Wildcat-Zirkular Nr. 38 - Juli 1997 - S. 21-22 [z38viet2.htm]


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Wegnahme von Land entzündet außergewöhnlichen Protest in Vietnam

Vor kurzem gab es einen außergewöhnlichen Zusammenstoß.

Hunderte Polizisten in Kampfuniform marschierten auf ein kleines Dorf zu, um die Bauern vom Land zu vertreiben, das für einen Golfplatz vorgesehen ist. Die Kinder aus dem Dorf nahe Hanoi kamen ihnen entgegen - bewaffnet mit gerahmten Bildern, aus dem Besitz ihrer Eltern, die den Vater des vietnamesischen Kommunismus ,Ho Chi Minh darstellten,. Die Polizei bewarf die Bilder mit Steinen, Glas ging zu Bruch.

Die Bauern erzählen, daß ein Polizist schrie: »Jetzt ist nicht die Zeit von Ho Chi Minh, jetzt ist die Zeit von Vo Van Kiet.«

Ob Permierminister Kiet über die Polizeiaktion Bescheid wußte, oder sie sogar billigte, ist ungewiß. Aber die ungewöhnlich dramatische Konfrontation vom 30. Dezember im Dörfchen Tho Da verdeutlicht eines der explosivsten Probleme der heutigen kommunistischen Führung Vietnams. Vietnam hat schlicht zu viele Menschen und zu wenig Land.

Von 75 Millionen Einwohnern leben 70 Prozent von der Landwirtschaft. Vietnam hat eine der weltweit höchsten Relationen, was Bevölkerung-pro-Ackerfläche anbelangt, trotzdem wird immer mehr Land zubetoniert. Durch den Bau von Fabriken und Infrastrukturmaßnahmen soll Industriealisierung und Modernisierung vorangebracht werden. Diesen Golfplatz möchte der koreanische Daewoo-Konzern bauen.

Die von der Regierung kontrollierte Presse hat den Vorfall von letzter Woche totgeschwiegen. Aber vorher gab es einen Artikel in einer Lokalzeitung, in dem »Dissidenten« für die Unruhen im Dorf verantwortlich gemacht werden. Der Artikel forderte außerdem die strafrechliche Verfolgung der »Saboteure«.

Die Bauern von Tho Da haben ausländische Reporter eingeladen, um ihre Version der Schlacht darzustellen. Sie zeigen Ausrüstung, die die Polizisten zurückgelassen hatte, als sie unter dem Hagel von Steinen und Ziegeln geflohen war. Die Beute beinhaltet ein Elektroschockgerät, einen Gummiknüppel, einen Stahlhelm mit Drahtgesichtsmaske und verstärktem Nackenschutz, einen Plexiglasschild, eine Gasmaske und einen leeren Tränengasbehälter.

Die Bauern weisen auf die knochentrockenen Felder. Sie sagen, örtliche Beamte hätten die Bewässerungsgräben stillgelegt.

Am Tag des Zwischenfalls näherten sich vierzig LKWs aus drei Richtungen dem Dorf. Sie brachten 500 Polizisten, einige Deutsche Schäferhunde, Baumaterial und Stacheldraht. Die Bauern banden sich weiße Stirnbänder um, das vietnamesische Symbol für den Tod. »Wir wollten zeigen, daß wir alles verloren haben,« sagt ein Mann. Sie falteten die Hände wie beim buddhistischen Gebet. »Wir bettelten sie an, unser Land nicht wegzunehmen«, sagt eine Frau. Ein älterer Mann, Veteran des Krieges gegen die Kolonialmacht Frankreich, eilte zwischen die beiden Gruppen und versuchte Frieden zu stiften. Die Polizei verhaftete ihn, er ist noch heute im Gefängnis.

Die Bauern berichteten, sie hätten Steine geworfen, um die Polizei fernzuhalten. Die Polizei hatte Schußwaffen, eröffnete aber nicht das Feuer. Ein günstiger Wind blies das Tränengas davon. Die Bauern zündeten drei Fahtzeuge an, darunter ein Traktor. Nach einer Stunde zog sich die Polizei zurück.

Und wenn die Truppen zurückkehren? »Dann wird es einen weiteren Kampf geben,« sagt ein Bauer.

San Jose Mercury News, 10.1.97, (siehe auch Zirkular 32)


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