Wildcat-Zirkular Nr. 61 - Januar 2002 - S. 37-47 [z61lagek.htm]


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Weiterhin krank

90er Jahre: wenig Entwicklung in den Ausbeutungsverhältnissen des Kapitalismus in Deutschland

Die Produktivität ist hoch, der Produktivitätszuwachs gering: Nach wie vor ist der Kapitalismus in Deutschland vom Krankheitsbild der Eurosklerose befallen - also der Verkrustung von sozialen Verhältnissen aller Art, von denen behauptet wird, sie seien im Musterland des (Neo-)Liberalismus, den USA, schon längst aufgebrochen. Es gab auch hierzulande Veränderungen in den 90er Jahren, aber nur wenige und nuransatzweise. Darüber dürfen die vielen Schlagwörter und Propagandawellen - von Gruppenarbeit zur Globalisierung - nicht hinwegtäuschen. Im Gegenteil, gerade die Atemlosigkeit, mit der sich die Schlagwörter abwechselten, beweist ihre weitgehende Wirkungslosigkeit in der Ausbeutungspraxis einerseits, und andererseits ist die wesentliche Veränderung der 90er eine ideologische: Die »Arbeiter«klasse hat sich politisch vorübergehend abgemeldet, weil niemand mehr ArbeiterIn sein will.

Das Aufregendste in den 90ern waren die Veränderungen in den fünf neuen Bundesländern (FNL), mit der Deindustrialisierung, den massenhaft vorkommenden Brüchen in Lebensgeschichten, der Intervention des »Sozialstaats«, der dort alle möglichen neuen Formen von Arbeit und Arbeitsverhältnissen ausprobiert oder entwickelt hat, neue Formen allerdings, die sich bis jetzt doch nur am Rande befinden. Das Verhältnis Ost-West gehört noch immer zu den spannendsten Auseinandersetzungen innerhalb der Arbeiterklasse. Die Lebensbedingungen gleichen sich langsam, sehr langsam an. Das ist direkt dem Staat zu verdanken, der größere Unterschiede auf dem Markt abschwächt, indirekt aber wohl auch den Kämpfen wie in Bischofferode u.a. und dem anfangs eher zurückhaltenden Arbeitsverhalten. Es gibt immer noch genug Gründe für die Statistiker, zwei getrennte Listen zu führen. Auf der anderen Seite mag das Vorhandensein des Arbeitskräftepotentials der FNL auch größere Entwicklungen in Deutschland-West verhindert haben. Schätzungsweise eine halbe Million sind im Saldo nach Westdeutschland gezogen; wie viele zur Zeit täglich oder wöchentlich pendeln, ist mir nicht bekannt, aber sie mindern etwas den Facharbeitermangel und möglicherweise auch den mit Mangel normalerweise einhergehenden Anstieg der Löhne.

Vom Anschluß der DDR und seinen Direktfolgen abgesehen haben wir alles in allem ein Jahrzehnt mit wenig Veränderungen hinter uns. Auf vielen Ebenen gibt es noch immer sowas wie eine Hängepartie, zu deren produktiver Auflösung ganz andere Maßnahmen notwendig scheinen. Das betrifft die durch den Staat vermittelte relative Gleichheit in Bezug auf Wohlstand/Einkommen; das betrifft die Produktivität der Arbeit und die nur ansatzweise stattgefundene Neuzusammensetzung.

Es gab wenig Kämpfe; die Zahl der Streiktage (pro 1000 Beschäftigte) lag in den 70ern bei 52, in den 80ern bei 27 und in den 90ern bei 12 mit fallender Tendenz während des Jahrzehnts (im Vergleich etwa Griechenland und Spanien mit je 300; Österreich, Japan mit 4) [1]. Der Krankenstand ist kontinuierlich gefallen (im Osten von einem sehr niedrigen Niveau aus gestiegen, um heute etwas höher zu sein als im Westen) [2].

Dennoch sind im Westen die Bruttoreallöhne etwa gleich geblieben, während die Nettoreallöhne gefallen sind - der Staat finanziert sich über die Einkommenssteuer und über Lohnabgaben [3]. Im Osten sind die Löhne gestiegen. Die Einkommen über den Markt sind unterschiedlicher geworden - etwa zwischen ArbeiterInnen und Angestellten oder zwischen regulären ArbeiterInnen und Prekären. Die tatsächlich verfügbaren Haushaltseinkommen sind allerdings tendenziell etwas gleicher geworden, v.a. über die staatlichen Zuwendungen im Osten.

