Wildcat-Sonderheft Krieg 2003 - März 2003 - S. 5-6 [wk3midni.htm]


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Die erste Regel des Friedens: Respektiere deine Feinde

Ein Essay der Midnight Notes an die US-amerikanische Friedensbewegung

(Aus Platzgründen können wir hier nur die wichtigsten Teile bringen. Der ganze Text ist auf unserer Webseite.)

In diesem Text vom November 2002 untersuchen die Midnight Notes die Gründe des drohenden Krieges und die Möglichkeiten der Antikriegsbewegung. Sie arbeiten zwei wichtige Punkte raus: die Bush-Regierung handelt aus einer Situation der Schwäche, in dem Zwang, (diesen) Krieg führen zu müssen - das ist gefährlich, soll Angst machen, und deswegen sollten wir unsere »Feinde respektieren«. Aber dieses »Krieg führen müssen«, keine Legitimation mehr zu haben, Angst machen zu müssen, ist zugleich ihre größte Schwäche. Sie haben keine andere Möglichkeit, wir können auf die Hoffnungen und das Verlangen der Menschen nach einer anderen Welt setzen.

Zwei schwache Argumente der Antikriegsbewegung

Der Krieg führt zu vielen Toten und er verletzt die Souveränität eines Landes.

Es ist richtig, dass ein Krieg zu Millionen Toten führen wird, aber viele sagen, wenn Saddam Hussein an der Macht bleibt, hat das auch weitere Tote zur Folge. Im Namen der »nationalen Souveränität« kommt es immer wieder zu Kriegen und Gemetzeln. Wir sollten die Ebene dieser beiden Argumente verlassen:

»Wir müssen neue Argumente finden, die sowohl die Argumente unserer Gegner stechen als auch die Bewegung nicht von innen spalten. - Warum ist die Antikriegsbewegung in ihrer Argumentation so unzulänglich geblieben? Unserer Ansicht nach liegt das daran, dass sie keinen Respekt vor ihren Gegnern in der Bush-Administration hat und dass sie die grundlegende Logik, der zu folgen die Regierung bei ihrem Handeln gezwungen ist, nicht versteht. Sie sieht nur einen Präsidenten, der die Grammatik nicht beherrscht, einen Geheimdienstmann als Vizepräsident ... Und daraus zieht sie den Schluß, das seien lediglich Lakaien einer von der Ölindustrie geschmierten rechten Verschwörung. Der größte Fehler bei jedem Kampf besteht jedoch darin, seine Gegner nicht ernst zu nehmen.«

Der Zwang zum Krieg

»Die frühen neunziger Jahre waren für Neoliberalismus und Globalisierung eine bemerkenswerte Zeit des Triumphs... Bis Juli 1997 schienen die Anhänger dieser politischen Ökonomie unbesiegbar. Dann schlug die 'Asienkrise' zu. Seither kam es zu einer atemberaubenden Kehrtwende. Der Neoliberalismus wurde in noch kürzerer Zeit in Frage gestellt, als er für seine Triumphe gebraucht hatte. Wir müssen das Platzen der Börsenblase, die Rezessionen, die Zusammenbrüche von Finanzsystemen, die dramatischen Abwertungen und die Fiaskos der dot.coms hier nicht im Detail ausbreiten. Sie stellen eine internationale Krise des Neoliberalismus und der Globalisierung dar ...

Und genau zum Zeitpunkt dieses Zusammenbruchs war eine internationale Anti-Globalisierungs-Bewegung in den großen Städten des Planeten auf die Straße gegangen, um die Institutionen der neoliberalen Ordnung herauszufordern. Diese oppositionelle Bewegung drückte eine machtvolle Systemkritik aus, deren Wahrheit sich im Moment des Aussprechens buchstäblich vor den Augen der Welt materialisierte.«

»Gleichermaßen problematisch war die Tatsache, dass dieses neoliberale Regime nicht in der Lage war, die Löhne und Einkommen eines entscheidenden Teils des US-Proletariats und der 'Mittelklassen' in der Dritten Welt zu erhöhen. Oft wird der Neoliberalismus als Ein-Fünftel-Gesellschaft bezeichnet: man müsse nur die Einkommen von mindestens einem Fünftel der Bevölkerung eines Landes oder der Welt dramatisch steigern, dann könne man die restlichen vier Fünftel dazu zwingen mitzumachen... Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde immer offensichtlicher, dass der Neoliberalismus nicht einmal dazu imstande war.«

