Wildcat-Zirkular Nr. 59/60 - Juli/August 2001 - S. 31-39 [z59etcet.htm]


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Anmerkungen zur Mobilisierung der Eingewanderten gegen das Gesetz, das sie kriminalisiert

Übersetzung aus: »etcetera«, Nr. 35, Juni 2001

Nach der Explosion von Fremdenfeindlichkeit im letzten Jahr ist das Thema Einwanderung in kleinen lokalen Konflikten zum Ausdruck gekommen, die von der Verwaltung mit einer Mischung aus Repression und kleinen Zugeständnissen schnell befriedet wurden. Auf der anderen Seite geht das Sterben von illegalen ImmigrantInnen, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um die spanische Küste zu erreichen, in der Meerenge von Gibraltar ständig weiter. Praktisch jede Woche gibt es Tote; jeden Monat sind es dutzende. Eine wirkliche Tragödie, der mit großer Gleichgültigkeit begegnet wird. Oder noch schlimmer: selbst wenn die Medien versuchen, sich dem Thema von einem scheinbar humanitären Standpunkt aus anzunähern und sich (politisch korrekt) gegen Fremdenfeindlichkeit aussprechen, können sie nicht vermeiden, daß sie ein soziales Phänomen mit den Worten und Kategorien einer nur schlecht verschleierten Fremdenfeindlichkeit beschreiben, wenn sie das sogenannte Immigrationsproblem ausschlachten (in den Zeitungen ist oft die Rede vom »Anstieg« der Immigration, von der »Masse« von Immigranten an der Küste, von einer »Flut« von Illegalen, etc.). Anfang Januar hat der Unfalltod von zwölf lateinamerikanischen Arbeitern aus Ecuador, bei einem Zusammenstoß in der Nähe von Murcia zwischen einem Zug und dem Bus, mit dem die Immigranten zur Arbeit fuhren, die Debatte über Einwanderung in den Medien angeheizt, aber in erster Linie hat dieses Ereignis eine Mobilisierung von ImmigrantInnen für ihre Rechte, vor allem für Papiere, ausgelöst. Kurz darauf hat die Zustimmung der Regierung zum neuen Einwanderungsgesetz, das seit dem 22. Januar in Kraft ist, zu Besetzungen und Hungerstreiks in Kirchen in Barcelona, Madrid, Murcia und anderen Städten geführt, als Reaktion von ImmigrantInnen, die nach dem neuen Gesetz keine Möglichkeit mehr zur Legalisierung haben und seitdem ständig von Abschiebung bedroht sind. Ihre Situation ist dramatisch, da die meisten von ihnen (sie selbst sowie auch ihre Familien in den Herkunftsländern) sich in einer Zwangslage von Verschuldung bei der Mafia oder bei Kredithaien befinden, die ihnen das Geld geliehen haben für die Reise nach Spanien mit einem Touristenvisum (das drei Monate gültig ist; danach beginnt die Illegalität).

Zu dem neuen Gesetz läßt sich feststellen, daß es die Möglichkeiten der Legalisierung für die neu Eingewanderten erschwert, und die Rechte der sogenannten Illegalen einschränkt, bis hin zur Einschränkung von Grundrechten, während gleichzeitig diejenigen, denen es nicht gelungen ist, ihren Aufenthalt und ihre Arbeitstätigkeit ab einem bestimmten Datum in Spanien mit Papieren zu belegen, zu Illegalen gemacht werden, die von Abschiebung bedroht sind. (Eine Analyse des neuen Gesetzes würde zu einem genaueren Verständnis der Absichten der Regierung führen und ein Licht auf die spanische Immigrationspolitik werfen, aber dies würde über den Anspruch dieser Zeilen hinausgehen). Das vorliegende Gesetz soll die Repression des Staatsapparats auf die Einwanderung verstärken. Es versucht, die Ankunft neuer ImmigrantInnen durch Abschreckung zu verhindern, und es soll die Kriminalisierung der ohne Papiere Eingewanderten (die im Jargon des Staates Illegale genannt werden) erleichtern. Dieses neue Gesetz ist von der Opposition (PSOE) abgelehnt und von humanitären Organisationen kritisiert worden. Dies entspricht jedoch weitgehend dem politischen Gebrauch der Einwanderung durch Politiker und Professionelle, denn sie alle, die Humanitären eingeschlossen, fordern, die Einwanderung zu regulieren und rechtliche Instrumente zu schaffen, die einen geordneten Fluß der Einwanderung erlauben. Wie dem auch sei, die Regierung hat ihrerseits ein Gesetz durchgebracht, das schwer umzusetzen ist. Durch diesen Akt unterliegen nun eine Menge Leute der Abschiebungsverfügung (nach Presseeinschätzungen liegt ihre Zahl zwischen 30 000 und 100 000; vertrauenswürdige Zahlen gibt es nicht). Das bedeutet, daß diese »Illegalen« zu jedem Zeitpunkt von der Polizei festgenommen und nach dem Schnellverfahren, das das neue Gesetz vorsieht, abgeschoben werden können. Davon sind diejenigen ImmigrantInnen betroffen, die aus Ländern kommen, mit denen die spanische Regierung Abschiebeabkommen hat. In anderen Fällen besteht die einzige Möglichkeit darin, sie 40 Tage lang in den »Aufnahmezentren« (sprich: Haftzentren) festzuhalten. Nach Ablauf dieser Internierungsfrist werden die weiterhin illegalen ImmigrantInnen freigelassen, bis zur nächsten Festnahme, nach der die Prozedur wieder von vorne anfängt.

