Wildcat-Zirkular Nr. 33 - Januar 1997 - S. 5-6 [z33bosal.htm]


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»Bo Sala Makasi! Wir müssen kämpfen!« [1]

In der letzten Nummer des Wildcat-Zirkulars (Nr. 32, Dezember 1996) erschien ein Artikel aus der amerikanischen Zeitschrift News and Letters zu den Kämpfen und Organisierungsversuchen von MigrantInnen in den USA: Die neuen ImmigrantInnen beleben die Kämpfe in den USA und deren Widersprüche . Darin geht es insbesondere um die Bedeutung, die diese Kämpfe für die Klassenkämpfe in den USA insgesamt haben. Kann die neue Militanz der MigrantInnen aus Mittelamerika tatsächlich neue Impulse setzen? Wie kann eine Vermittlung zwischen den Kämpfen verschiedener Teile der Klasse aussehen? Und wie kann dabei eine Dynamik entstehen, so die Frage am Ende des Artikels, bei der »die Revolution wieder eine unwiderstehliche Anziehungskraft gewinnt?«

Diese Fragen sind auch für die Diskussion über die weitere Entwicklung des Klassenkampfes hier wichtig. Auch in der BRD gab es in der letzten Zeit Kämpfe von MigrantInnen in der bzw. gegen die Arbeit, z.B. die Kranbesetzungen und Baustellenblockaden ausländischer Bauarbeiter wegen ausstehender Löhne [2] oder der Kampf von Flüchtlingen/Asylbewerbern bei einer Reinigungsfirma in Bochum (siehe unten).

Was finden wir so wichtig an diesen Kämpfen? Diese ArbeiterInnen, ob ArbeitsmigrantInnen aus osteuropäischen Ländern oder durch Ausbeutung, Repression und Krieg aus afrikanischen oder asiatischen Staaten Vertriebene, bringen Erfahrungen und Ideen aus in ihren eigenen Ländern in die Kämpfe hier ein. Sie wehren sich gegen die rigiden Praktiken der Unternehmer, die verschärften Arbeitsbedingungen und niedrigen Löhne. [3] Dabei sind sie nicht eingebunden in die sozialstaatlichen Vermittlungsorgane zwischen Gewerkschaften und Betriebsräten und organisieren sich außerhalb deren Kontrolle selbst. Auf dem Hintergrund dieser Erfahrungen formulieren sie ihre Vorstellungen und Ziele von einer Verbesserung ihrer Situation und konfrontieren auch die »einheimischen« ArbeiterInnen damit.

Wir haben die Hoffnung und Erwartung, daß die Formen der Selbstorganisation und »wilden« Aktionen einiger MigrantInnengruppen mit dazu beitragen werden, die Blockierungen im Klassenkampf aufzusprengen, die hier eine neue Klassenoffensive gegen die Ausbeutung bisher verhindern. Auch in der gegenwärtigen Situation scheinen die (BRD-) Gewerkschaften weiterhin Zielsetzungen und Formen der Kämpfe der ArbeiterInnen in den Rahmen von »Sozialpartnerschaft« und damit in die Dynamik des kapitalistischen Systems einbinden zu können. [4] Aber die Frage ist, wann und wie selbstorganisierte Streiks und Aktionen diesen Rahmen sprengen und die Initialzündung für eine Bewegung sein können, die sich der gewerkschaftlichen Kontrolle entzieht?

Dabei können die genannten Kämpfe von ArbeitsmigrantInnen und Flüchtlingen/Asylbewerbern eine Rolle spielen, aber auch selbstorganisierte Kämpfe von »einheimischen« ArbeiterInnen, wie z.B. der Streik bei Deutz-Fahr in Köln im Mai/Juni 1996. [5] Wenn diese Auseinandersetzungen erstmal an konkrete Bedingungen gebunden bleiben (schlechte Löhne, Arbeitsbedingungen, Betriebsschließungen), so bleibt doch festzuhalten: nur aus den Erfahrungen in diesen Kämpfen heraus kann sich eine Situation entwickeln, in der es um grundsätzliche Fragen geht und ArbeiterInnen auch die Überwindung der kapitalistischen Ausbeutung offen anstreben. Dabei spielt auch eine Rolle, imwieweit wir uns selbst in diese Kämpfe einbringen und daran teilnehmen. Wenn wir eine revolutionäre Perspektive haben wollen, müssen wir versuchen, die Ansätze von Selbstorganisation mitzukriegen und organisiert zu unterstützen. Insbesondere sollten wir die Zirkulation von Informationen und Erfahrungen weitertreiben und dafür sorgen, daß Kämpfe und Organisierungsversuche breiter bekannt werden.

Von zwei Auseinandersetzungen, bei denen wir in den letzten Monaten dabei waren, wollen wir hier berichten: von den Arbeitern, die unter miesen Bedingungen bei Opel in Bochum putzen und sich gegen die Bedingungen dort wehren, und von den ArbeiterInnen in den Küchen im Einkaufszentrum CentrO in Oberhausen, wo wir in die Konflikte eingegriffen haben.

Kontakt für Info, Austausch, Diskussion:
Initiative BoSalaMakasi,
Am Förderturm 27, 46049 Oberhausen, Tel.: 0208/855945


Fußnoten:

[1] Viele der ArbeiterInnen, die in den unten beschriebenen Kämpfen in Oberhausen und Bochum beteiligt sind, kommen aus Zaire. In den Diskussionen mit ihnen und den anderen ArbeiterInnen tauchte immer wieder dieser Satz auf: Wir müssen kämpfen! In Lingala, der Sprache, die die meisten Leute aus Zaire sprechen, heißt das: Bo Sala Makasi!

[2] Siehe z.B. den Artikel zu einer Baustellenbesetzung in Schmannewitz bei Leipzig in Wildcat-Zirkular Nr.21, November 1995. Siehe auch Direkte Aktion Nr.117, Sept./Okt. 1996, zu einer Auseinandersetzung zwischen spanischen Wanderarbeitern und einem Grillhähnchenunternehmer.

[3] Wie auch gegen die staatliche Kontrolle und Gängelung über Asylgesetze, Abschiebeknäste, Razzien usw.

[4] Insgesamt scheinen die Klassenauseinandersetzungen derzeit (weltweit) vor allem von Angriffen des Kapitals und Abwehrkämpfen der ArbeiterInnen bestimmt zu sein. Und jene Abwehrkämpfe, wie z.B. auch die um die Lohnfortzahlung in der BRD, bleiben offenbar in der Kontrolle der Gewerkschaften bzw. haben deren Stellung sogar wieder gestärkt.

[5] Vgl. Bericht im Wildcat-Zirkular Nr.26, Juni 1996


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