnen, aber auch der Wille der betroffenen ArbeiterInnen, ihre Lage hier zu verbessern.

Vielleicht wißt ihr das schon: AsylbewerberInnen dürfen nach einem Jahr Aufenthalt legal arbeiten. Sie brauchen allerdings für jede Arbeitsstelle eine spezielle Arbeitserlaubnis, die nur für diesen einen Job gilt. Diese bekommen sie beim Arbeitsamt, das die Stelle aber erst für »Deutsche«, »EG-Ausländer« und »Ausländer mit Aufenthaltstatus« ausschreiben muß. Findet sich dann niemand für die Stelle (in der Regel muß sechs Wochen gewartet werden), so kann sie an eine AsylbewerberIn vermittelt werden. Kann, muß aber nicht. Das liegt im Ermessen des örtlichen Arbeitsamtes. Klar, daß bei so einem Verfahren nur die miesesten Jobs übrig bleiben (Landwirtschaft, Putzen, Küche ...).

Die Bedingungen für AsylbewerberInnen in Bochum sind - was die Arbeitserlaubnis betrifft - schlechter als in den meisten anderen Ruhrgebietsstädten. Hier bekommen AsylbewerberInnen nur Arbeitserlaubnisse für »geringfügige« Jobs, d.h. zwei bis drei Stunden am Tag und unter der 590 DM-Grenze für sozialversicherungsfreie Arbeit (ab 1997 610 DM). Das bedeutet, daß die, die so einen Job finden, sowieso weiter auf Sozialhilfe angewiesen sind. Wenn sie beim Sozialamt einen 590 DM-Job angeben (wo das Einkommen bis 590 DM reichen kann, in vielen Fällen aber darunter liegt), bleiben ihnen von ihrem Lohn etwa 200 DM übrig, den Rest kassiert das Sozialamt. Also geben einige den Job lieber nicht an, machen heimlich zwei davon usw. Wovon sollen sie sonst auch leben?

Die Schubert Dienstleistungen GmbH (Düsseldorf/Essen), die auch die Firma Putzblitz umfaßt, läßt etwa 250 ArbeiterInnen, die meisten davon AsylbewerberInnen, die Werke I, II und III von Opel in Bochum putzen (außerdem noch Thyssen und weitere Betriebe in der Region). Die Asylbewerber haben in der Regel auf sechs Monate befristete Verträge (so lange gilt deren Duldung!) als »Pauschalkräfte«, also bis 590 DM. Sie haben tägliche Schichten zwischen zwei und drei Stunden und bekommen dafür zwischen 400 und 590 DM im Monat. Eingesetzt werden sie vor allem in der Reinigung von Toilettenräumen, aber auch von Büros, Fluren und Fabrikhallen. Schubert versucht den ArbeiterInnen härteste Vorgaben aufzuzwingen (z.B. bis zu 17 Toilettenräume je sechs Toiletten in zwei Stunden, inklusive der Wegezeit zwischen den Räumen!). Die Arbeiter erzählten uns von ihrer Erschöpfung und daß sie bei diesen Bedingungen gar nicht mehr Stunden arbeiten könnten. Schon im Juli gingen einige ArbeiterInnen in Werk I zusammen zum Personalbüro und forderten »Mehr Lohn, weniger Arbeit!«. Der Chef hat ihnen erstmal scheinbar nachgegeben ... dann aber ihren Stundenlohn gekürzt! Statt vierzig Stunden für 400 DM monatlich haben sie dann fünfzig Stunden für 440 DM gearbeitet!

Anfang Oktober 1996 strich das Sozialamt in Bochum einigen AsylbewerberInnen und ihren Familien die Sozialhilfe. Zur Begründung führten die zuständigen Sachbearbeiter an, daß die Betroffenen bei der Firma Schubert/Putzblitz arbeiten würden und dies dem Sozialamt nicht mitgeteilt hätten. Etwa 30 AsylbewerberInnen und UnterstützerInnen gingen kurz darauf zusammen zum Sozialamt und verlangten eine Wiederaufnahme der Sozialhilfeauszahlung - mit wenig Erfolg. Einige der AsylbewerberInnen hörten sofort bei Schubert auf, da sich für sie eine Weiterarbeit ohne zusätzliche Sozialhilfe nicht lohnt.