Zu dieser Illegalisierung von Menschen durch die Regierung kommt im Fall der ImmigrantInnen, die an Besetzungen und Hungerstreiks teilnehmen, eine neue »Illegalität« hinzu: sie besteht in ihrer Versammlung, denn das Gesetz spricht den »Illegalen« das Recht ab, sich zu versammeln oder Vereinigungen zu bilden. Von daher ist die Aktion der Eingewanderten eine Kraftprobe mit der Regierung, die sich auf dem Rückzug befindet: der Bürokrat, der im Innenministerium für Einwanderungsfragen zuständig ist, hat an demselben Tag, an dem das Gesetz verabschiedet wurde, erklärt, »daß dies natürlich nicht bedeutet, daß die Polizei jetzt anfängt, Illegale zu jagen«. Eine merkwürdige Situation: die Regierung, die mithilfe ihrer Mehrheit im Parlament dieses Gesetz hat verabschieden lassen, gibt zu, daß sie es nicht umsetzen wird. Politologen meinen, daß dieses Gesetz ein Zugeständnis an den extrem rechten Flügel der Partido Popular war, daß aber nicht wirklich der Wille vorhanden ist, es in seiner ganzen Härte anzuwenden. Möglicherweise ist das so, obwohl das die absurde Situation nur oberflächlich erklärt.

Tatsächlich gibt es andere Gründe, die mit dem Druck zusammenhängen, den die Unternehmer der Verwaltung machen, und die die Unfähigkeit von Staat und politischem System, mit der Frage der Einwanderung umzugehen, besser erklären. Es geht vor allem um das Spiel zwischen der Nachfrage nach billiger Arbeitskraft auf dem Land (und sicher nicht nur auf dem Land) und dem Aufrechterhalten eines gewissen Grades an Regierbarkeit und sozialem Frieden (z.B. dem Vermeiden von fremdenfeindlichen Ausbrüchen), was die Regierung dazu zwingt, das schwierige Gleichgewicht herzustellen zwischen einer repressiven Politik einerseits, die versucht, destabilisierende Effekte auf das soziale Klima im Land, die durch Einwanderung entstehen können, zu verhindern, und andererseits den Bedürfnissen des Kapitals, das diese Wanderbewegungen schürt. Zur gleichen Zeit, zu der die Regierung das Gesetz auf den Weg bringt, und die ImmigrantInnen ihre Mobilisierung, fordern die Unternehmer vom Innenministerium eine langfristige und schnellere Ausgabe von Papieren an ImmigrantInnen, da die legalen ImmigrantInnen nicht ausreichen, um die Ernte einzubringen. Nach dem Tod der zwölf Arbeiter aus Ecuador wurden die Kontrollen durch die Verwaltung verschärft, und Unternehmer, die Arbeiter ohne Papiere beschäftigten, mußten Bußgelder bezahlen. Scheinbar ist das ein Widerspruch - die Regierung erläßt Gesetze gegen die Unternehmer - aber die Realität sieht anders aus. Die Existenz eines illegalen Arbeitsmarktes erhöht die Wettbewerbsfähigkeit der spanischen Landwirtschaft, vor allem der Kleinbetriebe. (Man kann einen Arbeiter für 5000 Peseten / ca. 60 Mark bekommen für einen Arbeitstag von zehn bis zwölf Stunden, und sogar für noch weniger, wenn es sich um einen verzweifelten Arbeiter ohne Papiere handelt). Aber selbst das ist meiner Ansicht nach nicht das Wichtigste. Der Hintergrund für diesen scheinbaren Interessensgegensatz zwischen Regierung und Unternehmern ist die Tatsache, daß für den Unternehmer der kurzfristige Vorteil zählt. Demzufolge können die Unternehmer unter den derzeitigen Umständen den gesetzlichen Lohn zuzüglich der Sozialversicherung bezahlen, und trotzdem große Gewinne machen. Deshalb, und auch, weil die industrialisierte Landwirtschaft eine just-in-time Arbeitsorganisation erfordert, machen die Unternehmer der Regierung Druck, eine Situation zu regeln, die sich negativ auf die Ernte auswirken könnte. Für die Regierung geht es im Gegenteil darum, den Anstieg der Sozialkosten zu vermeiden; also das Anwachsen der Masse von immigrierten LohnarbeiterInnen zu vermeiden, die zum gegebenen Zeitpunkt z.B. Wohnungen und Arbeitslosenunterstützung fordern könnten, oder Rechte auf demselben Niveau wie die der SpanierInnen.

