Wildcat-Zirkular Nr. 59/60 - Juli/August 2001 - S. 28-29 [z59hhsee.htm]


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Seeleutestreik in Hamburg - Juni 2001

Die enorme Ausweitung der internationalen Arbeitsteilung und des Welthandels findet auf dem Rücken der Arbeiter im Transportsektor statt. Die Arbeitsbedingungen auf See sind besonders trübe - die Möglichkeit, sich zu wehren, beschränkt sich im allgemeinen auf den Moment, wo das Schiff im Hafen liegt. Auf offener See ist es schwierig, auszusteigen ... Zudem sind die Reeder, trotz aller Konkurrenz, gut organisiert, wenn es darum geht, Seeleute, die sich aufgelehnt haben, auf schwarze Listen zu setzen.

In den Häfen sind die Seeleute aber auf die Solidarität der Hafenarbeiter angewiesen. Im Rahmen von Aktionstagen der Internationalen Transportarbeiter Föderation ITF werden regelmäßig Schiffe boykottiert, die nicht einen Mindest-Tarifvertrag mit der ITF abgeschlossen haben. Inwieweit die Reederei dann aber diese Tarifverträge einhält, darüber gibt es wenig Kontrolle.

Mitte Juni lag am Getreideterminal Hamburg (GTH) das Schiff »Free Atlas« der griechischen Reederei »Free Ships S.A.«. Die Heuerverträge der philippinischen Besatzung liefen in Hamburg aus. Für eine 48-Stundenwoche plus 100 Überstunden im Monat erhielten sie 532 Dollar. Wie sie selber sagten, ging es ihnen aber nicht so sehr um das Geld, sondern um »Gerechtigkeit«. Sie wollten die Reederei für die äußerst miesen Bedingungen zur Rechenschaft ziehen. Das Trinkwasser war derart verschmutzt, daß mehrere Besatzungsmitglieder erkrankt waren; zudem wurden sie geschlagen. So riefen sie das örtliche ITF-Büro an und weigerten sich zunächst, das Schiff zu verlassen und die neue Crew an Bord zu lassen. Die Funktionäre der ÖTV rauschten auch an und organisierten die Medien»arbeit«, mit dem Ziel einen Tarifvertrag mit »Free Ship« durchzusetzen. Nachdem der Betriebsrat von GTH sich weigerte, die Arbeit einstellen zu lassen, setzten sie ihre Hoffnung auf die Gerichte. Würde die neue Crew an Bord kommen während die alte noch da sei, so wäre das Schiff überbesetzt (Zahl der Rettungsbootssitze etc), und dürfte nicht auslaufen. Weitergehende Aktionen wie z.B. Kranbesetzungen wollten sie nicht machen, da sie Regreßforderungen fürchteten. Die Arbeiter von GTH direkt mit ihrer Streikbrecherarbeit zu konfrontieren und Diskussionen mit ihnen einzufordern, war auch nicht ihr Ding. Im Gegensatz zu den großen Containerterminals ist GTH eine kleine Firma, wo die Angst um den eigenen Arbeitsplatz noch eine andere Rolle spielt. Dementsprechend scheiterte die ganze Aktion. Die neue Crew kam an, die alte Besatzung wurde ins Flugzeug gesetzt. Die ITF will aber die Reederei jetzt auf ihre eigene Schwarze Liste setzen und bei zukünftigen Aktionen ihr Augenmerk auf sie richten.

Kurzfristig hatten wir am Freitag von dem Streik erfahren und sind dann am Samstag dort hin gefahren. Dummerweise haben wir es nicht geschafft, ein paar mehr Leute zu mobilisieren, so daß wir nicht mehr tun konnten, als Essen vorbei zu bringen und mit den Seeleuten zu reden. Bezeichnend war der Unterschied zwischen dem, was die Leute selber erzählten, und dem, was die ÖTV-Funktionäre daraus machten. Sagten die Seeleute, daß es ihnen in erster Linie darum ging, sich gegen die alltäglichen Erniedrigungen und Schikanen zu wehren, wurde in der Öffentlichkeit ein Kampf um den ITF-Mindestlohn daraus. Hatten sie selber versucht, von den Hafenarbeitern Solidarität einzufordern und mit ihnen über die Arbeitsbedingungen geredet, so wurden sie darin nicht ernstgenommen und unterstützt, sondern es wurden Presse eingeladen und Rechtsanwälte beauftragt. So daß wieder der arme kleine Filipino zurückblieb, der unser Mitleid verdient. Aber das ist ja nichts Neues, entscheidend ist es, daß wir uns auch wieder verstärkt in Kämpfe einmischen und das tun, was die Gewerkschaft verhindern will.


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