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Materialiensammlung
zum Krieg im Kosovo / Ex-Jugoslawien

Beiträge zum Krieg aus dem Wildcat-Zirkular 50/51, Mai/Juni 1999

Editorial: Der humanitärste Krieg seit es die NATO gibt

Lösungen und Probleme - Krieg-dem-Krieg-Bulletin

Gegen den Krieg und gegen die Nationalismen (Flugblatt aus dem Veneto)

Linke Bellizisten / Flüchtlingsbusiness, Lagermanagement, Rückführung ... / Moralische Kriege

Die Solidaritätsmesse: »Humanitäre Hilfe« in Albanien: ein einträgliches Geschäft (Alberto Sciortino/Ciss)

Die Entwicklung in Albanien - oder: Wenn die Aufstände sterben

Auch das jugoslawische Regime hatte Gründe für den Krieg

Geopolitische Aspekte des Kriegs in Jugoslawien

Zur Situation im Kosovo

Geschichtsrevisionismus und Krieg (Karl Heinz Roth)

Beiträge zum Krieg aus dem Wildcat-Zirkular 52/53, Juli 1999

Krieg, »Dritter Weg«, neue Klassenverhältnisse

Der Krieg in Jugoslawien - ein Krieg gegen die Arbeiterklasse

Empfehlenswerte Literatur zum Jugoslawienkrieg

Ein Reader mit Texten zum Krieg und zur Situation in Jugoslawien und im Kosovo kann hier als PDF-Datei runtergeladen werden

Die folgende Zusammenstellung von Texten zur Situation in Ex-Jugoslawien, bzw. die Hintergrundartikel zum Krieg geben grob unseren Diskussionstand während des Krieges wieder. Wenn wir unsere eigenen Thesen (siehe Wildcat-Zirkular 50/51 und 52/53) ernst nehmen, daß mit dem Ende der Bombardierung nicht »Frieden« ist, dann dürfen wir den Faden nicht verlieren, müssen an den aktuellen Entwicklungen drann bleiben. Mit dem Reader wollen wir unseren bisherigen Diskussionsstand für uns und andere als Ausgangspunkt verfügbar machen.

Die Texte sind zum Teil in deutsch, zum Teil in englisch. Es gibt sicherlich viele, denen das Lesen eines englischsprachigen Textes nicht leicht fällt, deswegen bringen wir auf den nächsten Seiten kurze Einführungen in die Texte, damit ihr ungefähr wisst, was euch erwartet. Diese Einführungen sollen keine Besprechungen oder Kritiken sein, sie sollen einen Überblick über das Material geben.

Potsdam, August 1999

 

Inhaltsverzeichnis:

  • Kurzeinführung in die Texte Seite 3
  • Materialien für einen neuen Antiimperialismus, Berlin:
  • Überlegungen zum Krieg Seite 7
  • Why is the NATO in Yugoslavia? (von Sean Gervasi) Seite 11
  • Von Dayton nach Rambouillet, 1. Teil (von Peter Gowan) Seite 21
  • Krise, Klassenkampf und sozialer Krieg in Jugoslawien-Kosovo (von Martin Rheinländer) Seite 24
  • The War in Yugoslavia - On Whom the Bombs Are Falling? (von Massimo de Angelis und Silvia Federici) Seite 34
  • Die Innenseite des Regimes Milosevic: Überleben ohne Reformen (Friedrich-Ebert Stiftung) Seite 39
  • Seeing Yugoslavia Through a Dark Glass: Politics, Media and the Ideology of Globalization (von Diane Johnstone) Seite 47
  • Arbeiterklasse und Nationalismus in Jugoslawien (aus Wildcat Nr. 61) Seite 58
  • Jugoslavia: From Wagecuts to War (von Wildcat/England) Seite 67
  • The Workers Movement in Serbia and Ex-Jugoslawia - an anarchist view (von Aleksandar Simic/Gruppe TORPEDO) Seite 78
  • If You Want Peace, Prepare for Class War - Zur Situation in Mazedonien und dem Klassenkampf auf dem Balkan (von der griechischen Gruppe TPTG) Seite 86

Kurzeinführungen in die Texte:

Materialien für einen neuen Antiimperialismus, Berlin: Überlegungen zum Krieg in Kosovo