Auf der anderen Seite fehlt eine grundlegende Analyse der Einwanderung in Spanien. Laut offiziellen Zahlen (Arbeits- und Sozialministerium) gab es Ende letzten Jahres in Spanien 607 057 erfasste ImmigrantInnen. Zu diesen müssen diejenigen ohne Papiere hinzugezählt werden, deren Zahl selbstverständlich unmöglich zu erfassen ist. Das bedeutet aber nicht, daß das Verhältnis ähnlich wie in anderen Ländern der EU ist. Im Gegenteil, es handelt sich hier um ein relativ neues Phänomen, das sich auf bestimmte Regionen konzentriert, und wo verschiedene Formen von Einreise und Integration in den Arbeitsprozeß zu finden sind. Für Lateinamerikaner (unter denen es auch nochmal Unterschiede gibt) sieht die Lage anders aus als für Maghrebiner, Zentralafrikaner, Pakistanis, Osteuropäer, usw. Auch wenn die Einwanderung oft unter der Rhetorik des Kulturellen betrachtet wird, taucht im Hintergrund immer wieder die Frage der Ausbeutung und der Verteilung des Reichtums auf. In Spanien ist seit einiger Zeit eine Art Neuzusammensetzung der Lohnarbeiterschichten im Gange, wobei die eingewanderten ArbeiterInnen auf der untersten Stufe und immer häufiger in bestimmten Sektoren anzutreffen sind. Um dieses Phänomen verstehen zu können, müsste man die weitgehenden Veränderungen, die es in der sozialen Reproduktion gegeben hat, erklären können. Welcher Anteil des Bruttosozialprodukts wird durch die Überausbeutung der eingewanderten Männer und Frauen erwirtschaftet? Anscheinend findet die internationale Arbeitsteilung eine Art Entsprechung auf lokaler Ebene, oder wie wäre sonst zu erklären, daß für die Olivenernte in Jaen bei einer offiziellen Zahl von 20 000 Arbeitslosen auf die Arbeitskraft von 4000 marrokanischen Zeitarbeitern zurückgegriffen werden muß? Und inwieweit tragen die Gelder der EU dazu bei, eine Vetternwirtschaft zu schaffen und eine soziale Basis von »inländischen« Arbeitern, die bereit sind, die fremdenfeindliche Politik der Regierung zu legitimieren?

