Globaler Krieg um die Ordnung der Welt (II)
Der 11.9. hat nicht die Welt verändert und er markiert keinen Epochenbruch. Es wird immer deutlicher, daß er Kristallisationspunkt und Beschleuniger für Entwicklungen war, die lange vorher eingesetzt hatten. Während die Medien einen Streit um »gut« und »böse«, um kapitalistische Zivilisation und Islam oder den vielbeschworenen Antisemitismus präsentieren, geht es in Wirklichkeit um die Perspektive eines globalen Systems, das in seiner Krise auf Grenzen stößt; Grenzen, die darin bestehen, daß in den Kämpfen gegen das weltweite Arbeitsgefängnis die Möglichkeiten einer anderen Welt aufschimmern. Für die Herrschenden und Ausbeuter bedeuten diese Grenzen, daß sie um so verzweifelter nach einer »Neuen Weltordnung« suchen und sich dafür alle gewaltsamen, militärischen Durchsetzungsmittel offen halten.
Teil II:
Der Weg zum Krieg und die Suche nach dem Imperium
Seit dem ersten Teil im Wildcat-Zirkular 61 ist ein halbes Jahr vergangen. Neue Entwicklungen haben das Interesse an den Anschlägen und an Afghanistan in den Hintergrund gerückt: die Besatzungspolitik Israels und das gespannte Verhältnis der USA zu den arabischen Staaten; die Eskalation des Konflikts um Kaschmir zwischen Pakistan und Indien und die damit verbundenen Massaker an Muslimen in der indischen Provinz Gujarat; fast gleichzeitig der Fall des Energieriesen Enron und der Aufstand im neoliberalen Musterland Argentinien - mit all ihren Auswirkungen auf die globale Kapitalverwertung; die Ankündigung einer neuen Nuklearstrategie und Erstschlagsdoktrin durch die USA. Im Hintergrund dieser politischen Ereignisse lauert die bange Frage, ob der lauthals verkündete Aufschwung der US-Ökonomie tatsächlich da ist, oder ob der Dollar weiter dramatisch einbricht und dabei die schon kriselnde Weltwirtschaft in den Abgrund reißt.
Durch diese Entwicklungen ist aber auch deutlicher geworden, wie diese Stücke eines verwirrenden Puzzles zusammengehören. Das interessante am »Enron-Skandal« war nicht nur das Ausmaß der Bilanzfälschungen und die Verwicklung eines großen Teils der Bush-Regierung in diese Firmengeschäfte, sondern deren Zusammenhang mit Ölgeschäften in Zentralasien und Indien - was mit dazu beigetragen hat, daß auf einmal in den USA kritischere Fragen zum 11.9. gestellt werden. Wieviel wußte der Präsident vorher? Eigens dazu mußte ein Untersuchungsausschuß eingerichtet werden. Und wozu diente die Bombardierung Afghanistans? Damit tauchen kritische Fragen nach der Brutalität der Kriegsführung in Afghanistan auf, die bis dahin in der amerikanischen Öffentlichkeit Tabu waren.
Es wird auch immer deutlicher, daß Enron (siehe Wildcat-Zirkular 62) kein isolierter Skandal ist, sondern wie eine Kristallkugel sämtliche Facetten des fiktiven Aufschwungs der »new economy« zum Vorschein brachte. Der märchenhafte Boom in den USA, der nach der Asienkrise 1997/98 zum Motor der Weltwirtschaft wurde, entpuppt sich seit dem langgezogenen Crash der Finanzmärkte ab März 2000 als simuliertes Wachstum. Er hing am seidenen Faden der enormen Kapitalexporte in die USA (siehe Wildcat-Zirkular 55 und 56/57), die mit dem beginnenden Einbruch des Dollars immer fraglicher werden. Das Brenzlige dieser Situation war der Regierung Bush-Cheney aus dem Öl- und Enron-Business schon im Sommer letzten Jahres deutlich bewußt und dürfte in ihren »außenpolitischen« Überlegungen eine große Rolle gespielt haben. Im Moment betonen Bush und sein Finanzminister fast verzweifelt, sie würden am hohen Dollar festhalten - ohne damit die Kapitalanleger noch beeindrucken zu können.
Es handelt sich hier keineswegs um rein »ökonomische« Fragen. Die traditionellen linken Einteilungen in »ökonomisch«, »politisch«, »militärisch« usw. sitzen Verdinglichungen auf, die dieses Gesellschaftssystem ideologisch hervorbringt und für seine Stabilität braucht. Der »ökonomische« Niedergang, also ein an Geld- und Wertrelationen ablesbares Phänomen ist nur die isolierte und abstrakte Seite der Krise einer gesamten Lebens- und Reproduktionsweise auf diesem Planeten - einer Totalität von Beziehungen, die von den herrschenden Verhältnissen in »politische«, »kulturelle«, »technische« usw. Momente zerlegt wird, um sie einzeln beherrschen zu können.
Weil diese Totalität heute in Frage steht, läßt sich diese Krise nicht in den vertrauten Schemata der »imperialistischen Konkurrenz« erfassen, auch wenn diese nach wie vor ein Moment aller Entwicklungen bildet. Vordergründig steht die Frage nach einer »Neuen Weltordnung« im Raum, da sich die alte Ordnung des »Kalten Krieges« aufgelöst hat, ohne einen Nachfolger präsentieren zu können. Die linken Diskussionen über Imperialismus und »Empire« sind in gleicher Weise Ausdruck dieser Unklarheit, wie die rechten Vorschläge für einen selbstbewußten neuen Imperialismus oder Kolonialismus, die nach den Anschlägen vermehrt auftauchten. Die Unklarheit besteht aber nicht nur darin, welche Machtkonstellation die zukünftige Weltordnung bilden könnte, sondern ob eine globale Ordnung des Kapitals überhaupt noch eine Perspektive hat.
Exkurs: Imperialistische Konkurrenz oder Klassenantagonismus
Im ersten Teil des Artikels wurde betont, daß der Krieg in Afghanistan Moment der Durchsetzung von Klassenverhältnissen ist und daß Öl nicht einfach ein umstrittener Gebrauchswert, sondern zentrales Schmiermittel des heutigen Verwertungsprozesses ist. Der Frage nach den unterschiedlichen Interessen der USA, des europäischen Wirtschaftsblocks oder anderer Länder und der Konkurrenz zwischen diversen Ölfirmen wurde dabei wenig Aufmerksamkeit geschenkt. In der Linken hat es wieder Konjunktur, sich den Weltlauf aus der Konkurrenz zu erklären, z.B. aus der ökonomischen Rivalität zwischen Dollar- und Euro-Zone. Die Konkurrenz wird dem Bezug auf »das Kapital« als einem bestimmten historischen Klassenverhältnis entgegengesetzt. Aber Konkurrenz und Klassenverhältnis sind zwei zusammengehörende Momente des einen Kapitalverhältnis, das unsere Lebensweise bestimmt. Das Kapital, als antagonistisches Verhältnis zwischen Produzenten und ihren eigenen verdinglichten Produktionsverhältnissen, ist kein handelndes Subjekt wie eine Regierung oder eine Firma. Es ist eine historisch vergängliche Struktur, in der sich die konkurrierenden Subjekte mit ihren jeweiligen Interessen immer schon bewegen. Das bedeutet umgekehrt, daß sich diese Struktur nur durch und in der Bewegung der Konkurrenz erhält und entwickelt.