Andere »verzichteten« auf die Sozialhilfe. Ein Arbeiter von Schubert beschreibt das so: [1] »Früher haben Lohn und Sozialhilfe zusammen einigermaßen gereicht. Heute ist die Sozialhilfe weg. Wir wollen mehr Lohn, so daß der zum Leben reicht!« Und ein anderer meint: »Wir gingen zu Schubert, weil wir Arbeit brauchten. 400 DM reichen aber nicht zum Leben. Wir brauchten aber Arbeit und haben genommen, was wir kriegen konnten. Wir hatten gleich Probleme, aber wir haben nichts dagegen gemacht, weil das Sozialamt nichts mitkriegen sollte. Jetzt hat das Sozialamt das Geld gestrichen, und es gibt keinen Grund mehr, die Probleme hinzunehmen.« Nach der Streichung der Sozialhilfe standen jetzt die Bedingungen bei Schubert im Vordergrund. Neben dem harten Akkord und dem niedrigen Lohn ärgert die ArbeiterInnen besonders, daß Schubert keine Lohnabrechnungen ausstellt, bei denen der Stundenlohn ausgewiesen ist. Sie bekommen lediglich einen Zettel mit dem Monatsgehalt. Das schwankt ohne direkten Bezug zu den geleisteten Arbeitsstunden. Zudem sind Bedingungen und Lohn in Werk I noch schlechter als in Werk II.

Im November spitzte sich die Lage noch zu, als Schubert die Löhne in Werk I nochmal um ca. 100 DM kürzte. Ein Arbeiter erzählt: »Letzten Montag haben dann die Leute in der Frühschicht von Werk I gestreikt. Wir forderten, daß der Chef aus Düsseldorf kommen solle, mit dem wir dann zwei Stunden diskutiert haben. Es ging um den Lohn. Die meisten bei Schubert kriegen ja keine Sozialhilfe mehr. Der Chef erklärte, daß die Probleme mit der falschen Lohnauszahlung an der neuen Verwaltungsangestellten lägen, die sich nicht auskenne. Das wunderte uns alle sehr, weil doch alles im Computer erfaßt ist. Aber der Chef bestand auf dieser Erklärung. Für uns gab es aber außerdem den Widerspruch, daß ein anderer Chef schon was von »schlechter Arbeit« erzählt hatte. Der aus Düsseldorf wollte nun die Sache innerhalb einer Woche klären. Er sprach von dem Vertrag mit Opel und davon, daß die Arbeiter doch nicht streiken sollten, weil die Firma sonst keinen neuen Vertrag bekäme. Der Vertrag liefe auf Pauschalbasis und Opel nehme den billigsten Anbieter. Er behauptete dann, es gäbe nur eine Gehaltsabrechnung, wenn mindestens 80 Leute beschäftigt werden. Wir hielten ihm entgegen, daß das in anderen Firmen anders sei. Er meinte, wir sollten dann den Lohn durch die 21 Tage teilen, die wir monatlich arbeiten, und hätten dann den Tageslohn. Wir wollen aber ausführliche Gehaltsabrechnungen mit Stundenlohn. Er wollte auch das mit den Gehaltsabrechnungen klären. Wir sprachen dann noch an, daß im Werk II anders abgerechnet werde als in Werk I. Der Chef meinte, die im Werk II arbeiteten besser. Wir glaubten das nicht, weil einige von uns schon in beiden Werken gearbeitet haben. Er hat dann gesagt, das Budget für Werk II sei höher, weswegen die Arbeiter dort die Fahrkarten bezahlt bekämen.«