Tatsächlich scheint die Zahl der »blauen ArbeiterInnen« im Großen und Ganzen gleich geblieben zu sein; das bedeutet allerdings einen relativen Rückgang, weil die Zahl der Erwerbspersonen um 1 Million (auf 40 Millionen) zugenommen hat. Zugenommen an Zahl und Gewicht hat der Dienstleistungssektor. So haben etwa die Berufsgruppen der »Professionals« (AkademikerInnen oder Gleichgestellte; Freiberufler) um 1 Million, die VerkäuferInnen um eine halbe Million zugenommen [4].

Der sog. »Dienstleistungssektor« ist natürlich eine statistische Größe, mit der man nix anfangen kann. Zum Teil gehört er direkt zur Fabrik, industrielle Dienstleistungen etwa oder die Leiharbeiter, die Putzkolonnen oder ein Teil der Sicherheitskräfte. Und zu einem anderen Teil unterliegt er selbst einer Tendenz zu einer fabrikmäßigen Organisierung der Arbeit, etwa im Gesundheitsbereich, im Transportgewerbe oder jüngst bei den CallCentern.

Im »Dienstleistungssektor« werden Modelle entwickelt bzw. ausprobiert, die so oder so auf die Gesellschaft ausstrahlen, mit anderen Worten, der Dienstleistungssektor war das dynamischere Terrain der Auseinandersetzung um die Arbeit. Befristungen, Leiharbeit, Selbstständigkeit, geringfügige Beschäftigung, kommunale Zwangsarbeit - aber auch, und vielleicht als gesellschaftliches Leitbild viel wichtiger, die angeblich so hochmotivierenden und so hochbezahlten Jobs in der IT-Branche.

Man darf die allgemeine Flexibilisierung nicht überschätzen. Immer noch arbeiten 2/3 aller abhängig Beschäftigten im Normalarbeitsverhältnis [5], also auf einer unbefristeten Vollzeitstelle. Am wichtigsten sind die Befristungen, sie haben im Westen von 5 auf 7 Prozent, im Osten von 10 auf 13 Prozent zugenommen [6]. Am stärksten gewachsen ist die Leiharbeit, aber mit etwa 600 000 Betroffenen im Jahr 2000 immer noch auf niedrigem Niveau [7]. Die leichte Zunahme der Selbstständigkeit hat die Abnahme der Zahl der Landwirte nicht kompensiert.

Die leichte Abnahme der Zahl der aktiven ArbeiterInnen könnte im wesentlichen dem Rückgang der Bauindustrie geschuldet sein, so daß ich davon ausgehe, daß die Zahl der Fabrikarbeiter gleich geblieben ist; auch wenn sich eine leichte Verschiebung z.B. in Richtung Leiharbeit, Wartung durch Fremdfirmen etc. ergeben hat.

Abgenommen hat nicht die pure Größe, wohl aber ihre Bedeutung im gesellschaftlichen Diskurs. Ihr erinnert Euch, wir mußten in der zweiten Hälfte der 90er sogar manchmal den Leuten erklären, daß es nach wie vor Fließbänder gibt...

Die Veränderungen in Bezug auf Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse, der Arbeit, sind mehr Schein als Sein, d.h. es gab viel Propaganda um Dienstleistungssektor, Flexibilisierung, Gruppenarbeit und dergleichen, aber die wesentlichen Veränderungen kommen dabei eher daher, daß diese Propaganda auch tatsächlich jeweils geglaubt worden ist. Nicht aus Dummheit, sondern weil sich Ängste und Hoffnungen damit verbinden ließen: und das hat dann zu wirklich interessanten Entwicklungen geführt -niemand will mehr ArbeiterIn sein, die alte Kollektivität (einer für alle, alle für einen) ist ziemlich verschwunden. Die Gesellschaft hat sich individualisiert - außer möglicherweise der Communitybildung entlang von Ethnien oder Kulturen.