Der Text hat einen großen Vorteil: er ist im Vergleich zu anderen Texten relativ kurz und bringt trotzdem die wesentlichen Fragen und Thesen: Ein Krieg, der auf dem Balkan günstigere Ausbeutungsbedingungen durchsetzen soll, der aber auch eine neue »soziale Aggressivität« in ganz Europa initiieren soll. Die forcierte Auflösung und Zersetzung bisheriger Strukturen durch den Krieg war gewollt. Sehr komprimiert werden auch die sog. »geostrategischen« Ziele benannt: Drohung gegen Rußland, endlich die IWF-Diktate umzusetzen, das Öl am kaspischen Meer und dazugehörige Transportprojekte. Das Alles sei eigentlich relativ klar, weswegen sich die Frage stellt, warum die Bewegung gegen den Krieg nicht breiter war. Neben dem »autoritären und totalitären Regime« in Serbien benennt der Text den »innenpolitischen« Einschnitt: die »Ex-68« konnten einen »Tabubruch« durchsetzen, den sich die alte Regierung so nicht hätte leisten können. Und auch der Aufforderung am Ende des Textes ist zuzustimmen: »Wesentlich ist, ob es gelingt, neue Debatten über den Imperialismus der Jahrtausendwende und die soziale Aggressivität in Europa zu initiieren (...)«.

Der Text hat aber auch einen Nachteil: wegen der Kürze und der Sprache muß mensch schon genau lesen, um die zentralen Überlegungen auch mitzubekommen, die aufgrund der Kürze meist nur angeführt und nicht weiter erklärt werden.

 

Why is the NATO in Yugoslavia?

von Sean Gervasi

Der Text ist bereits Anfang 1996 geschrieben worden, nach dem Abkommen von Dayton, während der Entsendung von Natotruppen zur »Absicherung« des Abkommens. Gervasi stellt gleich zu Beginn des etwas längeren Textes seine Hauptthesen auf: diese Truppen sind nur ein Zwischenschritt der Rekolonisierung von Osteuropa und dem mittleren Osten. Es geht um die Durchsetzung kapitalistischer Ausbeutungsbedingungen, also eines »Systems«, von dem gleichzeitig klar ist, daß es auch im Westen in einer tiefen, nicht »zyklischen«, sondern »systemischen« Krise steckt. Der Artikel macht grob zwei Schritte. Zunächst schaut sich Gervasi nochmal genauer den Ablauf und die Widersprüche der NATO-Osterweiterung an. In einem zweiten Schritt fragt er sich, worum es dabei eigentlich geht: nämlich um die Schaffung eines »Zentralen Europas« mit Osterweiterung der EU unter der Führung Deutschlands und um eine Neuorganisierung des Arbeitsmarkts in diesem Europa. Zum Schluß bringt er alles nochmal zusammen: Ausgangspunkt ist die »systemische« Krise des westlichen Kapitalismus seit den 70er Jahren, daraus resultiert der »Krisenlöser Osterweiterung«. Die Suche nach einem Krisenlöser scheint so dringend zu sein, daß in den westlichen Planungsstäben sogar übersehen wird, daß hierbei Prozesse angestoßen werden, die z.B. einen Atomkrieg unter Umständen wahrscheinlicher machen, als er es zu Zeiten des »kalten Krieges« gewesen ist.

Gut an dem Text ist, daß er die Krise des Kapitalismus mitdenkt, die von ihm aufgestellten Szenarien oder Modelle bleiben allerdings etwas zu abstrakt. Um die Neuorganisierung des Arbeitsmarktes und der Ausbeutung in diesem »neuen Europa« zu beschreiben nimmt er eine Art »Dependenzia-Ansatz« zur Hilfe: in Europa bildet sich ein Zentrum, um das sich in konzentrischen Kreisen eine in sich nach unten weiter abgestufte Peripherie legt. Wir müssen bestimmt genauer schauen, was sich da zusammenbraut und sein Bild vom Zentrum und den nach außen abgestuften Peripherien trifft sicherlich Einiges der ablaufenden Entwicklungen. Aber hier nimmt sich der Autor selber nicht ernst genug. Sie haben viel zu viel Probleme, anstatt Szenarien zu entwerfen, vor denen wir dann hilflos erstarren, sollten wir die Hinweise auf die Widersprüche und Krisenhaftigkeit aufnehmen, um es zu solchen »Ergebnissen« erst gar nicht kommen zu lassen.

