Südasien ärmer als Schwarzafrika
Südasien ist inzwischen die ärmste, ungebildetste und unterernährteste Region der Erde und fällt damit zum ersten Mal in Bezug auf alle Maßstäbe menschlicher Entwicklung hinter das sub-saharische Afrika zurück.
Ein niederschmetternder Bericht zu wirtschaftlichen, politischen und sozialen Entwicklungen stellt eine ungeheure und immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich in fast der gesamten Region fest. Es ist der einzige Teil der Welt, in dem die Rüstungsausgaben gewachsen sind. Indien hat die viertgrößte Armee der Welt, Pakistan die achtgrößte.
Der Bericht wurde vom Human Development Centre in Pakistan erstellt und vom United Nations Development Programme unterstützt. Als eine der umfassendsten Studien dieser Art wirft der Bericht ernsthafte Zweifel auf, ob Indien wirklich auf dem Weg ist, ein asiatischer »Tiger« zu werden, so wie es behauptet.
Mahbub ul-Haq, Präsident des Human Development Centre und Hauptverfasser des Berichts, sagte gestern, daß es in Indien innerhalb des nächsten Jahrzehnts zur Revolution kommen könnte, wenn der Abstand zwischen Armut und Reichtum nicht kleiner wird. Die Reichen seien der Hauptnutznießer der Wirtschaftsreformen.
»Die Qualität von Sozialleistungen, Bildung, Transport, Trinkwasser und Gesundheitswesen verfällt,« sagte er in Delhi. »Südasien muß eine Wende vollziehen, sonst wird es von globalen Kräften an den Rand gedrückt. Wenn das nicht gelingt, gibt es die enorme Gefahr, daß es in dieser Gesellschaft zur Revolution kommt. Indien ist näher an der Revolution, als es die Leute wahrhaben wollen.«
Ein Fünftel der Menschheit lebt in Südasien, 40% der Armen der Welt leben dort. Indien ist Nr.142 in der Welt bezüglich des Pro-Kopf-Einkommens, hat jedoch die höchsten Waffenimporte; Pakistan, Nr. 119 beim Einkommen, hat die zehnthöchsten.
Der Bericht weist auf den »Mythos« hin, daß der Teil Afrikas südlich der Sahara allen anderen Regionen in der menschlichen Entwicklung weit hinterherhinkt. Das stimmte vor drei Jahrzehnten, aber das südasiatische Pro-Kopf-Einkommen liegt heute bei $309, in Afrika südlich der Sahara ist es $555. Die Alphabetisierungsrate ist in Südasien niedriger und zwei Drittel der Kinder sind untergewichtig, in Afrika nur ein Drittel.
The Times of London, 2.5.1997