Die afghanischen Warlords, nationale Regierungen oder internationale Ölkonzerne können sich einbilden, nur ihre eigenen, besonderen Interesse zu verfolgen. Ihnen muß nicht bewußt sein, wie sie mit ihrem Morden und ihren Vertreibungen Voraussetzungen einer kapitalistischen Ökonomie schaffen. Eine Regierung kann sich einbilden, sie verfolge nur ihre nationalen Ziele, aber als kapitalistische Staatsgewalt wird sie dabei immer zugleich die Absicherung kapitalistischer Verhältnisse betreiben müssen. Die Darstellung der Konkurrenz greift zu kurz und erklärt nichts, wenn sie nicht zu den allgemeinen Bedingungen der Reproduktion des Kapitals als Klassenverhältnis vorstößt. Die Entwicklung der kapitalistischen Verhältnisse vollzieht sich durch die Konkurrenz hindurch und braucht die Konkurrenz. Das wesentliche Resultat ist aber nicht die Durchsetzung dieser oder jener Interessen, sondern die damit zugleich betriebene Durchsetzung kapitalistischer Verhältnisse - oder auch deren Scheitern.
Im übrigen ist dieser allgemeine Inhalt den meisten Angehörigen der herrschenden Klasse keineswegs so unbewußt, wie es das oft zitierte Bild von Vorgängen, die sich »hinter dem Rücken der Beteiligten vollziehen« glauben macht, das Marx in ironischer Anlehnung an Adam Smith's »unsichtbare Hand« gebrauchte. Dafür wissen sie zu gut, daß ihr eigener Luxus an die Aufrechterhaltung ganz bestimmter sozialer Verhältnisse gebunden ist und ihre »Hand« ist in den Geschehnissen nur zu sichtbar. Aber was sie nicht wissen können, ist, wo die Grenzen ihrer Macht liegen. Denn diese beruht nicht auf ihrer eigenen Tätigkeit oder Subjektivität, sondern auf historischen Verhältnissen, in denen der Masse der Menschheit ihre kollektive produktive Macht als etwas Äußerliches und Fremdes entgegentritt.
Die Taliban als Instrument der Machtpolitik
In Afghanistan sind Ende Mai 2002 die ersten Verträge über den Bau einer Gaspipeline von Turkmenistan nach Pakistan abgeschlossen worden - von einem afghanischen Übergangspräsidenten, der mit Unterstützung der USA ins Amt kam und in den 90er Jahren nicht nur CIA-Zögling, sondern auch Berater der texanischen Ölfirma Unocal war, die auf diese Pipeline hingearbeitet hatte - zusammen mit Enron! Nachdem die letzten Trauerfeiern für die Opfer des 11.9. abgeschlossen sind, wird in der Presse wieder Klartext geredet. In der letzten Mai-Ausgabe brachte business week unter dem Titel »The Next Oil Frontier« einen Aufmacher zum Vordringen »amerikanischer Soldaten, Ölleute und Diplomaten in Zentralasien und darüber hinaus«. Das Magazin überschlug sich fast vor Begeisterung darüber, in wie kurzer Zeit die USA nach dem 11.9. ihren Einfluß in dieser umstrittenen Region ausweiten konnten. 1991 hatte dasselbe Magazin noch vor voreiligen Hoffnungen gewarnt. Die Taliban selber waren nur Mittel in diesem geostrategischen Spiel und gehören mittlerweile zu seiner Vorgeschichte.
Das Phänomen der Taliban selber wie ihr Aufstieg zur herrschenden Macht in Afghanistan sind kein Produkt gesellschaftlicher Entwicklungen innerhalb des Landes. Die neuartig reaktionäre Form ihres Islamismus entstand unter den Bedingungen der massenhaften Vertreibung und des Lebens in Flüchtlingslagern in Pakistan. Die dortigen Koranschulen, die Madrassas, haben für die Armen eine materielle Funktion, da sie oft die einzige Möglichkeit bieten, einigen ihrer männlichen Kinder eine regelmäßige Ernährung, ein Dach über dem Kopf und eine gewisse Bildung zu gewähren. Für Flüchtlinge aus Afghanistan war die Abhängigkeit von dieser Reproduktionsmöglichkeit mangels Alternativen noch stärker als für die pakistanische Bevölkerung.
Finanziert werden die Madrassas von (öl-) reichen islamischen Kreisen, vor allem aus Saudi-Arabien. Damit sind sie von ihnen abhängig und für deren Interessen und Ziele instrumentalisierbar. Die Bedeutung der Madrassas beim politischen Aufstieg der Taliban läßt sich unmittelbar am Kriegsgeschehen ablesen. Vor Entscheidungsschlachten oder in brenzligen Situationen erhielten die Taliban-Milizen schlagartig tausende neue Kämpfe, indem einfach einige große Madrassas in Pakistan geschlossen und die »Schüler« an die Front geschickt wurden. Darunter waren nicht nur Afghanen, sondern auch Jugendliche aus der pakistanische Bevölkerung. Nebenbei war diese Frontverschickung für die pakistanische Regierung ein willkommenes Ventil für den sozialen Druck im eigenen Land. Die Ausweitung der Madrassas und ihre Nutzung als Rekrutierungsinstrument wurde vom pakistanischen Regime nicht nur geduldet, sondern aus eigenen Interessen gezielt gefördert.
Die besondere religiöse Ideologie der Taliban wäre für sich nicht wichtig, sondern würde nur eine der vielen islamischen Sekten darstellen - zudem einer Richtung, die in Afghanistan nie eine große Rolle gespielt hat. Ihr Rückgriff auf eine vermeintlich historisch strenge Scharia, ihre Propagierung des heiligen Krieges und ihre Kompromißlosigkeit gegenüber anderen Ideologien oder ausländischen Organisationen verschaffte ihnen eine Identität und Legitimation, mit der sie sich von den übrigen verhaßten Warlords in Afghanistan und den von außen intervenierenden Mächten abgrenzen konnten. Dies hätte aber kaum gereicht, um sich in Afghanistan politisch zu etablieren. In den ersten zwei Jahren nach ihrem Auftauchen im Jahre 1994 blieb ständig fraglich, ob sie sich durchsetzen könnten.
Der Aufstieg der Taliban beruhte von Anfang an darauf, daß sie von anderen Mächten als mögliche Ordnungsmacht gefördert wurden. Die Auflösung der Sowjetunion und die Unabhängigkeit der fünf zentralasiatischen Länder mit ihren nun geöffneten Märkten und zugänglichen Ressourcen schuf das Interesse an einer Stabilisierung. Afghanistan war nun in den Augen vieler nicht mehr das Schlachtfeld zur Zurückdrängung und Zermürbung der SU, auf dem gleichzeitig die gesellschaftlichen Verhältnisse radikal transformiert wurden (siehe Teil I), sondern es bekam eine Schlüsselposition für die Transportrouten nach Zentralasien. Der erste Förderer und Unterstützer der Taliban war die Transportmafia der LKW-Unternehmer in Quetta (Pakistan) und Kandahar (Afghanistan), die sich eine sichere Transitroute nach Turkmenistan wünschte. Die ersten militärischen Aktionen der Taliban bestanden darin, im Auftrag dieser örtlichen Unternehmer Straßen freizumachen und LKW-Konvois abzusichern.
