Wildcat-Zirkular Nr. 40/41 - Dezember 1997 - S. 34-41 [z40usjob.htm]


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Im folgenden noch weitere Informationen, die Genossen aus Hamburg zum UPS-Streik und der Situation von UPS-ArbeiterInnen in Europa zusammengestellt haben. Es ergeben sich einige Widersprüche zum Artikel von Henri Simon, die wir in der Kürze der Zeit nicht klären konnten. So schreibt z.B. Henri Simon, es seien keine Zeitarbeiter bei der US-Post eingestellt worden. Associated Press dagegen berichtet am 13.8.97: »Die Post konnte Zeitarbeiter einstellen, indem sie für einige Städte den Ausnahmezustand erklärte. Damit konnte sie das Veto der Postgewerkschaft APWV umgehen, das die Einstellung von ArbeiterInnen zur Beförderung von Sendungen, die durch den Streik hereinkamen, verbot.«

»Start your own revolution and kick out the middle man« (Billy Bragg)

Im Sommer 1997 streikten für zwei Wochen die UPS-Arbeiter und Arbeiterinnen. Der Streik ist nun seit einiger Zeit zu Ende gegangen. Sowohl in den bürgerlichen wie auch in den linken Medien ist der Streik relativ ausführlich behandelt worden.

Der UPS-Streik: die Teilzeitarbeit, das Jobwunder der USA, rebelliert.

Da wurde bei einer Firma gestreikt, die die Beschäftigten braune Uniformen tragen läßt. Bei einer Firma, die dadurch in der BRD berüchtigt wurde, daß sie nur solche Männer einstellte, die bei der Bundeswehr gewesen sind. Früh morgens sollten die Fahrer zum Appell antreten. Aber noch viel schlimmer war, daß sie die Arbeit rationalisierten, indem sie z.B. als erste die Code-Lesegeräte einführten. Und daß sie die 20-kg-Grenze der Pakete auf 30 kg anhoben. Also, für die Jobber war es früher eine unmögliche Firma...

Wir möchten unseren Blick auf einige Aspekte konzentrieren und Thesen dazu aufstellen:

  1. UPS - Arbeitermacht in boomenden bzw. neuen Branchen?
  2. Trotz Streik Niederlage für die ArbeiterInnen - Ein Widerspruch?
  3. Der Streik als Ablaßventil? »Traditioneller« Streik?
  4. Situation in der BRD

1. Neue Branche? Boomende Branche?

Das Besondere an dem UPS-Streik war, daß nicht in einer Branche, die zum Sterben verurteilt ist, gestreikt wurde, sondern in einem boomenden Sektor. Die Ursachen, warum der Paketdienst bzw. die Kurierfirmen ein boomender Sektor sind, werden wir demnächst gründlicher beleuchten. Es wird auf jeden Fall keine einfache Antwort geben, die die »technische« Veränderung der Arbeit, wie Auslagerung usw. als vom Kapital gewollt bezeichnet. Wir werden uns auch mit dem Mythos »Zeit« beschäftigen, d.h. daß heute alles schnell gehen muß.

Die Umstrukturierung, der ständige Klassenkampf, wie die Flucht aus der Fabrik, hat zu Just-in-time und und zur Monopolisierung des Kapitals geführt.

In den USA beherrscht UPS mit 90 Prozent des Paketdienstes praktisch den Markt. Viele denken, daß UPS keine Kurierfirma sei. Ein Merkmal am Kurierwesen ist, daß dieses für die Produktion (ob Fabrik oder Werbung) schnell Teile bringt. UPS sei ja nur ein modernerer Paketdienst. Dem ist nicht so. Nicht nur »private« Pakete werden versendet, sondern sie sind mit ihrer kompletten Flotte von LKWs und Flugzeugen Teil des Produktionsprozesses. So jammerten einige kleinere Firmen während des Streiks, daß sie ihre Produktion herunterfahren mußten, weil sie keine Teile mehr bekamen.

In Europa hat UPS den Transport sämtlicher Computerteile von Compaq, Del und neuerdings auch Gateway übernohmen. Aus Irland werden täglich die Computer mit UPS-Flugzeugen versandt.

Wie schon beim General Motors-Streik 1994 in Flint kann das auch zum Nachteil des Kapitals werden. Damals bei GM konnte der Streik der Rücklichtfabrik innerhalb von zwei Tagen die gesamte Produktion lahmlegen. Ein Teil der Arbeiterschaft hat es geschafft, daß an sehr vielen anderen Stellen ebenfalls nicht gearbeitet werden konnte (siehe Wildcat-Zirkular Nr.9, November 1994).