Es gibt noch einen weiteren Punkt, der nicht vernachlässigt werden darf. Die Deregulierung der Wirtschaft hat zum Auftauchen von neuen Berufen geführt, die als illegal bezeichnet werden, und zur Weiterentwicklung anderer Aktivitäten, die traditionell außerhalb des Gesetzes standen. Es geht hier um Mafias und um Aktivitäten im Zusammenhang mit Drogen- und Menschenhandel. Der Profit wird aus der Tatsache der Illegalität gezogen. So wie der Drogenhandel hat sich auch der Handel mit ImmigrantInnen zu einem Sektor mit hoher Akkumulationsrate entwickelt, bis zu dem Punkt, daß er wiederum das Interesse der Mafias auf sich zieht, die traditionell im Drogenhandel tätig waren. Ende Dezember berichtete die spanische Presse über die Zerschlagung von 290 Schleuserringen (von denen 77 auf die sexuelle Ausbeutung von Frauen spezialisiert waren, ein Geschäft, das riesige Gewinne abwirft), sowie von 911 Festnahmen. Wenn das Aufrechterhalten von illegalen Bereichen ein notwendiges Element in der kapitalistischen Entwicklung ist, ist es im Fall der Ausbeutung von eingewanderten ArbeiterInnen für die Händler illegaler Arbeitskraft eine Quelle »ursprünglicher Akkumulation«, bei der die Gewinne schwer zu quantifizieren sind, aber zweifellos höher liegen als bei vielen Betrieben. Da sie wieder in den Kreislauf der legalen Ökonomie eingehen, tragen sie zur Dynamisierung der Wirtschaft eines bestimmten Sektors oder einer Region bei. Diese Entwicklung steht anscheinend gerade erst am Anfang. Solange Spanien eine Wachstumsrate von mehr als 3% pro Jahr hat; solange eine Haushaltshilfe aus Ecuador (die täglich so lang arbeitet, wie es von ihr verlangt wird) in einem Monat so viel verdient, wie sie in ihrem Land im Jahr verdienen würde; solange SpanierInnen die Möglichkeit haben, die Arbeitsangebote bei der Landarbeit, auf dem Bau und sonstwo abzulehnen, wird der Arbeitsmarkt seine Anziehungskraft für die ärmsten ArbeiterInnen von anderswoher behalten. Das bedeutet, daß der neoliberale Diskurs in gewisser Weise recht behält. Solange die Arbeitslosenunterstützung für SpanierInnen höher liegt als die Löhne, die für die schlecht bezahlten Tätigkeiten geboten werden, werden spanische ArbeiterInnen darauf verzichten, mit den Eingewanderten auf den Arbeitsmärkten zu konkurrieren. Um diese Situation in dem Sinne zu ändern, daß die Arbeitsplätze, die zur Zeit von ImmigrantInnen besetzt sind, für spanische ArbeiterInnen attraktiv werden, müßte der aktuelle Status Quo aufgebrochen werden, was nur möglich wäre durch eine Erhöhung der Löhne (die für spanische Produkte einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit zur Folge hätte) oder durch eine Senkung der Sozialleistungen, die SpanierInnen bekommen. Aber dann würde der soziale Frieden in Gefahr geraten, der durch die Geldzuwendungen des (wie ich das in einem früheren Artikel genannt habe) »Versteckten Wohlfahrtsstaates«, der in Spanien herrscht, erkauft wurde.

Nach der Integration von Spanien in die EU hat sich eine Tendenz zur Deregulierung des Arbeitsmarktes verstärkt, die sich in einer zunehmenden Prekarisierung bei den niedrigsten Tätigkeiten ausdrückt und im Verlust von Rechten, die in den Kämpfen der 70er Jahre durchgesetzt wurden. Löhne und allgemeine Arbeitskosten sind infolge des allgemeinen Umstrukturierungsprozesses von produktivem Kapital und Dienstleistungen in diesen Jahren gesunken. Dadurch sind Gewinnspanne und Kapitalakkumulation gestiegen, und auch die Verbreitung von Kleinunternehmen ( z.B. in der industriellen Landwirtschaft). Gleichzeitig wurde eine Reihe von Maßnahmen ergriffen (Subventionen für Kooperativen, für die Schaffung von Arbeitsplätzen, für die Betreuung von älteren Menschen, staatliche Arbeitsangebote für Arbeitslose, usw.), um die Folgen dieser Umstrukturierung / Deregularisierung abzumildern. Dies erklärt den Mangel an spanischen Arbeitskräften bei den härtesten Arbeiten (u.a. auf dem Land und auf dem Bau). Wenn gleichzeitig eine Arbeitskraft existiert, die völlig ungeschützt ist (nach Angaben der Aufsichtsbehörde sind 36% der Arbeitsverträge betrügerisch), die weniger Rechte hat und ständig Angst vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses oder, noch schlimmer, der Abschiebung haben muß, dann ist klar, daß diese eine notwendige Funktion im Produktionsprozeß erfüllt, die schwerlich durch andere Maßnahmen mit größeren Wettbewerbsvorteilen ersetzt werden kann. Zumindest die Agrarunternehmer in der Gegend von Murcia (wie vorher die in El Ejido) haben das verstanden, als sie von der Regierung die Erfüllung ihrer Forderungen verlangt haben, nämlich die Bereitstellung ausreichender Arbeitskraft zu »wettbewerbsfähigen« Bedingungen, um den Produktionsprozeß ohne die Unwägbarkeiten von Mobilisierungen fortführen zu können. Aber die Sache ist nicht so einfach, wie sie aussieht. Die Einwanderungspolitik ist nicht eine rein verwaltungstechnische oder rechtliche Frage, der man mit mehr oder weniger humanitären Mitteln begegnen kann.