Auf sich gestellt wäre die »Schülerarmee« der Taliban weder finanziell, noch organisatorisch oder militärisch in der Lage gewesen, sich längerfristig in Afghanistan zu behaupten. Sie überstanden die ersten größeren Schlachten nur, weil sie 1995 mit Hilfe des pakistanischen Geheimdienstes ISI reorganisiert und mit Fahrzeugen und Waffen aus Pakistan und Saudi-Arabien aufgerüstet worden waren.
Nachdem sie bis 1996/97 einen großen Teil des Landes unter ihre Kontrolle gebracht hatten, wurden sie als Ordnungsmacht zunehmend für international operierende Firmen aus dem Ölgeschäft interessant, die nach Transportrouten für Öl und Gas aus Zentralasien suchten, die nicht von russischer Kontrolle abhängig waren - und möglichst auch nicht durch den Iran führten. Der argentinische Ölkonzern Bridas und die texanische Unocal verhandelten daher intensiv mit den Taliban über Pipelineprojekte. Unocal ließ eine Machbarkeits-Studie vom amerikanischen Energiekonzern Enron durchführen, der ein besonderes Interesse an billigem Gas aus Zentralasien hatte. Der nach dem 11.9. von Bush zu seinem Afghanistan-Beauftragten ernannte Zalmay Khalilzad, der jüngst die Schmierenkomödie der »Loya Jirga« etwas zu offensichtlich dirigierte, hatte im Juni 1997 eine Risiko-Analyse der Gaspipeline durch Afghanistan erarbeitet und die Verhandlungen mit den Taliban für Unocal vermittelt.
Zwei gescheiterte Anläufe - die »Enron-Taliban-Cheney-Connection«
Enron hatte 1992 mit dem Bau eines mit Gas betriebenen Stromkraftwerks im indischen Dabhol in der Nähe von Bombay begonnen. Das Drei-Milliarden-Dollar-Projekt sollte bis 1997 ein Fünftel des indischen Strombedarfs decken. Die indischen Behörden waren nicht begeistert, da der dort erzeugte Strom das drei- bis siebenfache des Stroms aus anderen Quellen kosten sollte. Selbst die Weltbank hatte wegen der hohen Kosten vor dem Projekt gewarnt. Enron spannte US-Staatsmänner und -Diplomaten ein, die 1994 und 1995 Druck auf die indische Regierung ausübten, dem Projekt zuzustimmen - was sie dann auch tat -, während der Konzern selber Schmiergelder zahlte. Längerfristig konnte das Projekt aber nur rentabel laufen, wenn es eine Anbindung von Dabhol an billige Erdgaslieferungen aus Zentralasien gab. Im November 1997 waren die Taliban auf Einladung der Ölfirma Unocal in Houston, und das Projekt einer Gaspipeline von Turkmenistan durch Afghanistan und Pakistan nach Indien schien unter Dach und Fach zu sein.
Aber die Verhandlungen zogen sich hin. Ihr Scheitern wird in den meisten Darstellungen auf die Anschläge am 7.8.98 auf die US-Botschaften in Kenia und Tanzania und die folgenden Raketen-Angriffe der Clinton-Regierung auf Bin-Laden-Lager in Afghanistan zurückgeführt. Zwei andere Aspekte werden dabei unterschlagen. Über den Bau von Pipelines durch Afghanistan gab es eine harte Konkurrenz zwischen dem argentinischen Ölkonzern Bridas und der amerikanischen Unocal. Die Taliban verlangten in den Verhandlungen nicht nur Lizenzgebühren für die Durchleitung, sondern auch die Entwicklung von Infrastruktur und die Möglichkeit der Nutzung der Pipelines für den afghanischen Energiebedarf. Bridas wollte diesen Forderungen nachgeben, war aber von Unocal ausgebootet worden. Die texanische Firma lehnte die Forderungen der Taliban ab und bestand auf einer reinen Transitleitung. Der zweite Aspekt ist die Entwicklung des Ölpreises: er war 1998 aufgrund der Asienkrise auf ein historisches Tief von 13 Dollar pro Barrel gefallen, womit sich die Frage der billigen Ersatzversorgung etwas entspannte. Darüberhinaus könnte auch der Einfluß Saudi-Arabiens bzw. bestimmter Kreise des saudischen Herrscherclans eine Rolle gespielt haben: der leichtere Zugang zu den zentralasiatischen Öl- oder Gasreserven hätte die ohnehin schon angeschlagene Dominanz der saudischen Ölförderung auf dem Weltmarkt weiter untergraben.
Das Pipeline-Projekt wurde von Unocal 1998 fallengelassen. Enron produzierte in Dabhol weiter Strom, aber im Mai 2001 stellte die regionale indische Elektrizitätsbehörde ihre Zahlungen mit Hinweis auf die zu hohen Kosten ein. Enron konterte mit der Forderung nach 64 Mio. Dollar ausstehender Zahlungen.
Zweiter Anlauf: Als Bush Anfang 2001 mit einer kompletten Mannschaft aus dem Öl-Business an die Macht kam, wurden die Gespräche mit den Taliban über den Pipelinebau wieder aufgenommen - das letzte Treffen fand vier Wochen vor dem 11.9. statt. Bei diesem soll von us-amerikanischer Seite der mittlerweile berühmt gewordene Spruch gefallen sein, sie könnten sich zwischen einem roten Teppich oder einem Bombenteppich entscheiden. Der Ölpreis war in der Zwischenzeit dramatisch angestiegen und hatte im Sommer 2001 in Europa und in den USA zu heftigen sozialen Auseinandersetzungen geführt (siehe Wildcat-Zirkular 58). Außerdem war Enron einer der Hauptfinanziers von Bushs Wahlkampf gewesen und spätestens Mitte 2001 war den Enron-Chefs klar, daß der Zusammenbruch ihres Pyramidenspiels bevorstand. Der Ölpreis, Enron, der soziale Konflikt, die Perspektive einer verstärkten Abhängigkeit von Öl aus dem Mittleren Osten in den nächsten Jahrzehnten, die eigenen Interessen der Bush-Administration und das Platzen der Börsen- und Internetökonomie - alles rückte Zentralasien und seine Öl- und Gasreserven wieder in den Mittelpunkt.
Vizepräsident Cheney, ehemaliger Vorsitzender der internationalen Pipelinebaufirma Halliburton, die am Bau der afghanischen Pipeline mitverdient hätte, traf sich im Laufe des Jahres mehrfach mit Enron-Chef Kenneth Lay - die Unterlagen über diese Gespräche kamen nach der Firmenpleite in den Reißwolf, was die amerikanische Öffentlichkeit momentan am meisten beschäftigt. Parallel zu den Verhandlungen mit den Taliban richtete die Bush-Regierung eine Arbeitsgruppe zu Dabhol ein, die Enron bei der Eintreibung seiner Forderungen unterstützen sollte, z.B. präparierte sie Cheney vor seinem Indienbesuch im Juni 2001. Zudem bot Enron das Kraftwerk für 2,3 Mrd. Dollar zum Verkauf an, was eine letzte Rettung oder ein Aufschub für die Firma hätte sein können, und übte wieder mit politischer Rückendeckung der Bush-Regierung Druck auf Indien aus, den Preis zu akzeptieren. Zum Verkauf kam es nicht mehr. Am 8. November begann der Zusammenbruch des Kartenhauses Enron, als die Firma Umsatzfälschungen in Millionenhöhe eingestehen mußte - am 2. Dezember erklärte sie den Bankrott.