In den USA sollen die Verluste durch den Streik Millionen von Dollar betragen haben. Und angeblich wollen die Firmen jetzt mit mehr Paketdiensten arbeiten, damit das Monopol, die Abhängigkeit gebrochen werden soll. Eigentlich war das der Anfang von UPS selbst. Die mächtige US-Post wurde damals damit geschwächt...

Doch der Streik hat UPS nicht geschwächt. Hatte UPS vor dem Streik 28 Millionen Pakete am Tag befördert, so waren es nach dem Streik 30 Millionen.

2. Trotz Streik Niederlage für die ArbeiterInnen

Zum Streik und seiner Vorgeschichte. Warum wurde gerade bei UPS gestreikt? Sind die Verhältnisse dort besonders beschissen, oder sind die Bedingungen für einen Streik dort besonders günstig gewesen? Sind die UPS-ArbeiterInnen besonders prekarisiert?

Bevor wir zu UPS kommen, ein kurzer Ausflug zur Veränderung des Gewerkschaftsverbandes AFL-CIO. Seit Sweeney 1995 Präsident wurde, wird versucht, die Gewerkschaft von oben zu reformieren. Hintergrund ist der Rückgang der Mitgliederzahlen. Waren in den USA in den 50er Jahren ca. 30-35 Prozent der Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert, so sind es jetzt etwa 15 Prozent. Studenten ohne Betriebserfahrung werden zu Funktionären ausgebildet. Gleichzeitig gibt es eine Reformbewegung von ML'ern. Die Zeitschrift Labor Notes ist vielleicht einigen bekannt. Der »lange Marsch« trägt seine Früchte.

Wer hat gekämpft? Und wofür?

Schauen wir uns das im Detail an.

Teilzeitarbeit

Die Fluktuation der Teilzeitkräfte ist enorm. Manche sprechen von 400 Prozent Austausch im Jahr. Vielleicht hat das auch zur Popularität des Streikes beigetragen, daß viele Jobber aus eigener Erfahrungen die Bedingungen dort kannten. Weniger die Tatsache, daß ca. 60 Prozent der Beschäftigten bei UPS Teilzeitverträge haben, ist bedeutend, sondern daß sie erstens oft soviel Stunden wie Vollzeit arbeiten, und zweitens, daß sie dafür weniger Stundenlohn als die Vollzeitkräfte bekommen.

In den USA wird zwischen Arbeitern und Kapital ausgehandelt, wer die Kosten für die Krankenkasse übernimmt. Die Teilzeitkräfte bei UPS bekommen nur 10% bezahlt. So war es kein Wunder, daß Tausende von ihnen die Streikposten bildeten.

Auffallend nicht nur an diesem Streik ist es, daß an der Erneuerung der Gewerkschaft auch die MigrantInnen aus Lateinamerika beteiligt sind. Bei UPS arbeiten sehr viele von ihnen als Teilzeitkräfte. Wie hoch ihr Anteil ist, hängt damit zusammen, in welcher Region die Filiale steht. »Die« ImmigrantInnen haben diesen Streik nicht dominiert.

Die PackerInnen sind diejenigen, die am wenigsten verdienen und die beschissensten Bedingungen haben. Sie verdienen in den USA zwischen 8 und 14 Dollar. Das Ergebnis der Verhandlung dürfte für sie sehr ernüchternd sein: 10.000 neue Stellen in den nächsten fünf Jahren, bei 125.000 TeilzeitarbeiterInnen ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. (Seit 1993 wurden ohne Gewerkschaft 8.000 von 46.000 Neuen festeingestellt.) Der Kampf in den USA um die Übernahme der Teilzeitkräfte konzentrierte sich auf die FahrerInnen und nicht auf die PackerInnen.

Der Lohnabstand von bisher ca. 11 Dollar pro Stunde zu 20 Dollar bleibt bestehen. Die Löhne sollen in den nächsten fünf Jahren für die Teilzeit-PackerInnen auf 14 bis 15 Dollar steigen.

Arbeitsbedingungen

Gegen UPS laufen in den USA viele Klagen wegen Arbeitsunfällen. Die Paketgewichte, die alleine gehoben werden müssen, sind enorm und waren ein Streitpunkt. Die Höchstgewichtsgrenze der Pakete sollte aufgehoben werden. Das konnte UPS nicht durchsetzen.

Subunternehmer

Immer wieder wurde angedroht, Subunternehmer zu beschäftigen. Soweit uns bekannt ist, werden in den USA in Spitzenzeiten (Weihnachten) Subunternehmer beschäftigt, die zusätzlich für UPS fahren.