Seit dem Beginn der 1974 (also kurz nach den 73er Streiks) vom Staat angeschobenen »Humanisierung der Arbeitswelt« haben wir verschiedenste Versuche gesehen, das Produktionsregime und die Arbeit zu »modernisieren«. Zuerst die Automatisierung in Richtung »menschenleerer Fabrik«, dann Gruppenarbeit, dann Lean Production (Kostensenkung, Outsourcing), dann Business Reengineering und Nachhaltigkeit, dann wieder Automatisierung mithilfe des PC, zuletzt Rezentralisierung der Informationen mittels R3 [8].

Begleitet war dies immer durch jeweils wechselnde Propagandahypes auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene, von Auslagerung, Rationalisierung, Postmodernität, Standortdebatte, Verlagerung nach Ungarn oder China, Globalisierung, Neoliberalismus, Krisendebatte bis hin zur New Economy. Kann sich noch jemand an Kaizen und Kanban [9] erinnern? Propagandawellen, die eindeutig dazu da waren, Angst zu verbreiten. Aber sie mögen auch die tatsächlich verzweifelte Stimmung von Teilen des Kapitals, einen Ausweg aus der Sklerose und etwas Neues zu finden, ausdrücken. Und zum Teil wurden aber auch Erwartungen bei den Beschäftigten geweckt, die nicht erfüllt worden sind.

Alles in allem, nichts davon hat geholfen. Immer war es mehr Schein denn Sein; immer war die Propaganda mächtiger als die Wirklichkeit. Das will nicht sagen, daß nichts gewesen ist. Propaganda funktioniert nicht ohne realen Bezug. Es gab Versuche, viele, viele. Auslagerung nach China oder Polen, die z.T. wieder zurückgenommen wurde. Gruppenarbeit in der Automobilindustrie, die als kurzfristiges Kostensenkungsprojekt natürlich nicht die Erwartungen der Beteiligten erfüllen konnte. Roboter, die zwar die Lackierer arbeitslos machten, aber Roboterwartungsfachkräfte erfordern. Die Automatisierungswelle der 90er usw.

Alles mögliche wurde ausprobiert, eingeführt, wieder abgeschafft oder zurückgenommen, oder brach zusammen, ohne daß es einen wirklichen Durchbruch in der Produktivität gegeben hat.

Dennoch lassen sich natürlich Veränderungen festhalten, die in ihrer Bedeutung diskutiert werden müssen.

1990 lebten ca. 5,3 Millionen Menschen ohne deutschen Pass im Bundesgebiet, 1996 ca. 7,3 Millionen, d.h. es gab ne Steigerung bis ca. 74, dann blieb es relativ konstant bis etwa 88, erst dann nimmt es wieder rapide zu. Seit 96 allerdings nimmt diese Zahl nicht mehr zu, 97 hat sie sogar leicht abgenommen.

Von 89 bis 95 gab's eine Zuwanderung von 8,5 Millionen und eine Abwanderung von 4,6 Millionen, also plus 3,9 Millionen, inklusive von mehr als zwei Millionen Spätaussiedlern [11].

Es gibt nach wie vor große Unterschiede in der gesellschaftlichen Rolle von »InländerInnen« und »AusländerInnen«:

Die Arbeitslosigkeit bei »Ausländern« ist fast doppelt so hoch.

Erwerbstätigkeit bei Jugendlichen: die ist insgesamt gesunken, aber v.a. bei Jugendlichen mit anderem Pass. Während 16,5% der 15-24jährigen keinen deutschen Paß haben, stellen sie in dieser Altersgruppe 35,3% der Arbeitslosen und zusätzlich 43,6% der Nichterwerbspersonen. [12]

»Ausländer« haben deutlich weniger Zugang zu moderner Kommunikationstechnik: nur 10% von ihnen nutzte 2000 das Internet zuhause (gegenüber 16% insgesamt), nur 38% (gegenüber 44% bei Deutschen) hatten einen PC [13].

FabrikarbeiterInnen u.a. rekrutieren sich tendenziell immer mehr aus denen, die dem technischen und vor allem kommunikativen Fortschritt hinterherhinken, also:

Daher auch der Facharbeitermangel. Es ist nicht so sehr ein Mangel an ArbeiterInnen mit Brief, sondern an FacharbeiterInnen, die dem technischen und kommunikativen Fortschritt zu folgen in der Lage sind. Wer schon in der Lage ist, einen modernen Facharbeiterberuf zu lernen, warum sollte der ihn lernen?? Entsprechend kriegt z.B. die BASF trotz ihrer anerkannt guten Ausbildung ihre Plätze nicht mehr voll; vom Handwerk ganz zu schweigen. Und die Klagen der Unternehmer über den Vorkenntnisstand der Lehrlinge häufen sich. Und wer als Elektriker in der Lage ist, SPS zu programmieren, wird mit relativ wenig Aufwand zum SPS-Programmierer...