 

Von Dayton nach Rambouillet, 1. Teil

von Peter Gowan

Eine Analyse der Vorgeschichte des Kosovo-Konflikts, veröffentlicht in der "jungen Welt" vom 28. und 29.5.99. Gowan verweist auf die Bedeutung des Aufstandes in Albanien 1997. In dessen Folge kamen massenweise Waffen unter die Leute, mit denen u.a. die UCK bewaffnet wurde, die dann Anfang 1998 eine sehr erfolgreiche Offensive gegen die Sicherheitskräfte im Kosovo führte. Dadurch war die Stabilität der ganzen Region bedroht ("Groß-Albanien"). Die USA mußten etwas tun. Die übliche Lösung wäre gewesen, daß USA/NATO in Albanien und Mazedonien intervenieren und das Kosovo den Serben für eine "Bekämpfung der UCK im türkischen oder kolumbianischen Stil überlassen". Dann wäre aber das Bündnis der USA mit Milosevic offensichtlich geworden, den sie gerade "zum Saddam Hussein des Balkans aufgebaut hatten".

Trotzdem unterstützten die USA bis September 1998 die serbische Aufstandsbekämpfungspolitik. Auch die NATO-Bombendrohungen von Oktober 1998 hielten noch gleiche Distanz zum serbischen Regime und der UCK. Im Oktober 1998 gab es danach eine totale Kehrtwendung der US-Politik durch Albright mit dem Hill-Papier. "Zentrale Veränderung: Milosevic sollte de facto ein NATO-Protektorat über das Kosovo akzeptieren". Damit war der Krieg programmiert, denn "Albright wußte, daß kein serbischer Politiker es wagen konnte, ein solches NATO-Diktat zu akzeptieren". Die offizielle Begründung für die neue Linie war, daß das Vorgehen der serbischen Sicherheitskräfte zwischen Oktober und Dezember 1998 sich stark verschärft habe. Wirklicher Grund war keine veränderte Einschätzung der Lage im Kosovo, sondern "allgemeinere Ziele der US-Politik in Europa". Bezeichnend für diese Ziele ist Clintons Rede vom 23. März 1999, wo er sagte, "daß 'eine starke US-Europäische Partnerschaft alles (sei), worum es bei dieser Kosovo-Angelegenheit gehe'". Ein erfolgreicher NATO-Krieg "würde den Führungsanspruch der USA in Europa entscheidend festigen. Ein Erfolg außerhalb des Rahmens der Zustimmung des UN-Sicherheitsrates würde garantieren, daß kein kollektives Sicherheitssystem in Europa - durch die Hintertür eines russischen Vetos im Sicherheitsrat - geschaffen würde. Und es würde die Einheit der Allianz besiegeln - zu einem Zeitpunkt, da die Einführung des Euro, ein Ereignis von möglicherweise globaler politischer Bedeutung, sie auseinanderreißen könnte."

 

Krise, Klassenkampf und sozialer Krieg in Jugoslawien-Kosovo

von Martin Rheinländer

Inzwischen wird einleitend in Vorträgen, aber auch in Vorworten gerne betont, daß der Krieg nicht nur »den einen« Grund hätte, sondern viele Ebenen mitgedacht werden müßten. Der Text von Rheinländer schafft es, die unterschiedlichen Ebenen zu benennen - die Krise im Jugoslawien der 80er Jahre, die nationalistischen Wendungen, den Kampfplatz »Neue Weltordnung«, die konkrete Situation in Serbien/Kosovo/Albanien - ohne sich dabei zu verzetteln. Nur »ein Politikverständnis das allein Staaten und Eliten als Akteure kennt«, wird z.B. die Hinweise auf die internationale Unterstützung der UCK überbewerten. Dagegen arbeitet der Text immer wieder den Krieg als »sozialen Krieg« heraus, als »Militarisierung der sozialen Konfrontation«. Die Entwicklungen im Jugoslawien der letzten 20 Jahre hätten gezeigt, daß diese nur mit den Begriffen Klassen und Klassenkampf zu verstehen sind, trotz des Dilemmas, daß sich keine »sozialistische Perspektive« entwickelt hat. Soziale Widerstandsperspektive statt simpler antiimperialistischer Rhetorik, mit dieser Aufforderung endet der Text.

 

The War in Yugoslavia - On Whom the Bombs Are Falling?