Das Verbrechen der Taliban - ihr Scheitern als Staat
Das eigentliche Problem der USA und anderer westlicher Länder mit den Taliban war nicht die Anwesenheit von Bin Laden, nicht die Scharia, nicht die Frauenunterdrückung oder das Abhacken von Händen und Füßen - mit all dem kommen internationale Ölfirmen und westliche Regierungen an anderen Orten der Welt bestens zurecht, solange die Ölversorgung gesichert ist und die Profite stimmen. Der Fehler der Taliban war es, daß sie die benötigte Stabilisierung des ganzen Landes nicht erreichen konnten und sich auch nicht auf eine direkte Zusammenarbeit mit anderen Ländern einließen, um sie zu erreichen.
1991 hatten die USA im Golfkrieg bewußt darauf verzichtet, das Regime in Baghdad zu stürzen. Während einfache irakische Soldaten zigtausendfach auf ihrem Rückzug niedergemetzelt wurden, ließ man Saddam Hussein seine Elitetruppen, mit denen er die aufständischen Schiiten und Kurden niederschlagen konnte. Die Aufrechterhaltung einer zentralen staatlichen Macht war den USA wichtiger als die Frage, wer sie verwaltet. Bei aller Konkurrenz zwischen Staaten, ist die Sicherung von Staatlichkeit als die elementare Rahmenbedingung jeder kapitalistischen Entwicklung und Kontrolle das gemeinsame Anliegen der herrschenden Klasse in allen Ländern. Die USA wollten verhindern, daß der Irak zu einem »failing state« wurde (dieser Begriff wurde erst zwei Jahre später erfunden). Afghanistan war ein »failed state« und die Taliban hatten die ihnen zugedachte Aufgabe des »nation building« (auch so ein Euphemismus für die Durchsetzung kapitalistischer Staatlichkeit) nicht erfüllt. Schon administrativ waren sie der Aufgabe nicht gewachsen, was sich am eklatantesten vielleicht in ihrer Unfähigkeit zeigte, ein eigenes Geldwesen zu etablieren. Die Banknoten bezog das Taliban-Regime weiterhin von seinem militärischen Gegner Massud.
Die Taliban verfügten auch über keine Massenbasis in der Bevölkerung. Ihre militärische Stärke beruhte auf keinem ideologischen Konsens, sondern hing von der Mobilisierung über die Madrassas und ihren finanziellen Mitteln zur Bezahlung von Söldnern ab, unterstützt von (ebenfalls bezahlten) »Freiwilligen« aus dem Ausland. Zudem wurden sie von einer nicht unerheblichen Anzahl pakistanischer Soldaten und Militärberater unterstützt. Im November 2001 wurde dies offensichtlich, als Pakistan mit einer Luftbrücke tausende »seiner Leute« aus der von Truppen der Nordallianz und der USA eingeschlossenen Stadt Kunduz herausholte. Die USA bestritten dies in der Öffentlichkeit, mußten es aber zulassen, um das Regime in Pakistan nicht weiter zu schwächen.
Die Haltung in der Bevölkerung läßt sich schwer beurteilen, da es darüber nur spärliche Informationen gibt. Im Westen des Landes, an der Grenze zum Iran, wo die Taliban schon aufgrund der unterschiedlichen Sprache als Fremdherrscher auftraten, trafen sie auf eine feindlich gesinnte Bevölkerung, die sich ihren Auflagen widersetzte. Zum Beispiel demonstrierten in Herat Frauen gegen die Schließung der öffentlichen Bäder. Die Taliban-Truppen verübten hier eindeutig ethnisch ausgerichtete Massaker, plünderten die Städte und vergewaltigten Frauen - womit sie das von ihnen selbst gepflegte Image einer »sauberen« Armee im Unterschied zu den übrigen Warlords verloren. Aber auch in ihrem »paschtunischen« Kernland, in der Region um Kandahar, stießen sie auf Widerstand. Bei Zwangsrekrutierungen auf dem Land wurden Taliban-Funktionäre angegriffen, einige Male erschossen. Der Versuch der Taliban, in einem kulturell und religiös sehr heterogenen Land eine einheitliche religiöse Herrschaft durchzusetzen, machte es ihnen letztlich unmöglich, die ihnen zugedachte Aufgabe der Stabilisierung zu erfüllen.
Der Zugang nach Zentralasien
»Ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der eine Region so schnell strategisch bedeutend geworden ist wie die kaspische ...«. Als der heutige Vizepräsident Cheney dies 1998 äußerte, war er noch Chef von Halliburton. In dieser Funktion bezog er sich vor allem auf das strategische Interesse an den Öl- und Gasreserven in der Region. Zentralasien geriet nach dem Zerfall der SU aber auch geopolitisch in den Mittelpunkt. In seinem Buch »Die einzige Weltmacht« (»The Grand Chessboard«) hatte Regierungsberater Zbigniew Brzezinski 1997 die Frage in den Mittelpunkt gestellt, wer in Zukunft den flächen- und bevölkerungsmäßig mit Abstand größten Kontinent Eurasien beherrschen werde. Sollte sich auf dieser Landmasse ein einheitlicher Machtblock entwickeln (aus EU, Rußland, China ...), so wäre dies das Ende der US-amerikanischen Vorherrschaft auf der Welt. In diesem Sinne interpretiert auch der Weltsystemtheoretiker Wallerstein das Dringen der USA auf die schnelle Osterweiterung der NATO als gezielte Schwächung der EU als wirtschaftliche Konkurrenz zu den USA. Da der NATO-Aufnahme dieser Länder zwangsläufig die baldige Aufnahme in die EU folgen müsse, würde die EU auf diese Weise wirtschaftlich geschwächt werden. Sowohl die EU wie China sind stark von Öl- und Gasimporten abhängig und haben daher ein starkes Interesse an der Entwicklung der kaspischen Reserven, deren Anbindung an das russisch-europäische Pipelinenetz bereits gegeben ist. Die USA bestehen aber darauf, von Rußland und vom Iran unabhängige Zugänge zu den kaspischen Reserven zu schaffen, um an ihrer Kontrolle beteiligt zu sein. Möglich ist dies nur durch die Türkei (das Pipelineprojekt durch kurdisches Gebiet zum Mittelmeerhafen Ceyan) oder technisch günstiger durch Afghanistan.
Bücher wie die von Brzezinski oder Huntington (»Krieg der Kulturen«) sind als Auftragsarbeiten für den CIA entstanden. Das Interessante an ihnen ist nicht ihr »wissenschaftlicher Gehalt«, sondern ihre Bedeutung als Richtlinien und Handlungsanleitungen für die Politik. So wie Huntington ein neues Bedrohungszenario entwirft, das dem Kapitalismus mit dem Ende des »Kalten Krieges« abhanden gekommen war, so formuliert Brzezinski geostrategische Ziele für den Machterhalt der USA.