Die Staatsquote am BIP war 2000 mit 45,6% relativ niedrig, das war aber ausschließlich eine Sache der UMTS-Milliarden; ansonsten fällt sie nur langsam und dümpelt immer noch knapp unter 50; während die Abgabenquote (Steuern und Abgaben) mit 43,2 ihren historischen Höhepunkt erreicht hat [15]. Es ist in den 90ern also kaum gelungen, dem deutschen Kapitalismus etwas mehr Neoliberalismus zuzufügen, das Krankheitsbild der Eurosklerose ist eher schlimmer geworden.

Das zeigt sich am besten an dem, was so gemeinhin als die Massenarbeitslosigkeit von 4 Millionen bezeichnet wird. Diese Arbeitslosigkeit, zusammen mit der in Kursen geparkten Zahl von Arbeitslosen, ist in Wirklichkeit zum größten Teil die staatliche Alimentierung und Einhegung all derer, die nicht (mehr) bei der Leistungsgesellschaft mitmachen wollen oder können. Nicht nur wir und ein paar andere Freaks leben von jahrelangen Arbeitsamtskarrieren, sondern, ich schätz mal, ca. 2,5 Millionen mindestens. Und es gibt Zahlen, die den Eindruck nahelegen, daß sich diese Zahl im Verlauf der 90er Jahre verdoppelt hat, während die sozusagen »normale« Arbeitslosigkeit gleich geblieben ist. Inwieweit sich dies mit einer zunehmenden Schwarzarbeit verbindet, muß auf der Ebene der Statistiken naturgemäß im Dunkeln bleiben. Wo wir das annehmen können, ist in den ethnisch oder kulturell selbstdefinierten Communities, aber das tatsächliche Ausmaß und die zugehörigen Arbeits- und Lebensbedingungen bleiben wichtiges Thema weiterer Untersuchung.

 

Potemkin bei der Bundesanstalt der Arbeit?
Auf den ersten Blick sieht das Wirken der BfA recht dynamisch aus, so schreibt z.B. der Datenreport des Statistischen Bundesamtes 1999 (Teil1, 3.8., S.99): »Von Januar bis Dezember 99 lag im früheren Bundesgebiet der Zugang an Arbeitslosen mit 4,8 Millionen Personen unter den Zugangszahlen des Vorjahres, ebenso konnten mit 5 Millionen auch weniger Personen ihre Arbeitslosigkeit beenden« Also selbst Statistikprofis fallen auf Zahlen der BfA rein, die den guten alten Potemkin erstaunen würden. Es handelt sich um eine seit ein paar Jahren etwa gleichbleibende Zahl von 7 Millionen Zugangsfällen und Abgangsfällen (BfA, Referat IIIa4) - die allerdings überhaupt nix mit »Personen« zu tun hat. Da werden nämlich z.B. Zugänge aus Krankheit genauso gezählt wie Wechsel des Arbeitsamtsbezirks und Meldeversäumnisse. Dennoch wird aus diesen Vorgängen z.B. die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit berechnet...
 
Tatsächlich haben sich 2000 etwa 3,5 Millionen Personen neu aus Erwerbstätigkeit (oder ohne vorher erwerbstätig gewesen zu sein wie Schulabgänger oder Hausfrauen) arbeitslos gemeldet, und selbst darunter dürften (etwa im Baubereich) viele Mehrfachnennungen sein. Und auch die Arbeitsvermittlung leistet weniger als gedacht: knapp eine Million mal wurde in eine Beschäftigung ohne Hilfe vermittelt, dazu kommen knapp 300 000 Rückkehrer und 1,2 Millionen, die sich selbst was gesucht haben. Außerdem sind ca. 300 000 ausgeschieden, meist wohl in Rente. D.h. der jährliche Turnaround ist niedriger als der Bestand.