von Massimo de Angelis und Silvia Federici

Die beiden AutorInnen beginnen mit der Entlarvung der »offiziellen Kriegsgründe«, den Menschenrechten, und enden mit einem Appell an die Anti-MAI, Anti-WTO, Anti-G7 Bewegungen, sich bereits jetzt im Kampf gegen den nächsten »Krieg um Menschenrechte« zusammenzuschließen. Dazwischen bringen sie in knapper und verständlicher Form eine Analyse des Krieges und der weltpolitischen Lage. Der Krieg ist für sie ein Krieg gegen die Arbeiterklasse in Jugoslawien/Serbien, die sich den Privatisierungen widersetzt hatte und gleichzeitig eine Drohung an die ArbeiterInnen in ganz Osteuropa. Der Krieg soll ein Weg aus der kapitalistischen Krise sein, die sie dreifach bestimmen: Kollaps der asiatischen Ökonomien, Profitkrise in Europa und ein wachsende Widerstand gegen Liberalisierung und Austerität. Deswegen sollen die Bomben dieses Krieges nocheinmal explodieren, sie sollen die Reste des Sozialstaats in den USA und Europa niederreißen. Zusammengefaßt sprechen die beiden AutorInnen von einer »neuen Stufe des Imperialismus«, der mittels kollektiver Allianz die ökonomische Globalisierung durchsetzt - in Abgrenzung zu den territorialen inter-kapitalistischen Rivalitäten aus Lenins Zeiten.

Die Stärke des Textes liegt in den griffig dargestellten weltweiten Zusammenhängen, ihr Schlußappell an die Anti-MAI, Anti-WTO, Anti-G7... Bewegungen verweist auf die Schwäche des Textes: Alle Begriffe fallen, die politisch gerade hip sind. Dabei scheint den beiden AutorInnen gar nicht mehr aufzufallen, daß es die geforderte Verbindung oder Zusammenarbeit zwischen Anti-MAI, Anti-WTO, Anti-G7 Kampagnen längst gibt. Das wird nur hinten und vorne nicht reichen, um, wie der Text zu Beginn fordert, Kriege nicht nur zu stoppen, sondern zu verhindern.

 

Die Innenseite des Regimes Milosevic: Überleben ohne Reformen

Diesen Text der Friedrich-Ebert-Stiftung/Informationsdienst der Abteilung Internationaler Dialog von 1997 haben wir um ca. ein Drittel gekürzt - um die Teile, die überholt sind. Der Text bietet den umfassendsten Überblick in die soziale Situation in Serbien Ende der 90er Jahre, den wir gefunden haben. Auch wenn er keinen wirklichen Einblick liefert - er schildert die Situation als Transformationsproblem der Regierung und will der nächsten Regierung einen Aufgabenkatalog vorgeben - liefert er doch wichtige Informationen. Zwei Dinge werden deutlich: das Regime Milosevic wich in den letzten Jahren jeglicher Konfrontation mit den ArbeiterInnen aus. Mitte der 80er Jahre war Milosevic ein Verfechter der »Transformation« und Privatisierung gewesen, aber in Serbien fand diese praktisch nicht statt. Der zweite Punkt betrifft das Festhalten auch der ArbeiterInnen am Status quo, der jegliche Umstrukturierung blockiert, aber auch jeden wirklichen Widerstand gegen die Regierung verhindert. Der Text schreibt ganz trocken, daß sich die ArbeiterInnen lieber in der schlechten Situation einrichten, als z.B. die bürgerliche Oppositionsbwegung zu unterstützen. Wissen sie doch, daß diese »Reformbewegung« die Umstrukturierung einleiten würde.

Die in dem Text benannten Hauptprobleme der »Transformation«, Infrastruktur, öffentliche Versorgungsbetriebe, die Rohstoffbetriebe, allgemein die Großbetriebe, waren Bombenziele der NATO. Vor dem Krieg hatte die Regierung noch versucht, z.B. für die Zastava Autofabrik einen Käufer im Ausland zu finden. Das hat sich durch die Bomben der NATO erledigt. Daraus müssen wir nicht gleich die These ableiten, daß Milosevic mit den Bomben seine größten Probleme losgeworden ist, oder loswerden wollte. Aber die »warme Sanierung« der NATO hat deutlich gemacht, was mit »Transformation« gemeint ist. Um die Ausbeutung wieder in Schwung zu bringen, soll »neu angefangen« werden.

 

Seeing Yugoslavia Through a Dark Glass: Politics, Media and the Ideology of Globalization

von Diane Johnstone

Dieser Text ist vom Spätsommer 1998 und ist in der Nr. 65 der COVERT ACTION QUATERLY erschienen. Die Autorin hat in den 50er Jahren in Belgrad studiert und bereits in einem Artikel von 1984 vor dem Hintergrund der Austeritätspolitik des IWF, der zunehmenden Spannungen zwischen den reichen und armen Regionen, vor den Konsequenzen, bzw. dem Auseinanderbrechechen Jugoalawiens gewarnt. Ihr Artikel von 1998 ist eine kurze Beschreibung und Kritik von Akteuren und Ideologien auf dem Balkan in den letzten 15 Jahren. Hinter der antiserbischen Propaganda sieht sie vor allem den Versuch der reicheren Regionen, den Anschluß an Europa zu bewerkstelligen. Diese Propaganda ist besonders aus Deutschland gefüttert worden, für sie Teil einer endgültigen Entsorgung der deutschen Geschichte (die Serben als die neuen Nazis). Einen eigenen Abschnitt widmet sie dem Markt der Meinungsmacher, den Medien, und zeigt an einigen Beispielen, daß es nicht unbedingt die wirklichen Ereignisse sind, die bestimmen, was in den Medien breitgetreten wird.