Zentralasien rückte in den Mittelpunkt der strategischen Überlegungen, weil die politischen Anbindungen hier nach 1990 offen blieben und die Region zusammen mit dem Kaukasus neue (aber immer noch fragliche) Perspektiven der Öl- und Gasförderung bietet. Die Gefahr einer steigenden Abhängigkeit der USA von Ölimporten aus dem Mittleren Osten wird seit den 90er Jahren diskutiert; gleichzeitig hatte der Golfkrieg von 1991 gezeigt, wie problematisch eine zu große Einflußnahme auf diese Region ist. Das Phänomen Bin Laden ist letztlich ein Produkt des Golfkriegs, der die innenpolitische Opposition in Ländern wie Saudi-Arabien gegen die Zusammenarbeit mit den USA gefördert hatte. Es ist zwar heute nicht mehr die Rede davon, daß die Öl- und Gasreserven am Kaspischen Meer eine Alternative zu den weltweit größten und am billigsten ausbeutbaren Reserven des Mittleren Ostens darstellen. Daher wird überall nach neuen Förderquellen gesucht - in Alaska wie in Westafrika oder Mittelamerika. Aber in Zentralasien überlagern sich allgemeine geostrategische Ziele mit der verzweifelten Suche nach Ersatzgebieten für die schon jetzt zunehmende Abhängigkeit von arabischem Öl.
An dem zunächst geplatzten Enron-Deal in Indien wird noch etwas anderes klar: es geht nicht allein um die Abhängigkeit der USA von Ölimporten, sondern um die Verwertungsketten des Erdöls auf der ganzen Welt. Die höchsten Zuwachsraten des Ölverbrauchs werden für Asien, insbesondere China und Indien vorausgesagt. Offen ist dabei, welche Konzerne mit diesem steigenden Bedarf ihr Geschäft machen können.
Die Schlüsselstellung Afghanistans
Für die Versuche, Einfluß in Zentralasien zu gewinnen, spielte der Afghanistan-Krieg in den 90er Jahren eine zentrale Bedeutung. In seinem Umfeld gedieh der Waffenhandel in der Region und angeblich ethnisch oder religiös motivierte Konflikte und Sezessionskämpfe waren das Instrument, um die Situation offen zu halten und um auch hier soziale Transformationsprozesse in Gang zu setzen. In den ersten Jahren nach 1990 blieben die zentralasiatischen Staaten trotz formaler Unabhängigkeit wirtschaftlich und sicherheitspolitisch von Rußland und teilweise von der Präsenz seiner Truppen abhängig. Die zentralasiatischen Länder versuchten, sich alle Türen offenzuhalten: die alten Kontakte zu Rußland, neue Kooperationen mit den USA, der Türkei und Israel, Pakistan, Indien, China, dem Iran oder der EU. Im Verlauf des Afghanistan-Krieges und dem Erstarken der Taliban kommt es immer wieder zu wechselnden Koalitionen und Beeinflussungen.
Die USA hatten sehr früh Konzepte zum militärischen Vordringen in die Region entwickelt. 1991 wurde bekannt, daß die USA nach dem Golfkrieg (»Operation Wüstenschild«) eine ähnliche Aktion in Kasachstan unter dem Code-Wort »Operation Steppenschild« vorbereiteten. 1997 veranstalteten Sondereinheiten der USA gemeinsame Manöver mit den jeweiligen Streitkräften in Kasachstan und Usbekistan. Auf der anderen Seite versuchten Rußland und China aus dem Bedrohungsszenario der von Afghanistan ausgehenden »islamistischen Gefahr« heraus ihre Rolle in Zentralasien geltend zu machen. Gegen den Versuch der USA, die Region durch militärische Präsenz oder direktes Eingreifen zu stabilisieren, initiierten Rußland und China im Juni 2001, die »Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit« zusammen mit den vier zentralasiatischen Staaten Kasachstan, Tadschikistan, Kirgisistan und Usbekistan, um gemeinsam gegen Rebellen und Separatisten vorzugehen. Die Bombardierung Afghanistans durch die USA und der damit verbundene Aufbau von militärischen Stützpunkten in den angrenzenden Ländern oder jüngst in Georgien, ist dieser Koalition zuvorgekommen.
Vor dem Hintergrund dieses Krieges und der drohenden Konfrontation arabischer Länder wie Saudi-Arabien zu den USA hat Rußland versucht, sich durch die Unterstützung des »Kriegs gegen den Terror« (den es selber in Tschetschenien schon lange praktiziert!) und sein Unterlaufen der OPEC-Ölpreispolitik als alternativer Ölproduzent für den Westen ins Spiel zu bringen - bemüht sich aber weiterhin um die Kooperation mit China in dieser Region.
Hinter all diesen Facetten der Konkurrenz zwischen verschiedenen Macht- und Wirtschaftsblöcken steht die Frage nach der Perspektive der kapitalistischen Verwertung als globalem Prozeß; dies umschließt die Sicherung des Öls als zentralem Schmiermittel der kapitalistischen Akkumulation (daher auch der Irak als nächstes Angriffsziel: aufgrund des drohenden Wegbrechens Saudi-Arabiens wird dringend ein neuer stabiler Brückenkopf in der Region gebraucht) sowie die Durchsetzung kapitalistischer Strukturen in Zentralasien. Auch wenn Zentralasien die idealen sozialen Bedingungen für Ölförderung aufweist (ein Gebiet von der Größe Indiens mit einer Bevölkerung von lediglich 55 Millionen Menschen), so sind auch Ölfelder und Pipelines an stabile Verhältnisse gebunden. Ein Beispiel aus dem Kaukasus verdeutlicht das Problem: Die us-amerikanische Elektrizitätsfirma AES, die in Georgien E-Werke und Leitungsnetze betreibt, steht kurz vor dem Ruin, da sie aufgrund des stark verbreiteten Stromdiebstahls bisher nur für 65 Prozent des produzierten Stroms Zahlungen verbuchen kann. Daß mit dem Betrieb von Ölpipelines ähnliche Probleme verbunden sind, ist aus Ländern wie Nigeria usw. bekannt.
Das eigentliche Problem sind nicht ethnische Konflikte, die überall mit Verweis auf die Steinzeit heraufbeschworen und bei Bedarf sehr massiv geschürt werden, sondern die erst noch durchzusetzende Geltung des bürgerlichen Eigentums und des Geldes. Historisch gelang diese nie mit reiner Gewaltanwendung, sondern bedurfte der gleichzeitigen Reichtumsentwicklung und der Einbindung der Proletarier über den Lohn. Eben dafür gibt es angesichts der Krise der Weltökonomie heute keine absehbare Perspektive. Mit Krieg und Warlordisierung lassen sich alte Strukturen zerstören, die der Kapitalentwicklung im Wege stehen - aber keine Entwicklungsprozesse in Gang setzen. Der Vergleich mit Schumpeters »schöpferischer Zerstörung« paßt daher hier nicht, weil er unterstellt, wir hätten es schon mit einer neuen Akkumulationsdynamik zu tun.