Die ArbeiterInnen warteten nun eine Woche ab, ob die Geschäftsleitung von Schubert die Versprechen auch einhalten würde, insbesondere was die Nachzahlung für Oktober betraf. Nach einer Woche war noch nichts passiert. Die Arbeiter organisierten nun mit der Hilfe von UnterstützerInnen eine Versammlung der Schubert-Arbeiter. Sie schrieben eine kurze Einladung, in der die Themen der Versammlung aufgeführt waren: Gehaltsabrechnung, Arbeitsbedingungen, Kommunikation zwischen Chefs und Arbeitern. Unterschrieben war mit »Einige Arbeiter von Schubert«. Die Einladung kursierte unter den Arbeitern, erreichte aber auch die Firmenleitung. Bei der Versammlung kamen etwa zehn Schubert-Arbeiter (nur Afrikaner), zwei Vorarbeiter und zwei Schichtleiterinnen. Letztere wollten »mal hören, was die Jungs zu sagen haben«. Die Arbeiter waren schlecht vorbereitet - schließlich sollte auf der Versammlung erstmal genauer über die Forderungen und die Strategie gegenüber der Geschäftsleitung diskutiert werden. Aber sie wiederholten die Forderungen nach Lohnabrechnungen mit ausgewiesenen Stunden, bessere Arbeitsbedingungen, Nachzahlung für die Arbeiter von Werk I für Oktober und höhere Löhne. Die SchichtleiterInnen meinten, sie verstünden die Aufregung nicht, bisher habe es doch »keine Probleme gegeben«. Und für die Streichung der Sozialhilfe könnten sie doch nichts, das sei Sache des Sozialamtes. Nachher kam dann raus, daß Schubert und Sozialamt regelmäßig direkt miteinander telefonieren und Angaben über die Arbeiter austauschen. Außerdem gibt es eine Warteliste von 50 Arbeitern, die vom Arbeitsamt Arbeitserlaubnisse für die »geringfügige« Arbeit bei Schubert haben, aber noch nicht eingesetzt werden. Schubert kann sie sozusagen »anfordern«, wenn Leute krank sind oder aufhören (die Fluktuation ist hoch, kein Wunder bei den Bedingungen). Die Arbeiter drohten auf der Versammlung mehrmals weitere Aktionen an, wenn sich die Lage bei Schubert nicht bessere. »Am 15.12. müßten wir den Novemberlohn bekommen. Wenn bis dahin kein Geld für Oktober und November da ist, streiken wir.«

Die Geschäftsleitung von Schubert reagierte. Die Anforderungen in Werk I wurden heruntergeschraubt (z.B. Verringerung der Toilettenräume) und ein Lohn von 500 DM in Aussicht gestellt. Die Lohnausstände für Oktober sollten in Raten nachgezahlt werden. Die Schichtleiterinnen in Werk I waren jetzt deutlich freundlicher als zuvor. Hierbei spielte sicherlich auch eine Rolle, daß der Vertrag zwischen Schubert und Opel Ende des Jahres auslief und Schubert kein weiteres Aufsehen wollte. Aber es gab auch Einschüchterungsversuche von Seiten der Vorarbeiter. Ein Arbeiter: »Das ist doch eine Strategie. Kapos vorschicken und drohen und nett sein und Zugeständnisse machen«.

Die an der Auseinandersetzung beteiligten Arbeiter waren froh über die Verbesserungen, betonten aber, daß die meisten Schubert-Arbeiter sich nicht wehren würden, Angst hätten usw. »Die Arbeiter sind entmutigt. Sie sagen, was soll ich mich engagieren, vielleicht bin ich in zwei Monaten abgeschoben.« Aber es gibt auch andere Stimmen »Die Kollegen haben Angst, daß sie abgeschoben werden oder ihre Arbeitserlaubnis verlieren, wenn sie sich wehren. Aber wenn wir uns wehren, haben es diejenigen, die später kommen, einfacher.«

Mittlerweile hat das Sozialamt auf dem Hintergrund der Sozialhilfestreichungen von Anfang Oktober gegen einige der Schubert-Arbeiter eine Betrugsklage angestrengt, weil sie die Arbeit nicht angegeben hätten.

Die Arbeiter diskutieren, wie sie ihre Situation weiter verbessern können. Schließlich geht es um einen »Lohn, von dem man leben kann«. Der läßt sich aber nur durchsetzen, wenn auf der einen Seite das Arbeitsamt gezwungen werden kann, die Arbeitsbeschränkungen für AsylbewerberInnen in Bochum aufzuheben, und auf der anderen Seite die ArbeiterInnen bei Unternehmen wie Schubert bessere Arbeitsverträge und höhere Löhne durchsetzen können.


Fußnoten:

[1] Alle Zitate aus Interviews und von Versammlungen mit Arbeitern von Schubert/Putzblitz im November/Dezember 1996.


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