Rente

In den USA kann sowohl die Gewerkschaft als auch der Betrieb den Rentenfonds verwalten. In der hiesigen Presse wurde die Kontrolle des Rentenfonds in den Händen der Teamsters als Erfolg gewertet. Vergleichen wir das Angebot von UPS mit den Forderungen der Teamsters, stellen wir fest, daß es bezüglich der Höhe der Rente keinen nennenswerten Unterschied gibt! Die Höhe der Rente ist unabhängig von dem, der die Macht über den Fonds hat. Für die ArbeiterInnen ist das also unwichtig. Trotzdem hat der hohe Organisierungsgrad bei UPS etwas mit diesem Rentenfonds zu tun. Viele denken, daß sie beschissen würden, wenn sie nicht Mitglied wären.

3. Der Streik als Ablaßventil? »Traditioneller« Streik?

Die Schattenseiten sind aus unserer Sicht folgende gewesen:

Ob die ArbeiterInnen das nach diesem beschissenen Ergebnis auch so sehen, möchten wir bezweifeln, beziehungsweise: wir würden gerne mehr darüber erfahren.

Uns fällt auf, wie ähnlich dieser Streik den bundesdeutschen Streiks gewesen ist.

Teamsters

In vergangenen Zeiten sind öfters die Spekulationen und Untreue der Verwaltung der Gelder (Rentenfonds) durch die Gewerkschaft an die Öffentlichkeit gekommen. Die Teamsters unter der Führung von Hoffa Senior waren berüchtigt für ihre Spekulationen und die Zusammenarbeit mit der Mafia. Ron Carey, der Gewerkschaftspräsident, wird von den linken Gewerkschaftlern unterstützt und kommt von UPS. David Bacon, Ex-UPS-Arbeiter und Journalist in Berkeley: »Er hat ein Verfahren am Hals, in dem es um illegale Gelder für seine Wahl geht. Geld war von Leuten in seine Kampagne geflossen, die sie nicht legal unterstützen durften, weil sie keine Teamster-Mitglieder sind. Aufgrund dieser Anschuldigungen wurde die Wahl nun aufgehoben. Die Wahl muß komplett wiederholt werden. (...) In seinem Wahlkampf vor einem Jahr ging es dann aber mehr um Professionalität, Verwaltung und Fund-raising, also Geldgeber finden, weniger um die Basis und ihre Bedürfnisse. Der Graswurzel-Aspekt wurde leider vernachlässigt. Carey war sehr abhängig von seinen Beratern. Und schließlich waren es all diese Berater und Geldbeschaffer, die die Hauptverantwortlichen dafür waren, daß illegales Geld in die Wahlkampfkasse floß. Es war also ein Problem, das hauptsächlich dadurch entstand, daß man sich von der Basis entfernte, die hinter Carey stand und ihn eigentlich wählte.«

Warum hat das kapitalistische Kommando es nicht gewagt, den Streik vorzeitig zu beenden? Wegen der Popularität? Oder war dieser Streik ein Ventil für aufgestauten Haß und funktional für die Gewerkschaft und das Kapital? Und warum hat die Clinton-Administration nicht gegen den Streik eingegriffen? Will sie die Gewerkschaft stärken? Oder ist es nicht sogar so, daß die Gewerkschaften sogar den Wahlkampf von Clinton finanziert haben?

Die Gewerkschaft ist Kontrolleur der militanten Arbeiter. Sie haben den Streik angefangen, haben in gediegener Atmosphäre verhandelt, und den Streik wieder beendet.

Was der Streik im Alltag gebracht hat, d.h. inwieweit das Selbstbewußtsein der ArbeiterInnen gewachsen ist oder sich Resignation breitmacht, wäre interessant zu erfahren. Eigentlich ist es das Beurteilungskriterium schlechthin.

UPS weltweit

Teamsters reisten durch Europa. Die ITF solidarisierte sich mit dem Streik. Eine der wenigen guten Ausnahmen war der Streik der belgischen KollegInnen von UPS. Außer in Belgien ist nichts Bedeutendes geschehen.

Am Köln/Bonner Flughafen wurde ein Flugblatt verteilt, in dem u.a. die Mißstände auch in Europa kurz benannt wurden:

4. In der BRD

ist UPS im Bereich des Paketdienstes gemeinsam mit DPD die zweitgrößte Firma (ca. 160-200 Millionen Pakete im Jahr). Die Post ist die absolut größte (ca. 700 Millionen). An vierter Stelle kommt German Parcel (60 Millionen.) UPS agiert vor allem in Süddeutschland.