Die Regierung versucht ihrerseits, mit den Herkunftsländern der ImmigrantInnen Abkommen zu schließen über eine Regulierung der Ströme, wie es im Journalistenjargon bezeichnet wurde, etwa in der Art wie in der Nachkriegszeit in Europa, zu Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs. Aber die Umstände sind heute andere. Für die Technokraten und Kapitalisten (einschließlich der Gewerkschaften) wäre es der Idealfall, wenn sie über temporäre Arbeitskraft verfügen könnten, die so lange bleibt, wie es erforderlich ist, und danach zurückgeschickt wird. Das ist das Einzige, was den Politikprofis zum Phänomen der Einwanderung einfällt: eine technische Sichtweise und ein Arbeitskraftservice à la carte. Tatsächlich haben die Unternehmer in Lérida (Katalonien) letzten Sommer für die Obsternte marokkanische Frauen eingestellt, die nach Abschluß der Ernte in ihr Land zurückgeschickt wurden. Aber die meisten Arbeiter, die hier ankommen (v.a. aus Lateinamerika, Schwarzafrika und Asien), kommen aus Ländern, die durch Kriege, durch kapitalistische Ausplünderung und durch von der Internationalisierung des Kapitals verursachte Armut zerstört sind, und sie haben das Ziel zu bleiben, ihre Familien nachzuholen und zu versuchen, sich in Spanien oder Europa, in dieser reichen und ruhigen Ecke der Welt, eine neue Existenz aufzubauen. Wieder einmal steht die Logik des Kapitals (und die des Staates) gegen die grundlegenden Überlebensbedürfnisse der Menschen, in diesem Fall der Eingewanderten.

Aus allen erwähnten Gründen können die ausländischen Arbeiter zur Zeit nur auf sich selbst zählen. Sie haben keine andere Chance als die, aus ihren Kämpfen zu lernen. Ihre Aktionen lassen sie an den Arbeitsplätzen gesellschaftlich sichtbar und sich ihrer tatsächlichen Macht bewußt werden, da ihre Streiks unmittelbar spürbare Auswirkungen haben. Im Hintergrund steht nach wie vor die Frage der enormen Ungleichheit zwischen der Produktion und der Verteilung des Reichtums, in der ganzen Welt, und auch sozial (zwischen den Klassen) - eine Polarisierung, die dem Prozeß der kapitalistischen Entwicklung selbst entspringt. Von daher sind die ganzen Widersprüche, die absurden, rassistischen und fremdenfeindlichen Maßnahmen der Staaten nur die Folge der Unmöglichkeit, die Migration zu kontrollieren und zu beherrschen. Sie bringt eine Problematik mit sich, die weit über eine technokratische Konzeption der sozialen Frage hinaus geht.

C., Barcelona, 27. Januar 2001

PS. Freitag nachmittag (26. Januar) sind etwa 2-3000 Menschen einem Aufruf der Versammlung »Papiere für alle« (die die Besetzungen in den Kirchen macht) zu einer Solidaritätsdemonstration in Barcelona gefolgt. Abgesehen von den ImmigrantInnen (v.a. aus Pakistan) gehören sie größtenteils zur Solidaritätsbewegung der katholischen Kirche oder zur Gewerkschaft CGT, oder es sind Jugendliche, Gruppen und Einzelpersonen aus der (außerparlamentarischen) Linken. Dieser Aufruf hat in gewisser Weise symbolische Bedeutung, denn eine zahlreiche Beteiligung würde Druck auf die Regierung ausüben (die von der Aktion der ImmigrantInnen überrollt wird). Aber die sogenannte »Zivilgesellschaft« (und besonders ihre Repräsentanten) halten sich fern. Als sich Verhandlungen anbahnten, wollte die katalonische Autonomieregierung die Rolle des Vermittlers zu den ImmigrantInnen spielen und hat Verhandlungen mit ihren Vertretern eingeleitet. Die Techniker der Regierung versuchten sich in Manövern, um die Bewegung auseinanderzubringen, die jedoch angesichts der Entschlossenheit der BesetzerInnen vom ersten Moment an scheiterten. Die Gewerkschaften und Parteien haben sich dagegen nicht auf der Straße blicken lassen. Die politische Rentabilität dieser Frage ist absolut gering. Sich in einen dramatisch realen Kampf wie den Hungerstreik der ImmigrantInnen einzumischen, würde außerdem Fragen aufwerfen, die zu naheliegend und kompliziert sind... da ist die »Solidarität mit Bosnien« natürlich vorzuziehen, oder die Solidarität mit irgendwelchen Leuten, Hauptsache sie sind nicht hier bei uns.

