Wenn die Sitze fehlen, bleiben nicht nur die Streikposten stehen!
Vorbemerkung:
Eine Genossin von uns hat mal bei Johnson gearbeitet und ist trotz aller Bemühungen, auf den Teamscheiß einzugehen, bereits nach kurzer Zeit rausgeflogen - ein Betriebspsychologe hatte gemerkt, daß ihre Körperhaltung bei der Arbeit ausdrückte, daß sie die Arbeit nicht wirklich mochte. Sie hat sich deshalb tierisch gefreut zu hören, daß die in den USA gestreikt haben. Leider haben wir keine direkten Kontakte und deshalb den Bericht nach Zeitungsmeldungen zusammengestellt.
Auch in Europa hat JC einen hohen Marktanteil an der Produktion von Autositzen (ca. 40 Prozent). In der BRD liefern drei Fabriken just-in-time Sitze nach Bochum (Opel), Köln (Ford), Zwickau (VW). Weitere sind in Planung. Stundenlöhne von ca. 20 DM werden nur durch die Einhaltung brutaler Taktzeiten an den Montagebändern und Nullfehler-Produktion erreicht. Ältere Arbeiter ab 40 haben an den Bändern keine Chance. Bereits nach wenigen Monaten zeigen sich Dauerschädigungen an Händen, Armen und Rücken. Job-Rotation wird klassisch zu Flexibilisierung und Temposteigerung eingesetzt. Gruppenarbeit ist als gegenseitige Bespitzelung und Denunziation sowie als Rationalisierung konzipiert. Jeder Ansatz von Organisierung wird beobachtet und verfolgt. Genau wie in den USA sind auch die JC-Betriebe in der BRD durch ihre just-in-time-Anbindung an die Autofabriken und ihre fast Null-Lagerhaltung durch Produktionsunterbrechungen schnell verwundbar, was in dem folgenden Bericht ganz gut rauskomt: Um so wichtiger, daß die Genossen in den USA es den Schweinen mal richtig gezeigt haben. Auf Dauer gibt es zu den JC-Fabriken nur eine Antwort: Abbrennen.Ein Streik in zwei Werken des Autositzeherstellers Jonhson Controls Inc. (JCI) beeinträchtigte die Produktion bei Ford, als am 28. Januar 1997 etwa 500 ArbeiterInnen in zwei Fabriken in Plymouth, Michigan und Oberlin, Ohio die Arbeit niederlegten. Die Forderungen drehten sich in erster Linie um Lohnerhöhungen. Die Löhne in den beiden bestreikten Fabriken liegen bei 9 Dollar die Stunde, in gewerkschaftlich organisierten unabhängigen Autoteileherstellern liegen sie gewöhnlich bei 14 - 16 Dollar und über 18 Dollar bei den »Großen Drei« (General Motors, Ford und Chrysler).
JCI ist ein großer und im Wachsstum begriffener Hersteller von Sitzen und inneren Komponenten für die Autoindustrie. 1996 lag sein Umsatz bei 10 Mrd. Dollar. 1995 hielt die Gesellschaft 34 Prozent des Sitzemarkts in den USA, dieser Anteil soll 1988 bei 40 Prozent liegen. JCI ist bestrebt, gewerkschaftsfrei zu werden. In den letzten zwanzig Jahren hat die Firma, wie viele andere auch, gewerkschaftlich organisierte Fabriken geschlossen und verlagert. Nur sechs der 34 Fabriken in Nordamerika sind gewerkschaftlich organisiert, darunter die beiden im Streik befindlichen.