Besonders wichtig ist ihr der Staat. Ganz richtig kritisiert sie zwei aktuelle Tendenzen in der Linken. Für viele ist alles was klein und überschaubar ist eine Alternative zur Unübersichtlichkeit im globalen Kapitalismus. Andere wollen mit Hilfe globaler Akteure wie NGO's, der UNO, Menscherechtsvereinen, usw. dem Weltkapitalismus die Zivilgesellschaft gegenüberstellen. Die Rolle der NGO's kritisiert sie an einem konkreten Beispiel, die linke Zuflucht zu solchen Organisation ist für sie die Folge des Rückgangs der Massenbewegungen seit den 70ern und die folgende Privatisierung der Linken. Schwach ist allerdings, daß ihre Kritik wieder beim Staat landet, sie ihn gar als historischen Ort sozialen Fortschritts interpretiert.

 

Den Abschluß bildet ein Block aus vier längeren und auch älteren Texten. Sind sind zwischen 1993 und 1996 geschrieben worden, zu einer Zeit, in der Krieg bereits im Gange war, und sich abzeichnete, daß es sich hierbei um eine Neuordnung des Balkans handelt, die gleichzeitig auf die Ukraine, auf Rußland und Aserbaidschan zielt. Ein militärischer Konflikt, der einerseits regional begrenzt gehalten wird, andererseits bei Bedarf wieder hochgekocht wird. Das ist zumindest die These des ersten Artikels, Arbeiterklasse und Nationalismus in Jugoslawien, der aus der Wildcat Nr. 61 ist. Dem Artikel geht es darum, nicht nur die Fernsehbilder in Frage zu stellen, sondern vor allem die politischen Bilder und Motive, die uns präsentiert werden. Das hieß und heißt es noch immer, den Krieg als soziale Auseinandersetzung, als Klassenkampf zu entschlüsseln, die scheinbar klare Logik des »Ethnischen« zu hinterfragen. Mit dieser Ausgangsfrage beleuchtet der Artikel recht genau die Klassenkämpfe der 80er Jahre und den Nationalismus von unten. Auch im folgenden Text, Jugoslavia: From Wagecuts to War, von Wildcat/England geht es um die Klassenkämpfe der 80er. Aber der Text hat noch einen anderen Schwerpunkt: er betont und beschreibt die wichtige Rolle des Widerstandes von Soldaten und Männern, die eingezogen werden sollen. In dieser Beschreibung wird deutlich, daß das Bild des Krieges in Ex-Jugoslawien, indem plötzlich alle über ihre ehemaligen Nachbarn herfallen, nix mit der Wirklichkeit zutun hat. The Workers Movement in Serbia and Ex-Jugoslawia - an anarchist view von Aleksandar Simic aus der Grupppe TORPEDO ist Ende 1995 in Serbien geschrieben worden. Auch dieser Text stellt sich die Frage nach dem Umbruch zwischen den breiten Klassenkämpfen der 80er/beginnenden 90er Jahre und dem folgenden Krieg. Der größte Teil des Textes macht aber zunächst einen Sprung zurück und gibt uns einen hilfreichen Überblick über Klassenkämpfe und Arbeiterbewegung im Jugoslawien der letzten hundert Jahre. Der letzte Text, IF YOU WANT PEACE, PREPARE FOR CLASS WAR - Zur Situation in Mazedonien und dem Klassenkampf auf dem Balkan, ist von der griechischen Gruppe TPTG 1993 geschrieben worden. Dem Text geht es zum einen um die (künstliche) Konstruktion von Nationen und Ethnien auf dem Balkan. Interessant ist der Text auch deswegen, weil er die Situation in Griechenland, Mazedonien, bzw. dem gesamten Balkan anhand wichtiger politischer Fragen diskutiert. Die Nationalisierung Europas ist für die AutorInnen die wichtigste politische und soziale Konsequenz der Klassenkämpfe in den letzten 200 Jahren, und mittels dieser These nehmen sich die AutorInnen die Ereignisse auf dem Balkan vor.

 

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