Bomben als Machtanspruch - der USA und des Kapitals
Die am 7. Oktober 2001 beginnende und bis heute nicht beendete Bombardierung Afghanistans war keine Reaktion auf den 11.9., sondern die Fortsetzung und Beschleunigung des strategischen Vorgehens in Zentralasien. Die ganze Form der Kriegsführung zeigt, daß es zu keinem Zeitpunkt darum ging, Bin Laden zu fassen oder das Al-Qaeda-Netzwerk zu zerschlagen. Gemessen an diesem Ziel haben die USA ihren Krieg in Afghanistan verloren, wie von der bürgerlichen Opposition gegen den Krieg oft betont wird.
Auch im strategischen Sinn läßt sich nicht von einem Sieg sprechen. Das Dilemma des militärischen Eingreifens in Zeiten der globalen Krise liegt darin, daß jeder Stabilisierungsversuch an einem Ort weitere Destabilisierung an anderen Orten nach sich zieht. Im Golfkrieg 1991 hatten die USA ihre Kontrolle im Mittleren Osten sichern wollen und das schon als »Neue Weltordnung« verkündet. Auf längere Sicht hatten sie damit aber ihre exklusiven strategischen Beziehungen zum wichtigsten Land in der Region, Saudi-Arabien, untergraben, was jetzt deutlich wird. Mit der Bombardierung Afghanistans versuchen die USA, eine langfristige Präsenz in Zentralasien zu erreichen - und destabilisieren damit zwangsläufig Pakistan, dessen Regime sie nur mit viel Druck und Geld zum Fallenlassen der Taliban und zur Beteiligung am »Krieg gegen den Terror« überreden konnten.
Zwischen den USA und den westeuropäischen Ländern herrscht eine heftige Konkurrenz darum, wie sich diese Länder und Regionen stabilisieren lassen. Während die EU auf diplomatischen Einfluß und Entwicklungshilfe setzt (»nation building«), hat sich die Bush-Regierung von Anfang an für ein stärker militärisches Vorgehen entschieden. Wie schon der Kosovo-Krieg 1999 dient die Bombardierung Afghanistans zugleich der Durchsetzung eines mehr und mehr nur auf ihrem militärischen Potential beruhenden Machtanspruchs der USA. In Afghanistan wird das nach Außen als Arbeitsteilung dargestellt: die USA bombardieren, die Europäer laden auf den Petersberg ein, stellen Polizisten für Kabul und bauen Zelte für Akklamationsveranstaltungen. Dabei bleibt ihnen, trotz einiger diplomatischer Verstimmungen, nichts anderes übrig, als sich der militärischen Vormachtstellung der USA unterzuordnen.
In der Kriegsführung übernahmen die USA von Anfang an bis heute die alleinige Kontrolle - sowohl gegenüber den »verbündeten« Nordallianz-Milizen, als auch gegenüber den beteiligten europäischen Kräften oder der Friedenstruppe in Kabul. Obwohl der NATO-Bündnisfall erklärt worden war, hatten die USA - anders als im Kosovo - bewußt darauf verzichtet, von ihm Gebrauch zu machen, sondern behielten sich das Oberkommando vor und bestimmten das Vorgehen.
Immer wieder verhinderten die US-Militärs auch gegen heftigen Protest von Milizenführern der Nordallianz die bisher in Afghanistan übliche Praxis der Kapitulation und anschließenden Freilassung von Gefangenen (mit Ausnahme des erwähnten Falls von Kunduz, wo das Verhältnis zu Pakistan und die innenpolitische Stabilität des Landes auf dem Spiel stand). Einmal rutschte Rumsfeld sogar das bekannte »Gefangene werden nicht gemacht« heraus. Das Massaker an Gefangenen bei Mazar-i-Sharif ging auf diese Haltung und die bewußte Provokation des US-Militärs zurück - und es war zugleich ein Signal an die Nordallianz selber.
Die Bush-Regierung hatte die Nordallianzmilizen zunächst davor gewarnt, auf Kabul vorzurücken und die Stadt einzunehmen. Militärisch waren sie aber auf diese Bodentruppen angewiesen, um massenhafte eigene Verluste zu verhindern - die seit Vietnam als innenpolitisch nicht durchsetzbar gelten. In den USA und in Großbritannien wird seit einiger Zeit laut darüber nachgedacht, sich in der Kriegsführung bezahlter Söldnertruppen zu bedienen. Für die USA erfüllte die Nordallianz in Afghanistan diese Funktion. Die Kriegsführung gegen die Taliban oder Al-Quaeda-Kämpfer und ihre ausgeprägte Grausamkeit diente daher immer auch der Durchsetzung des Gewaltmonopols gegenüber den »verbündeten« Milizen. Mittlerweile hat bereits der Prozeß eingesetzt, in dem einzelne, vom Präsidenten Karsai ausgesuchte Milizen zum militärischen Feind des neuen Staates erklärt und vom US-Militär entsprechend behandelt werden.
Alle Fragen der humanitären Hilfe und der Etablierung einer eigenen Staatlichkeit wurden bisher rigoros dem militärischen Machtanspruch der USA untergeordnet. Z.B. weigerten sich die USA beim letzten Wintereinbruch ganz offen, Lebensmittel-Hilfskonvois militärisch abzusichern. Der Vorschlag, das Einsatzgebiet der Friedenstruppe über Kabul auszudehnen, wurde zurückgewiesen. Anfangs muckte sogar der von den USA eingesetzte Präsident Karsai gegen die fortgesetzten Bombardierungen auf, über die es gelegentlich zu Verstimmungen mit anderen westlichen Verbündeten kam (französische Bomberpiloten verweigerten einmal die vom US-Militär angeordneten Einsätze wegen der offensichtlichen Gefährdung der Zivilbevölkerung). Trotz solcher Differenzen zwischen den westlichen Angreifern auf Afghanistan über die Fragen des Vorgehens und der Rollen, die den einzelnen Ländern zukommen, besteht Einigkeit darüber, daß militärisch eingegriffen werden muß.
Kriege führbar machen
Nach dem Golfkrieg von 1991 und der NATO-Bombardierung Jugoslawiens 1999 ist der Afghanistan-Feldzug die dritte größere Militäroperation, die der neuen Politik des »gerechten« Krieges und der Darstellung von Krieg als »Polizeiaktion« folgt. Nach 1945 hatte es eine allgemeine Ächtung des Krieges gegeben und drei große Kriege in der Zeit nach 1945 erwiesen sich vor allem aufgrund der Haltung in der eigenen Bevölkerung als unführbar: der Algerienkrieg Frankreichs, der Vietnamkrieg der USA und der Afghanistankrieg der Sowjetunion. Seitdem wurde und wird überlegt, wie Kriege wieder führbar gemacht werden können: sie sollen keine normalen Bürger des kriegsführenden Landes treffen, sondern von einer Berufsarmee (oder im Geist des Neoliberalismus von Söldnerarmeen) ausgeführt werden (in der aktuellen Debatte in Deutschland um die Wehrpflicht geht es um die Führbarkeit von Krieg - auch wenn das teurer ist); sie sollen kurz sein, so daß keine größeren Debatten entstehen (zur Erinnerung: das NATO-Bombardement gegen Jugoslawien sollte ursprünglich nur zwei Tage dauern!); und sie sollen sich als gezielte, chirurgische Schläge darstellen lassen, die die Zivilbevölkerung verschonen - diese Präsentation von Kriegen ist in erster Linie zur Aufgabe der Medienabteilungen geworden.