»Wenn ein System in die Krise kommt, haben die Strategen der herrschenden Klassen oft etwas anderes in petto. Aber eben nicht immer. Im Falle des Neoliberalismus / der Globalisierung gibt es im Moment kein alternatives System, das sie aus dem Ärmel ziehen könnten. Das System muß erhalten werden, sonst ...«

»An diesem Punkt sollte die Antikriegsbewegung einen Moment innehalten. Die Regierung Bush kommt nicht in Zeiten an die Macht, in denen das Geschäft ganz normal läuft, sondern inmitten einer Systemkrise, die weit über eine konjunkturelle Delle hinausgeht. Die Antwort der Bush-Regierung auf die Krise des Liberalismus ist einfach: Krieg.«

Der Irak komme nicht zufällig ins Fadenkreuz: er besitzt die zweitgrößten Ölreserven und ist Mitglied der OPEC, die »zerschlagen oder umgewandelt« werden müsse, um die Energiequellen zu kontrollieren, die auf Öl beruhende Akkumulation« wieder einzuleiten und die Krise zu überwinden.

Was bedeutet das für die Antikriegsbewegung?

»Es ist nicht abzusehen, wie viele Regionen der Welt in den nächsten Jahren dermaßen in die Krise getrieben werden, in eine chronisch so schlechte und unhaltbare Lage, dass die Menschen in diesen Regionen versucht sein werden, die Regeln des neoliberalen Spiels zu brechen.«

»Die zweite Schwäche der Politik der Bush-Regierung liegt in der Annahme, dass die US-Soldaten in den kommenden Kriegen des Neoliberalismus keine Verluste erleiden dürfen. Diese Annahme ist Teil des Gesellschaftsvertrags, der dem Leben in den USA heute zugrunde liegt - und wird oft auch 'Vietnam-Syndrom' genannt. Um garantieren zu können, dass die Ölfelder privatisiert werden und ein 'Regimewechsel' zur Auflösung oder Umwandlung der OPEC führt, muß das US-Militär den Irak aber für lange Zeit besetzen. Und die Aktion einer Militärmaschine unter der Powell-Doktrin der 'Übermacht' kann zum größten Feind der eigenen Truppen werden. Es sind diese Faktoren, nicht die Invasion selbst, die zu größeren Verlusten unter den US-Soldaten führen werden und damit zu einer Verletzung des US-Gesellschaftsvertrags. Die Antikriegsbewegung muß die US-Arbeiterklasse klar und deutlich vor dieser Gefahr warnen.«

»Die Arbeiter werden sowieso die ersten Opfer dieser Militarisierung sein. Am Anstieg der Gefangenenzahlen in den Knästen, dem Angriff auf Habeas Corpus [Recht auf Haftprüfung durch ein 'unabhängiges Gericht'], dem Ende der Sozialhilfe und den drakonischen Änderungen bei der Einwanderungspolitik sieht man, dass in den USA eine neue Ära von Halbsklavenarbeit ohne Vertrag eingeführt wurde. Dieser Trend wurde von der Bush-Regierung gestärkt, indem sie unter dem Etikett 'Krieg gegen den Terrorismus' die vertraglich abgesicherten Rechte der Arbeiter angriff.«

»Die Antikriegsbewegung sollte betonen, dass die Invasion im Irak Teil einer allgemeinen Strategie eines endlosen Kriegs ist, der Leben, Freiheit und Eigentum der US-Bevölkerung aufs Spiel setzt, um ein Wirtschaftssystem zu sichern, das sich in einer tiefen Krise befindet. Wenn wir diese politische Richtung einschlagen, können wir die Grundlagen für eine wirkliche Veränderung der politischen Debatte und Stimmung in diesem Land legen.«

Die Schlußparole: Keine Angst!

»Die Antikriegsbewegung sollte das Verlangen und die Hoffnungen der US-Bevölkerung ansprechen, von allgemeiner Gesundheitsversorgung bis zu einer gesunden Umwelt. Genauso müssen wir auch die Forderungen der Anti-Globalisierungsbewegung der neunziger Jahre in unsere Demonstrationen, Foren und Programme hineintragen.«


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