In der BRD sind es 16.000 Beschäftigte. Davon sind 8.000 in der Gewerkschaft organisiert. Allein in Köln arbeiten ca 1.000. In Hamburg sind es bloß 400, obwohl es mit ca. 5.000 Kurieren insgesamt die Stadt mit den meisten Kurieren in der BRD sein soll.

Die Zeiten des militärischen Drills sind vorbei. Fahrer müssen nicht bei der Bundeswehr gewesen sein.

Die Fluktuation ist allerdings bei den Teilzeitkräften immer noch hoch. Es sind etwa 25 Prozent. Bei den Fahrern sieht das etwas anders aus. Da sind einige bereits seit 15 Jahren dabei.

Die Teilzeitkräfte bei UPS bekommen in der BRD ebenfalls weniger Lohn als die Vollzeitkräfte. Der Lohn für die PackerInnen fängt bei 17 DM in der dreimonatigen Probezeit an und endet bei 19 DM und etwas. Die TeilzeITFahrerInnen, die hier Drei-Stunden-Schichten haben, verdienen ca. 22 DM, während die VollzeitfahrerInnen ca. 26 DM verdienen. Begründet wird das mit der höheren Verbundenheit mit der Firma. Daß sowohl bei der Auslieferung morgens als auch bei der Abholung nachmittags Werbung betrieben wird. Ein schwaches Argument. Teilzeitkräfte sind in der BRD allerdings sowohl sozial-, kranken- als auch rentenversichert. In den USA bekommen selbst die Vollzeitbeschäftigten nur 10 Prozent Krankengeld. Ein anderer Konfliktpunkt war, daß die Teilzeitkräfte in Wirklichkeit genausoviel arbeiten wie die Vollzeitkräfte. Das ist in der BRD anders.

Veränderungen in den letzten Jahren

1995 wurden aus drei Telefonzentralen eine in Neuss. Seitdem gibt es die 0130 Nummer. Dort arbeiten ungefähr 2-300 Telefonistinnen. [Wenn man die 0130-Nummer wählt, meldet sich die Zentrale in Dublin auf deutsch. Anm. der Setzerin] In Berlin und Ostdeutschland hat UPS weite Teile an Subunternehmer ausgelagert. In Köln werden neuerdings Dreiräder für die Innenstadt eingesetzt.

Rolle der Gewerkschaft

Die Betriebsräte bei UPS sind oft noch schlechter als die ÖTV. Es gibt Ausnahmen wie den BR in Köln/Bonn, der sofort Ärger bekam wegen der Flugblätter am Bonn/Kölner Flughafen.

Auf der Suche nach Infos in Hamburg

Offiziell wurde der Streik von der ITF (Internationalen Transportarbeitergewerkschaft) unterstützt. Das ITF-Büro in Hamburg ist nur für die Seefahrt zuständig. Der ÖTV-Sekretär wiederum ist Sekretär für öffentlichen Transport und Verkehr. Wollte nichts sagen oder wußte wirklich nichts. Ein anderer am Flughafen ist nur für DHL und FedEx, zwei andere international tätige Kurierdienste, zuständig. Und eigentlich gehört das zum Ressort der Postgewerkschaft...

Wir haben Kollegen von UPS auf der Straße, bei der Arbeit, getroffen und befragt. Sie befürworteten den Streik in den USA und sagten von sich, daß es hier die gleichen Probleme gäbe. Und daß es in Hamburg leider keinen Betriebsrat gäbe...

Kampfbedingungen

Im Transport- und Kurierwesen sind die unterschiedlichsten Arbeitsbedingungen zu finden. Subunternehmertum, Scheinselbständige usw. prägen das Bild. Die Post z.B. verändert ständig die Bedingungen bis hin zu Beschäftigungen für 11 DM brutto für Briefträger über Sklavenhändler. Wo für die ArbeiterInnen die »besten« Kampf- und Arbeitsbedingungen herrschen, ist die Frage. Ob es einen Betriebrat gibt oder nicht, sagt nichts über die Kampfkraft und Arbeitermacht aus. Bei UPS herrschen gegenüber anderen Betrieben vergleichsweise gute Bedingungen. Umgekehrt kann bei der Post nicht gerade von tollen Bedingungen gesprochen werden, »obwohl« es die Gewerkschaft gibt.

Das ist nun auch wieder unsere Schwäche. Wie in den USA bekommen wir hier keine entscheidenden Aktivitäten ohne die Gewerkschaft hin. Zu sehr schauen wir noch auf die Aktivitäten von ihnen. Wir warten darauf, daß sie was tun, damit wir sie kritisieren können. Tun sie nichts, können wir sie nicht kritisieren und die Aktivitäten radikalisieren, hinterfragen usw.

ZWEIUNDVIERZIG UND GRUPPE, Hamburg, November 1997


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