PS 2. Die Mobilisierung der ImmigrantInnen gegen das Ausländergesetz ging im Februar weiter, mit der Ausweitung der Besetzungen und mit Versuchen, sie landesweit zu koordinieren. Anfang Februar brachte eine Solidaritätsdemonstration mit den ImmigrantInnen und ihren Besetzungen in Barcelona mehrere zehntausend Leute zusammen. Inzwischen kam es zu Verhandlungen und zur Vermittlung durch den Defensor del Pueblo (Ombudsman). Schließlich bequemte sich die Regierung dazu, 61 000 Legalisierungsanträge, die abgelehnt worden waren, erneut zu überprüfen. Die Mehrheit der BesetzerInnen fiel unter diese Ablehnungen. Mit dem Zugeständnis der Regierung wurden die Kriterien für die Regularisierung erweitert (Nachweis der Integration, humanitäre Gründe und besondere Umstände), aber es läßt Tür und Tor für Willkür bei der Auslegung und bei der Ausstellung von Papieren offen. Diese Maßnahme kann als ein Zurückweichen der Regierung angesehen werden, das zum Ziel hat, Zeit zu gewinnen, den wachsenden Konflikt (die Besetzungen) zu entschärfen, und einen möglichen Arbeitskraftmangel in der Landwirtschaft zu verhindern (z.B. wegen des Anfangs der Erdbeerzeit). Trotzdem hat die Regierung sich als völlig unfähig erwiesen, der Realität der Immigration etwas entgegenzusetzen. Dies wurde deutlich durch die Improvisation bei den Maßnahmen, wie im Fall der EcuadorianerInnen, denen sie vorschlug, nach Ecuador zurückzukehren, und dort die Rückkehr nach Spanien zu beantragen. Als dann nach ersten Anlaufschwierigkeiten massenhaft solche Anträge gestellt wurden, »merkten« die Verantwortlichen in der Regierung, daß sie das Geld für die Reisekosten der Antragsteller nicht hatten. Man bekommt den Eindruck, daß die Regierung versucht hat, eine Situation zu beenden, die zunehmend außer Kontrolle geriet, ohne aber die Frage von Grund auf anzugehen. Trotz allem nimmt die Verwaltung eine widersprüchliche Haltung zur Immigration ein. Einerseits erarbeitet sie offen repressive Gesetze, während sie andererseits einen Toleranzspielraum läßt, der die Ausbeutung von ImmigrantInnen ohne Papiere begünstigt. Damit wird die Kontrolle über die Arbeitskraft der ImmigrantInnen, egal ob mit oder ohne Papiere, den Gemeinden und den Unternehmern vor Ort überlassen, was zu Segregation, Repression und verschärfter Ausbeutung führt.

Es ist schwer vorherzusagen, was das Ergebnis der Regularisierung bei den Anträgen sein wird, die erneut überprüft werden, da alles von dem Versprechen der Regierung abhängt, die neuen Vorausetzungen der Regularisierung »großzügig auszulegen«. Der negative Präzedenzfall ist El Ejido, wo ein Jahr nach den fremdenfeindlichen Krawallen noch keine der Vereinbarungen, die mit den ImmigrantInnen getroffen wurden, erfüllt ist, und wo sich die Situation verschlechtert hat. Es wird der Regierung aber nach der Mobilisierung im Januar aufgefallen sein, daß der Konflikt diesmal die Grenzen der örtlichen Kontrolle der Ausgebeuteten überwunden hat, und daß - bei allen Einwänden - zum ersten mal eine allgemeine Mobilisierung von ImmigrantInnen stattgefunden hat, die eine soziale Realität zum Vorschein bringt, über die man nicht mehr hinwegsehen kann.


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