Der Verlauf der Bombardierung Afghanistans zeigt das ganze Dilemma dieser Anforderungen. Nach einigen Wochen anscheinend wirkungsloser Bombardierung geriet die Kriegsführung mit Streubomben gegen die Zivilbevölkerung usw. immer mehr in die Kritik. Die USA mußten den Warlords der Nordallianz einen sehr viel größeren Spielraum gewähren, als sie es beabsichtigt hatten, und konnten deren Vorrücken auf Kabul nicht mehr stoppen.
Paradoxerweise führten die humanitären Bedenken gegen die Kriegsführung aus den Kreisen der europäischen politischen Eliten nach einem Monat »erfolglosen« Bombardements - von der Kritik an Streubomben bis zum Ruf nach einer Feuerpause - zur Brutalisierung der Angriffe. Um der Stimmung gegen den Krieg entgegenzuwirken, mußten schnelle »Erfolge« vorgezeigt werden, wozu verstärkt zivile Ziele und Infrastruktur bombardiert wurden. Die »öffentliche Meinung« ist immer auf der Seite der »Sieger« - im Vietnam-Krieg war es die militärische Erfolglosigkeit und die Zahl der toten GIs, die zur Ausweitung der Anti-Kriegs-Bewegung beitrugen.
Symbolisches »nation building«
Erst mit der Präsentation lachender Frauen im »befreiten« Kabul hatten die PR-Abteilungen der Kriegsministerien genügend Material, und die Stimmung kippte. Das Land galt als »befreit« und die weitere Kriegsführung der USA mit Unterstützung anderer NATO-Länder geriet in den Schatten des völlig irrealen »Wiederaufbaus« Afghanistans. Dieser beschränkt sich auf Vorzeigeprojekte in Kabul - wo die internationale Presse ist - und pure Simulation. Der stellvertrende Direktor der UN-Sondermission Afghanistan brachte es auf den Punkt: »Wir versuchen den Eindruck zu erwecken, es werde regiert. Symbolik ist wichtig.« Zu dieser Symbolik gehören auch die Zahlen von zurückkehrenden Flüchtlingen aus Pakistan und dem Iran, die hauptsächlich darauf beruhen, daß jede Familie pro Kopf ein »Begrüßungsgeld« von 20 Dollar erhält. Der Veranstalter der Aktion, der UNHCR, geht selbst davon aus, daß die meisten vor dem nächsten Winter Afghanistan wieder verlassen werden, weil es im Land keine Überlebensmöglichkeiten gibt. Nachdem es im April zu Bauernunruhen gekommen war, verzichtete die Regierung Karzai umgehend darauf, das angekündigte Verbot des Anbaus von Schlafmohn durchzusetzen. Die Regierung hatte ihnen eine Abfindung von 350 Dollar pro Acre (0,4 Hektar) angeboten, während der Opiumanbau auf dieser Fläche etwa das Zehnfache einbringt. Die einzigen konkreten Pläne zum »Wiederaufbau« bestehen bis heute in den Abkommen zum Bau einer Pipeline, der vielleicht zehntausend Jobs auf den Baustellen bringen würde - in einem Land mit 27 Millionen Menschen.
Ein »zögerlicher Imperialist« und die Krise des Kapitals
Die Art der Kriegsführung in Afghanistan hat Parallelen auf weltpolitischer Ebene: die Kündigung des ABM-Vertrages, die Veröffentlichung einer neuen Nuklearstrategie mit atomaren Gefechtsfeldwaffen, die von Bush präsentierte Doktrin des »Erstschlags« und ein Aufrüstungsprogramm, das den Anteil der USA an den weltweiten Rüstungsausgaben von bisher etwa 36 auf 40 Prozent steigern dürfte (die angekündige Steigerung des Rüstungsetas für das nächste Jahr um 48 Mrd. Dollar entspricht etwa dem doppelten des italienischen oder anderthalbfachen des deutschen Militärhaushalts). Jüngster und scheinbar grotesker Ausdruck dieses Ringens um Vormachtstellung im Weltsystem ist der Konflikt um den Internationalen Strafgerichtshof. Um ihre Ablehnung einer solchen supranationalen Instanz zu unterstreichen, wurde ein Gesetz verabschiedet, das die militärische Intervention in den Niederlanden (dem Sitz des Gerichtshofs) für den Fall ermöglicht, daß ein us-amerikanischer Staatsbürger vor ihm angeklagt wird.
Befinden sich die USA auf dem Weg zu einer imperialen Weltmacht, oder entspringt ihre Kriegspolitik umgekehrt aus ihrem krisenhaften Niedergang als hegemoniale Macht im kapitalistischen Weltsystem? Der »Kalte Krieg« ist zwar zu Ende, aber die »Neue Weltordnung« die Bush sen. 1991 vorschnell ausgerufen hatte, ist nicht in Sicht.
Das Vorgehen der USA steht in immer deutlicherem Widerspruch zu der Vorstellung, nationalstaatliche Macht werde mehr und mehr an supranationale Organisationen wie die WTO, den IWF, die UNO oder die NATO übergehen. In dem als »Globalisierung« dargestellten Angriff auf die Arbeiterklasse hatten die Staaten sich selber als Opfer eines übermächtigen Prozesses dargestellt, um ihre Krisenangriffe als Sachzwänge darstellen zu können. Richtig an diesem Bild ist nur zweierlei: Staaten sind nie für sich allein »souverän«, sondern nur im Zusammenhang eines weltweiten Staatensystems, in dem es ein deutliches Machtgefälle gibt. Und zweitens können Staaten als politische Ebene der kapitalistischen Gesellschaft nie »souverän« in dem Sinne sein, wie es der globalisierungskritische Ruf nach einem »Primat der Politik« über die Ökonomie unterstellt. Sie können lediglich einen Verwertungsprozeß absichern und moderieren, dessen Entwicklung außerhalb der Reichweite ihrer Steuerungsmöglichkeiten liegt. Aber »Souveränität« im eingeschränkten staatlichen Sinne ist in letzter Instanz an das Gewaltmonopol von Staaten gebunden, auch wenn dies im Globalisierungsdiskurs der 90er Jahre mit seinen Illusionen von Marktwirtschaft und Zivilgesellschaft oft vergessen wurde. Organe wie der IWF oder die WTO sind rein vertragliche Vereinbarungen zwischen Staaten, die dadurch nie auf ihr Gewaltmonopol verzichteten. Und damit sind sie selber abhängig von den Machtbeziehungen zwischen den Staaten, die sie bilden. Im Detail läßt sich das an der Ausrichtung von internationalen Organisationen wie dem IWF oder der WTO zeigen, die Instrumente der mächtigeren Staaten bei der Durchsetzung ihrer Verwertungsinteressen sind.
Auf dem Weg zu einem neuen Kolonialismus?
Der intellektuelle Streit um die Neuordnung der Welt beruht nicht auf theoretischen Problemen, sondern auf den objektiven Widersprüchlichkeiten.