Ford drohte sofort mit der Einstellung der Produktion in drei Fabriken in Michigan und Ohio, sollten sich JCI und UAW nicht einigen. Die Drohung gegenüber JCI bestand im möglichen Verlust des Vertrags mit Ford, die UAW hätte durch die Aussperrung ihrer Mitglieder bei Ford Probleme bekommen. Johnson hatte für sein Werk in Plymouth, Michigan zuerst Streikbrecher angeheuert sowie private Sicherheitsfirmen. Die UAW drohte Ford mit Streikposten, falls es von Streikbrechern hergestellte Sitze akzeptiere. Ford kündigte an, solche Sitze nicht zu akzeptieren. Daraufhin legte JCI die Produktion still. Am 10. Februar kündigte Ford an, es werde die Sitzeproduktion in ein eigenes Werk und eines von der Lear Corporation verlagern. Die Maschinen und Teile, um die Sitze dort zu produzieren, wurden aus dem JCI-Werk in Michigan heraustransportiert.
Nachdem die UAW ab sechs Uhr morgens einen Streik angedroht hatte, wenn es nicht zum Vertragsabschluß käme, brachte JCI nachts Streikbrecher und eine private Sicherheitsfirma sowie Feldbetten und Duschcontainer aufs Werksgelände, um die Sitzeproduktion unter dem Schutz der Bullen fortzuführen. Am 28. Januar nahmen dann in Michigan Hunderte anderer UAW-Mitglieder und streikende ZeitungsarbeiterInnen aus Detroit seit den frühen Morgenstunden an den Streikposten teil.
Gleichzeitig begannen etwa 200 ArbeiterInnen in Oberlin, Ohio, ebenfalls UAW-Mitglieder, einen Streik mit Unterstützung von AutoarbeiterInnen aus zwei nahegelegenen Fordwerken und Stahlarbeitern. Die Produktion aus Oberlin geht zu Fords Lorain-Motagewerk und die aus Plymouth in die LKW-Fabrik von Ford in Michigan (MTP). ArbeiterInnen aus beiden Werken sind ebenfalls in der UAW organisiert.
Die Zurückweisung von Streikbrechersitzen war keine leichte Entscheidung für Ford. Seit der Einführung des Just-In-Time-Systems bei den Großen Drei halten die Montagewerke keine Teile mehr auf Lager. Innerhalb von Stunden war Ford gezwungen, seine Produktion ohne Sitze auf Halde zu parken, und jeden Tag kamen 800 Fahrzeuge hinzu.
»Die Arbeit ist hart«, sagt eine Streikende, »und stressig. Viele von uns haben Sehnenscheidenentzündung und Probleme mit den Handgelenken. Unsere Arme werden taub und die Betriebskrankenschwester sagt uns, wir sollen warme Handtücher darum wickeln und sie ein paar Minuten über den Kopf halten.« Andere Streikende beschrieben, daß viele ArbeiterInnen unter der schlechten Belüftung litten und sich beim Schweißen Verbrennungen zuzögen.
Die Autoteileindustrie in den USA erlebt ein Wachstum und Rekordbeschäftigungszahlen, aber die UAW repräsentiert gerade mal 20 Prozent der ArbeiterInnen in diesen Fabriken. Die Löhne und Bedingungen verschlechtern sich weiterhin. Ende 1995 lagen die inflationsbereinigten Löhne immer noch unter denen um 1990 und einiges unter denen in den 70ern.
Als der Streik in die dritte Woche ging und Gespräche nicht in Sicht waren, war JCI mit dem ungewöhnlichen Schritt einverstanden, Maschinerie aus seiner bestreikten Fabrik in ein gewerkschaftlich organisiertes Werk in Kentucky zu verlagern und mit der Lear Corporation - seinem größten Konkurrenten bei den Autositzen - zusammenzuarbeiten, um Ford wieder mit Sitzen versorgen zu können.
Der Streik endete in beiden Werken nach 25 Tagen am 21. Februar 1997 mit der Zustimmung der UAW-Mitglieder zu ihrem ersten gewerkschaftlichen Tarifvertrag im Werk. Die Löhne sollen in den 24 Monaten um ein Drittel oder mehr steigen. Außerdem wurden Vereinbarungen über Betriebsrenten und zur Überstundenbezahlung abgeschlossen. In Oberlin gab es darüberhinaus eine Einmalzahlung von 1000 Dollar.