Man kann auch so rechnen wie das Institut der deutschen Wirtschaft. Nach einer Haushaltsumfrage hatten sich von den über 4 Millionen vom Mai 99 nur 1,6 Millionen in den vergangenen vier Wochen aktiv um eine Arbeit bemüht - nur die hätten z.B. in den USA als arbeitslos gezählt. Von denen, die sich nicht bemüht hatten, wollten 39 Prozent (also knapp 1 Million) »ganz sicher nicht« zurück zur Arbeit... [16]

Das bedeutet aber, daß zur gleichen Zeit, wo der Staat (einschließlich der Sozialverwaltungen) weit über vier Millionen Menschen im arbeitsfähigen Alter alimentieren muß, auf dem aktiven Arbeitsmarkt in weiten Teilen Deutschlands in Wirklichkeit eine ziemliche Vollbeschäftigungssituation herrscht. Mehr als 20% der Betriebe im Westen und 15% im Osten geben an, Schwierigkeiten zu haben, Fachkräfte zu finden [17].

Also noch mal: in den 90ern hat sich relativ wenig getan, entgegen allem Schein. Viele politische Konjunkturen, viele Hypes, viele Schlagwörter und natürlich, das ist wahr, viele Versuche und Experimente und daraus auch beginnende Veränderungen, ein bisschen mehr an Flexi aller Art.

Die wichtigste Entwicklung, die ich sehe, ist eine politische: das Verschwinden der Arbeiterklasse aus dem Scheinwerferlicht - nicht als arbeitende Klasse, wohl aber als Klasse, die als solche damit auch aufhören kann. Das hat sicher viele Ursachen, zu den wichtigsten gehört sicher, daß es dem Staat einerseits gelungen ist, eine tiefergehende soziale Krise zu vermeiden, andererseits eine langsame Neuzusammensetzung in Richtung sauberere Arbeit für die Westdeutschen und z.T. auch für die Ostdeutschen (also Dienstleistungssektor) und schmutzige Arbeit für Zuwanderer (ohne deutschen Pass) und andere Leute mit Nachteilen auf dem Arbeitsmarkt stattgefunden hat. Aber zu den Ursachen gehören natürlich auch die Propagandaschlachten, die in vielen aufeinanderfolgenden Wellen gegen die ArbeiterInnen geschlagen wurden und an denen auch diesmal die Gewerkschaften und Linken nicht unbeteiligt gewesen sind. Niemand will mehr ArbeiterIn sein, auch die nicht, die es noch sind. Das ist ja vielleicht gar nicht schlecht.

Ich hab 1994 schon mal so ein Referat gehalten, das hieß damals »Zur Krise« [18]. Damals hab ich den »aktuellen Prozeß« der Neuzusammensetzung als zäh und komplex wegen Abwehrkämpfen und dem klebrigen Arbeiterverhalten geschildert. Das letztere ist so geblieben. Allerdings hab ich damals als eine mögliche Perspektive angeführt, daß das Kapital in »absehbarer Zeit« dies mit drastischen Maßnahmen wie »Krieg, Bürgerkrieg, Autoritärer Staat« aufzulösen versuchen wird. Aber dazu reicht es nicht, Soldaten wegzuschicken und Sicherheitsgesetze zu beschließen. Der Staat müßte genau die Maßnahmen ergreifen, vor denen bisher alle Regierungen zurückgeschreckt sind: radikaler Umbau des Sozialstaats, dramatische Erhöhung des Arbeitszwangs, Inkaufnahme der Verelendung und das alles nicht nur für MigranntInnen...

Karl, 1.12.01


Fußnoten:

[1] IWD 18-2001

[2] Die Bundesregierung, Sozialpolitische Umschau, 25, 266/2001

[3] DIW-Wochenbericht 19/00

[4] ILO Laborsta, (1993 -99)

[5] IAB Kurzbericht 2/98

[6] IGMetall (91-99)

[7] Bundesverband Zeitarbeit

[8] Unternehmensinformationssystem von SAP

[9] Kaizen: Kontinuierlicher Verbesserungsprozeß, Kanban: Materialflußsteuerung

[10] Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung, Presseinfo 14/2001, 13.8.01

[11] efms, Statistiken zur Migration und Integration von Migranten

[12] IAB Kurzbericht 5/98

[13] DIW-Wochenbericht 40/01

[14] aid, Ausländer in Deutschland, 4/98

[15] Die Rheinpfalz, 27.10.01

[16] IWD, 34-2001

[17] Arbeitgeber, 1/53-2001

[18] Wildcat-Zirkular 5, Juli 94)


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