Unabhängig von der modischen linken Debatte um das »Empire« von Hardt/Negri hat sich seit dem 11.9./7.10. eine Debatte um Imperialismus und Imperium in rechten Kreisen der USA entwickelt. In dieser Debatte wird ein positives Bekenntnis zum Imperialismus gefordert, wobei u.a. geschichtliche Umdeutungen des historischen Imperialismus zu einer notwendigen Verteidigungsmaßnahme der zivilisierten Länder gegen das um sich greifende Piratenwesen vorgenommen werden. Historiker und Politologen fordern die USA auf, sich positiv zu ihrer Rolle als einzige »imperiale« Macht oder als Empire zu bekennen und verweisen darauf, daß die USA heute gemessen an ihrer militärischen Dominanz weit mehr Empire sind, als es Rom oder England je gewesen sind. Es fehle nur die richtige Einstellung der Regierungen und Haltung der Öffentlichkeit dazu, um daraus eine konsequente Politik abzuleiten.
Die rechte Debatte geht davon aus, daß es mit den Mitteln der Entwicklungshilfe und der internationalen Diplomatie (»nation building«) nicht mehr möglich sei, in bestimmten Regionen der Welt die Ordnung aufrechtzuerhalten. In Ländern wie Afghanistan, Sierra Leone, Angola oder Somalia sei daher eine direkte Übernahme der Verwaltung des Landes - eben Kolonialismus (oder »Protektorate« oder »Mandatsgebiete«) - erforderlich. Und nur die USA verfügten über die militärische Kapazität, dies durchzusetzen. Zudem habe sich gezeigt, daß die UNO oder andere internationale Organisationen aufgrund ihrer »demokratischen« Verfahrensweise keine geeigneten Instrumente seien, das Erforderliche zu tun. Hier wird an der Legitimation für neue Formen imperialer oder direkt kolonialer Kontrolle durch die USA gearbeitet.
(Nebenbei: die Argumente sind im Kern die gleichen, mit denen in der hiesigen provinziellen Debatte von den Antideutschen die weltweite »zivilisatorische Mission« der USA verteidigt wird. Ähnlich ist auch die angstbesetzte Propaganda mit Bildern vom Untergang im Chaos der unzivilisierten Horden, die über uns hereinbrechen - im Grunde trauert diese regressive »Linke« der Weltordnung des Kalten Krieges nach, die auch die einzige Ordnung in ihren Köpfen darstellte. Versatzstücke des spezifisch amerikanischen Auftrags finden sich allerdings auch in Negris postmodernem »Empire« und seinem Loblied auf die Besonderheit der amerikanischen Verfassung.)
»Imperial overstretch«
Welche Substanz hat diese Perspektive eines vom US-Imperium beherrschten Weltsystems? Von antiimperialistischer Seite wird die rechte Debatte begierig aufgegriffen und als weiterer Beleg für ihre Kritik am US-Imperialismus genommen. Sicherlich sind die USA heute militärisch in einem Maße dominierend wie es bisher keine Nation im Weltmaßstab war - gemessen an ihren Rüstungsausgaben und ihren technologischen Möglichkeiten. Aber wenn aktuell der größte Widerstand gegen einen Angriff auf den Irak aus dem US-Militär kommt und eingestanden wird, daß es ein halbes Jahr dauern wird, um die in Afghanistan verschossene Munition zu ersetzen, werden daran auch die Grenzen dieser Macht sichtbar. In den 90er Jahre hatte es die us-amerikanische Militärstrategie als ihre größte Herausforderung begriffen, zwei Kriege wie den Golfkrieg gleichzeitig führen zu können. Mit der Vorstellung eines Imperiums hat das wenig zu tun.
Der moderne kapitalistische Krieg ist ein Krieg der industriellen Produktion, der Umsetzung industrieller, also spezifisch kapitalistischer Produktivität in die Destruktivität der Kriegstechnik. Die militärische Dominanz eines Landes ist letztlich an seine industrielle Kapazität gebunden. Ende der 80er Jahre prophezeite der Historiker Paul Kennedy den USA das gleiche Schicksal wie das von Spanien um 1600 oder von England um 1900: seine Wirtschaftskraft werde mit seinen imperialen Ambitionen nicht Schritt halten können - »imperiale Überdehnung« (»imperial overstretch«).
In den 90er Jahren revidierte er seine These mit Hinweis auf den beispiellosen Boom der US-Wirtschaft. Er übersah dabei die Problematik dieses Booms, der vor allem einer des Kapital- und Güterimports in die USA war, von dem die auf Sand gebaute »New Economy« und der Börsenboom zehrten. In den letzten Monaten haben sich die Kapitalströme in die USA deutlich verlangsamt und die Regierungsökonomen äußern sich erbost darüber, daß trotz ihrer guten Konjunkturdaten der Dollar immer weiter abrutscht. Selbst wenn es in den USA jetzt zu einem neuen Konjunkturaufschwung käme und nicht bloß zu dem vielfach befürchteten »double-dip«, d.h. einem kurzen Zwischenhoch gefolgt von einem vertieftem Einbruch, würden sich das Handelsbilanzdefizit und die Staatsverschuldung weiter verschärfen. Nichts deutet darauf hin, daß sich wieder eine Attraktivität der us-amerikanischen Aktien- und Wertpapierbörsen wie Ende der 90er Jahre einstellt, die für die Finanzierung der geplanten Aufrüstung und Kriegsführung erforderlich ist.
Vordergründig ist es die »Enronitis« und das Aufdecken immer neuer Schwindelunternehmen, die zur Zurückhaltung an den Börsen führen - aber Enron genauso wie Argentinien sind nur Ausdruck des absoluten Fehlens profitabler Anlagemöglichkeiten. Der Vergleich mit den Weltmächten Spanien oder England hinkt daher auch, da es im Krisenverlauf seit Mitte der 70er Jahre nicht um die Ablösung einer hegemonialen Macht durch eine andere geht - das ökonomische Zurückfallen der USA ist nur ein Moment in der Krise der Weltökonomie. Zur Zeit scheint sich die Bush-Regierung in eine protektionistische Richtung zu bewegen (Stahlzölle, Landwirtschaftssubventionen), um die eigene Ökonomie zu stärken und auch, um in der Rüstungsproduktion (Stahl!) nicht zu sehr vom Ausland abhängig zu werden - ähnliche Befürchtungen werden bereits gegenüber einer zu großen Abhängigkeit der US-Industrie von der Computerteile-Produktion in Taiwan und China laut. Dilemma der Globalisierung!
Ohne ein neues Akkumulationsmodell und einen neuen Industrialisierungsschub wird es weder ein US-amerikanisches noch sonst ein Imperium geben können. Die heutige Tendenz zum Krieg und die seit 1998 wieder verstärkte militärische Aufrüstung sind Ausdruck der globalen Krisensituation, aber sie enthalten keine Lösungen für diese Krise. Als politische Lösung hat Krieg immer nur dann funktioniert, wenn sich das Proletariat in seine soziale Logik der Zerstörung und der Unterordnung unter die Gewalt einbeziehen ließ. Für die Herrschenden ist es heute ein ungelöstes und möglicherweise unlösbares Problem, große Kriege wieder führbar zu machen und mit ihnen, die sozialen Einschränkungen und die Unterordnung unter das Kapitalkommando durchzusetzen, die sie erfordern und auf die sie zielen. Gerade deswegen ist aber zu befürchten, daß sie unter Einsatz ihres gesamten technischen Arsenals an Bomben und Zerstörungskraft versuchen werden, ein Macht- und Ausbeutungsverhältnis aufrechtzuerhalten, dem zunehmend die materielle und soziale Basis fehlt.
Fußnote: